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Er wurde erst durch den Diener geweckt, der ihm das Frühstück brachte. Polaniecki fragte ihn, ob es im Hause nicht üblich sei, das Frühstück im Speisezimmer einzunehmen. »Nein,« erwiderte der Diener, »das Fräulein steht sehr früh auf, und der alte Herr schläft sehr lange.«
»Ist denn das Fräulein schon aufgestanden?«
»Das Fräulein ist in der Kirche.«
»Es ist ja wahr. Heute ist Sonntag. Geht denn aber das Fräulein nicht mit dem alten Herrn zusammen?«
»Nein, der alte Herr geht zum Hochamt und besucht dann den Kanonikus, deshalb zieht es das Fräulein vor, die Frühmesse zu besuchen.«
»Was thut denn Deine Herrschaft des Sonntags?«
»Sie sind stets zu Hause. Nach dem Essen kommt Herr Gątowski.«
Diesen Gątowski hatte Polaniecki schon als kleinen Jungen gekannt. Zu jener Zeit hatte er den Spottnamen »Bär«, weil er ein feister, tölpelhafter und brummiger Bursche gewesen war. Der Diener berichtete weiter, daß der Vater des Herrn Gątowski vor fünf Jahren gestorben sei, und der junge Herr nun allein auf dem benachbarten Jalbrzykow wirtschafte.
»Und kommt er jeden Sonntag hierher?« fragte Polaniecki.
»Zuweilen auch an den Werktagen des Abends.«
Ein Nebenbuhler! dachte Polaniecki. Nach kurzem Ueberlegen fragte er: »Ist der alte Herr schon auf?«
»Der Herr muß geläutet haben, weil Joseph zu dem Herrn gegangen ist.«
»Was ist das für ein Joseph?«
»Der Kammerdiener.«
»Und worin besteht denn Deine Beschäftigung?«
»Ich helfe dem Kammerdiener.«
»Gehe und frage, wann Herr Plawicki zu sprechen sein wird!«
Der Diener entfernte sich, kam aber schon nach einigen Augenblicken wieder zurück.
»Der alte Herr läßt sagen, daß er es Sie wissen lassen wird, sobald er angekleidet ist.«
»Gut.«
Der Diener ging, und Polaniecki blieb allein. Er wartete und wartete, bis ihm die Geduld riß. Gerade wollte er in den Garten gehen, als Joseph mit der Meldung erschien, Herr Plawicki lasse ihn zu sich bitten.
Polaniecki folgte ihm über die Halle in ein Gemach, das auf der andern Seite des Hauses lag. In der ersten Minute erkannte er Herrn Plawicki nicht wieder. Er hatte ihn als einen auffallend schönen Mann im besten Alter in der Erinnerung: jetzt stand ein Greis vor ihm mit einem Gesicht voller Runzeln, mit einem schwarz gefärbten Schnurrbart, der wohl ebenso wie die gleichfalls gefärbten und sorgsam zur Seite gekämmten Haare dem Gesichte Jugendlichkeit verleihen sollte, während dies alles nur dazu diente, den Eindruck der Gebrechlichkeit zu erhöhen und Zeugnis für die unauslöschliche Eitelkeit des Herrn Plawicki abzulegen.
Dieser öffnete sofort die Arme und rief:
»Stanislaus! Wie geht es Dir, lieber Junge! Komme hierher!« Und auf seine weiße Weste zeigend, umfaßte er Polaniecki und zog ihn an die Brust.
Es währte ziemlich lange, ehe sich Herr Plawicki entschließen konnte, Polaniecki aus den Armen zu lassen, schließlich aber sagte er in gerührtem Tone:
»Laß Dich einmal anschauen. Der Anna wie aus dem Gesicht geschnitten! Meiner armen, geliebten Anna!«
Bei diesen Worten fing er an zu schluchzen und sich mit der rechten Hand über die Augen zu fahren, in denen übrigens keine einzige Thräne zu sehen war, während er wiederholte:
»Der Anna wie aus dem Gesicht geschnitten . . . Deine Mutter war mir immer eine der liebsten von allen Verwandten.«
Polaniecki befand sich in der größten Verlegenheit. Eine solche Aufnahme hatte er sich nie und nimmer erwartet. Außerdem fühlte er sich aber auch ganz betäubt von dem Geruch von Pomade, Puder und den verschiedenartigsten Parfüms, von welchen das Gesicht, der Schnurrbart, die Haare und die Weste des Herrn Plawicki dufteten.
»Wie geht es Ihnen, lieber Onkel?« fragte er endlich, sich zu dieser ihm in den Kinderjahren geläufig gewordenen Anrede entschließend, die er übrigens auch der feierlichen Stimmung des Wiedersehens entsprechend hielt.
»Wie ich mich befinde?« bemerkte Herr Plawicki. »Es wird nicht mehr lange dauern, gar nicht mehr lange! Aber eben deshalb bewillkommne ich Dich herzlich in meinem Hause . . . auf väterliche Weise! . . . Und wenn der Segen eines Mannes, der am Rande des Grabes steht, der das älteste Glied der Familie ist, in Deinen Augen einen gewissen Wert hat, so erteile ich ihn Dir.«
Und wieder umfaßte er Polaniecki, küßte ihn und segnete ihn. Dieser wurde womöglich noch verlegener. Deutlich trat es auf seinem Gesichte zu Tage, welchen Zwang er sich anthat. Seine Mutter war mit der ersten Frau des Herrn Plawicki verwandt und befreundet gewesen, mit diesem selbst hatten sie jedoch niemals herzlichere Bande verknüpft, und somit berührte ihn dieser feierliche Empfang höchst unangenehm. Er selbst hegte nicht das geringste verwandtschaftliche Gefühl für Herrn Plawicki, und so sagte er sich insgeheim: »Dieser abgeschmackte Mensch segnet mich, statt von meiner Geldforderung zu sprechen,« und es ergriff ihn ein solcher Grimm, daß er wieder fest beschloß, auf eine Auszahlung zu dringen. Herr Plawicki indessen rief:
»Setze Dich, mein lieber Junge, und thue ganz, als ob Du zu Hause wärest.«
Polaniecki leistete der Aufforderung Folge und begann dann:
»Lieber Onkel, ich brauche Sie wohl nicht zu versichern, mit welchem Vergnügen ich Sie hier aufgesucht habe, und daß ich dies gewiß auch ohne geschäftliche Veranlassung gethan hätte, allein Sie wissen auch, daß ich jetzt ausdrücklich wegen des Geldes komme, das meine Mutter . . .« da mit einem Male legte ihm Herr Plawicki die Hände auf die Schultern und fragte: »Hast Du schon Kaffee getrunken?«
»Gewiß,« erwiderte Polaniecki, aus dem Konzepte gebracht.
»Marynia ist in die Kirche gegangen. Ich muß Dich auch um Verzeihung bitten, daß ich Dir dieses Zimmer nicht abgetreten habe, ich bin aber gewohnt, hier zu schlafen. Das ist mein Nest.«
Während er dies sagte, deutete er rings in dem Zimmer umher.
Polaniecki folgte dieser Bewegung unwillkürlich mit den Augen. Einstmals hatte dies Zimmer eine große Anziehungskraft auf ihn ausgeübt, hingen doch die Waffen des Herrn Plawicki darin. Seit jener Zeit zeigte sich nur die eine Veränderung, daß das Zimmer eine neue, rosafarbene, in zahlreiche Felder geteilte Tapete aufwies, auf der junge à la Watteau gekleidete Schäferinnen abgebildet waren. Am Fenster stand ein Toilettentisch mit weißer Decke, einem Spiegel in silbernem Rahmen, und mit einer Unzahl von Büchsen, Schachteln, Flacons, Bürsten, Kämmen, Nägelfeilen u. s. w. daneben, ganz in der Ecke ein Gestell mit Tabakspfeifen; an der einen Wand prangten über dem Kanapee mehrere Eberköpfe, unter denen zwei Doppelflinten, Jagdtaschen, ein Horn, sowie verschiedene Jagdgeräte hingen, die entgegengesetzte Wand wurde von einem Schreibtisch, sowie von einem eichenen Bücherschrank eingenommen. Mit einem Wort, das war das Zimmer eines alten Kavalieres und großen Egoisten, voll kleinlicher Sorge um das eigene Wohl und voller Ansprüche. Polaniecki hätte keines großen Scharfsinns bedurft, um sofort zu wissen, daß Herr Plawicki um nichts in der Welt und keinem Menschen zuliebe aus seinem Zimmer gegangen wäre. Allein der gastliche Hauswirt fragte weiter:
»Hast Du es auch bequem gehabt? Wie schliefest Du die Nacht? Du wirst doch wenigstens acht Tage hier bleiben?«
Polaniecki sprang ungeduldig auf.
»Bedenken Sie doch, Oheim, daß ich ein Geschäft in Warschau habe und daß mein Teilhaber während meiner Abwesenheit für zwei zu arbeiten hat. Ich muß daher so rasch wie möglich wieder abreisen und möchte noch heute die Angelegenheit erledigen, wegen derer ich hierhergekommen bin.«
Herr Plawicki schaute ihn herzlich und doch auch wieder ernst an.
»Nein, mein Junge, das geht nicht. Heute ist Sonntag. Heute bewillkommne und beherberge ich Dich als Verwandter – morgen, wenn Du willst, trittst Du als Gläubiger auf. Darein hast Du Dich zu fügen. Heute bist Du mein lieber Gast, mein Stanislaus, der Sohn meiner Anna. Alles Geschäftliche wird auf morgen verschoben. Darauf einzugehen, bist Du verpflichtet, Stanislaus. Das sagt Dir Dein älterer Verwandter, der Dich liebt, und dem Du auch etwas zuliebe thun kannst.« Polaniecki schaute etwas finster drein, aber nach kurzem Ueberlegen entgegnete er:
»So wollen wir denn das Geschäftliche auf morgen verschieben.«
»Jetzt spricht Anna aus Dir . . . Rauchst Du eine Pfeife?«
»Nein. Ich rauche nur Cigaretten.«
»Glaube mir, daran thust Du unrecht. Aber ich habe für Gäste auch Cigaretten.« Das Rollen eines Wagens, der vor dem Hause vorfuhr, unterbrach dieses Gespräch. »Da kommt Marynia aus der Frühmesse zurück!« rief Herr Plawicki.
Polaniecki schaute durchs Fenster. Das junge Mädchen, das ein rotes Kleid und einen Strohhut trug, stieg gerade aus dem Wagen. »Du hast ja Marynia kennen gelernt!« bemerkte Herr Plawicki.
»Ich hatte gestern abend das Vergnügen.«
»Ein liebes Kind! Ich brauche Dir wohl nicht zu sagen, daß ich nur für sie lebe.«
In diesem Augenblick wurde an die Thüre geklopft, und eine jugendliche Stimme fragte: »Darf ich?«
»Gewiß, freilich! Stanislaus ist hier!« erwiderte Herr Plawicki.
Marynia trat rasch ins Zimmer, umarmte den Vater und reichte Polaniecki die Hand. In dem roten Perkalkleide, mit dem Hute am Arme, sah sie ungemein anmutig und hübsch aus.
Es war, als ob mit ihr die sonntägliche Stimmung, die klare Morgenfrische Einzug gehalten hätten. Mit ihrem von dem Hute ein wenig verwirrten Haare, mit den sanft geröteten Wangen erschien sie wie die Verkörperung der Jugend und machte auf Polaniecki einen noch weit günstigeren Eindruck als am vorhergegangenen Abend.
»Das Hochamt wird heute ein wenig später als gewöhnlich abgehalten werden,« begann sie zu dem Vater gewendet. »Der Kanonikus ging gleich nach der Frühmesse in die Mühle, um Frau Sintkawoski, die ihrem Ende nahe ist, die Kommunion zu reichen.«
»Auch recht!« erwiderte Plawicki. »So kann ich mich noch ein wenig mit Stanislaus befassen. Ich sage Dir, er ist der Anna wie aus dem Gesichte geschnitten! Doch Du hast sie ja niemals gesehen. Ich mache Dich auch darauf aufmerksam, Marynia, daß er heute als unser Gast, unser Verwandter bei uns weilt. Morgen kann er dann den Gläubiger herauskehren.«
»Nun,« bemerkte das junge Mädchen, »dann können wir doch einen vergnügten Sonntag haben.«
»Sie gingen gestern erst zu sehr später Stunde zur Ruhe,« warf Polaniecki ein, »und trotzdem sind Sie heute schon in der Frühmesse gewesen. Gestern abend vergaß ich übrigens die Grüße auszurichten, die mir Frau Emilie Chwastowski an Sie aufgetragen hat.«
»Seit anderthalb Jahren sah ich Emilie nicht mehr, aber wir schreiben uns häufig. Sie ist wohl schon wegen ihrer Kleinen nach Reichenhall gereist?«
»Sie ist gerade im Begriffe gewesen, abzureisen.«
»Und wie befindet sich das Kind?«
»Für ihre zwölf Jahre wächst sie über die Maßen. Sie ist sehr blutarm, überhaupt ein schwächliches, kränkliches Kind.«
»Sind Sie oft bei Emilie?«
»Sehr oft; sie ist mir die liebste unter meinen Bekannten in Warschau.«
»Sage mir, Junge,« ergriff nun Herr Plawicki das Wort, indem er ein Paar neue Handschuhe vom Tische nahm und sie in die Brusttasche steckte, »womit beschäftigst Du Dich eigentlich in Warschau?«
»Ich habe gemeinschaftlich mit einem gewissen Bigiel ein Kommissionsgeschäft und spekuliere mit Getreide, Zucker, zuweilen auch mit Holz, kurz, mit allem Möglichen.«
»Ich hörte doch, Du seiest Ingenieur?«
»Ich bin Techniker. Da ich aber nach meiner Rückkehr aus dem Auslande keine Stelle finden konnte, warf ich mich auf den Handel, für den ich mich stets interessiert hatte.«
»Wir leben in einer Zeit, in der man vor keinem Unternehmen zurückschrecken darf,« erklärte Herr Plawicki würdevoll. »Ich nehme Dir nichts übel. Warum soll man an den veralteten Ideen der Familien-Tradition festhalten? Arbeit gereicht keinem Menschen zur Schande.«
Polaniecki, der mit dem Eintritt des jungen Mädchens seine gute Laune wiedergewonnen hatte und den die plötzliche »grandezza« des Herrn Plawicki ergötzte, sagte mit solch herzlichem Lachen, daß seine gesunden Zähne sichtbar wurden:
»Gott sei Dank!«
Fräulein Marynia lächelte gleichfalls und bemerkte:
»Emilie, die Sie auch sehr gern hat, schrieb mir schon häufig, wie gut Sie Ihr Geschäft zu leiten verstehen.«
»Nur den Juden gegenüber hat man eigentlich einen schwierigen Standpunkt, mit den übrigen Konkurrenten ist leichter fertig zu werden. Aber auch mit jenen ist's nicht so schlimm, sobald man nur ruhig weiter arbeitet und keinen antisemitischen Aufruf unterschreibt. Was übrigens Frau Emilie betrifft, so versteht sie von Geschäften ebensoviel wie ihre kleine Litka.«
»Das glaube ich, sie ist niemals sehr praktisch gewesen. Wenn ihr Schwager ihr nicht zur Seite gestanden wäre, würde sie wohl ihr ganzes Vermögen eingebüßt haben. Herr Teofil hat Litka sehr gern.«
»Wer hätte Litka nicht gern? Ich selbst hege eine große Vorliebe für sie. Das ist ein merkwürdiges Kind, das jeden für sich einnimmt.«
Als Marynia ihn so sprechen hörte, schaute sie nachdenklich in sein offenes lebhaftes Gesicht und dachte: »Er ist wohl ein wenig hitzig, aber er hat ein gutes Herz.«
Herr Plawicki erklärte aber nunmehr, daß es Zeit sei, sich für die Kirche fertig zu machen, und verabschiedete sich von Marynia in einer Weise, als ob er eine monatelange Reise vorhabe. Schließlich machte er ihr das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn und nahm seinen Hut. Marynia drückte Polaniecki recht herzlich die Hand, und dieser sagte sich, als er mit dem alten Herrn wegfuhr:
»Oh, sie ist sehr schön, sehr sympathisch!«
Von der Allee aus, die Polaniecki schon vom vorhergehenden Abend kannte, bog der Wagen in eine Landstraße ein, auf der nichts wie alte, abgestorbene Birken in ungleichen Zwischenräumen standen. Zwischen den Birken flogen Elstern und Wiedehopfe umher. Auf dem in der Ferne sichtbaren, durch fahlgelbe Getreidestriche führenden Fußwege wandelten Dorfmädchen hin und her, die bis an die Schultern in den satten Aehren versanken, so daß eigentlich nur ihre roten Kopftücher, dem blühenden Mohn ähnlich, sichtbar waren.
»Gutes Getreide,« bemerkte Polaniecki.
»Nicht schlecht. Man thut, was in menschlichen Kräften steht, und was Gott thut, das ist wohlgethan. Du bist noch jung, mein Lieber, folglich gebe ich Dir eine Lehre, welche Dir für die Zukunft von Nutzen sein kann. Erfülle stets Deine Pflicht und das weitere überlasse dem Herrn. Er weiß am besten, was not thut. Die Ernte wird dieses Jahr gut ausfallen. Das wußte ich von Anfang an, denn Gott sendet mir stets ein Zeichen, wenn er mich strafen will.«
»Was?« fragte Polaniecki voll Verwunderung.
»Jedesmal, wenn mir etwas Schlimmes drohte, kam am Pfeifengestell – ich weiß nicht, ob Du bemerkt hast, wo es steht – mehrere Tage hintereinander eine Maus zum Vorschein.«
»Es wird irgendwo ein Mausloch sein.«
»Nicht ein Mausloch ist im Hause,« erwiderte Herr Polaniecki, die Augen halb schließend und geheimnisvoll den Kopf schüttelnd.
»So nehmen Sie doch eine Katze!«
»Nicht um die Welt. Wenn es der Wille des Herrn ist, daß diese Maus ein Zeichen oder eine Warnung für mich sein soll, so sei es fern von mir, mich dagegen aufzulehnen. Dieses Jahr hat sich aber noch keine Maus gezeigt. Ich sagte es schon Marynia . . . Vielleicht will uns Gott auf irgend eine Weise zu wissen thun, daß er über unsere Familie wacht. Höre, mein Lieber! Ich weiß, wie die Leute über uns reden, daß man sagt, wir seien ruiniert oder wenigstens in sehr schlechten Verhältnissen. Nun urteile selbst. Krzemien zusammen mit Stoki, mit Magierow und Sachacin hat einen Umkreis von zweihundertfünfzig Hufen Landes. Darauf stehen ungefähr dreißigtausend Rubel der agrarischen Gesellschaft – nicht mehr, und gegen hunderttausend Rubel Hypothekenschulden, Deine Forderung inbegriffen. Rechnen wir jetzt nur dreitausend Rubel für die Hufe Landes, so macht das siebenmalhundertfünfzigtausend Rubel, zusammen: achtmalhundertachtzigtausend Rubel . . .«
»Wie so,« unterbrach ihn Polaniecki verblüfft. »Sie rechnen ja die Schulden zum Vermögen, Oheim!«
»Da das Gut sonst keinen Wert haben würde, so daß mir niemand einen Groschen dafür gäbe, muß ich infolgedessen die Schulden zum Werte des Gutes rechnen.«
Während Polaniecki dachte: »Das ist ein Verrückter, mit dem man überhaupt nichts besprechen kann!« fuhr Herr Plawicki fort: »Magierow will ich parzellieren. Die Mühle verkaufe ich und in Stoki und Sachacin habe ich Mergel – und weißt Du, auf wie viel ich ihn berechne? Auf zwei Millionen Rubel.«
»Haben Sie denn schon einen Käufer dafür?«
»Schon vor zwei Jahren ist ein gewisser Schaum hier gewesen, um die Felder in Augenschein zu nehmen. Er erwähnte zwar nichts von Geschäften vor seiner Abreise, allein ich bin überzeugt, daß er wiederkommt. Andernfalls würde sich mir die Maus doch wieder am Pfeifengestell gezeigt haben.«
»Hoffentlich kommt er wieder.«
»Weißt Du, an was ich schon gedacht habe? Da Du doch zu den Geschäftsleuten gehörst, könntest Du dieses Geschäft machen. Du findest sicherlich einen Teilhaber dabei.«
»Selbst dann könnte ich mich nicht in ein solch großes Geschäft einlassen.«
»So suche für mich einen andern Käufer. Ich gebe Dir zehn Prozent an dem Gewinn.«
»Wie denkt Ihr Fräulein Tochter über diesen Mergel?«
»Marynia, ja diese Marynia. Ein Goldkind, sie ist auch meiner Meinung, daß die Vorsehung über uns wacht. Sie sprach sich gestern abend in ähnlicher Weise aus.«
Mittlerweile waren sie in die Nähe der in Watory auf einer kleinen Anhöhe liegenden Kirche gekommen. Unter den Bäumen standen einige Leiterwagen, sowie mehrere Britschkas und andere Kutschen.
Herr Plawicki bekreuzte sich.
»Das ist unsere Kirche,« bemerkte er, »Du wirst Dich ihrer übrigens erinnern. Alle Plawickis liegen hier begraben und binnen kurzem werde ich auch hier ruhen. Nirgends kann ich so gut beten, wie hier!«
»Augenscheinlich müssen sehr viele Leute in der Kirche anwesend sein,« meinte Polaniecki.
»Ich sehe wenigstens die Britschken der Gątowski und der Jamiszs und noch verschiedene andere. An die Jamiszs wirst Du Dich erinnern. Sie ist eine außergewöhnliche Frau, er scheinbar ein großer Oekonom und guter Ratgeber, in Wirklichkeit aber ein Tölpel, der durchaus nichts versteht.«
In diesem Augenblick begannen die Kirchenglocken zu läuten.
»Man hat uns gesehen, und nun wird geläutet. Die Messe wird jetzt gleich beginnen. Nach dem Hochamt führe ich Dich auf das Grab meiner ersten Gattin; bete für sie, ist sie doch Deine Verwandte gewesen . . . Sie war eine vortreffliche Frau. Gott habe sie selig!«
Bei diesen Worten betraten sie die Kirche von der Sakristei aus, da sie sich nicht durch die Leute drängen wollten. Die Frauen saßen auf den Seitenbänken, dicht vor der Stalla. Herr Plawicki nahm mit Polaniecki auf der dem Kollator zuständigen Bank, neben Herrn und Frau Jamisz Platz. Ersterer war ein schon sehr bejahrt aussehender Mann, dessen intelligentes Gesicht eine gewisse Niedergeschlagenheit verriet, letztere eine Frau, gut Ende der fünfzig, aber wie Marynia mit einem Perkalkleid und einem Strohhut angethan. Die große Liebenswürdigkeit, mit der Herr Plawicki sich vor ihr verbeugte, das freundliche Lächeln, mit welchem sie ihn begrüßte, deutete auf ein nahes Verhältnis der beiden. Polaniecki erregte sofort ihre Neugierde, sie betrachtete ihn einen Augenblick durch die Lorgnette, sichtlich ohne sich klar zu werden, wer wohl der Gefährte des Herrn Plawicki sein möge.
Das Anhören der Messe in dieser Kirche erweckte in Polaniecki wieder lebhaft die Erinnerung an seine Kinderjahre. Unwillkürlich regte sich in ihm auch Staunen darüber, daß sich hier, auf dem Lande, ganz und gar nichts verändert hatte, und wenn auch die Menschen nicht die gleichen geblieben waren, denn gar manche ruhten schon in geweihter Erde, waren doch auch wieder viele geboren worden; neues Leben war somit an die Stelle des alten getreten, und zwar so vollständig in der gleichen Gestalt, daß ein jeder, der nach langer Abwesenheit zurückkehrte, glauben mußte, die frühere Zeit sei wieder lebendig geworden. Auch nicht die kleinste Veränderung zeigte sich in der Kirche. Das Schiff war voll blonder Bauernköpfe, dunkelgrauer Bauernröcke, roter und gelber Tücher, die mit Blumen die Köpfe der jungen Mädchen schmückten, ja, es roch noch ganz so wie früher nach Weihrauch, frischem Kalmus und nach den vielen Menschen. An einem der Fenster wuchs noch die gleiche Weide, deren dünne Zweige bei jedem Windstoß an die Scheiben schlugen und durch welche die Kirche mit einem grünlichen Lichte erfüllt wurde. Während ihn die Erinnerung an die Kindheit mächtig ergriff, wurde der Gedanke so recht in ihm rege, daß er niemand habe, dem er das, was gut in ihm war, zu eigen geben könne, und mit einem Male dachte er wieder so lebhaft an Marynia Plawicki, daß er sie in ihrem leichten Sommerkleide, das sich fest an die junge schlanke Gestalt schmiegte, vor sich zu sehen glaubte. Ehe er von Warschau abgereist war, hatte Frau Chwastowski zu ihm gesagt: »Wenn Sie sich während Ihres Aufenthaltes in Krzemien nicht in Marynia verlieben, dürfen Sie nicht mehr über meine Schwelle.« Darauf hin hatte er zwar behauptet, der Zweck seiner Reise sei nur, seine Forderung mündlich geltend zu machen, aber diese Idee existierte nur in seiner Einbildung. Wenn er Fräulein Plawicki nicht in Krzemien zu treffen gehofft hätte, würde er deren Vater nach wie vor brieflich oder auf gerichtlichem Wege gedrängt haben. »Sie ist wie die Morgenfrühe,« sagte er sich, »sie ist schön, und sie weiß, daß sie schön ist. Frauen wissen das immer.«
Er sah mit Ungeduld dem Ende der Messe entgegen, denn es drängte ihn, in Krzemien die Beobachtungen wieder aufzunehmen, die er bis jetzt über die Frauen angestellt hatte. Rasch verließ nach dem Gottesdienste Herr Plawicki, nachdem er sich nochmals bekreuzt hatte, mit Polaniecki die Kirche, da er zwei Dinge vorhatte. Erstens wollte er auf den Gräbern seiner beiden Gattinnen beten, zweitens seine Gutsnachbarin, Frau Jamisz, an ihren Wagen geleiten, und da er weder auf das eine, noch auf das andre verzichten mochte, mußte er sich sehr beeilen. Zuvörderst begab er sich mit seinem Gaste an die Gruft, die sich an einer der Seitenwände der Kirche befand. Hier kniete er nieder, betete einige Minuten andächtig, erhob sich dann, trocknete die Thränen, die seine Wangen feuchteten, faßte Polaniecki unter den Arm und sagte: »Ja, ich verlor beide – und ich muß weiter leben!«
Inzwischen hatten sich die Jamisz und der junge Gątowski vor der Kirche zusammengefunden. Selbstverständlich schlossen sich die beiden sofort der Gesellschaft an, und man begrüßte sich gegenseitig. Herr Plawicki stellte Polaniecki vor, wendete sich dann zu Frau Jamisz und fügte mit dem Lächeln eines Menschen, der überzeugt ist, daß er einen geistreichen Ausspruch thut, die Erklärung hinzu: »Ein Verwandter, der gekommen ist, seinen Oheim zu umarmen und zu drücken!«
»Wir gestatten ihm nur das erste, andernfalls wird er es mit uns zu thun haben!« rief Frau Jamisz.
»An Krzemien (Kiesel) kann er sich die Zähne ausbeißen,« fuhr Plawicki fort, »obwohl er noch jung ist.«
Frau Jamisz zwinkerte mit den Augen.
»Diese leichte, sprechende Art, mit der Sie alles zu behandeln wissen, c'est inouï,« sagte sie. »Und wie befinden Sie sich heute?«
»In diesem Augenblicke fühle ich mich jung und gesund.«
»Und Marynia?« setzte Frau Jamisz neugierig hinzu.
»War in der Frühmesse. Um fünf Uhr erwarten wir Sie, meine Herrschaften. Das Wetter ist ja schön.«
»Wir kommen, wenn meine Neuralgie es gestattet . . . und wenn der Herr Gemahl einverstanden ist.«
»Was meinen Sie, Nachbar?« fragte Herr Plawicki.
»Ich komme wie immer sehr gern,« antwortete der Angeredete mit der ihm eigenen gedämpften Stimme.
»Also au revoir!«
»Au revoir!« erwiderte Frau Jamisz. Und sich zu Polaniecki wendend streckte sie diesem die Hand hin.
»Es war mir angenehm, Sie kennen zu lernen.«
Herr Plawicki reichte ihr den Arm und geleitete sie zum Wagen.
Polaniecki blieb einen Augenblick allein mit Herrn Gątowski, welcher ihn ziemlich mißvergnügt betrachtete. Aus dem Bären war ein kräftiger junger Mann geworden. Polaniecki wartete, bis er ihn anreden werde, aber er stand da mit den Händen in den Taschen und schwieg beharrlich.
»Er hat noch die nämlichen, schlechten Manieren wie früher,« dachte Polaniecki.
»Merkst Du etwas?« flüsterte Plawicki, der indessen zurückgekehrt war, ihm zu und sagte dann laut:
»Nun, Gątowskichen, fährst Du mit Deiner Britschka? Im Wagen sind nur zwei Plätze.«
»Ja, natürlich, denn ich habe den Hund für Fräulein Marynia bei mir,« versetzte der junge Mann.
Und er entfernte sich mit einer Verbeugung. Nach wenigen Minuten befanden sich Plawicki und Polaniecki auf dem Wege nach Krzemien.
»Dieser Gątowski ist wohl auch ein Verwandter von Ihnen?« fragte Polaniecki.
»Im neunten oder zehnten Gliede vielleicht. Die Familie ist sehr heruntergekommen. Adolf hat ein Vorwerk, aber leere Taschen.«
»Doch sein Herz ist gewiß nicht leer.«
Herr Plawicki verzog verächtlich den Mund.
»Um so schlimmer für ihn, wenn er sich solchen Liebesträumen hingiebt. Er mag ein guter Mensch sein, ist aber sehr einfältig. Auch hat er keine gute Erziehung genossen. Marynia duldet ihn in ihrer Nähe.«
»Ah, sie duldet ihn?«
»Siehst Du, die Sache verhält sich folgendermaßen. Ich opfere mich für meine Tochter, indem ich auf dem Lande wohne, sie opfert sich für mich, indem sie auf dem Lande wohnt. Es ist sehr einsam hier. Junge Leute giebt es nicht viele hier in der Gegend. Gątowski kommt immer des Sonntags zum Mittagessen zu uns. Heute bringt er einen Hund.«
Sie schwiegen und der Wagen rollte gemächlich über den Sandboden dahin.
Hinter ihnen, in seiner Britschka fuhr Gątowski. Er war in Gedanken an Polaniecki versunken.
»Wenn er als Gläubiger kommt, um sie zu mahnen, drehe ich ihm den Hals um,« sagte er sich, »und wenn er als Freier kommt, drehe ich ihm gewiß den Hals um.«
So fuhren sie dahin, und eine halbe Stunde später waren alle bei Fräulein Marynia im Speisezimmer um den Tisch versammelt, das junge von Gątowski mitgebrachte Hündchen machte sich das Vorrecht eines neuen Ankömmlings zu Nutzen, indem es unter dem Tisch herumsprang, oder mit großer Zutraulichkeit die Vorderpfote an die Knie der Anwesenden legte.
»Er heißt Gordon und ist ein Spürhund,« bekundete Gątowski. »Er ist noch recht dumm, aber diese Rasse zeichnet sich durch große Anhänglichkeit aus.«
»Er ist sehr niedlich, und ich bin Ihnen überaus dankbar,« erwiderte Fräulein Plawicki.
»Für die Jagd ist diese Art brauchbarer als jede andere.«
»Jagen Sie auch?« fragte Polaniecki.
»Nein, ich habe noch nie Lust dazu gehabt. Und Sie?«
»O ja, zuweilen. Uebrigens lebe ich ja in der Stadt.«
»Hast Du viel Verkehr und machst Du oft Besuche?« fragte Herr Plawicki.
»Fast nie. Bei Frau Emilie, bei meinem Associé, Bigiel, bei Waskowski, meinem ehemaligen Lehrer, der ein rechter Sonderling geworden ist, das ist alles. Selbstverständlich gehe ich nur zu Leuten, für die ich Interesse habe.«
»Du thust nicht recht daran, mein Sohn, ein junger Mann muß sich bemühen, in Beziehungen zu der guten Gesellschaft zu bleiben, zumal wenn er ein Anrecht auf sie hat. Anders verhält es sich mit denen, die sich erst emporarbeiten müssen, aber Du, ein Polaniecki, solltest überall Besuche machen. Mit Marynia habe ich auch immer dieselbe Not. Vor zwei Jahren, als sie gerade das achtzehnte Jahr zurückgelegt hatte, brachte ich sie im Winter nach Warschau. Du kannst Dir denken, daß dies nicht leicht zu bewerkstelligen war und gewisse Opfer erforderte. Und was geschah? Ganze Tage saß sie bei Frau Emilie und las ein Buch nach dem andern. Wild ist sie aufgewachsen und wild bleibt sie. Reicht Euch die Hände, denn Ihr seid einander würdig.«
»Reichen wir uns die Hände,« rief Polaniecki fröhlich.
Und Marynia versetzte lächelnd:
»Gewissensbisse kann ich mir darüber nicht machen, denn ganz so ist es doch nicht gewesen. Zwar habe ich mit Emilie viel gelesen, das ist wahr, aber mit Papa habe ich auch Besuche gemacht und mich für mein ganzes Leben satt und müde getanzt.«
»Sage mir doch, Stach, kennst Du Bukacki?« fragte Plawicki.
»Natürlich. Er ist ja mit mir näher verwandt als mit Ihnen.«
»Nun, wir sind eigentlich mit der ganzen Welt verwandt – buchstäblich mit der ganzen Welt. Bukacki war einer der eifrigsten Tänzer der Marynia. Er tanzte jeden Abend mit ihr.«
Polaniecki lachte: »Er ist der älteste Elegant in Warschau. Und wissen Sie, welchen Beruf er hat? Er ist Inspizient der frischen Luft, denn er prüft sie gründlich jeden Tag. Ueberdies ist er ein Original, und er hat allerlei Flausen im Kopf. Er beobachtet Dinge, mit denen sich sonst niemand beschäftigt. Als ich ihn eines Tages, nach seiner Rückkehr von Venedig, antraf und ihn fragte, was er dort gesehen, erwiderte er mir: ›Auf der Riva degli Schiavone sah ich einmal eine halbe Eierschale und eine halbe Citronenschale schwimmen, sie berührten sich, stießen aneinander, entfernten sich, näherten sich wieder, bis zuletzt die Citronenschale in die Eierschale hinein geriet und sie zusammen dahinschwammen. Merkst Du, welch tiefen Sinn dies hat?‹ Mit solchen Lappalien beschäftigt sich Bukacki, wenngleich er viel weiß und ein feines Verständnis für Kunst hat.«
»Man sagt ja, er sei sehr begabt.«
»Wohl möglich, doch thut er nichts, als essen und trinken. Wenn er wenigstens heiter wäre, aber er ist eigentlich melancholisch. Daß er in Frau Emilie verliebt ist, vergaß ich auch noch zu sagen.«
»Sieht Emilie viele Leute bei sich?« fragte Fräulein Marynia.
»Nein, zuweilen besuche ich sie, manchmal kommen auch Bukacki und Maszko, ein gewiegter Advokat.«
»Sie kann gewiß auch nicht oft empfangen, weil Litka ihrer Pflege sehr bedarf.«
»Die arme Kleine!« sagte Polaniecki, »Gott gebe, daß ihr wenigstens die Kur in Reichenhall helfen möge.«
Ein Schatten überzog für einen Augenblick sein heiteres Antlitz. Jetzt blickte Fräulein Marynia mit innigem Mitgefühl auf ihn und sie dachte wieder: »Er muß sehr gut sein.« Und Herr Plawicki sagte gleichsam wie zu sich selbst: »Maszko, Maszko . . . Der bemühte sich ebenfalls um Marynia. Aber sie liebt ihn nicht.«
Das Mittagsmahl war zu Ende und man begab sich zum Kaffee in den Salon. Nachdem der Kaffee getrunken war, setzte sich Fräulein Marynia ans Klavier, während ihr Vater Patience legte. Sie spielte nicht besonders gut, aber ihre klaren ruhigen Züge bekamen etwas ungemein Durchgeistigtes.
Gegen fünf blickte Plawicki auf die Uhr und sagte: »Herr und Frau Jamisz kommen augenscheinlich nicht.«
Und von jetzt an schaute er fortwährend auf die Uhr und drückte immer wieder sein Erstaunen darüber aus, daß sie so lange auf sich warten ließen. Endlich um sechs bemerkte er mit einer Grabesstimme:
»Es muß ihnen ein Unglück begegnet sein.«
Polaniecki stand in diesem Augenblick neben Marynia, welche leise sagte: »Das ist ein Elend. Ein Unglück ist ihnen gewiß nicht begegnet, aber Papa wird nun bis zum Abend übler Laune sein.« Polaniecki wollte im ersten Augenblick erwidern, dies werde am folgenden Morgen, wenn ihr Vater sich gut ausgeschlafen, wieder vorüber sein, aber als er den Ausdruck von Unruhe in ihrem Gesichte wahrnahm, entgegnete er: »So viel ich weiß, ist's ja nicht weit von hier, vielleicht könnten Sie also jemand hinschicken und sich erkundigen lassen, wie die Sache sich verhält.«
»Was meinst Du dazu, Papa?«
Doch er erwiderte mit einiger Bitterkeit: »Allzu gütig! Ich fahre selbst!« Und nachdem er dem Diener geklingelt, gab er den Befehl zum Anspannen, dann sagte er: »Enfin, es kommt ja häufig vor, daß jemand mich besucht und meine Tochter allein antrifft. Auf dem Lande ist es eben anders als in der Stadt. Zudem seid Ihr verwandt. Du, Gątowski, bist mir vielleicht nötig, habe also die Güte, mit mir zu fahren.«
Aerger und Mißvergnügen malten sich auf dem Gesichte des jungen Mannes. Er fuhr sich mit den Händen durch die dichten Haare und sagte:
»Ich habe Fräulein Marynia versprochen, den Nachen wieder flott zu machen, weil der Gärtner es nicht zustande bringt. Vergangenen Sonntag ließ sie mich aber nicht hinaus, weil es goß wie mit Kübeln.«
»So geh' und probiere es. Bis zum Teiche sind es nur dreißig Schritte, in wenigen Minuten bist Du wieder zurück.« Wohl oder übel mußte sich Gątowski fügen, Plawicki aber ging, ohne auf Polaniecki und seine Tochter zu achten, unruhig im Zimmer hin und her und murmelte vor sich hin:
»Neuralgie im Kopfe! Ich wette, es ist Neuralgie im Kopfe. In dem Fall muß Gątowski gleich zum Doktor gehen. Der Tölpel, dieser Rat, der sich selbst keinen Rat weiß, hat gewiß noch nicht hingeschickt.« Und augenscheinlich das Bedürfnis fühlend, seiner schlimmen Laune Luft zu machen, fügte er, zu Polaniecki gewendet, hinzu: »Du glaubst nicht, was das für ein Einfaltspinsel ist!«
»Wen meinen Sie?«
»Jamisz.«
»Aber Papa . . .« begann Marynia.
Doch Herr Plawicki ließ sie nicht ausreden und sagte in steigendem Grimme: »Ich weiß, es gefällt Dir nicht, daß sie stets freundschaftlich besorgt um mich ist. Lies nur seinen Artikel über Landwirtschaft, bewundere ihn, errichte ihm ein Denkmal, aber gestatte auch mir, meinen Neigungen zu folgen.« Polaniecki konnte nicht genug Marynias Güte und Liebenswürdigkeit bewundern, denn ohne die geringste Ungeduld oder Gereiztheit an den Tag zu legen, ging sie zu ihrem Vater, drückte ihre Lippen auf seinen gefärbten Schnurrbart und sagte: »Sogleich wird angespannt sein, sogleich, ärgere Dich jetzt nur nicht, böses Väterchen, denn Du schadest Dir nur selbst.«
Herr Plawicki, der thatsächlich sehr an ihr hing, küßte sie auf die Stirne, indem er bemerkte:
»Im Grunde hast Du ein gutes Herz, das weiß ich, aber was macht denn Gątowski so lange?«
Und durch die offene Gartenthüre rief er den jungen Mann, der denn auch unverzüglich etwas erschöpft zurückkehrte und erklärte, der Nachen sei voll Wasser und zu weit ans Ufer gezogen, er habe probiert ihn abzustoßen, sei aber nicht damit zustande gekommen.
»Nimm Deine Mütze und eilen wir, denn der Wagen ist vorgefahren.«
Einen Augenblick später waren die jungen Leute allein.
»Papa ist an bessere Gesellschaft gewöhnt, als er hier auf dem Lande hat,« begann Marynia. »Deshalb findet er großen Gefallen an dem Umgang mit Frau Jamisz. Aber auch Herr Jamisz ist ein trefflicher und gescheiter Mensch.«
»Ich habe ihn in der Kirche gesehen. Er schien mir etwas niedergedrückt.«
»Er ist krank und zudem sehr überarbeitet.«
»Gerade wie Sie, mein Fräulein.«
»Nein. Herr Jamisz verwaltet sein Gut vortrefflich und schreibt außerdem noch viel über Landwirtschaft. Er ist der Gelehrte hier in unsrer Gegend. Und dabei ein ausgezeichneter Mensch. Sie ist ebenfalls eine gute Frau, aber für mich etwas zu affektiert.«
»Wohl eine ehemalige Schönheit?«
»Erraten. Ihre Ueberspanntheit nimmt auch durch das Leben auf dem Lande immer noch zu, denn hier verbauert man wirklich ein wenig. Ich glaube, in der Stadt schleifen sich wunderliche, lächerliche Menschen gegenseitig mehr ab, während sie auf dem Lande Originale werden. Wir alle müssen den Großstädtern ein wenig lächerlich erscheinen.«
»Nicht alle,« erwiderte Polaniecki. »Sie zum Beispiel, mein Fräulein, ganz und gar nicht.«
»Vielleicht kommt es erst mit der Zeit,« versetzte sie lächelnd, »bei uns ändert sich so wenig und meist nicht zum Guten.«
»Aber im Leben einer jungen Dame sind Veränderungen vorauszusehen.«
»Mein Hauptwunsch ist, daß es uns gelingt, Ordnung in Krzemien zu schaffen.«
»Die Sorge um den Vater und um Krzemien füllen also Ihr ganzes Leben aus.«
»Gewiß. Und dies ist ja natürlich, da ich kaum etwas andres kenne.«
»Papa, Krzemien – nichts weiter?« wiederholte Polaniecki. Eine kurze Pause trat ein, worauf Fräulein Marynia Herrn Polaniecki zu einem Spaziergang in den Garten aufforderte. Sie machten sich auf den Weg und befanden sich bald am Ufer des Teiches. Polaniecki, der im Ausland vielfach dem Sport gehuldigt hatte, zog den Nachen ins Wasser, aber da zeigte es sich, daß derselbe leck und nicht mehr zu gebrauchen war.
»Hier haben Sie ein Bild von unsrer Lage,« sagte Marynia trübe lächelnd. »In alles und überall dringt das Wasser ein. Aber ehe der Teich abgelassen wird, soll der Nachen noch ausgebessert werden.«
»Vielleicht ist es derselbe, in dem ich als kleiner Knabe fahren wollte und nicht durfte.«
»Das ist sehr leicht möglich.«
»Wenn es der aus meinen Kinderjahren ist, so habe ich kein Glück damit. Damals erlaubte man nur nicht darin zu fahren, und jetzt verrenkte ich mir beinahe die Hand an dem morschen Fahrzeug.«
Bei diesen Worten zog er sein Taschentuch hervor und versuchte mit der linken Hand die Finger der rechten zu verbinden. Dabei ging er indessen so ungeschickt zu Werk, daß Marynia ausrief:
»Da Sie sich nicht zu helfen wissen, muß ich es versuchen.«
Und sie begann ihm die Hand zu verbinden, die er absichtlich hin und her bewegte, um ihr die Aufgabe ein wenig zu erschweren, denn er empfand mit Wonne die Berührung ihrer zarten Finger. Sie bemerkte, daß er sie zu hindern suchte und schaute ihn an, aber in dem Moment, da ihre Blicke sich begegneten, erriet sie seinen Beweggrund und beugte sich errötend tiefer herab. Polaniecki fühlte ihre Nähe, fühlte die Wärme, die von ihr ausströmte, und sein Herz begann stärker zu klopfen.
»Daß mir die hier verlebte Ferienzeit stets eine liebe Erinnerung sein werde, wußte ich,« sagte er, »aber jetzt ist sie mir noch teurer geworden.«
Marynia wußte, daß Polaniecki nur seine aufrichtige Meinung aussprach und daß seine allzu große Kühnheit mehr von angeborner Lebhaftigkeit als daher rührte, daß er sich allein mit ihr wußte, deshalb zürnte sie ihm nicht, sondern erwiderte in scherzhaftem Tone: »Bitte, mir keine Artigkeiten zu sagen, denn erstens verbinde ich dann die Hand schlecht und zweitens laufe ich davon.«
»Verbinden Sie meinetwegen die Hand schlecht, aber bleiben Sie. Der Abend ist so schön.«
Indessen war Marynia mit dem Verband fertig geworden, und sie gingen weiter. Der Abend war in der That sehr schön. Die Sonne stand schon tief am Horizonte, der Teich glänzte wie flüssiges Gold. Drüben über dem Wasser zog sich ein stiller Erlenhain hin, die nahen Bäume hoben sich scharf ab in der Abendröte, denn die Luft war außerordentlich rein. Auf dem Hofe hinter dem Hause klapperten die Störche.
»Wie lieblich Krzemien ist, wie ungemein lieblich,« sagte Polaniecki. »Ich begreife Ihre Anhänglichkeit an diesen Ort vollkommen. Zudem, wer sich ernstlich beschäftigt, gewinnt seine Arbeit lieb. Und auch auf dem Lande kann man Schönes erleben. So wie jetzt zum Beispiel, da ist's einem wohl. In der Stadt sind die Menschen zuweilen ganz erschöpft, besonders die, welche wie ich bis über die Ohren in ihren Rechnungen stecken und außerdem allein stehen. Bigiel, mein Compagnon, hat Frau und Kinder – das muß beglückend sein. Aber was habe ich? Manchmal frage ich mich selbst, wozu ich arbeite, denn was nützt es mir? daß ich mir ein wenig Geld ersparen kann – weiter habe ich nichts davon. Ein Tag vergeht wie der andre, unter stetem Mühen. Sehen Sie, mein Fräulein, wie sich der Mensch an etwas gewöhnt, wie es kommt, daß ihm dies Jagen nach Geld als der eigentliche Zweck des Lebens erscheint. Aber es kommen Augenblicke, in denen ich glaube, daß mein Freund Waskowski recht hat, und daß niemand, dessen Namen auf ski oder auf vicz endigt, sich ausschließlich darauf zu verlegen und damit vorlieb zu nehmen vermag. Ich widersprach ihm oft, ich ging auf Gelderwerb aus, wo ich konnte, doch jetzt, da es mir vergönnt ist, mit Ihnen in diesem Garten umherzuwandeln, dünkt mich, daß er recht hat.«
Einen Augenblick gingen sie schweigend weiter. Das rötliche Licht um sie her ward immer intensiver, so daß ihre Gesichter wie von Glut übergossen schienen. Sie fühlten sich glücklich und in vollständigem Einklang mit sich selbst. Polaniecki bemerkte nach einiger Zeit: »Auch das ist richtig, was mir Frau Chwatowski sagte, daß man zu Ihnen nach einstündiger Bekanntschaft das größte Zutrauen hat und Ihnen näher kommt als andern in vielen Wochen. Mich dünkt, ich kenne Sie lange, lange schon. Und ich glaube, daß nur ungewöhnlich gute Menschen solchen Eindruck machen.«
»Emilie hat mich sehr gerne und lobt mich deshalb,« entgegnete Marynia einfach, »wenn das aber auch wahr wäre, was sie sagt, müßte ich doch offen gestehen, daß ich nicht allen Leuten gegenüber so zu sein vermag.«
»Gestern machten Sie in der That einen andern Eindruck auf mich. Aber da waren Sie müde und schläfrig.«
»Ein wenig.«
»Weshalb begaben Sie sich nicht zur Ruhe? Der Diener hätte alles besorgen können und schließlich hätte ich mich auch ohne Thee begnügt!«
»Nein, so wenig gastfreundlich sind wir nicht. Papa sagte, es schicke sich, daß jemand von uns Sie empfange. Ich befürchtete, er werde selbst aufbleiben, und da ihm dies hätte schaden können, mußte ich ihn vertreten.«
Polaniecki dachte: »In dieser Hinsicht hättest Du ruhig sein können, aber schön ist's von Dir, daß Du den alten Egoisten in Schutz nimmst.«
Laut aber sagte er:
»Auch dafür bitte ich um Verzeihung, daß ich sogleich anfing, von Geschäften zu reden. Dies ist kaufmännischer Brauch, denn als ich allein war, sagte ich zu mir selbst: Du bist ein rechter Strohkopf, und beschämt bitte ich jetzt um Verzeihung.«
»Dazu ist keine Ursache vorhanden, denn es trifft Sie nicht die geringste Schuld.«
Allmählich übergoß die Abendröte alles mit ihrem flammenden Lichte. Nach einiger Zeit begaben sich die beiden wieder ins Haus und setzten sich auf die in den Garten gehende Veranda.
Polaniecki trat einen Augenblick in den Salon, kehrte dann mit einem Fußschemel zurück und sich niederknieend schob er ihn unter Marynias Füße.
»Danke, danke sehr,« sagte sie. »Wie gütig Sie sind.« Und er erwiderte: »Von Natur bin ich gar nicht sehr ritterlich. Wissen Sie, durch wen ich anders geworden bin? Durch Frau Chwastowski.«
»Wäre sie nicht schon nach Reichenhall abgereist, so hätte ich sie zu uns eingeladen.«
»Und ich wäre mit Litka ohne Einladung gekommen.«
»Hiermit lade ich Sie im Namen meines Vaters ein für allemal ein.«
»Sagen Sie dies nicht so leichthin, da ich nur allzugern bereit bin, von Ihrer Erlaubnis Gebrauch zu machen. Hier ist mir sehr wohl, also werde ich mich hierher, unter Ihre Obhut flüchten, so oft ich mich in Warschau unbehaglich fühle.«
Marynia richtete ihre blauen Augen zu ihm empor, und darin war deutlich die Frage zu lesen: »Sagst Du dies absichtlich oder unabsichtlich?« Leise erwiderte sie: »Ja, kommen Sie!«
Beide schwiegen, wohl von dem Gefühl durchdrungen, daß ein inniges Band sie umschlinge. »Mich wundert, daß Papa noch nicht zurück ist,« fing endlich Marynia wieder an.
Die Sonne war schon vollständig untergegangen, in der roten Abenddämmerung kreisten die Reiher in stillem Flug, vom Teiche her vernahm man das Quaken der Frösche. Polaniecki achtete nicht auf die Bemerkung des jungen Mädchens, und wie von eigenen Gedanken in Anspruch genommen, sagte er: »Ich denke und grüble nicht viel über das Leben nach, denn mir fehlt die Zeit dazu. Wenn mir wohl ist, wie in diesem Augenblick zum Beispiel, dann fühle ich, daß mir wohl ist, wenn mir traurig zu Mute ist, fühle ich es auch, und damit gebe ich mich zufrieden. Aber vor fünf oder sechs Jahren war es anders. Damals verkehrte ich mit einer Menge Leute, die das Rätsel des Lebens zu erforschen suchten. Es waren einige Gelehrte und ein Litterat, der heutzutage einen Namen in Belgien hat. Gar oft wurde die Frage aufgeworfen: Wohin kommen wir, welchen Sinn, welchen Wert hat alles. Wir lasen alle möglichen philosophischen Schriften, schließlich aber machte ich mir klar, daß mir die Lust an der Arbeit verdorben ward. Da zauste ich mich an den Ohren und begann mit allen Kräften meine Perkale zu färben. Dann sprach ich zu mir selbst: Leben muß man, demnach muß man dem Leben abzugewinnen suchen, was es bietet, und so will ich denn zu erringen suchen, was ich vermag. Waskowski sagte zwar, wir Slawen wären nicht imstande, uns damit zu begnügen, aber er schwatzt nur so. Daß wir uns mit Geld allein nicht begnügen können, will ich zugeben, ich selbst habe mir schon oft gesagt, daß es außer dem Geld noch zwei wünschenswerte Sachen giebt: Freunde und, wissen Sie, was noch – eine liebe Frau – denn es ist gut, wenn der Mensch mit jemand alles zu teilen hat. Der Tod kommt unerbittlich – mit ihm hört das menschliche Denken auf. ›That's not my business‹ sagen die Engländer. Wenn man jemand gefunden hat, kann man aus freien Stücken geben, was man besitzt. Ein teueres Wesen für sich zu gewinnen, das ist das richtige Ziel, der wahre Zweck des Lebens. Und dann möge kommen, was wolle. – Ich spreche mich selten so aus,« fügte Polaniecki nach einer Pause hinzu, »Frau Emilie hat aber recht, Ihnen kommt man in einem Tage näher, als andern in einem Jahre. Sie müssen märchenhaft gut sein. Welch eine Thorheit hätte ich begangen, wenn ich nicht nach Krzemien gekommen wäre. Nun werde ich Sie so häufig besuchen, als Sie gestatten.«
»Kommen Sie recht oft.«
»Ich danke Ihnen.«
Er streckte ihr die Hand hin, und Marynia legte die ihrige wie zur Besiegelung des Bundes in seine.
Ach! wie gut er auch ihr gefiel, mit seinem offenen, männlichen Gesichte, seinen dunklen Haaren, seinem thatkräftigen Wesen, seinen lebhaften Augen. Brachte er doch einen Hauch frischen Lebens mit sich, das ihr in Krzemien fehlte, eröffnete er ihr doch einen neuen Gesichtskreis, der weit über ihren bisherigen hinausging. Dadurch ward er ihr in einem Tage so teuer, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.
Wieder saßen sie eine Zeitlang schweigend da, aber ihr Gedankengang führte sie weiter und weiter. Schließlich wies Marynia mit der Hand nach dem hellen Schein, der sich hinter dem Erlenhain zeigte, und sagte: »Der Mond.«
»Ach, der Mond,« wiederholte Polaniecki. Feurig und groß wie eine Kugel erhob sich das Gestirn hinter den Bäumen. Da bellten die Hunde, ein Wagen fuhr vor, und nach wenigen Minuten erschien Herr Plawicki im Salon, in den kurz vorher die Lampe gebracht worden war. Marynia ging hinein, Polaniecki folgte ihr.
»Meine Besorgnis war unnötig,« sagte Herr Plawicki. »Herr Jamisz fühlt sich zwar ein wenig unwohl, begiebt sich jedoch morgen nach Warschau. Frau Jamisz hat versprochen, übermorgen hierherzukommen. Wie habt Ihr hier die Zeit verbracht?«
»Wir lauschten dem Quaken der Frösche, und uns war wohl zu Mute,« erwiderte Polaniecki.
»Unser Herrgott wußte wahrscheinlich, weshalb Er die Frösche schuf, darum will ich nicht murren, wenngleich sie mich des Nachts nicht schlafen lassen. Und jetzt möchte ich Thee trinken, Marynia.«
Im anstoßenden Zimmer stand der Thee schon bereit. Während sie beisammen saßen, erzählte Herr Plawicki von seinem Besuche bei den Freunden. Die jungen Leute aber schwiegen, von Zeit zu Zeit schauten sie sich mit leuchtenden Augen an, und als sie sich gute Nacht sagten, drückten sie sich sehr warm die Hand.
Marynia empfand eine angenehme Müdigkeit, während sie sich auskleidete. Dann, als ihr Haupt schon auf dem Kissen ruhte, kam ihr nicht in den Sinn, daß der folgende Tag ein Montag sei und daß nun eine ganze Woche von Werktagen beginne, sondern sie dachte nur an Polaniecki, und seine Worte klangen noch in ihr nach.
Polaniecki hingegen dachte, während er sich im Bette noch eine Cigarette anzündete: »Marynia ist gut, hübsch, liebenswürdig – wo fände ich eine zweite?«