Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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3. Kapitel.

Kmicic rannte in seinem Zimmer wie ein angeschossener Luchs wild umher. Die höllische Rache Boguslaw Radziwills machte ihn geradezu rasend. Genügte es nicht, daß der Fürst seinen Händen entschlüpft war, daß er ihm seine Leute getötet und ihn selbst fast ins Grab gebracht hatte, – mußte er ihm noch diesen gemeinen Schimpf antun?

Es gab Minuten, in denen Kmicic auf alles verzichten wollte, auf Ruhm und auf den Dienst beim Könige. Er wollte alle diese Hoffnungen von sich werfen und fortlaufen, einzig und allein, um sich an seinem Feinde zu rächen. Aber sobald er ruhiger geworden, sah er trotz seiner Wut ein, daß der Fürst, solange er lebte, seiner Rache nicht entgehen würde, und daß er am besten die ganze Gemeinheit dieser Verleumdung zunichte machte, wenn er dem Könige treu diente.

Kmicic schwelgte in dem Gedanken seiner künftigen Rache. Er sah den Fürsten wieder in seinen Händen und schwor bei dem Andenken seines Vaters, sich seiner zu bemächtigen um jeden Preis.

Der König, der mit dem Beschluß der Beratung zu Oppeln sehr zufrieden war, kehrte nach Glogau zurück und berief mehrere Offiziere aus seiner Umgebung, darunter auch Kmicic, zu sich.

»Ich bin bereit, noch heute von hier aufzubrechen«, sagte Jan-Kasimir. »Sie, meine Herren, als erfahrene Krieger, sind dazu berufen, einen Plan für unsere nächsten Schritte auszuarbeiten.«

»Man muß möglichst schnell handeln«, meinte Oberst Wolf, »solange der Feind nichts ahnt und seine Gegenmaßregeln noch nicht getroffen hat.«

»Der Feind ist auch ohnehin schon wachsam genug und hält alle nötigen Wege besetzt«, entgegnete Kmicic.

»Wieso denn?« fragte der König.

»Majestät, Ihre bevorstehende Rückkehr ist für die Schweden keine Überraschung mehr. In der Republik kursieren täglich Gerüchte, daß Sie entweder schon unterwegs sind oder die Grenze Polens schon überschritten haben. Man muß die größte Vorsicht üben und einen Weg durch die Schluchten des Gebirges wählen, da alle anderen Wege durch die Patrouillen von Douglas besetzt sind.«

»Die beste Vorsicht«, mischte sich Tyzenhauz ein, indem er Kmicic herausfordernd ansah, »sind dreihundert treue Degen. Sobald Majestät mir das Kommando über diese übergibt, werde ich Sie wohlbehalten hindurchführen, und wenn der Weg über die Leichen der Douglasschen Soldaten gehen müßte.«

»Das ist gut, wenn Sie auf dreihundert, meinetwegen auch auf tausend Schweden stoßen. Was aber wollen Sie tun, wenn zwei- oder dreitausend auf Sie warten?«

»Nun, wir können ja auch fünfhundert Soldaten mit uns nehmen.«

»Behüte Gott, je mehr, desto auffallender wird es ja sein!« rief Kmicic aus.

Pan Tyzenhauz zog die Brauen zusammen und sagte ironisch zu Kmicic:

»Nun, jetzt erwarten wir Ihren erfahrenen Rat.«

»Meine Meinung ist die«, sprach Kmicic ruhig, »je kleiner der Convoi ist, der Seine Majestät begleitet, desto leichter wird man durch die feindlichen Reihen durchkommen.«

»Erklären Sie sich deutlicher.«

»Majestät, möge Pan Tyzenhauz mit dreihundert Dragonern vorausreiten und absichtlich das Gerücht verbreiten, daß er den König begleite, um die Aufmerksamkeit des Feindes auf sich zu lenken. Euer Majestät brechen dann einige Tage später in Begleitung einer kleinen Abteilung auf.«

Der König klatschte entzückt in die Hände.

»Großartig, vorzüglich! Salomo selbst würde keinen besseren Rat wissen. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Man wird den König unter den Dragonern suchen, und er wird ihnen an der Nase vorbeireiten. Bei Gott, das ist sehr gut!«

»Majestät, das ganze ist eine Farce!« rief Tyzenhauz.

»Ja, eine militärische Farce!« parierte der König. »Mag es sein, was es will; ich nehme von dieser Idee nicht Abstand.« Tyzenhauz sprang auf.

»Majestät!« sagte er, »ich verzichte auf das Kommando über die Dragoner! Mag sie ein anderer befehligen!«

»Und warum das?« fragte der König.

»Wenn Sie ohne Schutz reisen, sich allen Gefahren, allen Zufälligkeiten des Schicksals aussetzen, die Ihnen unterwegs begegnen können, so möchte ich wenigstens an Ihrer Seite sein, Sie mit dem eigenen Leibe zu schützen und nötigenfalls mein Leben lassen!«

»Ich danke Ihnen für Ihre Ergebenheit; aber Sie machen sich unnötige Gedanken! Wir werden allen Gefahren entgehen, wenn wir Pan Babinicz' Rate folgen.«

»So mag Pan Babinicz, oder wie er sich sonst nennen mag, alles auf seine Verantwortung nehmen! Vielleicht paßt es ihm gut, wenn Euer Majestät sich im Walde verirren – Ich rufe Gott und alle Anwesenden zu Zeugen, daß ich Ihnen davon abgeraten habe!«

Kmicic sprang von seinem Platze auf und schritt auf Tyzenhauz zu:

»Was wollen Sie mit Ihren Worten sagen?« fragte er herausfordernd.

Tyzenhauz maß ihn vom Scheitel bis zur Sohle mit einem verächtlichen Blick.

»Ich rate Ihnen, mir nicht solche Fragen zu stellen! Ich könnte Ihnen sonst etwas Unangenehmes sagen!«

»Schweigen Sie!« rief plötzlich der König, die Brauen zusammenziehend. »Beginnen Sie hier keine Streitigkeiten!«

Die beiden Kavaliere wurden verlegen und sahen die Taktlosigkeit eines solchen Benehmens in Gegenwart des Königs ein.

»Niemand darf diesen Mann beleidigen, der die feindliche Kanone gesprengt und sich aus den Händen der Schweden losgerissen hat! Pan Tyzenhauz, wenn es Ihr Wunsch ist, so mögen Sie in meiner Nähe bleiben. Das Kommando über die Dragoner kann Wolff oder Denhoff übernehmen. Aber auch Pan Babinicz wird bei uns bleiben, und wir werden seinem Rate folgen; denn er ist gut.«

»Ich wasche meine Hände«, brummte Tyzenhauz.

»Meine Herren, natürlich bleibt unsere Verabredung geheim«, fuhr der König fort. »Die Dragoner sollen nach Ratibor reiten und überall das Gerücht aussprengen, daß wir bei ihnen sind. Und Sie, seien Sie alle bereit; wir können jede Minute aufbrechen. Tyzenhauz, gehen Sie und bringen Sie dem Dragonerhauptmann meinen Befehl!«

An demselben Tage noch verbreitete sich in ganz Glogau die Nachricht, daß der König schon seine Reise in die Republik angetreten habe. Sogar die Mehrzahl der Senatoren war von der Wahrheit dieses Gerüchtes überzeugt.


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