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9. Der Krieg.

Als Eustachius sich mit den zwei Kriegsmännern wieder allein sah, setzte er sich mit ihnen wieder an den Tisch. Die Bäuerin hatte indessen den Hirschbraten nebst anderen dazu gehörigen Speisen und allerlei Gebackenem aufgetragen. »Esset nun, meine Freunde, und erfreut euer Herz mit Wein!« sprach Eustachius freundlich, indem er wieder einschenkte. Allein Antiochus sagte mit einem Seufzer: »Ach, unser Herz ist schon gesättigt von Freud und Leid, bis zum Zerspringen. Wie könnten wir jetzt essen und trinken?« Akazius gab ihm recht.

»Nun denn,« sprach Eustachius, »vielleicht mögt ihr später etwas genießen. Allein vor allem andern erzählt mir jetzt, wie geht es den Christen, unsern geliebten Brüdern und Schwestern? Werden sie noch immer so schrecklich verfolgt?«

»Nein,« sagte Akazius. »Der Kaiser scheint den Christen nicht mehr so abhold wie ehemals. Die Statthalter und Richter merkten wohl auch, durch die Verfolgung der Christen geschehe ihm kein Dienst, und die Verfolgung hat deshalb sehr nachgelassen und in manchen Gegenden ganz aufgehört.«

»Nun, Gott sei Dank!« sprach Eustachius; »er wolle seiner Kirche bald vollkommenen Frieden schenken. Jetzt möchte ich aber noch eines wissen. Ihr sprachet vorhin von Aufträgen, mich aufzusuchen. Wie ist es damit?«

»Ach ja,« rief Akazius; »die Freude, dich wiederzusehen, und der Jammer um deine Gemahlin und deine Söhne brachten mir alles andere, sogar den Auftrag des Kaisers an dich, ganz aus dem Sinn. Höre denn! Seit du zwischen diesen Felsen und Wäldern wohnest, hat sich in der Welt vieles zugetragen, wovon du nichts innegeworden. Die Parther, die du einst so rühmlich besiegt hast, haben die Friedensbündnisse mit Rom gebrochen. Mit großer Heeresmacht drangen sie über den Grenzfluß des römischen Gebietes, den Hydaspes, drängten die römischen Kriegsscharen überall zurück und verheerten das ganze Land weit und breit mit Feuer und Schwert. Ein Eilbote nach dem andern kam nach Rom mit den dringendsten Bitten um Verstärkung, da sonst alles verloren sei. Der Kaiser mochte sich in großer Verlegenheit befinden. Er hat seine Eroberungen zu weit ausgedehnt und hat nun Mühe, sie alle zu behaupten. Indes ließ er mehrere Kriegsscharen, und auch die Legion, unter der wir dienen, zusammenrufen. Er selbst erschien vor dem versammelten Heere. Er forderte die Soldaten auf, eingedenk ihres alten Ruhmes, dem römischen Namen Ehre zu machen. Allein mehrere Hauptleute und Gemeine riefen laut auf: »Kaiser, gib uns unsern Feldherrn Plazidus zurück, so wollen wir Hunderttausende von Parthern schlagen wie einen Mann.« Der Kaiser schien betroffen. Er sagte: »Ich habe bereits an alle Statthalter und Landpfleger in dem römischen Gebiete meine Befehle erlassen, um nach ihm zu forschen. Getraut sich einer aus euch, ihn aufzufinden, so trete er hervor, und ich werde den, der mir den trefflichen Feldherrn wiederbringt, herrlich zu belohnen wissen.« Mehrere Soldaten und auch wir zwei traten hervor. Wir wußten ja, daß du im Sinne hattest, nach Ägypten zu ziehen, und hofften dich dort oder in den benachbarten Gegenden zu finden. Wir erhielten sogleich offene kaiserliche Vollmachtsbriefe an alle Landpfleger und Kriegsobersten, uns in unserm wichtigen Geschäfte, auf dem das Wohl des Reiches beruhe, zu unterstützen, und den achtungswürdigen Feldherrn Plazidus, wenn je den Römern das Glück beschieden wäre, ihn wieder zu finden, mit den ihm gebührenden Ehrenbezeigungen unverzüglich nach Rom zu befördern. Diese Briefe verwahre ich hier auf meiner Brust, und du magst sie, vom Kaiser eigenhändig unterzeichnet, nun selbst lesen.« Er nahm sie heraus und legte sie dem Eustachius vor.

»Und nun,« rief Antiochus flehend, »vergiß der Unbilden, die dir auf römischem Boden begegneten, und komm mit uns! Die Brust vieler tausend tapferer Krieger schlägt dir entgegen. Selbst der Kaiser wird dich mit hoher Freude aufnehmen. Wenn du wieder an der Spitze unseres Heeres stehest, werden wir siegen, der erfreuten Welt den Frieden schenken und mit Lorbeeren bekränzt aus dem Felde zurückkehren.«

Eustachius sprach: »Es ist eine augenscheinliche Fügung der göttlichen Vorsehung, daß ihr diesen meinen verborgenen Aufenthalt gefunden, und bevor ihr noch in das Dorf hereinkamet, sogleich mich vor allen andern Einwohnern zuerst angetroffen habt. Gott hat eure Tritte hierher gelenkt, und ich halte es für meine Pflicht, meinem Vaterlande zu dienen und Blut und Leben daran zu setzen, es zu retten. Seid ruhig; morgen am Tage ziehe ich mit euch. Wie ich das Schwert willig mit der Pflugschar vertauschte, weil ich dafür hielt, es sei der Wille Gottes; so bin ich, da ich es abermals für den Willen Gottes erkenne, bereit, den Pflug zu verlassen und wieder zum Schwerte zu greifen; nicht um friedliche Völker zu überfallen, sondern um tausend ruhige Familien, manche Unschuld, manche Mutter mit ihren Kindern vor dem Übermut der Feinde sicher zu stellen. Mit Gottes Hilfe soll bald kein parthischer Krieger mehr römische Felder verwüsten, kein feindliches Roß mehr aus unsern Bächen trinken.«

Am andern Morgen, sogleich nach Anbruch des Tages, trat Eustachius mit den zwei Soldaten aus seiner Hütte hervor, um von den Einwohnern des Dorfes Abschied zu nehmen. Es war bereits eine ganze Schar derselben vor seiner Türe versammelt. Denn die Nachricht, zwei gute Freunde von ihm seien gekommen, ihn zu besuchen, er selbst aber sei ein berühmter Feldherr, hatte sich sogleich durch das ganze Dorf verbreitet. Die guten Leute bezeigten ihm ihre Teilnahme und Freude und begrüßten die zwei Krieger auf das freundlichste. Allein, da Eustachius ihnen jetzt ankündete, daß er sie nunmehr verlassen, ja diese Stunde noch abreisen müsse, verwandelte sich ihre Freude plötzlich in lauten Jammer. Auch die übrigen Bewohner des Dorfes liefen zusammen, und alle weinten und jammerten, als würde eben seine Leiche aus der Hütte getragen. Eustachius tröstete sie und sprach: »Weinet nicht, es ist nun einmal Gottes Wille, daß wir scheiden. Bewahrt Glaube, Hoffnung und Liebe, so werden wir uns dort oben im Himmel wiedersehen. Indessen lebet wohl, und der Herr sei mit euch!«

Der ehrwürdige Greis Klemens, den Eustachius zuerst kennen gelernt, und der nunmehr der älteste Mann im Dorfe war, trat ihm jetzt näher, bot ihm mit Tränen in den Augen die Hand und sagte: »Gott hat dich hierher geschickt und dich so lange unter uns wohnen lassen, damit du dieses sein Volk zur Erkenntnis der Wahrheit brächtest und in allem Guten unterrichtetest. Er ist es, der dich nun wieder abruft, und so können wir nichts dagegen sagen. Sein Wille geschehe! – Ich danke dir im Namen aller hier für alle Liebe, die du uns diese fünfzehn Jahre hindurch erwiesen hast, und der Herr vergelte es dir!«

Alle stimmten laut weinend in diesen Dank mit ein; alle kamen herbei, und jedes wollte ihm mit Mund und Hand noch besonders danken. Greise mit grauen Haaren reichten ihm die abgezehrte Rechte, und kleine Kinder, auf den Armen der Mütter, boten ihm, von den Müttern ermahnt, die zarten Händchen dar. Alle begleiteten ihn eine große Strecke Weges, und erst auf seine wiederholten Bitten und Ermahnungen blieben sie zurück.

Eustachius reiste vorerst zu dem Landpfleger, der über jene Gegenden gesetzt war. Als der Landpfleger den Mann in Bauerntracht, von zwei Bewaffneten begleitet, hereintreten sah, meinte er anfangs, die Soldaten brächten ihm einen Gefangenen. Da er aber vernahm, dieser ländlich gekleidete Mann sei der so schmerzlich vermißte Feldherr, ergriff ihn das höchste Erstaunen. Er grüßte ihn mit großer Ehrerbietigkeit und machte sogleich Anstalt, daß Eustachius seines Ranges gemäß gekleidet und mit Waffen versehen würde; auch sorgte er für Pferde und gab ihm noch ein ansehnliches Gefolge von Reiterei zur Bedeckung mit bis an das Meer. Hier lagen immer noch einige Schiffe zum Dienste des Kaisers bereit, und Eustachius schiffte sich unverzüglich ein.

Nach einer sehr glücklichen Reise, sowohl zu Land als zur See, kam Eustachius an dem kaiserlichen Hofe an und ließ sich bei dem Kaiser melden. Der Kaiser saß eben im Staatsrate, und war mit sehr wichtigen Staatsangelegenheiten beschäftigt; allein sobald er vernahm, sein sehnlich erwarteter Feldherr sei angekommen, sprang er auf, warf die Schriften, die er eben in der Hand hielt, auf den Tisch und eilte, ungeachtet seiner hohen Würde, ihm mit offenen Armen entgegen. Er führte ihn an seinem Arme in den Saal und fragte sehr gütig: »Wie ist es dir, mein lieber Feldherr, denn bisher, seit du nicht mehr auf deinen Gütern wohnest, ergangen, und wie befinden sich deine Gemahlin und deine Söhne?« Als der Kaiser ihr schreckliches Schicksal vernahm, ward er sehr erschüttert; sein Gewissen machte ihm die bittersten Vorwürfe, daß er einen solchen Mann einem solchen Elende preisgegeben habe; endlich sagte er: »Das einzige, was unsere große Betrübnis etwas mildern kann, ist dies, daß wir dich nun einmal wieder haben. Ich ernenne dich hiemit zum Feldherrn über mein Kriegsheer, das gegen die Parther einen harten Kampf zu bestehen hat. In deine Hand lege ich das Wohl des Reiches. Das ganze Kriegsheer hat nur den einen Wunsch, dich wieder an der Spitze zu sehen; nur unter deiner Führung hofft es, die Feinde Roms zu demütigen, den Ruhm der römischen Waffen wiederherzustellen und den Frieden zu erobern. Zieh denn hin, dieses alles auszuführen, und meine besten Wünsche begleiten dich!« Der Kaiser legte ihm hierauf die Ehrenzeichen der Feldherrnwürde selbst um und gab ihm den Befehlshaberstab in die Hand. In ganz Rom war über die Zurückkunft und Wiederanstellung des verehrten Feldherrn die aufrichtigste Freude.

Eustachius eilte den Grenzen des Reiches zu und langte bei dem Kriegsheere an. Das Heer grüßte ihn mit lautem Jubel und fühlte sich von neuem Mute belebt. Der treffliche Feldherr erkannte mit dem ersten Blick, das Heer sei zu geschwächt und zu zerrüttet, um die unermeßliche Menge der Feinde mit glücklichem Erfolg anzugreifen. Der Feind hatte seine vorzügliche Stärke in der Reiterei, die der römischen nicht nur an Zahl, sondern auch an vortrefflichen Pferden und gewandten Reitern weit überlegen war. Eustachius beeilte sich, seinem Heere zwischen Felsen, Wäldern und Morästen eine solche Stellung zu geben, daß der Feind von seiner zahlreichen Reiterei wenig Gebrauch machen und trotz aller Anstrengungen keinen Schritt mehr vorwärts dringen konnte. Indes kam bei dem römischen Heere mit jedem Tage frische Mannschaft an, die in allen Städten und Dörfern des Reiches ausgehoben worden. Der Feldherr musterte sie immer selbst, war fast immer zugegen, wenn sie in den Waffen geübt wurde, wählte die kräftigsten und tapfersten Männer aus und bildete aus ihnen, vereint mit alten versuchten Soldaten, seine Satelliten, oder wie man jetzt sagen würde, seine Leibwache und Garde, die in dem entscheidenden Augenblick der Schlacht den Ausschlag geben sollte. Nachdem er in mehreren kleinen Gefechten, die täglich vorfielen, die jüngern Soldaten mit der Art, zu streiten, die dem Feinde eigen war, vertraut gemacht und alles wohl vorbereitet und berechnet hatte, gab er den Befehl, den Feind plötzlich und überall anzugreifen. Der Feind, durch das lange Zögern eingeschläfert und sicher gemacht, nahm in wilder Verwirrung die Flucht, leistete aber bald, durch neue Scharen verstärkt, kräftigen Widerstand. Allein jetzt gab Eustachius Befehl, sich in guter Ordnung zurückzuziehen. Mancher alte Soldat murrte; indes gehorchte er. Eustachius kannte die parthischen Reiter. Sie hatten das eigene, wenn sie flohen, setzten sie sich verkehrt auf das Pferd, wandten ihr Angesicht ihren Feinden zu und richteten oft fliehend mit ihren scharfen Pfeilen eine größere Niederlage an als im Vorrücken und offenbaren Angriff. Nachdem die Römer einige Meilen weit gewichen waren, gebot der Feldherr, haltzumachen und aufs neue anzugreifen. Er hatte die Feinde durch seinen gut berechneten Rückzug in eine Lage gebracht, wie er es wünschte. Sie flohen – allein ein großer Teil des römischen Heeres stand ihnen nunmehr im Rücken; unzählige Spieße starrten ihnen entgegen und bildeten eine eiserne Mauer, die sie nicht zu durchbrechen vermochten. Viele Pferde rannten in die vorgehaltenen Spieße; andere bäumten sich hoch auf, stürzten rückwärts zu Boden und erdrückten die Reiter. Zu beiden Seiten aber befanden sich steile Berge und tiefe Moräste. Die Bestürzung der Feinde war unermeßlich. Voll Verzweiflung machten sie einen wütenden Angriff auf die Schar, unter der sich der Feldherr, dem sie all ihr Unglück zuschrieben, befand, und brachten sie in Unordnung. Allein augenblicklich kamen ihm die zwei nächsten Scharen zu Hilfe, deckten ihn mit ihren Schildern gegen die Wolken feindlicher Pfeile und schafften ihm Raum, seine Befehle wieder ruhig zu erteilen. Die Feinde erlitten eine gänzliche Niederlage. Die Anzahl der Gefangenen war unermeßlich. Ihr ganzes Lager ward erobert, und alle Schätze, die sie bisher geraubt hatten, wurden ihnen wieder abgenommen.

Eustachius ließ nun das Heer über den Grenzfluß Hydaspes gehen und die feindlichen Städte und festen Plätze, die ganz von Truppen entblößt waren, besetzen. Die Feinde, die bisher das römische Gebiet beunruhigt hatten, fühlten nun keinen anderen Wunsch mehr, als selbst Ruhe und Frieden zu erhalten. Eustachius entwaffnete die Gefangenen und gab sie frei. Ihre Fürsten und Anführer behielt er als Geiseln. Er schrieb den Frieden mit solcher Klugheit vor, daß es den Parthern unmöglich war, fernerhin das geringste gegen die Römer zu unternehmen. Alles war die Folge der einzigen Schlacht und das Werk weniger Tage. Er versammelte nun das römische Heer, bezeigte ihm seine Freude über die erkämpften Lorbeeren und kündete den Soldaten an, daß er sie unverzüglich nach Rom zurückführen werde, dabei aber nur bedaure, daß noch eine Anzahl so braver Männer als Besatzung zurückbleiben müsse. Die Soldaten erhoben ein Freudengeschrei, und das Lob des Feldherrn erscholl bis an die Wolken. Allein Eustachius lobte nur Gott, den Herrn der Heerscharen, daß er ihm einen so herrlichen Sieg verliehen habe.


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