Kurt Faber
Weltwanderers letzte Fahrten und Abenteuer
Kurt Faber

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Südsee – Ostasien – Sowjetrußland

(August bis November 1928)

»Aloha«, »Lei« und ein königliches Hotel

Honolulu, im August

Ein bedeutender Posten im Haushalt des hawaischen Volkes ist die Fremdenindustrie. Es ist eine blühende, gut organisierte Industrie, und man muß ihnen nachsagen, daß sie verstehen, wie man so etwas macht. Schon während der ganzen Überfahrt von SamoaBis dahin sind die Erlebnisse geschildert in dem Buch: »1001 Abenteuer«. waren wir gefüttert und überfüttert worden mit smaragdgrünen Inseln, silbernen Monden, opalblauen Seen und was sonst noch zum Klischee der Reklamezeitung einer Südseeinsel gehört. Nun fuhren wir beim Morgengrauen in den Hafen von Honolulu ein, und siehe, es war alles wie auf den Reklamebildern: Blauer Himmel, blaue See, umrahmt von dunkelgrünen Bergen. Nur der mächtige Mount-Tantalus hüllte verdrießlich sein Haupt in Wolken, als ob die Morgensonne seine Augen blendete. Braune Kanakajungen, glatt wie Aale, sprangen vom Kai ins Wasser und tauchten nach zugeworfenen Geldstücken, die sie mit nie fehlender Sicherheit zwischen den weißen Zähnen ans Tageslicht beförderten.

Anderwärts, z. B. in Teneriffa, sieht man das auch, aber hier tauchen sie nach Dollars wie dort nach Pennies, und es ist nicht eben ein »Aloha«, das sie einem zurufen, wenn man ihnen ein Zehncentstück oder einen Vierteldollar zuwirft.

»Aloha!« auf Deutsch etwa »Grüß Gott!« das ist die große Parole in Hawai, das Wort, das einen verfolgt auf allen Wegen. Über dem Kai steht der mächtige Alohaturm, zu dessen Füßen uns ein Chor von wirklich recht hübschen Kanakamädchen mir ihren Ukulales (Stahlgitarren) begrüßt:

»Aloha! Aloha!«

So weit, so gut. Aber dann kommt etwas Schreckliches: Wahrend man eben über das Fallreep geht, den Kopf voll von tausend Geschäften, da hängen sie einem einen Kranz um den Hals, der einen ausschauen macht wie einen prämiierten Pfingstochsen, einen wunderschönen Kranz aus wilden Ingwerblüten, deren Duft berauschend in die Nase steigt. So etwas nennt man einen »Lei«. Das ist polynesische Art, die mit zum Zauber der Südsee gehört. Aber in Hawai hat man den Eindruck, daß sie hier, gemäß der ungestümen Yankeeart, ein gutes Ding zu Tode hetzen.

– Ja, es ist rührend, wie diese mit keinerlei Tradition belasteten Menschen sich doch daran klammern und wie bärenhaft sie sich dabei anstellen! Der Gebrauch, Mißbrauch und Verbrauch von Leis in Honolulu ist ungeheuer. Man sieht sie bei Kindtaufen, Todesfällen, Hochzeiten, Scheidungsprozessen, oder wenn einer Geburtstag hat oder zum Zahnarzt geht und wieder herauskommt. Der Musiker trägt sie auf dem Podium, der Prediger auf der Kanzel, der Kandidat in der Wahlversammlung. Leis überall.

Aloha!

Wir bemerkten sogar einen um den Hals des Schaffners der Straßenbahn, die uns hinaus nach dem Strand von Waikiki führte.

Waikiki! Es ist etwas in dem Namen, das zu viel ist für unsere gut bürgerliche Ängstlichkeit, ein Klang, der noch über den von Miami und Florida geht. Waikiki, der »Spielplatz der Millionäre«, mit Extravaganzen, von denen man sich abends beim Lampenlichte auf den Farmen in Missouri Dinge zuraunt – Dinge!

Und doch ist es nur ein Strand wie alle anderen, an dem Männlein und Weiblein, ganz so wie anderswo, im Sande liegen und sich in der Sonne backen lassen; ein Wannsee in Hawai. Freilich ist das Meer ganz wunderbar schön, durchglüht von Farben, die vom tiefsten Indigoblau bis zum leuchtenden Hellgrün einer chinesischen Vase wechseln. Da ist die weißschäumende Brandung über den Korallenriffen, und da kommen schon die berühmten Brandungsreiter. Schlank und sehnig, braun gebrannt, kommen sie aufrecht stehend, pfeilschnell dahergesaust, hinter sich die schäumende Bahn des aufgeregten Wassers. Könige des Meeres, Kaiser der Brandung! Es ist ein vollendetes Bild voll Schönheit und Kraft.

Aber es ist erstaunlich, was die Sehnsucht nach der schlanken Linie alles fertigbringt! Was einst nur sehnige Kanakajungens wagten, das tun heute schon die fettesten Börsenjobber. Weniger schön, weniger elegant, aber sie tun es, wenn auch mit Klauen und Zähnen angeklammert, mit dem Bauche auf dem Brandungsboot liegend.

Dicht am Strande erhebt sich das Königlich Hawaische Hotel. So mußte es heißen, denn wenn schon die Millionen nicht ausreichten, um einen richtiggehenden europäischen Prinzgemahl für die Tochter zu ergattern, so ist das zweitbeste, daß man wenigstens in einem Königlichen Hotel abstieg. – Und es ist königlich! Ein Traum, ein Märchen, ein Kapitel aus Tausend und einer Nacht, bewacht von königlich uniformierten Zerberussen, die die bürgerliche Profanität drei Schritt vom Leibe halten. Ah, in solchem Hotel möchte ich einmal wohnen, nur drei Tage lang, und wenn es nur um die Sensation der Hotelrechnung wäre! Von solchem Hotelfenster möchte ich einmal herabschauen in den exquisiten Garten, wo unter hohen Kokospalmen die Springbrunnen plätschern und flammend rote Blumen wie Feuergarben über den Sandwegen leuchten. In solcher Hotellaube möchte ich im Klubsessel sitzen und träumend auf den kühlen, getäfelten Fußboden und in die Palmen schauen, unter denen die erlesensten Kanarienvögel singen. Von dieser Terrasse möchte ich nachts aufs weite Meer hinausblicken, wo der Mond seine Silberstraße zieht, derweilen der süße Abendwind den leisen Singsang der Hula-Hula-Mädchen herüberträgt. Und dann wäre man dem Himmel wohl so nahe, wie das hienieden jemals möglich ist für viele Dollars.

Aber es ist ein amerikanischer Himmel mit Lift und Staubsauger und Movies und beauty parlours, ein Babel von Eiswasser und Kaugummi; nicht ganz ein Himmel nach unserem kontinentalen Geschmack, ein Märchenland besonderer Sorte, in dem man versucht wäre mit dem Dichter auszurufen:

»Ich kann den Himmel hier mit Händen greifen
Und möcht doch lieber auf der Erde sein!«

Man muß es indes der Kurverwaltung hoch anrechnen, daß sie bemüht ist, auch, abgesehen vom Meere, den Brandungsreitern und den Hula-Hula-Mädchen, den Gästen noch andere Attraktionen vorzuführen. So durften unsere Augen neulich »the smartest boy of the world« schauen. In heißem Wettstreit hat man ihn ausgewählt unter fünfunddreißigtausend Gymnasiasten und ihm die Krone als smartestem Boy von Amerika überreicht. Und da bekanntlich in Amerika die smartesten Menschen wohnen, ist er selbstverständlich der smarteste Boy der Welt, eine Qualifikation, auf die er nun herumreist und viele Dollars macht. Gestern sahen wir ihn uns an in einer Wahlversammlung, wo er zugunsten der Wiederwahl des Bürgermeisters sprach. Ein schlimmerer Schwadroneur ist uns noch nie vorgekommen, selbst nicht in diesem Jahrhundert des Kindes.

Aber mit was sonst will man die Volksseele zum Kochen bringen in diesem knochentrockenen Honolulu, wo man bei 40 Grad im Schatten ein Glas Bier nur für teures Geld in den verschwiegenen Höhlen der »Bootlegger« und »Mondscheiner« bekommen kann. Freilich ist da das Wurzelbier (it's a kick in every glass!), das der freie Amerikaner auch öffentlich trinken darf. Es sieht aus wie Bier, es schmeckt beinahe wie Bier, und wenn man's dann drunten hat, so merkt man erst, daß es eine niederträchtige Vorspiegelung falscher Tatsachen war.

Seither sympathisiere ich auch mit jener alten englischen Lady, die da neulich an Bord des Dampfers aus ihrem Herzen keine Mördergrube machte:

»Eiswasser und Kaugummi, Powder-puffs und Beautybox. Das kommt daher nicht wie Menschen, sondern wie Mowiestars. Und nun kommen sie in hellen Haufen übers große Wasser, damit sie unsern Töchtern, den lieben Dingern, auch noch die Flausen in den Kopf setzen. Ich kann's dem Kolumbus nie vergessen, daß er sie je entdeckt hat!«

 


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