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Nachdem Pan Zamorski die Fürstin verlassen hatte, ließ diese den Pan Kmicic zu sich bitten. Sie hatte mit ihm eine lange Unterredung, die alle ihre Bedenken völlig niederschlug. Pan Andreas' große Augen sahen sie so offen und wahrhaftig an, daß es unmöglich war, an seinen Worten zu zweifeln. Er gestand der Fürstin, daß er eine andere liebe, und sein Herz allein mit jener beschäftigt sei. Endlich gab er sein Ehrenwort, daß er das Mädchen vor jeder Gefahr beschützen, ja, es sogar mit seinem Leben behüten werde. »Ach, junger Ritter,« rief Pan Zamoyski heiter, indem er das Zimmer der Schwester betrat, »Sie berauben Zamoscie seiner schönsten Zierde. Seien Sie vorsichtig! Seien Sie vorsichtig! Jemand könnte versuchen, sie Ihnen zu rauben!«
»Er soll es nur versuchen! Ich habe der Pani Fürstin mein Wort verpfändet, und ich halte immer mein Wort!«
»Ich scherze auch nur. – Aber Vorsicht schadet niemals.«
»Nur wollte ich Sie um eine geschlossene Equipage bitten.«
»Sogar zwei! – Sie reisen doch nicht gleich ab?«
»Doch. Ich habe Eile und habe mich schon zu lange hier aufgehalten.«
»So schicken Sie doch Ihre Tataren voraus; sagen wir nach Krasni-Staw. Ihnen gebe ich dann eine Eskorte mit. Wir wollen noch ein wenig zusammen zechen. Auch habe ich befohlen, aus meinem Gestüt einen passenden Gaul für Sie auszusuchen. Ein guter Gaul ist immer von Nutzen.«
Kmicic sah Zamoyski gerade in die Augen und willigte sogleich ein.
»Ich danke Ihnen, ich bleibe. Und die Tataren lasse ich sogleich aufbrechen.«
Er ging zu den Tataren und rief Akbah-Ulan zur Seite.
»Akbah-Ulan, ihr sollt gleich geradeswegs nach Krasni-Staw aufbrechen. Ich bleibe noch hier und komme einen Tag später nach. Jetzt aber gib acht auf das, was ich dir weiter sage: Ihr werdet nicht nach Krasni-Staw gehen, sondern ihr werdet euch im nächsten Walde verstecken, so daß euch niemand zu sehen kriegt. Sobald ihr auf der Fahrstraße einen Schuß fallen hört, eilt sofort zu mir; man will mir hier irgend eine Falle stellen.«
»Dein Wille geschehe,« antwortete Akbah-Ulan, indem er seine Hand auf die Stirn und Brust legte.
»Ich habe dich durchschaut, Pan Zamoyski!« sagte Kmicic zu sich. – »In Zamoscie fürchtest du die Schwester; nun willst du das Mädchen entfernen und irgendwo in der Nähe unterbringen. Und mich willst du zu deinem Werkzeuge machen! Warte nur! Bist auf den Unrichtigen gekommen. Wenn du nur nicht in die eigene Falle fällst!« –
Am nächsten Tage schenkte Pan Zamoyski dem Kmicic ein prächtiges Pferd. Pan Andreas nahm das Geschenk dankbar an; er gedachte im stillen seiner Tataren und konnte nur mühsam ein lautes Lachen zurückhalten. In seiner Tasche hatte er zwei Briefe an Sapieha, einen von der Fürstin, den anderen von Zamoyski. Es lockte ihn gewaltig, den letzteren aufzubrechen, aber er beschränkte sich darauf, ihn ans Licht zu halten: im Kuvert lag ein Bogen reinen Papiers! – So hatte er also die Absichten des Pan Obermundschenk richtig durchschaut. Das Mädchen, das seiner Fürsorge empfohlen wurde, und auch die Briefe sollten ihm unterwegs abgenommen werden.
Nach dem Diner verabschiedeten sich Panna Anna und ihre Begleiterin, die alte Panna Suwalska, von der Fürstin, und beide nahmen ihre Plätze in dem Wagen ein. Kmicic bestieg sein Pferd, und der Zug setzte sich in Bewegung. Zweihundert deutsche Reiter Zamoyskis umringten den Wagen.
Bald lagen die letzten Häuser, die hinter der Festungsmauer standen, hinter ihnen, und der Zug kam in einen dichten Kiefernwald hinein. Die Nacht senkte sich auf die Erde, eine klare, sternenhelle Nacht. Einem silbernen Bande gleich schlängelte sich der Weg durch den Wald. Ringsum herrschte tiefe Stille, die nur durch das Aufschlagen der Pferdehufe unterbrochen wurde.
»Meine Tataren müssen ganz in der Nähe sein,« sann Kmicic bei sich und begann zu horchen.
»Was ist das?« wandte er sich dann an den Offizier der Reiter.
»Jemand scheint hinter uns her zu setzen.«
Kaum hatte er geendet, als sich auf dem weißen Grunde des Weges ein schwarzer Punkt zeigte. Der Punkt wuchs mehr und mehr und verwandelte sich in einen Leibkosaken Zamoyskis.
»Pan Babinicz, ein Brief vom Pan Obermundschenk!« rief der Kosak außer Atem.
Kmicic näherte sich der Laterne des Wagens, brach das Siegel auf und begann zu lesen:
»Verehrter und teurer Pan Babinicz! Gleich nach der Abreise der Panna Borzobohata erfuhr ich, daß die Schweden mein Zamoscie zu überfallen gedenken. Sie können also nicht weiter reisen. Wir sehen die Gefahren voraus, denen Parma Borzobohata auf einer solchen Reise ausgesetzt wäre und wünschen deshalb, daß sie wieder zu uns zurückkehrt. Die Reiter, die Ihre Eskorte bilden, werden sie zurückgeleiten. Sie aber, angesichts Ihrer wichtigen Geschäfte, wollen wir nicht zurückhalten.«
Das Köpfchen Panna Annas guckte zum Wagenfenster heraus.
»Was gibt es denn?« fragte sie.
»Nichts weiter: der Pan Zamoyski empfiehlt Sie nochmals meinem Schutze, weiter nichts.«
Hier drehte er sich zu dem Kutscher und zu den Reitern und rief:
»Marsch!«
Der Offizier aber hielt sein Pferd an und schrie seinerseits:
»Halt! – Wieso Marsch?«
»Warum sollen wir denn hier mitten im Walde stehen bleiben?« fragte mit gemachter Naivität Kmicic.
»Sie haben einen Befehl erhalten, und ich mache keinen Schritt weiter, ehe Sie ihn mir nicht zeigen!«
»Den Befehl werde ich Ihnen nicht zeigen, denn er ist nicht für Sie hergeschickt.«
»Oh, wenn Sie dem Befehle nicht gehorchen wollen, so werde ich ohne Sie handeln! Reiten Sie mit Gott nach Krasni-Staw, wir aber kehren mit der Panna zurück.«
Es war nicht erst nötig, daß der Offizier sich verschnappte; nun war es klar wie der Tag, daß alles eine im voraus abgekartete Sache war.
»Gehen Sie mit Gott!« sagte der Offizier mit drohender Stimme, und die Soldaten zogen ohne jeden Befehl ihre Säbel.
»Ach, ihr Toren!« lächelte Pan Andreas und schoß mit seiner Pistole in die Luft.
In der Tiefe des Waldes erhob sich ein schrecklicher Lärm, als wenn der Schuß eine in der Nähe schlafende Wolfsherde geweckt hätte. Von allen Seiten vernahm man wildes Geheul, Baumäste krachten unter Pferdehufen, und überall am Wege zeigten sich Reitergruppen, die sich mit unmenschlichem Geschrei näherten.
Kmicic hielt seine Tataren durch ein Zeichen zurück. Dann wandte er sich an den zu Tode erschrockenen Offizier.
»Begreifen Sie jetzt, mit wem Sie es zu tun haben? Der Pan Obermundschenk wollte mich zum Narren halten, und auch Ihnen hat er keinen besonders ehrenvollen Auftrag gegeben. Grüßen Sie ihn von mir und sagen Sie ihm, daß ich alles im voraus durchschaut habe, und daß ich die mir anvertraute Person ohne Zwischenfall zu Sapieha bringen werde.«
»Sie können natürlich tun, was Ihnen beliebt,« erwiderte der Offizier mit vor Wut zitternder Stimme, »aber der Pan Obermundschenk wird es schon verstehen, sich an Ihnen zu rächen.« Kmicic lachte hell auf.
»Möge er lieber seine Rache gegen Sie kehren. Wenn Sie sich nicht verschnappt hätten, hätte ich Ihnen die Panna wahrscheinlich ausgeliefert. – Grüßen Sie also den Pan Zamoyski und empfehlen Sie ihm, sich für die Zukunft klügere Offiziere auszusuchen.«
Der ruhige Ton Kmicic' machte den Offizier sicherer, und er fragte entschlossen:
»Wir werden also mit leeren Händen nach Zamoscie zurückkehren?«
»Warum mit leeren Händen? Sie kehren mit meinem Briefe zurück, den ich Ihnen auf Ihr Fell schreiben lassen werde.«
»Pan Babinicz!«
»Greift sie!« rief Kmicic.
Einige Augenblicke später lagen alle Reiter Seite an Seite gebunden auf dem Wege, Kmicic befahl jedem von ihnen je hundert, dem Offizier hundertfünfzig Schläge mit einer Riemenpeitsche zu verabfolgen. Selbst das Jammern der Panna Anna, die, nicht ahnend, um was es sich handelte, Kmicic um Einstellung der Strafe flehte, war umsonst. –
»Ruhig!« donnerte Kmicic los. »So waren Sie also mit in der Verschwörung, und Sie wußten, daß der Pan Obermundschenk Sie nur zum Scheine wegschickte, um Sie dann in ein einsames Schloß bringen zu lassen?«
»Herrgott! Herrgott!« rief die Panna. In ihrer Stimme lag so viel natürlicher, unverfälschter Schmerz, daß Kmicic viel weicher wurde.
»Beruhigen Sie sich. – Sie werden ruhig Ihre Reise zu Sapieha fortsetzen, der Pan Obermundschenk hat nicht bedacht, mit wem er es zu tun hat. – Diese Leute, die ich durchprügeln ließ, hatten die Aufgabe, Sie zu entführen.«
Panna Borzobohata ergriff Kmicic' Hand und drückte sie an ihre bleichen Lippen.
»Nun, nun, – bleiben Sie getrost in Ihrem Wagen. – Fürchten Sie nichts; Sie sind hier sicherer als wie im Vaterhause!«
Dann schenkte Kmicic seinen Tataren die Pferde, Kleider und Waffen der Soldaten und schrieb vor seiner Weiterreise folgenden Brief an den Pan Zamoyski:
»Erlauchtigster Herr Starost!
Großen Männern gibt Gott auch großen Geist. Ich habe sofort begriffen, daß Sie mich nur einer Prüfung unterwerfen wollten, als Sie mir die Panna Borzobohata anvertrauten, um so mehr, als Ihre Soldaten gleich zu verstehen gaben, daß sie Ihren Befehl kannten, obwohl Sie doch zu schreiben geruhten, daß Sie erst nach unserer Abreise zu Ihrem Entschlusse gekommen sind. Indem ich einerseits Ihren großartigen Scharfsinn bewundere, wiederhole ich andererseits, daß ich die einmal übernommene Pflicht heilig erfüllen werde. Da aber Ihre Soldaten augenscheinlich Ihre Ansichten so schlecht verstanden haben, sie erlaubten sich sogar, mein Leben zu bedrohen, so würde ich Ihnen zweifellos einen Dienst erwiesen haben, wenn ich sie alle hätte aufknüpfen lassen. Daß ich das nicht getan habe, darum bitte ich Sie um Verzeihung. – Übrigens habe ich sie alle der Reihe nach durchprügeln lassen, und wenn Sie, erlauchtigster Starost, diese Strafe für zu gering halten, so können Sie sie ja nach Ihrem eigenen Ermessen erhöhen. Indem ich die Hoffnung ausspreche, daß meine Handlungsweise Ihren gnädigen Beifall finden werde, habe ich die Ehre zu verbleiben Ihr treuer Diener
Babinicz.«
Die Dragoner schleppten sich mühselig nach Zamoscie zurück und kamen in später Nacht dort an. Sie wagten es nicht, Pan Zamoyski unter die Augen zu treten, und dieser hörte erst von dem Vorgefallenen am folgenden Morgen durch den Brief Kmicic', den ihm ein Kosak aus Krasni-Staw überbrachte.
Der Obermundschenk schloß sich drei Tage lang in sein Zimmer ein und ließ keinen zu sich. Man hörte ihn auf französisch schimpfen, was bei ihm nur in dem Augenblicke des höchsten Zornes vorkam. Allmählich aber beruhigte er sich. Am vierten und fünften Tage war er zwar noch sehr wortkarg, brummte in den Bart und zog unwillig an seinem Schnurrbart, aber er war immerhin doch zu sehen. Erst nachdem er am Sonntag einen Becher Met zu sich genommen hatte, wurde er heiter und sagte zu seiner Schwester:
»Weißt du, ich muß mich meines Scharfsinnes wegen loben. Vor einigen Tagen unterwarf ich jenen Ritter, der Anna Borzobohata zu Sapieha geleiten wollte, einer Prüfung. – Jetzt kann ich dafür garantieren, daß er sie unversehrt abliefern wird.«
Nach einem Monat schon war die Aufmerksamkeit des Starosten nach einer anderen Richtung abgelenkt. Und noch etwas später glaubte er selbst, daß alles, was vorgefallen, nach seinem eigenen Willen geschehen war.