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Die Pferde trugen Kmicic und die Kiemlicz' schnell längs der schlesischen Grenze.
Pan Andreas schlummerte im Sattel und erwachte erst gegen Tagesanbruch. Mit verwunderten Augen sah er sich um; im ersten Augenblick erschien es ihm, als habe er alle die Begebenheiten der vergangenen Nacht nur geträumt.
»Kiemlicz, bist du es? Kommen wir aus Czenstochau?«
»Jawohl, Pan Oberst, aus Czenstochau!«
»Und wo sind wir jetzt?«
»In Schlesien. Jetzt werden uns die Schweden nicht mehr einholen!«
»Das ist gut!« Kmicic kam ganz zu sich. »Und wo hält sich unser gnädiger König auf?«
»In Glogau.«
»So reiten wir zu ihm. Zu Füßen des Königs wollen wir fallen und ihm unser Leben zur Verfügung stellen. Hörst du, Alter?«
»Zu Befehl, Pan Oberst.«
Kmicic verfiel in Gedanken. Augenscheinlich dachte er über etwas nach. Schließlich sagte er:
»Höre, am Hof und vor dem Könige sagt ihr mit keinem Worte, wer ich bin! – Ich heiße Babinicz, und wir kommen aus Czenstochau. Von der Kanone und Kuklinowski könnt ihr erzählen, aber ja niemandem meinen Namen verraten. – Vielleicht wird man sonst meine Absichten mißdeuten und mich für einen Verräter halten, weil ich einstmals in der Verblendung dem Wilnaer Wojewoden gedient habe. Bei Hofe wird man wohl davon unterrichtet sein.«
»Pan Oberst, nach dem, was Sie alles bei Czenstochau getan haben –«
»Und wer wird die Beweise dazu liefern, solange das Kloster belagert wird?«
»Gut, alles soll geschehen, wie Sie befehlen.«
Und die Reiter schlugen die Richtung nach Glogau ein.
Überall, wo sie unterwegs mit Menschen zusammenkamen, wurden sie nach Czenstochau gefragt. Ob das Kloster sich noch halte? Und ob es die Belagerung aushalten werde? Und Pan Andreas erwiderte allen, daß Czenstochau unbedingt standhalten werde. Die Gasthäuser, die unsere Reiter an der Landstraße berührten, waren alle überfüllt. Die einen waren auf der Flucht begriffen aus den Gebieten, denen schwedische Besetzung bevorstand, andere wieder, und es waren ihrer nicht wenige, die genug von der schwedischen Herrschaft gekostet hatten, eilten, um sich dem geflohenen Könige wieder zur Verfügung zu stellen. Die Nachrichten, die aus Polen kamen, belebten die Hoffnung dieser Flüchtlinge, und viele bereiteten sich schon zu einer Waffenerhebung vor. Boten mit Briefen flogen zum und vom König. Die Hetmans, die Truppen, die Schlachta, alle waren bereit, zu den Waffen zu greifen. Kurz, man befand sich am Vorabend des allgemeinen Aufruhrs, der an manchen Orten schon aufzuflammen begann.
Die Schweden verloren mehr und mehr den Kopf; stutzig geworden, fragten sie sich: »Ist denn das dasselbe Volk, das gestern erst seinen König verlassen und sich ohne jeden Widerstand unterworfen hat?«
Sie zogen nicht in Betracht, daß dieses Volk sich ein Gefühl bewahrt hatte, dessen irdische Bezeichnung »Czenstochau« war. Und in diesem Gefühl allein lag seine Auferstehung.
Der Kanonendonner an den Mauern des Heiligtums hallte in den Herzen aller wieder: in denen der Magnaten, Schlachtschitzen, Kleinbürger und Bauern. Ein Schrei der Empörung erfüllte die Luft von den Karpathen bis zum Baltischen Meere, und der Koloß erwachte aus seiner Erstarrung.
»Das ist ein anderes Volk!« sprachen die erstaunten Schweden.
Das Manifest Jan-Kasimirs, das vordem keinen Eindruck beim Volke gemacht hatte, ging jetzt von Hand zu Hand. Überall versammelte sich die Schlachta, und man las die rührenden Worte des königlichen Flüchtlings, der niemandem Vorwürfe machte und riet, die Hoffnung nicht zu verlieren und der gedemütigten Republik zu Hilfe zu eilen.
Selbst im schwedischen Lager, in den Festungen, in den von Schweden besetzten Schlössern, kurz, überall, wo sich polnische Banner befanden, wurde das Manifest gelesen. Die Schlachta begoß jedes königliche Wort mit Tränen und schwur beim Kreuze, dem Rate des Königs zu folgen. Und um ihre Bereitwilligkeit zu beweisen, solange noch die Begeisterung in ihren Herzen brannte und die Tränen in ihren Augen nicht getrocknet waren, stiegen alle zu Pferde und stürzten sich auf die Schweden. So tat man in Litauen, Smudien, Masovien, Groß- und Klein-Polen. Oft, wenn die Schlachta zu irgend welchen Festlichkeiten versammelt war, überfiel sie zum Schlusse die nächste schwedische Abteilung, die sie dann vernichtete. Auch die Bauern schlossen sich solchen Unternehmungen an und meldeten die Standorte der schwedischen Abteilungen. Gern verkleideten sich die Polen zu diesem Zwecke als Tataren, denn allein das Wort Tatar genügte, um die Herzen der Schweden mit Schrecken zu erfüllen. Von der unerschütterlichen Tapferkeit und der Grausamkeit dieser Söhne der Krymer Steppen, mit denen die Skandinavier noch nie in Berührung gekommen waren, kursierten merkwürdige Märchen unter den Schweden. Ihre Kommandanten und Obersten waren aufrichtig überzeugt, daß das Gerücht von einer hunderttausendköpfigen Armee des Krymer Chans, die Jan-Kasimir zu Hilfe eile, sich bewahrheitete. Und in Furcht zogen sie sich in die größeren Festungen und Lager zurück, überall den blinden Lärm verbreitend. Am schlimmsten jedoch war für die Schweden der Aufstand der Bauern, der sogleich mit dem ersten Tage der Belagerung von Czenstochau seinen Anfang genommen hatte. Die scharfsichtigen schwedischen Generale sahen auf diese schwarzen, heranziehenden Wolken mit der größten Unruhe.
Karl-Gustav versuchte noch durch Gnaden und Schmeicheleien die polnischen Banner, die ihm nach Preußen gefolgt waren, an sich zu ketten. Nichts war ihm zuviel für den Pan Fahnenträger Koniecpolski, den berühmten Helden von Zbaraz.
Je mehr die Briefe des schwedischen Königs an die Hetmans und Magnaten von Liebenswürdigkeiten und Versprechungen strotzten, desto strikter gab der König seinen Generalen den Befehl, durch Schrecken und Furcht die drohende Gefahr im Keime zu ersticken. Mit Feuer und Schwert sollten sie jeden Widerstand unterdrücken und besonders danach trachten, die Bauernbanden zu vernichten. Ein eisernes Soldatenregiment führten die Schweden ein, sie warfen ihre Maske ietzt vollständig ab. Dörfer, Gasthäuser, Kirchen, alles wurde dem Erdboden gleich gemacht. Gefangene Schlachtschitzen wurden den Henkern ausgeliefert, den Bauern schnitt man den rechten Arm ab und ließ sie dann laufen.
Besonders stark wütete der Aufruhr in Groß-Polen, das sich zuerst unterworfen, aber auch zuerst gegen die fremde Macht aufgelehnt hatte. Der Kommandant Stein befahl einmal, dreihundert gefangenen Bauern den rechten Arm abzuhauen. Jeden Tag wurden Galgen aufgestellt, an denen täglich neue Opfer hingen. – Ebenso wirtschaftete Magnus de la Gardie in Litauen und Smudien, wo zuerst einzelne Dörfer, dann aber die ganze Bevölkerung zu den Waffen griff. –
Aber das Feuer, das mit Blut gelöscht werden sollte, loderte mit immer größerer Kraft wieder auf. Es begann ein Kampf, in dem es sich nicht mehr um einen Sieg oder um die Einnahme einer Stadt oder Provinz handelte, sondern allein um Leben und Tod. Das war nicht mehr ein Krieg, sondern ein unbarmherziges Schlachten. – –