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Eine litterarhistorische und biographische Einleitung von Karl Muth.
ie polnische Litteratur hat mit den andern slawischen Litteraturen zwei Eigentümlichkeiten gemeinsam. Sie ist in der Weltlitteratur verhältnismäßig spät zu Stellung und Bedeutung gekommen: die Beachtung und Teilnahme des Auslandes wurde ihr erst gegen die Mitte des Jahrhunderts zu teil; dann aber hat sie nur um so schneller ihr Ansehen zu heben, ihr Recht auf Beachtung zu begründen verstanden.
Die größte neuere Dichtung der Polen entstand im Jahre 1834, zehn Jahre nach Byrons und zwei Jahre nach Goethes Tod. Ihr Dichter Mickiewicz hatte 1829 den weimarischen Altmeister deutscher Poesie besucht und damit die inneren Beziehungen des litterarischen Polen zu der deutschen Dichtung nicht nur bekundet, sondern von neuem rege gemacht. Obwohl Mickiewiczs bedeutendste Dichtung »Herr Thaddäus« (deutsch v. Dr. A. Weiß, Leipzig 1882) mehr an Byronsche als an Goethesche Art gemahnt, so ist der deutsche Einfluß auf die polnische Dichtung künftig doch vorhanden. Am schwächsten zeigt er sich auf dem Gebiet der Romandichtung, wo nur »Wilhelm Meister« einige Anregungen gegeben hat. Den ersten Anstoß zu künstlerischer Vertiefung und zu realistischer Stoffwahl empfing der polnische Roman von Walter Scott. Zu einiger Selbständigkeit, Eigenart und Beliebtheit gelangt er jedoch nicht durch die Nachahmer Scotts, sondern durch Kraszewski. Aber auch Kraszewski, der an die 300 Romane und Novellen geschrieben hat, vermochte das Ansehen und die Vorherrschaft des polnischen Romans gegen den in den Kreisen der Aristokratie mit Gier verschlungenen französischen Roman nicht durchzusetzen. Die Aristokratie lebte fast nur von dem französischen Roman, und die vorübergehende Teilnahme, welche sie, sei es in ablehnendem, sei es in zustimmendem Sinne den politischen Tendenzromanen Kraszewskis und Zacharjasiewiczs zuwandte, konnte gegen die geistige Abhängigkeit von den Pariser Modeschriftstellern nicht in Betracht kommen.
Das Verdienst, den polnischen Roman in der Heimat und im Auslande »fashionable« gemacht zu haben, gebührt dem Lithauer Heinrich Sienkiewicz.Ueber die Aussprache der polnischen Namen sei bemerkt, daß sämtliche Vokale dabei zur Geltung kommen. cz lautet tsch; c vor k wie z; sz wie sch; rz wie rsch. Sienkiewicz (spr. ßienkiewitsch), Polaniecki (spr. polanijezki), Plawicki (spr. plawizki), Maszko (spr. maschko), Krzemien (spr. krschemien). Seit etwa vierzehn Jahren steht er im litterarischen Leben Polens an führender Stelle, und was er in diesem Zeitraum geschaffen, gehört zum Bedeutendsten der polnischen Litteratur. Er wurde 1846 in Wola Okrzejska geboren und besuchte in Warschau die Hauptschule. Schon seine ersten Arbeiten, Skizzen und Novelletten, lenkten die Aufmerksamkeit auf ihn. Sie waren herausfordernd durch die derbrealistische Zeichnung und durch einen anklagenden Pessimismus in Bezug auf gewisse sociale Zustände seiner Heimat. In seinem dreißigsten Jahre machte Sienkiewicz große Reisen in Amerika und weilte längere Zeit in Kalifornien. Später besuchte er Afrika, wie er überhaupt, mit kurzen Unterbrechungen (er redigierte eine Zeitlang die Warschauer Zeitung »Slowo«) die meiste Zeit auf Reisen verbringt. Der Widerstand, der sich gegen seine ersten Arbeiten in den Kreisen sowohl der litterarischen Tageshelden als der Adelspartei erhoben hatte, wurde gebrochen, als er, sich der polnischen Vergangenheit zuwendend, den großen historischen Roman zu schaffen begann, dem er in seiner gewaltigen Trilogie »Mit Feuer und Schwert«, »Die Sturmflut« und »Pan Wolodjowski« ein bleibendes Vorbild aufstellte. Kurz bevor Sienkiewicz dies Werk in Angriff genommen, hatte er sich verheiratet, ein Umstand, der dem Schweifelustigen sehr zustatten kam. Aus dem flüchtigen Skizzenzeichner und Impressionisten wurde der planvoll bildende, mit sittlichem Ernst und künstlerischer Vertiefung arbeitende Schöpfer des großen Kultur- und Gesellschaftsromans. Wie sich die Zeitungen und Zeitschriften ehedem um seine flott hingeworfenen Skizzen und Kohlezeichnungen überboten hatten, so begann sich das Publikum nunmehr um seine Bücher zu reißen. »Seit der Zeit, da Mickiewicz seinen ›Herr Thaddäus‹ geschrieben,« sagt der namhafte polnische Kritiker Prof. Adalbert Dzieduszyki, »riß man einander nicht wieder ein polnisches Buch so aus den Händen, las man in Polen keines mit so allgemeiner Teilnahme, wie die letzten beiden Erzählungen Sienkiewiczs.«
Wenn ihm die polnische Kritik auf Grund früherer kleiner historischer Erzählungen wie »Selim Mirza«, »Durch die Steppen« und »Tatarenjoch«, die eigentlich nur Vorübungen waren, jegliche Begabung für den historischen Roman abgesprochen hatte, so mußte sie nunmehr bekennen, daß Sienkiewicz sich gerade erst in dieser Trilogie in seiner reichsten und glänzendsten Begabung zeige.
Aber auch dieses Urteil sollte nicht abschließend bleiben. Denn nach einer nur kurzen Pause schon ließ Sienkiewicz seinen großen, zweibändigen Roman »Ohne Dogma«Stuttgart 1892. 2 Bände. folgen, den man heute in Polen wie im Ausland den bedeutendsten psychologischen Roman der Polen nennt. Ein völlig andrer erscheint der künstlerisch so wandelungsfähige Dichter in diesem Werke. Die Gegensätze könnten nicht größer sein. Dort die sich frisch und skrupellos auslebende That verhältnismäßig einfacher Naturmenschen, hier die grübelnde Innerlichkeit eines von Skeptizismus durch und durch zerfressenen Gemütes, die seelische Selbstanalyse eines völlig modernen Menschen von hochentwickeltem Intellekt und sittlicher Erkenntnis, aber ohne positive Kraft, ohne sittlichen Willen, eines Menschen, dem, wie er selbst sagt, die Grundpfeiler des Lebens zerstört wurden durch die Reflexion und die Kritik.
Sienkiewicz behandelt in diesem Roman ein ernstes Zeitproblem, eine geistige Krankheitserscheinung des ausgehenden Jahrhunderts, und schon dieser Umstand, sowie die Art und Weise der Ausführung setzt reife und in gewissem Sinn auf diesem Gebiete erfahrene Leser voraus. Solchen aber bietet diese Schöpfung eines ebenso ehrlichen, mit seiner Zeit empfindenden Dichters, wie ernsten und tiefbohrenden Denkers die größte Anregung, eine Fülle von Ideen und eine Welt mitlebender Empfindung.
Zwei Jahre nach dem Roman »Ohne Dogma« hat Sienkiewicz abermals ein Werk vollendet, das bei reicherem stofflichen Inhalt die gleiche Meisterschaft der Seelenschilderung bekundet, sich aber eben durch die Art der darin geschilderten Vorgänge und Zustände an ein weiteres Publikum wendet als der Roman »Ohne Dogma«. Es ist der Familienroman »Rodzina Polanieckich«, der unter dem Titel »Familie Polaniecki« zum erstenmale in der Zeitschrift »Alte und Neue Welt« Jahrgang 1897/98 für den deutschen Leser veröffentlicht wurde. Der Held Polaniecki ist in gewissem Sinn das Gegenstück zu der Hauptfigur in »Ohne Dogma«: ein entschiedener, unternehmungslustiger, in pflichtstrenger Bethätigung aufgehender Charakter. Zwar besitzt auch er eine gute Dosis von Selbstbeobachtung, aber er geht nicht wie Ploszowski an unfruchtbarem, zersetzendem Denken zu Grunde, sondern findet in seiner sittlichen Willenskraft und in der echten Liebe zu einem keuschen Weibe eine Stütze, die ihn an den Abgründen des Lebens glücklich vorbeiführt. Wir sehen ihn straucheln, aber nicht fallen. Mehr sei über den Inhalt nicht verraten, um dem Leser die Spannung nicht zu verringern, die ihn bis an den Schluß in Atem hält. Die Charakteristik auch der Nebenfiguren ist fast noch vollendeter wie in »Ohne Dogma«.
Bewundernswert ist das Geschick, mit welchem Sienkiewicz typische Charaktere schildert, ohne seine Personen um den Reiz des individuellen Lebens zu bringen. Polaniecki und sein Geschäftskompagnon Bigiel, die Vertreter des ehrsamen Unternehmer- und Großhandelstandes, Maszko, der ehrgeizige Spekulant und gewissenlose Streber, Plawicki, der verschuldete, dummschlaue Landedelmann mit dem Standesdünkel, halb Lebemann, halb Frömmler, Bukacki, der sich selbst ironisierende Skeptiker, Waskowski, der religiöse Schwärmer und Ideenmensch, Zawilowski, der empfindsame, schönheitstrunkene Poet, Kopowski, der »schöne Mann« ohne Geist, Swirski, der Frauenkenner, der, obwohl immer verliebt, doch den Mut nicht findet zu heiraten, Osnowski, der Mann seiner Frau und farbenblind in Bezug auf alles, was diese betrifft – diese und noch andre Figuren sind ebensoviel köstliche Typen von allgemein menschlichem Interesse als lebensvolle, wirklichkeitsechte Gestalten aus der heutigen polnischen Gesellschaft.
Ihnen entspricht eine ebenso reiche Galerie merkwürdiger Frauenköpfe, und nirgends bekundet Sienkiewicz größere Meisterschaft, als in der Gestaltung von Frauencharakteren. Unter diesen ist es aber immer wieder die keusche Frau, welche er mit sichtlicher Vorliebe wählt und deren Bild ihm am besten gelingt. Welch ein Abstand trennt ihn in diesem Punkt von den meisten Modernen! Man hat gesagt, daß die Fähigkeit, ein reines Frauengemüt zu schildern, der beste Prüfstein für den Dichter sei, und mit Recht. Denn die Quelle der Poesie ist das Gemüt – und im Gemütsleben liegt auch das tiefste Wesen des Weibes begründet. Nur ein Dichter, der sich die Einfalt und Wärme der Empfindung bewahrt hat, um in das Paradies eines reinen Frauen- und Kinderherzens zu dringen, der allein wird auch an den andern poesievollen Erscheinungen dieses Lebens nicht empfindungslos vorübergehen.
In dem Roman »Ohne Dogma« schildert Sienkiewicz drei »jener engelgleichen Frauen, welche nicht an die Existenz des Bösen glauben wollen«, und in dem gleichen Werke läßt er bei allem seinem sonstigen Pessimismus, auf den wir noch zu sprechen kommen, den Helden die Beobachtung niederschreiben: »In unseren höheren gesellschaftlichen Kreisen trifft man zwar einerseits häufig grundverdorbene Frauen, andrerseits aber auch wieder solche, und dies besonders unter dem älteren Geschlechte, die engelrein durchs Leben gehen, deren Sinn auch nicht durch einen häßlichen Gedanken beschmutzt wird.« Frauen der letztgenannten Art sind in dem genannten Roman Anielka, deren Mutter und Tante, in der »Familie Polaniecki« Marynia und Emilie.
Sienkiewicz ist einer jener objektiven, in der Form tendenziösen Schriftsteller, die ganz hinter ihren dichterischen Personen verschwinden können, und daher darf man die Aeußerungen, die er ihnen hin und wieder in den Mund legt, beileibe nicht ihm aufs Konto schreiben. Er läßt sie reden, wie sie ihrer Charakteranlage, ihrer Weltanschauung, ihrem Temperament und ihrer Bildungsstufe entsprechend eben wirklich reden würden, wenn sie Fleisch und Blut annähmen. Aber dennoch darf man bestimmt behaupten, daß der Dichter überall da, wo er irgend eine seiner Personen für die reine, unverdorbene Frau Partei ergreifen läßt, nur seine eigenste Ansicht und Ueberzeugung ausspricht. Wenn es von Anielka heißt, daß sie zu den Ausnahmefrauen unter den Polinnen gehört, »die das Leben ihres Mannes nicht zerstören, sondern ihm das eigene opfern«, so findet das seine Anwendung im gleichen Maße auch auf Marynia. Von ihr gilt nicht, was Ploszowski zu seinen Landsmänninnen im allgemeinen sagt: »Ihr liebt weit mehr das Dramatische in der Liebe als die Liebe selbst. Eine jede von euch ist als Fürstin geboren, darin unterscheidet ihr euch von allen andern Frauen; ihr glaubt schon damit eine Wohlthat, eine Gnade zu erweisen, daß ihr gestattet, euch zu lieben; keine begnügt sich damit, die Ergänzung des Mannes zu sein, der doch bestimmte Ziele im Auge hat. Ihr wollt, daß wir für euch da sein sollen, nicht ihr für uns. Die Kinder stehen euch schließlich näher als der Mann, der das traurige Schicksal der Satelliten zu erleiden hat. Gar häufig bin ich dessen Zeuge gewesen, habe ich es genau beobachtet – alle, alle seid ihr gleich; nur hie und da leuchtet eine rühmliche Ausnahme wie der Diamant im Sande.«
Die »Familie Polaniecki« bietet ein umfassendes Bild der polnischen Gesellschaft, sie hält ihr in gewissem Sinn den Spiegel vor, damit sie sich auch in ihren Schattenseiten erkenne. Diese Schattenseiten mußten daher so gut und so wahr gezeichnet werden wie die Lichtseiten. Vielleicht darf man sogar sagen, daß der Dichter den Schatten mit einiger Absichtlichkeit tiefer gemalt hat, als er ist. An manchen Stellen bricht ein Pessimismus durch, wie man ihm vielfach in der russischen Litteratur begegnet, zu der Sienkiewicz allerdings enge Fühlung hat. Dies gilt für die »Familie Polaniecki« hauptsächlich in Bezug auf das Treiben in dem Hause der Frauen Osnowski und Bronicz, wo wir, wie es in dem Roman irgendwo heißt, »Blicke in ein Leben thun, in dem aus Mangel an dauernder Arbeit, höherer Zwecke, die kleinsten Seelenregungen, jede Stimmungsänderung zu wichtigen Ereignissen gestempelt werden.« Klatsch und Intriguen füllen das Leben dieser Frauen aus, die im krassen Gegensatz zu Marynia und ihrem Kreise stehen. Aber auch da, wo Sienkiewicz die Kehrseiten des Lebens vorführt, überschreitet er nie eine gewisse Zurückhaltung. Er bedient sich des Häßlichen nur als Gegensatz zum Schönen, damit dies um so augenfälliger und begehrenswerter erscheine. Wie er sich theoretisch in seinen »Briefen über Zola« gegen den Naturalismus gewendet hat, so räumt er ihm auch praktisch in seinen Werken keine Geltung ein.
Ein liebenswürdiger Humor ist nicht der letzte Vorzug der Muse Sienkiewiczs. Am frischesten sprudelt er in seinen kleineren Erzählungen, in einzelnen seiner Dorfgeschichten. Aber auch »Die Familie Polaniecki« enthält köstliche Proben. Der alte Plawicki mit seinem salbungsvollen Wesen, hinter dem er nur seinen unverbesserlichen Egoismus und seine Eitelkeit verbirgt, Bukacki mit seinem grimmigen Humor, der doch nur wieder ein Panzer für seine angeborene Güte und Weichherzigkeit ist, und Swirski, bei dem ein geradezu weiblich zartes Gemüt einen merkwürdigen Kontrast zu der ringermäßig entwickelten Stärke seiner Leibesmuskeln bildet, es sind Gestalten, wie man sie sonst nur bei Dickens zu finden gewohnt ist.
An Landschaftsschilderung bietet die Familie Polaniecki wenig, entschädigt aber reichlich durch den außerordentlichen Wechsel des Schauplatzes, der bald in Warschau und aus den polnischen Landgütern, bald in Reichenhall, bald in verschiedenen Städten Italiens liegt, u. a. auch in Rom, wo eine Audienz bei Leo XIII. in ganz eigenartiger Weise geschildert wird.
Der Schluß des Romans befriedigt das sittliche Gefühl in hohem Maße. Wir sind wohl Zeugen der Sünde gewesen, aber wir haben auch die sittliche Läuterung, den Triumph des Guten in der erschütterndsten Weise miterlebt. Unser sittliches Urteil trifft mit dem des Dichters in dem gleichen Punkte zusammen, und wenn er es auch in echt künstlerischer Weise verschmäht, eine direkte Nutzanwendung zu machen, so liegt sie doch in den Begebenheiten wirksamer ausgesprochen, als Worte dies vermochten. In Bezug auf die beiden Frauengestalten Marynia und Emilie aber gilt das Wort Jean Pauls: »Einen schönen Charakter zeichnen, heißt der Welt einen Heiligen schenken und Heilige machen.«
Neuerdings hat sich Sienkiewicz wieder dem historischen Roman zugewandt und zwar diesmal dem christlichen aus der Zeit der Verfolgungen unter Nero. Er nennt sein Werk »Quo vadis?« nach der lieblichen Legende, wonach Christus dem hl. Petrus, der voll Kleinmut und Betrübnis wegen der schrecklichen Christenmorde Rom verlassen wollte, auf der Via Appia entgegengekommen sei und auf die Frage des Petrus: Quo vadis, Domine? (Herr, wohin gehst Du?), geantwortet habe, Venio Romam iterum crucifigi (Ich komme nach Rom, um nochmals gekreuzigt zu werden), worauf Petrus wieder nach Rom zurückgekehrt sei. Der Roman erscheint gleichzeitig mit diesem in vortrefflicher Uebersetzung bei der Verlagsanstalt Benziger u. Co. A. G. in Einsiedeln und ist unbestreitbar eine der bedeutendsten Schöpfungen auf dem Gebiete des historischen Romans. In der Größe dichterischer Intuition übertrifft er alle einen ähnlichen Stoff behandelnden Romane und in der Anlage und Durchführung der Fabel sowie in der genauen Widerspiegelung altrömischen Lebens kommt er den besten Leistungen gleich. Die echt künstlerische Objektivität feiert darin bewundernswürdige Triumphe: ist der Leser doch nichts weiter als Zuschauer.
Die jüngste Schöpfung Sienkiewiczs gehört abermals der Gattung des sogenannten historischen Romans an. Mit ihr wendet er sich mit großem Erfolg der Geschichte seiner engeren Heimat zu. Der Roman heißt »Die Kreuzritter« und spielt in der Zeit der Kämpfe dieser mit dem Stamme der Lithauer. Echt historischer Sinn und dichterische Gestaltung paaren sich darin mit einer kecken realistischen Darstellung, die an die besten Partien seiner großen Roman-Trilogie erinnert – ein Roman außerdem ohne alles Romanhafte, nicht gemacht, sondern erlebt und geschaut und deshalb wahr, einfach und groß.
Sienkiewicz steht im kräftigsten Mannesalter. Wir dürfen also wohl noch manche reife Gabe von ihm erwarten. Was aber auch immer die Zukunft bringen möge, das Geleistete genügt, die Größe seines Talentes zu bewundern, sich der Früchte desselben herzlich zu erfreuen und von ihnen nach den verschiedensten Seiten hin zu lernen.