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Eustachius war nunmehr wieder so glücklich, als es sich ein Mensch auf Erden nur immer wünschen kann. Er hatte mächtige Feinde besiegt und wurde überall als Sieger mit frohem Jubel begrüßt; er hatte seine geliebte Gemahlin wiedergefunden und in den edelsten Jünglingen unter dem Heere mit unaussprechlicher Vaterfreude unerwartet seine verlorenen zwei Söhne erkannt; er war auf dem Wege nach Rom, wo das erfreute Römervolk schon Anstalten traf, ihn im Triumphe aufzunehmen.
Wenn diese Geschichte nur erfunden wäre, den Leser zu unterhalten, so müßte sie mit diesem triumphierenden Einzuge notwendig schließen; allein um der Wahrheit getreu zu bleiben, darf eine Begebenheit nicht verschwiegen werden, über die zwar jedes fühlende Herz die tiefste Betrübnis empfinden muß, die aber in den Augen des wahren Christen groß und herrlich ist und bei allen traurigen Empfindungen, die sie erregt, zugleich hohen Trost gewährt. Anstatt des Lorbeerkranzes, womit der Kaiser den edlen Krieger schmücken wollte, wartete seiner noch eine herrlichere Siegeskrone.
Ehe Eustachius in Rom ankam, starb Kaiser Trajan. Adrian, ein naher Verwandter und angenommener Sohn des verstorbenen Kaisers, gelangte zur Regierung. Dieser neue Kaiser war ein sehr heftiger Anhänger der heidnischen Vielgötterei, und die Lehre der Christen, es sei nur ein Gott, war ihm höchst verhaßt. Überdies war er noch sonst sehr abergläubisch, der Sterndeuterei und Wahrsagerei ergeben und von finsterer, grausamer Gemütsart. Eine besondere Angelegenheit machte er sich daraus, den Ruhm seines Vorfahren und Wohltäters Trajan zu verdunkeln, und wo es nur immer anging, eine ganz entgegengesetzte Regierungsart einzuführen. Er ließ daher auch die Christen aufs neue mit großer Wut verfolgen.
Kaiser Trajan hatte die Christen früherhin zwar auch grausam verfolgen lassen. Unzählige wurden auf eine schauerliche, schmerzvolle Art hingerichtet. Unter andern wurde Ignazius, Bischof zu Antiochia, ein Jünger des heiligen Apostels Johannes, auf Trajans Befehl nach Rom gebracht und dort den wilden Tieren vorgeworfen, die ihn auch sogleich auffraßen und nur einige Gebeine von ihm übrigließen.
Allein späterhin hatte Kaiser Trajan, wie es scheint, eine bessere Meinung von den Christen gefaßt. Die günstigen Berichte der Statthalter und Landpfleger mögen vieles dazu beigetragen haben. Es ist noch ein Brief des berühmten Plinius, Statthalters in Bythinien, auf unsere Zeit gekommen, in dem ein sehr rühmliches Zeugnis für die Christen enthalten ist. Plinius sagt darin, daß er sowohl von denen, die aus Furcht vor der Todesstrafe den christlichen Glauben verließen, als von denen, die auf der Folter ihrem Glauben getreu blieben, nichts habe herausbringen können, als daß sie an einem bestimmten Tage der Woche sich vor Sonnenaufgang versammelten, ihrem Christus, den sie als einen Gott verehrten, einen Lobgesang anstimmten und dann feierlich angelobten, nichts Böses zu tun, keinen Diebstahl, Raub oder Ehebruch zu begehen, ihr gegebenes Wort heilig zu halten und anvertrautes Gut, sobald es verlangt werde, getreulich wieder zurückzustellen; darauf seien sie auseinandergegangen, hätten sich aber an diesem Tage noch einmal zu einer gemeinschaftlichen Mahlzeit, jedoch in aller Ehrbarkeit und Unschuld versammelt; aber auch dieses hätten sie unterlassen, sobald auf Befehl des Kaisers alle Versammlungen dieser Art verboten worden.
Kaiser Trajan milderte, wie wir auch aus seiner Antwort an Plinius ersehen, die Verfolgung der Christen. Er hob zwar, vielleicht bloß aus Staatsklugheit die Todesstrafe nicht gänzlich auf; allein er verbot, von nun an die Christen aufzusuchen oder auszuforschen, wer ein Christ sei, oder sogleich auf jede Anklage zu achten. Wenn es ihm auch bekannt war, dieser oder jener sei ein Christ, so tat er nicht dergleichen, als wüßte er's, und wie es scheint, war es ihm sehr lieb, wenn die Sache nicht weiter zur Sprache kam. Die Verfolgungen hörten beinahe ganz aus. Kaiser Adrian aber, der in der Folge sogar an den Stellen, wo Jesus Christus geboren wurde, wo er am Kreuze starb und wo er auferstand, Götzenbilder errichten ließ, legte sogleich bei dem Antritte seiner Regierung den Haß gegen die Christen an den Tag. Das Feuer der Verfolgungen, das beinahe erloschen war, loderte aufs neue empor, viele Christen wurden gefoltert und aufs grausamste ermordet. Es erscholl wieder, wie früherhin, das furchtbare Geschrei des wütenden Heidenvolkes: »Werft die Christen den Löwen vor!«
Als Eustachius zu Rom ankam, nahm Kaiser Adrian den siegreichen Feldherrn sehr gütig auf, lobte ihn wegen der überreichten Siegeszeichen, versicherte ihn seiner Gnade und überhäufte ihn mit Geschenken. Der Kaiser ordnete hierauf ein Siegesfest an und stand an dem dazu bestimmten Tage wirklich schon bereit, sich mit großer Pracht und zahlreichem Gefolge in den Tempel zu begeben und seinen Göttern ein feierliches Opfer zu entrichten. Eustachius sollte ihn begleiten, um dort an den Altären der heidnischen Götter Weihrauch in die Glut zu streuen und dann aus der Hand des Kaisers den Lorbeerkranz zu erhalten. Allein Eustachius weigerte sich, den Kaiser dahin zu begleiten und die Schwelle des Tempels zu betreten.
Eustachius antwortete freimütig und furchtlos: »Mein Kaiser! Ich bin ein Christ. Der Gott, den wir Christen anbeten, verlieh mir durch seinen Sohn Jesus Christus den Sieg; er gab mir meine Gemahlin und meine Söhne wieder zurück. Ihm allein bin ich Dankopfer schuldig. Niemals werde ich deine Götter anbeten; sie sind nur eitle Traumbilder menschlicher Einbildungskraft, oder leblose Götzen, von Menschenhand aus Stein oder Erz gebildet. Ich bete den wahrhaftigen und lebendigen Gott allein an, der Himmel und Erde geschaffen und seinen eingeborenen Sohn in die Welt geschickt hat, die Menschen von Irrtum und Sünde, Elend und Tod zu erlösen.«
Der Kaiser glühte vor Zorn; so aufgebracht er aber war, so hielt er sich noch zurück und stellte sich freundlich. Er mochte es für unschicklich, ja zurzeit noch für gefährlich halten, den rühmlichen Sieger schmählichen Strafen zu unterwerfen. Er wollte erst versuchen, was Schmeicheleien und Versprechungen über ihn vermöchten. Er bot seine ganze Beredsamkeit auf; allein Eustachius blieb unbeweglich. Der Kaiser entließ ihn ohne ein besonderes Zeichen seiner Ungnade; er verabredete aber heimlich mit einigen vornehmen Römern und Römerinnen, die mit Eustachius und Theopista aufgewachsen waren, sie sollten es dahin zu bringen suchen, daß Theopista und ihre Söhne den geliebten Gemahl und Vater mit Tränen in den Augen und auf ihren Knien bitten möchten, sich durch seinen unbeugsamen Sinn nicht dem Zorne des Kaisers auszusetzen, sondern den Göttern zu opfern.
Die fromme Gemahlin und die edlen Söhne schauderten vor einem solchen Antrage, der jedem besonders gemacht wurde, einmütig zurück; alle waren fest entschlossen, lieber zu sterben, als Gott und Jesum Christum zu verleugnen. Ohne daß eines um das andere wußte, kamen sie bei Eustachius zusammen und erzählten ihm, was vorgegangen war. Vater, Mutter und Söhne bestärkten einander in dem Entschlusse, zu sterben; denn sie waren nunmehr überzeugt, daß Gott sie deshalb wieder lebend zusammengeführt habe, um einander zu ermuntern, Gott und ihren Erlöser durch ihren Tod zu verherrlichen.
Als der Kaiser sah, der Weg der Güte, alle Schmeicheleien und Versprechungen, alle Reize, die Ehre, Reichtum und Wollust für gewöhnliche Menschen haben, seien hier vergebens angebracht, versuchte er es, den Eustachius und seine Familie durch Drohungen zu schrecken. Er ließ den Eustachius rufen und sprach zu ihm: »Wie ich höre, hast du dich noch nicht eines Bessern besonnen; auch deine Gemahlin und deine Söhne sollen, wie man sagt, so halsstarrig sein, wie du. Gehorche meinen Befehlen, oder ich werde dich nebst Weib und Kindern dem Richter übergeben und dem Gerichte seinen Lauf lassen. Rechne darauf, es wartet dann auf euch ein gräßlicher Tod.«
Der Kaiser forderte ihm im größten Zorn die Ehrenzeichen der Feldherrnwürde ab, befahl der Wache, ihn in das Gefängnis zu führen und auch Theopista und die beiden Söhne gefangen zu nehmen. Sie wurden vor Gericht gestellt. Eustachius, seine Gemahlin und seine Söhne legten mit aller Freimütigkeit das Bekenntnis ab, sie seien Christen und wollten als Christen leben und sterben. Sie wurden verurteilt, den wilden Tieren vorgeworfen zu werden.
Der Schauplatz war ein ungeheuer großer, runder Platz, der mit Sand bestreut war; steinerne Bänke, eine immer höher als die andere, zogen sich in weiten Kreisen umher und erhoben sich, geräumig genug, Hunderttausende von Menschen zu fassen, bis zu beträchtlicher Höhe. Der schreckliche Tag brach an. Eine unzählige Menge von Menschen erfüllte die steinernen Sitze von unten bis oben, um da, außer Gefahr, dem schrecklichen Schauspiele zuzusehen. Der edle Feldherr Eustachius, seine Gemahlin und seine Söhne wurden unter einer Bedeckung von Soldaten gebracht. Die Gerichtsdiener stellten sie in die Mitte des Schauplatzes und entfernten sich. Die heldenmütigen Seelen aber freuten sich, auf eben dem Platze, wo einst Ignazius unter den Zähnen wilder Tiere blutete, die Märtyrerkrone zu erlangen.
Das rohe Heidenvolk forderte mit furchtbarem Geschrei und tobendem Ungestüm, man solle die wilden Tiere loslassen. Die Fallen der Tierbehältnisse wurden aufgezogen; vier furchtbare Löwen stürzten hervor. Allein sie taten den Gefangenen nichts zuleid; sie schmiegten sich vielmehr wie sanfte Lämmer zu ihren Füßen. Das Volk ging unzufrieden und murrend auseinander.
Der Kaiser war über diesen Ausgang sehr unwillig; Eustachius und seine Leidensgefährten wurden zu einer andern, noch gräßlicheren Todesart verurteilt. Sie sollten in einem ungeheuren Ofen, der nach einer bekannten grausamen Erfindung von außen die Gestalt eines wilden Stieres hatte, verbrannt werden. Die Märtyrer wurden gebracht, um durch eine Seitentür in den Ofen geworfen und darin verschlossen zu werden. Eustachius blieb in der Nähe des glühenden Ofens stehen, erhob Augen und Hände zum Himmel und betete mit lauter Stimme, und seine Söhne und ihre Mutter beteten in der Tiefe ihres Herzens mit.
Eustachius, seine Gemahlin und seine Söhne wurden nun in den Ofen geworfen und waren wohl augenblicklich des Todes. – –
Nachdem die Verfolgung der Christen, die noch zwei Jahrhunderte währte, endlich aufgehört hatte, erbaute man in der Gegend von Tibur, jetzt Tivoli genannt, an eben der Stelle, wo Eustachius einst auf der Jagd die himmlische Erscheinung gesehen hatte, eine Kapelle; über dem Grabe, in dem die Gebeine des heiligen Eustachius, seiner Gemahlin und seiner zwei Söhne ruhen, wurde jedoch eine Kirche erbaut.