Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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12. Kapitel.

Lange rasten unsere Reiter weiter durch den Wald. Die Kiefern, die am Wege standen, schienen erschreckt vor ihnen zurückzufliehen. Schenken, Hütten von Teersiedern, Wagen, die nach Pilwiszki fuhren, alles ließen sie hinter sich zurück.

Endlich hörte das tolle Jagen auf. Menschen und Tiere mußten zu Atem kommen, und Pilwiszki war so weit hinter ihnen geblieben, daß eine Verfolgung von dort ausgeschlossen war.

Der Fürst, der sich bemühte, zu sich zu kommen und sich zu beruhigen, schwieg lange Zeit. Endlich fragte er:

»Und wohin führen Sie mich?«

»Das werden Sie am Ziele unserer Reise erfahren,« sagte Kmicic trocken.

Einen Moment verstummte Boguslaw, dann begann er von neuem:

»Befehlen Sie Ihren Knechten, mich freizulassen; sie haben mir fast die Arme ausgerenkt. Ich werde sie hängen oder pfählen lassen.«

»Das sind keine Knechte, das sind Schlachtschitzen. – Und was die Strafe anbelangt, mit der Sie sie bedrohen, so wollen wir es dahingestellt sein lassen, wen von uns der Tod zuerst ereilen wird.«

»Befehlen Sie ihnen, mir die Arme freizugeben!«

»Ich werde die Hände Euer Durchlaucht auf dem Rücken zusammenbinden lassen. So wird es bequemer sein.«

»Nein, so werden sie mir die Arme ganz ausrenken!«

»Einen anderen würde ich auf sein Wort hin frei lassen. Aber Sie verstehen es zu gut, Ihr Wort zu brechen!« antwortete Kmicic.

»Ich werde Ihnen ein anderes Wort geben, das ich sicherlich halten werde. Ich werde nicht nur die erste Gelegenheit benutzen, mich zu befreien, sondern ich werde Sie durch Pferde zerreißen lassen, sobald ich Ihrer habhaft werde.«

»Sei dem, wie ihm sei! Mir ist eine aufrichtige Drohung lieber, als ein falsches Versprechen. Gebt ihm die Arme frei! Den Gaul führt am Zügel. Und Sie, Durchlaucht, nehmen Sie sich in acht. Ein Druck auf den Hahn genügt, um Ihnen eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Sitzen Sie also ruhig und versuchen Sie nicht, zu fliehen.«

»Sie wagen es nicht, Pan Kmicic, mir in die Augen zu sehen, deshalb bleiben Sie stets hinter mir,« sagte Boguslaw.

»Durchaus nicht,« entgegnete Pan Andreas. Er schob Zawratynski bei Seite und sah Boguslaw direkt in die Augen.

»Wie finden Sie übrigens mein Pferd? Habe ich übertrieben?«

»Ein feines Tier,« pflichtete der Fürst ihm bei. »Wollen Sie, so kaufe ich es!«

»Ich danke Ihnen! Zu viel Ehre für den Gaul, auf seinem Rücken einen Verräter zu tragen.«

»Sie sind ein Narr, Pan Kmicic!«

»Weil ich den Radziwills traute!«

»Sagen Sie, Pan Kmicic,« sagte der Fürst nach einer kleinen Pause, »sind Sie überzeugt davon, daß Sie noch bei Verstand sind? Wahnsinniger, haben Sie sich nie gefragt: Was tust du? Ist es Ihnen nie in den Kopf gekommen, daß es für sie besser wäre, Sie wären nie zur Welt gekommen? Weder in Polen, noch in ganz Europa würde sich jemand finden, der eine solche wahnwitzige Tat gewagt hätte.«

»Dann ist die Tapferkeit in Europa ausgestorben. Ich aber entführe Euer Durchlaucht, halte Euch fest und geb' Euch nicht frei. Söhnen sich Durchlaucht nur mit dem Gedanken aus, daß Sie in meinen Händen sind, und verschwenden Sie nicht unnütze Worte. Eine Verfolgung haben wir nicht zu befürchten, denn Ihre Leute denken, daß Sie freiwillig mit uns gekommen sind. Zwei Stunden wird man geduldig warten, die dritte und vierte wird man sich beunruhigen, in der fünften erst wird man anfangen, nach Ihnen zu suchen. Wir aber werden unterdessen schon lange hinter Maryampol sein.«

»Nun, und was folgt daraus?«

»Daraus folgt, daß man uns nicht einholen kann. Dazu kommt noch, daß Ihre Pferde noch von der weiten Reise ermattet sind, unsere aber schon Zeit hatten, sich zu erholen. Doch selbst, wenn man uns einholte, so kann Ihnen das nicht von Nutzen sein. In diesem Falle würde ich Ihnen ohne Zögern den Kopf zerschmettern. – Das alles folgt daraus. – Radziwill hält sich einen Hof, Truppen, Dragoner, – Kmicic hat nur sechs Soldaten, und doch hat Kmicic Radziwill beim Kragen.«

»Was aber weiter?« fragte der Fürst.

»Weiter nichts. – Wir reiten dorthin, wo es mir beliebt. Danken Sie Gott, Durchlaucht, daß Sie noch am Leben sind. Hätte ich mir heute früh nicht mehrere Eimer kaltes Wasser über den Kopf gießen lassen, so wären Sie schon im Jenseits oder richtiger in der Hölle, wo Sie als Calvinist oder Verräter hingehören.«

»Und Sie haben das alles gewagt?«

»Ich wiederhole Euer Durchlaucht, ohne zu prahlen, daß es nichts gibt, was ich nicht wagen würde. Der beste Beweis davon sind Sie selbst.«

Der Fürst sah dem jungen Ritter aufmerksam ins Gesicht und sagte:

»Der Teufel selbst hat es auf Ihr Gesicht geschrieben, daß Sie zu allem bereit sind. – Aber, das sage ich Ihnen, wenn mir auch nur ein einziges Haar gekrümmt wird, die Radziwills werden Sie zu finden wissen, selbst, wenn Sie unter der Erde sind. Wenn Sie auf die augenblickliche Uneinigkeit in unserer Familie zählen, so haben Sie sich sehr verrechnet. Das Blut eines Radziwill wird gerächt werden, man wird an Ihnen ein Beispiel statuieren. – Selbst im Auslande werden Sie vor unserer Verfolgung nicht sicher sein. – Der deutsche Kaiser wird Sie ausliefern, denn ich bin ein Fürst des deutschen Bundes, der Kurfürst von Brandenburg ist mein Onkel, der Prinz von Oranien – sein Schwager, das französische Königspaar und seine Minister sind meine Freunde. – Wo wollten Sie sich also verbergen?«

»Es ist doch sonderbar, daß eine so hohe Persönlichkeit, wie Euer Durchlaucht, sich über meine Zukunft so beunruhigen kann, während gegenwärtig ein Schuß aus meiner Pistole genügt, um – – –«

»Das vergesse ich auch gar nicht. – Ich weiß sehr wohl, daß es in der Welt schon vorgekommen ist, daß bedeutende Männer durch die Hand eines einfachen Mörders gefallen sind. Aber trotzdem frage ich Sie: »Was nun weiter?«

»Ei, was kümmere ich mich darum? Ich habe mich mein Lebtag noch nicht um den nächsten Tag gesorgt. Sollte ich es mit allen Radziwills zu tun kriegen, so ist es noch lange nicht ausgemacht, wer von uns den meisten Verdruß erleiden wird. – Über meinem Haupte hängt schon längst das Schwert. Und dann, genügt mir ein Radziwill nicht, so werde ich mir einen zweiten, dritten langen.«

»Wahrhaftig, Kavalier, Sie gefallen mir sehr! Ich wiederhole: Nur Sie allein in ganz Europa konnten so etwas wagen! Wo verbrachten Sie Ihre Jugend, Ritter? Von woher stammen Sie?«

»Ich bin der Fahnenträger von Orsza!«

»Pan Fahnenträger, es tut mir leid, daß die Radziwills solch einen Mann wie Sie verlieren. – Wenn Sie mich sofort frei lassen, so, das verspreche ich Ihnen, werde ich mich nicht rächen! Sie werden mir nur das Wort geben, daß Sie niemandem von dem, was vorgefallen ist, etwas erzählen. Und auch Ihren Leuten müssen Sie befehlen zu schweigen.«

»Das kann nicht sein,« entgegnete Kmicic.

»Wollen Sie Lösegeld haben?«

»Ich will keins.«

»Wozu denn, zum Teufel, haben Sie mich entführt! Ich begreife Sie einfach nicht!«

»Es würde zu lange dauern, wenn ich Ihnen das jetzt erkläre. – Später werden Sie schon alles erfahren.«

»Zwar sind Sie, Pan Fahnenträger von Orsza, nicht sehr gesprächig, doch möchte ich Sie bitten, mir doch wenigstens eine Frage zu beantworten. Sind Sie nach Podlachien gekommen, mit der Absicht, auf meine Person einen Anschlag zu üben, oder ist Ihnen dieser Gedanke erst später gekommen, erst im letzten Augenblicke?«

»Es drängt mich selbst, Ihnen zu sagen, warum ich Ihre Sache verlassen habe und nie wieder zu Ihnen zurückkehren werde. – Der Fürst-Hetman hat mich betrogen. Ich glaubte an den Fürsten-Hetman mehr als ich an den eigenen Vater glaubte. Mit Schmerzen gedenke ich des Banketts, wo er zum ersten Male verkündete, daß er sich mit den Schweden verbündet hätte. Gott allein weiß, was ich damals gelitten habe! Andere ehrliche Männer warfen ihm ihre Kommandostäbe vor die Füße, und ich stand wie unter einem Banne stumm da. Stand mit Schmach und Schande und Verachtung bedeckt, weil man mich ins Gesicht hinein einen »Verräter« nannte. – Aber ihr, ihr seid die Verräter! Ihr seid käufliche Seelen, die mich soweit gebracht haben!«

»Fahren Sie nur fort, Pan Kmicic, das alles interessiert mich sehr!«

Kmicic ließ die Zügel des fürstlichen Pferdes los und nahm seine Mütze vom Kopfe, der ihm wie Feuer brannte.

»Ich ging zu dem Fürsten-Hetman. Ich wollte den Dienst verlassen, meinen Schwur brechen, ihn mit diesen Händen erwürgen, Kiejdane in die Luft sprengen, mochte kommen, was da wollte! – Er wußte auch, daß ich zu allem fähig klar. O, er wußte das sehr gut! Ich sah es wohl, daß er die Hand auf ein Etui mit Pistolen gelegt hatte. Doch ich fürchtete mich nicht; was lag mir daran, noch weiter zu leben. – Aber er begann auf mich einzureden, mir Dummkopf solche großartige Absichten zu eröffnen, sich in einem solchen Lichte zu zeigen, – daß – nun, Sie wissen ja selbst, womit es endete.«

»Er hat also den Knaben überzeugt!« sagte Boguslaw.

»Ihm zu Füßen habe ich gelegen,« schrie Kmicic, »in ihm habe ich die einzige Rettung des Vaterlandes gesehen, ihm habe ich mich ergeben mit Leib und Seele! Mein Banner habe ich zum Gehorsam gezwungen! Die meuterischen Banner habe ich niedergemetzelt, zertrümmert. Ich habe meine Hände mit Bruderblut besudelt; alles, weil ich glaubte, es wäre zum Wohle des Vaterlandes. Wie schnitt es mir ins Herz, wenn ich sah, wie der Fürst wackere Soldaten erschießen ließ. Aber ich dachte: Ich bin unerfahren, er weiß, es wird wohl nötig sein! Jetzt aber, als ich aus seinen Briefen hörte, daß er ganze Truppen vergiften wollte, da erstarrte das Mark in meinen Knochen! Wie? Das tut ein Hetman? Ein Radziwill? Und ich soll solche Briefe weiter befördern? Was, dachte ich bei mir, wenn er das Vaterland ebenso vergiften will wie diese Soldaten? Und Gott half mir und gab mir Geduld. Obwohl mir der Kopf brannte, und das Herz mir zu zerspringen drohte, bemeisterte ich mich. Zeige nicht, sprach ich zu mir selbst, was in deinem Herzen vorgeht, so wirst du die ganze Wahrheit erfahren. Zeig' dich als einen noch schlechteren Kerl als die Radziwills und locke ihm die Wahrheit von den Lippen.«

»Wem? Mir?«

»Ja, Ihnen. – Und Gott stand mir bei, daß ich, ein einfacher Mann, Sie, einen gewiegten Staatsmann, täuschen konnte. Da Sie, Durchlaucht, mich für den ärgsten Halunken hielten, eröffneten Sie mir alle Ihre niederträchtigen Pläne. Alles gestanden Sie mir und setzten es mir auseinander, daß es klar wie der Tag vor mir lag. Meine Haare sträubten sich, aber ich hörte geduldig bis zum Ende zu. – O, Verräter! Erzgalgenstricke, Vatermörder! Warum hat euch nicht ein Blitz zu Boden geschmettert? Warum tut sich die Erde nicht auf, um euch zu verschlingen? – Ihr habt euch mit Chmielnicki, den Schweden, dem Kurfürsten, mit Rakoczy, – mit dem Teufel selbst verbunden, um die Republik ins Verderben zu stürzen. – Einen Mantel wollt ihr euch also aus ihr herausschneiden! Verkaufen wollt ihr sie! Teilen, zerfleischen wie Wölfe? Das ist also der Dank für all die Ehren und Würden, mit denen man euch überhäuft hat! Der Dank für all die geschenkten Reichtümer, um die euch selbst fremde Monarchen beneiden! Ihren Tränen und Seufzern schenkt ihr keine Beachtung! Wo bleibt denn euer Gewissen, eure Ehre? Was für Ungeheuer müssen euch gezeugt haben?«

»Pan Kmicic,« unterbrach Boguslaw ihn kalt, – »ich bin zwar in Euren Händen, Sie können mich ja töten, nur eins bitte ich Sie, langweilen Sie mich nicht so, daß ich vor Langweile sterbe.«

Beide schwiegen einige Zeitlang.

Plötzlich hielt Kmicic sein Pferd an.

»He!« rief er. – »Und der Brief des Fürsten-Hetman? Haben Sie ihn bei sich, Durchlaucht?«

»Wenn ich ihn auch bei mir hätte, so würde ich ihn doch nicht herausgeben,« entgegnete der Fürst. »Die Briefe sind übrigens in Pilwiszki geblieben.«

»Durchsucht ihn!« rief Kmicic.

Die Soldaten hielten dem Fürsten wieder die Arme fest. Soroka begann in seinen Taschen zu wühlen. Bald fand sich der Brief.

»Noch ein Beweismittel wider Sie,« sagte Pan Andreas. »Der König von Polen wird aus diesem Briefe Ihre Pläne erfahren, und auch den Schweden wird ein Einblick nicht ganz uninteressant sein. – Außerdem führe ich selbst noch Briefe an den König von Schweden, an Wittemberg und an Radziejowski mit mir. – Groß und mächtig seid ihr Radzwills. Und doch weiß ich nicht, ob euch nicht zu enge werden wird im Vaterlande, wenn beide Könige euch all eure Verrätereien würdig belohnen werden!«

Die Augen des Fürsten Boguslaw entbrannten in einem unheilverkündenden Feuer, aber er unterdrückte seinen Zorn und sagte:

»Schön, Kavalier! Zwischen uns ist ein Kampf auf Leben und Tod entbrannt! – Vielleicht begegnen wir uns noch irgend wann mal im Leben. – Sie können uns jetzt viel Böses zufügen; aber ich rufe über Sie und all die Ihren ein furchtbares 'Wehe!'«

»Ich selbst verstehe es gut, mich mit meinem Säbel zu verteidigen. Und für die meinigen führe ich etwas bei mir, womit ich sie jederzeit auslösen kann,« sprach Kmicic.

»Ah, so, ich diene Ihnen als Geisel!« sagte der Fürst. Trotz seiner Wut atmete er erleichtert auf. Er begriff erst jetzt, daß seinem Leben augenblicklich keine Gefahr drohte, daß ihn Kmicic sehr notwendig gebrauchte, und er beschloß, sich dies zunutze zu machen.

Inzwischen hatten sie wieder begonnen, Trab zu reiten. Nach einer Stunde sahen sie zwei Reiter, von denen jeder ein paar gesattelte Pferde mit sich führte. Das waren Kmicic' Leute, die er aus Pilwiszki vorausgeschickt hatte.

»Nun, wie steht's?« fragte sie Pan Andreas.

»Die Pferde sind sehr ermüdet, Euer Gnaden.«

»Wir werden gleich Rast machen.«

»Dort an dem Kreuzwege steht eine Hütte, – vielleicht ist's eine Schenke.«

»He, Wachtmeister, reitet voran und sorgt für Futter für die Pferde. Eine Schenke oder nicht, wir müssen jedenfalls rasten.«

Soroka gab seinem Pferde die Sporen; die anderen folgten ihm im Schritt. Kmicic ritt an der einen Seite des Fürsten, Lubieniec an der anderen. Der Fürst schien völlig beruhigt zu sein, er stellte an Kmicic keine Fragen mehr. Der Ritt hatte ihn wahrscheinlich ermüdet; sein Kopf hing nach vorn über, und seine Augen hielt er geschlossen. Von Zeit zu Zeit jedoch blinzelte er von der Seite zu Kmicic und Lubieniec hin, die die Zügel seines Pferdes hielten. Er überlegte, welchen von beiden er am leichtesten zur Seite stoßen konnte, um das Freie zu gewinnen.

Unterdessen hatten die Reiter das Gebäude, das am Waldesrande stand, erreicht. Es war keine Schenke, sondern eine Schmiede, in der Vorüberreisende ihre Pferde beschlagen oder ihre Wagen ausbessern ließen. Soroka hatte sein Pferd schon an einen Pfahl gebunden; er unterhielt sich mit dem Schmied, einem Tataren, und seinen beiden Gehilfen.

Kmicic steckte seine Pistole in den Gürtel, sprang aus dem Sattel, übergab das Pferd Soroka und ergriff wieder die Zügel vom Pferde des Fürsten. Lubieniec fuhr fort, das Pferd an der andern Seite zu halten.

»Geruhen Durchlaucht vom Pferde zu steigen?« sagte Pan Andreas.

»Wozu? Ich kann mich auch im Sattel stärken,« sagte der Fürst, indem er sich zu Kmicic niederbeugte.

»Steigen Sie herunter auf die Erde!« rief Kmicic drohend.

»Und du in die Erde!« schrie mit eigentümlicher Stimme der Fürst, und mit Blitzesschnelle die Pistole aus Kmicic' Gürtel reißend, schoß er ihm direkt ins Gesicht.

»Jesus Maria!« stöhnte Kmicic auf.

In diesem Augenblicke bäumte sich das Pferd des Fürsten hoch auf.

Der Fürst drehte sich schnell zu Lubieniec und schlug diesen aus allen Kräften mit seiner mächtigen Faust vor die Stirne.

Lubieniec schrie gellend auf und fiel vom Pferde. Ehe die übrigen begriffen hatten, was vorgefallen war, ehe noch ein Schrei sich ihren Lippen entringen konnte, raste Fürst Boguslaw schon wie der Sturm in der Richtung nach Pilwiszki dahin.

Drei Soldaten, die noch zu Pferde waren, setzten ihm nach. Soroka ergriff seine Muskete und zielte auf den Fliehenden, oder, richtiger gesagt, auf sein Pferd. Das Pferd flog wie ein aus einer Armbrust abgeschossener Pfeil dahin. Ein Schuß fiel. – Soroka stürzte vorwärts, um möglichst schnell das Resultat seines Schusses zu sehen. Dann rief er verzweifelt aus: »Fehlgegangen!«

Boguslaw und seine Verfolger verschwanden an einer Biegung des Weges.

Soroka befahl dann dem Schmied und seinen Gehilfen, schnell Wasser zu bringen. Der Schmied stürzte zum Brunnen, Soroka ließ sich auf den Boden neben den bewegungslos liegenden Pan Andreas nieder.

Kmicic' Gesicht war mit Ruß und Blut bedeckt. Die Augen waren geschlossen, die linke Braue, Wimper und Schnurrbarthälfte waren versengt. Der Wachtmeister betastete lange und vorsichtig seinen Schädel, schließlich brummte er: »Der Schädel ist heil!«

Kmicic gab noch immer kein Lebenszeichen von sich. Der Schmied brachte Wasser und einen Lappen, und Soroka begann mit gewohnter Vorsicht, das Gesicht des Verwundeten abzuwaschen. Schließlich zeigte sich unter dem Blute die Wunde. Die Kugel war in die linke Backe gedrungen und hatte ein Stück des Ohrlappens mit fortgerissen. Soroka, der sich bald davon überzeugte, daß der Backenknochen unbeschädigt geblieben war, atmete erleichtert auf.

Das kalte Wasser und der Schmerz brachten Kmicic wieder zu sich. Sein Gesicht erzitterte; die Brust begann sich zu heben.

»Er lebt! Es ist ihm nichts geschehen!« rief Soroka erfreut. Und eine große Träne rollte über das Gesicht des finsteren Wachtmeisters.

In diesem Augenblicke kehrte Bilous, einer von den dreien, die dem Fürsten nachgesetzt waren, zurück.

»Nun, was?« fragte Soroka.

Der Soldat machte eine abwehrende Handbewegung.

»Nichts!«

»Und kommen die anderen bald zurück?«

»Die anderen kommen nie wieder!«

Der Wachtmeister legte Kmicic' Kopf vorsichtig auf die Schwelle der Schmiede nieder und sprang auf. »Wieso?«

»Pan Wachtmeister, dieser Mensch ist ein wahrer Hexenmeister! Zawratynski holte ihn als erster ein. Vor unseren Augen entriß der Fürst ihm den Säbel und erstach ihn. Wir hatten kaum Zeit, aufzuschreien. Witkowski, der ihm am nächsten war, stürzte zu Hilfe. – Auch den stach er in einem Augenblicke nieder, gleich, als ob ein Blitz ihn zerschmetterte. – Witkowski schrie nicht einmal mehr auf. – Und ich wartete gar nicht mehr ab, bis die Reihe an mich kam. – Pan Wachtmeister, ich glaube, der wird zurückkehren.«

»Wir haben hier nichts mehr zu suchen,« schrie Soroka. »Die Pferde her!«

Sie begannen mit vereinten Kräften eine Bahre für Kmicic zurecht zu machen. Auf Befehl Sorokas stellten sich zwei Soldaten mit Musketen in den Händen am Wege auf, um das Herannahen des fürchterlichen Mannes zu melden.

Aber Fürst Boguslaw, der überzeugt war, daß Kmicic nicht mehr unter den Lebenden weilte, kehrte ruhig nach Pilwiszki zurück.

Gegen Abend begegnete er einer Abteilung Reiter, die ausgesandt war, ihn zu suchen.

Als sie Fürst Boguslaw sah, sprengte sie auf ihn zu.

»Euer Durchlaucht, wir wußten nicht –«

»Hat nichts zu sagen,« unterbrach ihn der Fürst. »Ich habe das Pferd in Begleitung des Kavaliers, von dem ich es gekauft habe, ausprobiert.«

Nach einer Weile fügte er hinzu:

»Und ich habe es gut bezahlt.« – – –

Schluß des zweiten Buches.


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