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(Abschiedsaria an einen sehr guten Freund, Herrn Rasper von Landeshut, im September 1722.)
Gehab dich wohl, du lieber Freund,
Jetzt geh' ich halb verwaist von hinnen
Und tröste die betrübten Sinnen
Mit allem, was nur möglich scheint.
Ich komme wohl sobald nicht wieder
Und denke weiter in die Welt,
Nachdem der Lohn vor meine Lieder
Im Vaterlande mager fällt.
Ich habe wahrlich hohe Zeit,
Mein zeitlich Wohlsein fest zu gründen;
Wo werd' ich wohl den Ruhplatz finden?
Wo ist der Herd vor mich bereit,
Damit mein Fleiß nach so viel Sorgen
Nicht stets von leerer Hoffnung blüh,
Und endlich auch ein heitrer Morgen
Mein Glück aus Nacht und Schlummer zieh?
Es sei auch welcher Ort es will,
In Süden, Norden oder Westen!
Ich halt' ihn dennoch vor den besten
Und setze mich vergnügt und still;
Da wird der überstandne Jammer
Mein treues Herz noch oft erfreun,
Da soll mir die geringste Kammer
Des Epicurus Garten sein.
Macht Phyllis Wunsch und Armen voll,
Und läßt mich Gott der Welt noch nützen,
So schwör' ich, daß kein Sturm noch Blitzen
Mich innerlich mehr rühren soll;
Da will ich ihr und jedem leben,
Dem mein Vermögen dienen kann,
Da will ich Red' und Antwort geben,
Warum ich oft nicht recht gethan.
Der Himmel sei mir nur noch hold,
Nach so viel schlecht gerathnen Sprüngen
Wird ja wohl einer gut gelingen.
Mein Herz verliebt sich nicht in Gold,
Mein Ohr verachtet große Titel,
Vermeid' ich Schulden und Betrug,
So hab' ich wahrlich Ehr' und Mittel
Und auf der Welt Verdienst genug.
Noch etwas kommt der Sehnsucht an,
Euch einmal in der Näh zu haben,
Euch Freunde, derer Herz und Gaben
Den Musen so viel Guts gethan;
Was wollt ich vor ein Danklied schreiben,
Wie sollt es mich einmal erfreun,
Mit dir viel Grillen zu vertreiben
Und in dem Alter froh zu sein!
Mit dir, mein Rasper, dem ich mich
Bei dieser Trennung selber schenke.
Ist was versehn, verzeih' und denke:
Ein jeder Mensch verirret sich,
Zumal wenn Noth und Spötter wüthen,
Wenn Armuth und Verfolgung preßt
Und unsern Fleiß schon in den Blüten
Durch Lästergift verwelken läßt.
Ich gönne dir nebst Glück und Heil
Ein Kind von Schönheit, Witz und Tugend,
Denn vor die saure Müh der Jugend
Ist dieß doch wohl der beste Theil.
Erfüllt sie dir nun Arm und Herze,
So laß mir auch ein Plätzchen zu
Und wünsche mir bei deinem Scherze
Bisweilen auch ein Stündchen Ruh!