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Einsam, langsam der Ritt zurück nach Berlin W ... Deine Heimat, Werner Wiebeking, du Sohn des Goldenen Westens ... du Erbe des reichen Mannes.
Und drüben Berlin O – deine Wahlheimat für ein Vierteljahr. Und der Berliner Osten mahnt: Komm – folge mir ins dunkle Land hinab – du Garagenschlosser Werner.
Und von drüben, über die Alpen, weht ein weicher Wind: Kennst du das Land ... das Land für Liebende ... du Verliebter?
Und man wird das Gewissen nicht los – die Pflicht des Sonntagskinds an den Mühsamen ... Und man wird die Liebe nicht los ... Herrgott ... man ist doch selber auch ein Mensch ...
Nun eine beides, Werner Wiebeking! ...
Der Dr.-Ing. Wiebeking stieg vor dem Haus der Eltern ab und gab den Gaul dem Gärtner zum Heimführen in die Pensionsstallung. Innen, in der Halle, kam, auf sein leises Sporenklirren, die kleine Geheimrätin ihm entgegen, den feinen, silbergrauen Kopf von Unmut bewölkt.
»Also kein Lebenszeichen von deiner lieben Schutzbefohlenen! Einfach davon! Es soll mir eine Lehre sein! Und du sei künftig vorsichtiger, wen du mir angeschleppt bringst! Noch einmal kommt sie mir nicht ins Haus! Das bitte ich mir aus!«
»Diese Sorge werde ich dir sofort abnehmen, Mama!« Der Sohn trat an den Fernsprecher und ließ sich verbinden. »Ist dort ...«
»Hier bei Krügern?« tönte es heiser durch den Draht. »Wat is denn?«
»Spreche ich mit Herrn Krüger selber?«
»Den Vorzug jenießense, Herr ...«
»Hier Wiebeking! Ihre Stieftochter, die Fränze, ist also glücklich heute nacht wieder zu Ihnen zurück ...«
»Wat?«
»Dem Mädchen ist nicht zu helfen! Also behalten Sie sie jetzt bitte! Wir verzichten ...«
»Die Fränze ...«
»Ihre Sachen werden heute zu Ihnen geschickt. Und damit Schluß ...«
»Herr ... hier bei mich, ihrem ollen, ehrlichen Vater, is die Fränze nich! Gott weiß, wo die sich 'rumtreibt und mit wem?«
»Nanu ...«
»... und wer da drüben an der Strippe hängt! Bei Wiebekings is det sicher nich! Det merke ich schon an Ihrer Schnapskehle! ... Biste einer von der Kolonne? Wo haste denn die Fränze verstochen – he ...«
Werner Wiebeking hängte ab. Er ging hinüber in das Arbeitszimmer seines Vaters. Der Geheimrat saß mit zwei Herren, einem Kleinen und einem sehr Dicken, an dem riesigen Tisch. Halb mannslange Kartonrollen lagen und standen zwischen ihnen umher.
»Ich habe die Grundrisse der jetzigen Panzergewölbe im Hauptgeschäft schon vorgestern abend hierherschaffen lassen, damit Sie heute gleich im Bilde sind!« sagte er zu den Architekten. »Das ist also der jetzige Status, der mir nun einmal nach den nächtlichen Erfahrungen der letzten Zeit ungenügend erscheint ...«
»Wir dachten schon daran, den ganzen Tresor nach amerikanischem Muster auf Säulen zu setzen, Herr Geheimrat, um den Knackern die Anlage eines Tunnels unmöglich zu machen!«
»Jedenfalls möchte ich mit einem ganz modernen Umbau sofort beginnen – und wenn alle Weisen von Berlin mir schwören, daß ein Einbruch in eine Hauptbank ein Ding der Unmöglichkeit ist! ... Was hast du, Werner?« Der Vater drehte den energischen, bärtigen Graukopf zur Tür. »Ich bin augenblicklich sehr beschäftigt!«
»Ich muß dich leider stören! Denk' mal, die kleine Häselich ...«
»Bitte – laß mich mit diesem Frauenzimmer in Ruhe!« sagte der Geheimrat ärgerlich. »Ich hatte euch in Gottes Namen nachgegeben! Ich wasche meine Hände in Unschuld! Seid froh, daß ihr sie wieder los seid!«
»Aber ...«
»Ich habe wirklich Wichtigeres im Kopf als dies Mädchen aus der Fremde, auf das du 'reingefallen bist! Ich wünsche davon nichts mehr zu sehen und zu hören!«
»Herr Kriminalkommissar Dürisch!« meldete der Diener.
»Was will er?«
»Es sei dringend wegen des Fräulein Häselich!«
»Werde ich denn dieses Geschöpf nicht los?« Der kleine Geheimrat sprang erbittert auf. »Ich halte doch hier keine Rettungswache für jugendliche Verwahrloste! Augenblick, bitte – meine Herren! Komm mit, Werner! Du bist an der ganzen Pastete schuld!«
Und, als er im Nebenzimmer dem schnurrbärtigen Herrn in unauffälliger Bürgerkleidung gegenübersaß, ungeduldig mit den Fingern auf den Knieen trommelnd:
»Ich glaube, Herr Kommissar, daß fünf Minuten meiner Zeit für das deutsche Wirtschaftsleben wichtiger sind als diese ganze Hasenfratz oder wie heißt sie? – zusammen ...«
»Ich höre erst heute morgen – leider hat mein Vigilant sich nachts in der entscheidenden Zeit durch zwei Helfershelfer der Häselich ablenken lassen –, daß sie sich nachts aus Ihrem Haus entfernt hat!«
»Ab für Sie!«
»... bei Ihrem Stiefvater ist sie, wie ich mich selbst überzeugte, nicht eingetroffen! Wo ist sie?«
»Ja – da erlassen Sie bitte ein Preisausschreiben!« Der Geheimrat sah auf die Uhr. »Entschuldigen Sie mich jetzt! Besprechen Sie gütigst das Weitere wegen dieser mikroskopischen Existenz mit meiner Frau! Ich muß wieder in meine Konferenz!«
»Wenn ich das vorausgeahnt hätte, gnädige Frau!« sagte der Kriminalkommissar höflich, aber vorwurfsvoll, »daß die Überwachung in Ihrem Hause so lax gehandhabt würde ...«
»Ja – mir ist es ja auch schrecklich ... ich war nicht da ...«
»... dann hätte ich die junge Person, so peinlich es mir gewesen wäre, lieber gleich verhaftet. Nun ist sie mir bis auf weiteres entwischt, und wir dürfen ihre Spur wie eine Stecknadel in Berlin suchen – eine Spur, die unterirdisch Gott weiß wohin überall führt ...«
»Finden Sie sie nur, ehe ein Unheil passiert!«
»Ich werde mein Bestes tun! Die Flucht der Häselich ist auch für Sie nicht unbedenklich, gnädige Frau – nachdem das Mädchen jetzt in Ihrem ganzen Hause Bescheid weiß. Ich empfehle Ihnen jedenfalls für die nächste Zeit größte Vorsicht!«
»Besonders mir gegenüber, Mama!« sagte Werner Wiebeking lachend, als der Kommissar das Zimmer verlassen. »Er ist sich nämlich immer noch nicht ganz sicher, ob ich nicht am Ende der Ale bin!«
»Ist er denn bei Trost?«
»Ich werde auch von andern Leuten dafür gehalten! Zum Beispiel von einem Obstfräulein im Osten! Na – ich mache mich jetzt schleunigst auf den Weg!«
»Wohin?«
»Ich habe das Mädchen hierhergebracht!« Der Sohn fuhr in einen billigen Mantel und stülpte sich einen alten Filz auf den strohblonden Stoppelkopf. »Ich trage die Verantwortung. Gott sei Dank sind mir die Kreise der Fränze da draußen nicht fremd. Ich bin Stammgast in ihrer wenig salonfähigen Welt. Ich muß mal selber nachsehn, wo sie eigentlich geblieben ist!«