Henryk Sienkiewicz
Die Familie Polaniecki
Henryk Sienkiewicz

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Fünfundfünfzigstes Kapitel

Zawilowski verweilte inzwischen bald in Warschau, bald in Buczynek, je nachdem seine Geschäfte es erforderten. Da seine Hochzeit schon im Herbste stattfinden sollte, hatte Polaniecki ihm geraten, jetzt eine Wohnung zu suchen und sie einzurichten. Die Freunde wollten ihm dabei behilflich sein. Frau Bigiel namentlich versprach ihm manches zu besorgen. In Buczynek war Zawilowskis Anwesenheit auch wegen seinen Beziehungen zu Fräulein Helene nötig. Sie, die Universalerbin des ungeheuren Vermögens, verhehlte keineswegs, daß sie von der Absicht ihres Vaters, ein anderes Testament zu machen, wußte, und daß sie glaube, er habe seine Absicht nicht ausgeführt, weil er nicht an einen plötzlichen Tod gedacht habe. Daß er für den Träger seines Namens hatte sorgen wollen, darüber hegte sie nicht den geringsten Zweifel, und sie erklärte offen, sie halte es für eine Gewissenssache, den Willen ihres Vaters zu erfüllen. Zwar hatte niemand eine Vorstellung davon, auf welche Weise sie Ignaz bedenken wollte, und bevor ein vollständiges Inventar aller Güter und Kapitalien aufgestellt war, hätte sie selbst schwerlich diese Frage zu beantworten vermocht. Mittlerweile erhielt er aber all das, was er ihrer Ansicht nach als Stammhalter beanspruchen durfte. So bekam er Silber, eine bedeutende, kostbare Waffensammlung, mehrere Pferde, die Polaniecki für einige Zeit übernahm, sowie die Pfeifensammlung, über deren Schicksal sich Kopowski seiner Zeit so viele Sorgen gemacht hatte.

Kalt und scheinbar gleichgültig gegen alles, was um sie vorging, hatte Fräulein Zawilowski mit ihrem strengen, ernsten Gesichtsausdruck etwas Abstoßendes für alle Menschen; für Zawilowski aber legte sie eine fast mütterliche Zärtlichkeit an den Tag, als ob sie von ihrem Vater auch die Zuneigung zu dem jungen Manne ererbt hätte. Als sie von Polaniecki hörte, daß Zawilowski Anstalten zur Einrichtung seines Haushaltes traf, übergab sie jenem eine bedeutende Summe mit dem Ersuchen, das Geld in einer Bank auf den Namen ihres Vetters eintragen zu lassen; doch bat sie ihn, diesem gegenüber vorerst nichts davon zu erwähnen.

Zawilowski, der ein dankbares Herz hatte, gewann sie binnen kurzer Zeit so lieb wie eine ältere Schwester, und sie empfand dies sehr gut. Gegenseitiges Wohlwollen und Vertrauen verbanden sie miteinander. Diese Art Zuneigung wird gewöhnlich im Laufe der Zeit zu einer dauernden Freundschaft, die uns in trüben Stunden des Lebens eine große Stütze sein kann. Gegenwärtig aber sollte die Freundin nur einen geringen Anteil an seinem Herzen haben, denn mit wahrem Fanatismus widmete er sich der mehr und mehr vergötterten Lineta. Mittlerweile fuhr er fortwährend zwischen Buczynek und der Stadt hin und her. Dabei machte er die Bekanntschaft des Professors Waskowski, der von seiner Pilgerfahrt zu den jüngsten Ariern zurückgekehrt war. Er hatte alle Küsten des Adriatischen Meeres sowie die ganze Balkanhalbinsel besucht, aber sein Gesundheitszustand war jetzt so besorgniserregend, daß Polaniecki ihn nach Buczynek nahm, da ihm sonst nirgends die nötige Pflege zu teil geworden wäre. Zawilowski, der sehr geneigt war, sich für eine große Idee zu begeistern, interessierte sich sogleich für den alten Mann und dessen Theorie von der historischen Mission der jüngsten Arier. Nichtsdestoweniger betrachtete er diese Theorie, von der er schon früher durch Swirski und Polaniecki gehört hatte, als einen schönen Traum. Aber ihm sowohl als Swirski und Polaniecki fiel es auf, daß der Professor gar nichts von seiner Reise erzählte. Fragte man ihn darnach, so erwiderte er nur: »Niemand kann der Knechtschaft entgehen, welche Christus uns auferlegt hat,« – dann schaute er vor sich nieder, wie wenn er etwas suche, und in seinem ehrwürdigen Gesichte drückte sich eine so tiefe Betrübnis, ja, ein solcher Schmerz aus, daß niemand den Mut hatte, weiter in ihn zu dringen. Der von Polaniecki berufene Arzt erklärte, die allzu fette Küche der jüngsten Arier habe dem alten Manne einen heftigen Magenkatarrh zugezogen, und dazu sei noch »marasmus senilis« gekommen. Auch bemerkte Zawilowski, daß in der Seele des Professors etwas Eigentümliches vorging, daß sich ein verzweifelter Kampf in ihm abspielte zwischen dem Glauben an das, was er bisher erstrebt und dem er sein ganzes Leben gewidmet hatte, und dem Zweifel, der hie und da in ihm auftauchte. Nur Zawilowski begriff die ganze Tragik eines solchen »ergo erravi« am Lebensende und er war tief erschüttert. Als Poet, dessen Phantasie das, was er vor sich sah, sogleich zur Dichtung umgestaltete, erblickte er das verklärte Bild eines alten Mannes, der über die vereitelten Hoffnungen seines Lebens klagend auf der Schwelle seines Hauses sitzt und den Tod erwartet.

Doch stand es noch nicht so schlimm mit dem Professor, wie Zawilowski voraussetzte. Wohl hatte er manche Täuschung durch die jüngsten Arier erlebt, allein sein Glaube an ihre Mission war noch nicht dahin. Von seiner »Idee« sprach er fast nie, doch war es unverkennbar, daß er niemals davon abwich, gleich dem Zeiger einer Uhr, die zurückgehalten worden ist und immer nur die eine Stunde weist, denn er war stets geistesabwesend. Die meisten Leute hielten ihn für einen Verrückten. Bemerkungen darüber wurden oft laut, doch schien er sie nicht zu hören.

Gleichwohl empfand er es, daß Polaniecki und Marynia gut gegen ihn waren; und trotz all seiner Erlebnisse war er sich in seinem unendlichen Wohlwollen andern gegenüber gleich geblieben. Er hatte Marynia, deren Gatten, Frau Emilie, Swirski, sogar Maszko, mit einem Worte alle gern, mit denen ihn das Leben zusammenführte. Von den Menschen hatte er eigentümliche Begriffe. Er glaubte nämlich, daß alle, ob sie wollen oder nicht, einem bestimmten Zwecke dienen und wie Schachfiguren von Gottes Hand hin und her geschoben werden. Künstler wie Swirski betrachtete er als Sendboten, welche die Versöhnung bringen.

Auch Zawilowski, dessen Gedichte er schon früher gelesen hatte, stand seiner Ansicht nach auf einer solchen Stufe. Als er den Autor kennen lernte, blickte er ihn so neugierig an, wie wenn er ein Wunder vor sich sähe, und am andern Tage, da der junge Mann in die Stadt gefahren war und man beim Thee von ihm sprach, hob er den Finger in die Höhe und sich mit geheimnisvoller Miene an Marynia wendend sagte er: »Oh das ist ein Kind von Gottesgnaden. Was der Allmächtige ihm auf die Stirn geschrieben und wozu er ihn bestimmt hat, weiß er selbst nicht.«

Nun erzählte ihm Marynia von der baldigen Heirat Zawilowskis, von seiner Liebe zu Lineta und von dieser selbst, wobei sie deren Güte und Schönheit pries.

»So,« sagte der Professor, der aufmerksam zugehört hatte, »dann hat auch sie ihre Mission, und auch sie ist auserwählt. Gott befahl ihr das heilige Feuer zu hüten, und da sie einmal auserwählt ist, muß man sie auch verehren wie eine Auserwählte . . . Offenbar ist die Hand Gottes über ihr!«

Eine Zeitlang war er in Sinnen verloren, dann fügte er hinzu: »All dies mag der Menschheit als Wegweiser dienen für die Zukunft.«

Mit dem Blicke, den Polaniecki auf seine Gattin warf, schien er ihr andeuten zu wollen, daß ihm des Professors Reden etwas wirr vorkamen, dieser aber drückte die Augen ein wenig zu, sah vor sich nieder und fuhr fort: »Die Milchstraße steht am Himmel, und wenn Gott will, bildet er eine neue Welt aus ihrem Dunst. Und seht Ihr, ich glaube, es giebt auch eine geistige Milchstraße, die aus allem gebildet ist, was die Menschen dachten und fühlten. In ihr ist alles enthalten: was der Genius schafft, das Talent hervorbringt, die kühnsten Gedanken der Männer, die Ehrbarkeit der Frauen, die Güte und der Schmerz der Menschen. Nichts vergeht, wenngleich sich alles in Staub auflöst, denn durch Gottes Wille bilden sich aus diesem Staube neue geistige Welten. Das Mädchen muß eine Perle sein, da Gott sie dazu ausersah, das heilige Feuer zu hüten.«

Die Ankunft Swirskis unterbrach dieses Gespräch. Für Marynia war sie nicht unerwartet, denn der Maler hatte ihr mitgeteilt, er werde entweder selbst kommen oder ihr schreiben, welches Resultat seine Werbung habe. Als er nun ins Zimmer trat, schaute er sie so eigentümlich an, daß sie nicht wußte, was sie denken sollte. Polaniecki kam ihnen zu Hilfe, indem er sagte: »Wollen Sie mit meiner Frau in den Garten gehen? Ich weiß, Sie haben etwas mit ihr zu reden.«

Nach wenigen Minuten befanden sie sich beide in der Pappelallee. Obwohl beide gewünscht hätten, sich aussprechen zu können, fragte Swirski zuerst: »Sie haben Ihrem Gatten alles mitgeteilt, nicht wahr?«

Frau Polaniecki errötete, wie wenn sie eines Verbrechens überführt worden wäre, und erwiderte: »Stach meint es sehr gut mit Ihnen, und ich möchte kein Geheimnis vor ihm haben.« Swirski küßte ihr die Hand.

»Oh, es bringt mich durchaus nicht in Verlegenheit, obwohl ich einen Korb bekommen habe.«

»Unmöglich! Sie scherzen!« sagte Marynia.

»Ich gebe Ihnen mein Wort darauf!« antwortete er. »Aber nehmen Sie es sich nicht mehr zu Herzen, als ich. Es ist gekommen, wie es kommen mußte. Und nun bin ich hier, habe mich nicht erschossen, beabsichtige es auch nicht, aber einen Korb bekam ich doch.«

»Weshalb denn? Was hat sie Ihnen geantwortet?«

»Weshalb? Was sie mir geantwortet hat?« wiederholte Swirski. »Sehen Sie, das ist's gerade, was eine gewisse Bitterkeit in mir hervorruft; daß meine Neigung zu Fräulein Ratkowski nicht sehr groß war, gestehe ich Ihnen offen. Sie gefiel mir, ich dachte, sie habe ein dankbares, liebevolles Gemüt, und deshalb erklärte ich mich. Hier ist die Antwort.« Bei diesen Worten zog er einen Brief aus der Tasche, doch bevor er ihn las, fügte er noch hinzu: »Der Anfang enthält viele Gemeinplätze, wie Sie sich wohl denken können. Sie schätze mich außerordentlich, sie hege wirkliche Sympathie für mich. Leider merke ich nichts davon. Zum Schlusse schreibt sie folgendes: ›Ich bin nicht imstande, Ihnen mein Herz so vollständig zu weihen, wie Sie es verdienen, denn ich habe schon gewählt, und wenn ich auch niemals glücklich sein werde, will ich mir wenigstens später nicht vorwerfen, daß ich nicht aufrichtig gewesen sei. Bei uns hier hat sich verschiedenes ereignet, das mich am Weiterschreiben hindert, aber bitte, glauben Sie mir, daß ich während meines ganzen Lebens für Ihr Vertrauen dankbar sein und täglich zu Gott beten werde, er möge Sie ein Herz finden lassen, das Ihrer würdig ist.‹ Das ist alles.«

Ein kurzes Schweigen folgte, dann setzte Swirski hinzu: »Es sind leere Redensarten und sie bedeuten: Ich liebe einen andern.«

»Ohne Zweifel!« antwortete Marynia traurig, »Armes Mädchen! Ehrlich gemeint ist der Brief jedenfalls.«

»Ehrlich gemeint!« wiederholte Swirski, »das ist's gerade, weshalb ich einen solchen Groll, solche Bitterkeit fühle. Sie will mich nicht – Gut! die Freiheit muß man ihr lassen. Sie ist verliebt? Die Freiheit muß man ihr auch lassen. Aber in wen ist sie denn verliebt? Doch nicht in Osnowski oder Zawilowski? Also in wen denn? In diesen Stock, in diesen Schwächling, in dieses Modejournal, das Ideal aller Kammerzofen! Haben Sie schon die schönen, auf Cretonne gedruckten Männergestalten gesehen? – das sind seine Abbilder. Wenn er am Schaufenster eines Friseurs stünde, würden die jungen Mädchen die Fensterscheiben eindrücken. Und das ist's, was mich bitter macht. Es ist ein schlechter Beweis für die Frauen, denn ich sage mir, wärst Du ein Newton, ein Raphael oder Napoleon und sehntest Dich nach Frauenliebe – es wäre vergeblich. Ein hohler Fant ist ihnen lieber. So sind sie eben.«

»Nicht alle! Nicht alle! Zudem sollten Sie als Künstler wissen, was Liebe ist. Sie überkommt einen plötzlich, und jede Logik hört auf.«

»Sie haben recht!« erwiderte Swirski etwas ruhiger. »Sie sagen: die Liebe überkommt einen Menschen plötzlich, und jede Logik hört auf . . . Wohl! Denn Liebe gleicht ja einer Krankheit . . . aber es giebt Krankheiten, denen edlere Wesen nicht unterliegen. Es ist wahrscheinlich noch nie dagewesen, daß sich eine Taube in einen WiedehopfWiedehopf und Einfaltspinsel heißt im Polnischen: dudek verliebte, obgleich dieser ein sehr hübscher Vogel ist. Nun, sie mögen thun, was sie nicht lassen können, aber sie sollen sich wenigstens dann nicht für Tauben ausgeben. Darum handelt es sich hauptsächlich. Erinnern Sie sich, was ich Ihnen einst über Fräulein Castelli sagte? Und doch hat diese schließlich Herrn Zawilowski gewählt. Ich kann nur falsche Ansprüche, Unaufrichtigkeit, Phrasen nicht leiden. Wer zur Gattung des Wiedehopfes gehört, muß auch den Mut haben, es zu bekennen. Ich bin doch kein unerfahrenes Kind, aber wahrlich, ich hätte meinen Kopf zum Pfande gesetzt, daß solch ein Mädchen wie Fräulein Ratkowski nicht imstande sei, sich in einen Kopowski zu verlieben. Und doch ist es so. Trösten werde ich mich, allein es handelt sich hier nicht um meine Person, sondern um die Komödie, um die konventionellen Lügen, auch nicht um Fräulein Ratkowski handelt es sich, sondern darum, daß solch ein Typus wie Kopowski siegt!«

»Ja,« sagte Marynia, »man sollte sich aber doch erkundigen, wodurch alles so gekommen ist.«

»Das ist nicht schwer zu erraten!« antwortete Swirski mit einer abwehrenden Handbewegung. »Hätte sie mich genommen, so würde ich sie auf Händen getragen haben . . . darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ich bin einer unendlichen Zärtlichkeit fähig. Ich wäre gut gegen sie gewesen, und wir hätten uns glücklich gefühlt. Ein wenig thut es mir doch leid. Aber es giebt ja noch manches Mädchen auf der Welt. Sie können gewiß ein ehrliches Wesen ausfindig machen, das mich gern nimmt. Thun Sie es so schnell wie möglich, liebe Frau Polaniecki, denn wahrhaftig, lange kann ich dies Leben nicht mehr ertragen.«

Die Wahrnehmung, daß Swirski sich die Abweisung, welche er erfahren, nicht sehr zu Herzen nahm, beruhigte Marynia. Doch nun plötzlich fiel ihr eine Stelle in dem Briefe ein, der sie anfangs keine Beachtung geschenkt hatte, die ihr aber jetzt Sorge machte.

»Ist Ihnen nicht aufgefallen,« sagte sie, »daß Fräulein Ratkowski schreibt: ›Bei uns hier hat sich Verschiedenes ereignet, das mich am Weiterschreiben hindert!‹ Können Sie sich denken, was vorgefallen sein mag?«

»Möglicherweise hat sich Kopowski schon erklärt.«

»In dem Falle hätte sie es ganz offen geschrieben. Wenn sie ihn wirklich gern hat, ist sie nur zu beklagen, denn allem Anschein nach besitzt sie kein Vermögen, und da auch Kopowski nicht reich ist, ist es zweifelhaft, ob es zur Verlobung kommt!«

»Das ist wahr!« sagte Swirski. »Sie liebt ihn, das unterliegt keinem Zweifel, ob er sie aber heiratet, ist eine andere Frage.«

Plötzlich hielt er inne und sagte: »Doch weshalb bleibt er so lange in Przytulow?«

»Sie unterhält sich mit ihm, und er unterhält sich mit ihr,« erwiderte Marynia.

Diesmal war sie nicht aufrichtig. Seitdem Polaniecki ihr seine Beobachtungen über das Verhältnis zwischen Frau Osnowski und Kopowski mitgeteilt hatte, kam es ihr nicht mehr aus dem Sinn. Der Aufenthalt des jungen Mannes in Przytulow erschien ihr verdächtig, sein Benehmen Fräulein Ratkowski gegenüber war verdammenswert. Aber die ganze Intrigue konnte ja jeden Augenblick an den Tag kommen, und Marynia sann jetzt voll Besorgnis darüber nach, was Fräulein Ratkowskis Worte: ›Bei uns hier hat sich verschiedenes ereignet‹, bedeuteten. Eine Katastrophe mußte sowohl für den trefflichen Osnowski als auch für Fräulein Ratkowski die furchtbarsten Aufregungen mit sich bringen und konnte schließlich mit einer Tragödie enden.

»Morgen begebe ich mich nach Przytulow«, sagte Swirski. »Ich thue dies absichtlich, um zu zeigen, daß ich gegen niemand Groll hege. Ist wirklich etwas vorgefallen, so werde ich Sie unverzüglich davon benachrichtigen. Befindet sich Zawilowski jetzt dort?«

»Nein, er hält sich in der Stadt auf. Morgen oder übermorgen kommt er hierher oder nach Jasmien. Stach fährt heute ebenfalls in die Stadt. Meine Freundin, die Schwester Aniela, ist sehr krank, wir wollen sie zu uns nehmen, und da ich nicht reisen kann, fuhr Stach hin.«

»Schwester Aniela? Sie sieht aus wie ein Bild Fra Angelicos . . . hat das Gesicht einer Heiligen! Welch schöner Kopf. Ich traf sie schon zweimal bei Ihnen. Wäre sie nur keine barmherzige Schwester!«

»Und nicht krank und nicht unglücklich. Sie kann fast nicht mehr gehen. Durch Ueberanstrengung hat sie sich ein Rückenmarksleiden zugezogen.«

»Oh, was für ein Unglück!« sagte Swirski. »Dann haben Sie also den Professor und dies beklagenswerte Wesen bei sich. Wie gut Sie beide sind!«

In diesem Augenblick zeigte sich Polaniecki am Ende der Allee und kam ihnen eiligen Schrittes entgegen.

»Soeben hörte ich, daß Sie heute noch in die Stadt fahren. Ich begleite Sie,« erklärte Swirski.

»Gut,« antwortete Polaniecki, und sich zu seiner Gattin wendend, fügte er hinzu: »Ich fürchte, Du ermüdest Dich allzu sehr. Willst Du nicht meinen Arm nehmen?«

Marynia that, wie er wünschte, und sie begaben sich miteinander auf die Veranda. Dann ging sie ins Haus, um anzuordnen, daß man den Thee bringe. Nun trat Polaniecki rasch zu Swirski heran: »Ich habe eine sonderbare Depesche erhalten, wollte aber vor meiner Frau nichts davon erwähnen,« sagte er. »Osnowski fragt mich, wo Ignaz sei, und fordert mich auf, diesem zuliebe morgen in die Stadt zu kommen. Was mag das bedeuten?«

»Merkwürdig!« entgegnete Swirski. »Mir hat Fräulein Ratkowski auch geschrieben, es sei etwas vorgefallen.«

»Vielleicht ist jemand krank geworden?«

»Wenn es Fräulein Castelli oder Frau Bronicz wäre, hätte man Zawilowski sofort hinberufen.«

»Und Osnowski würde es mir telegraphiert haben!«

Die beiden schauten sich voll Besorgnis an.


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