Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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19. Kapitel.

Man kann sich leicht Sapiehas Erstaunen vorstellen, als Kmicic nicht nur unversehrt wiederkehrte, sondern auch noch seinen alten Diener und mehrere Dutzend weiter mit sich brachte. Trotz seiner fürchterlichen Ermüdung beschloß Pan Andreas, sofort seine Tataren aufzusuchen, die die Wälder und Straßen im Rücken von Radziwills Heer besetzt hielten. Übrigens verstanden es die Leute jener Zeit sehr gut im Sattel zu schlafen.

Pan Andreas war mit Akbah-Ulan sehr zufrieden. Alle seine Befehle waren exakt ausgeführt, – Brücken unbrauchbar gemacht und Dämme aufgerissen worden. Und das Frühjahrswasser hatte das seinige getan, um die Felder und Wiesen und Straßen in weite Sümpfe zu verwandeln.

Boguslaw blieb nichts übrig, als eine Schlacht anzunehmen.

Am nächsten Morgen besichtigte Kmicic die feindlichen Stellungen. Er fand, daß die Verschanzungen leicht von der Infanterie genommen werden könnten. Er befahl daher seiner kleinen Abteilung Freiwilliger, die er außer den Tataren noch befehligte, den Feind von der Front her zu beunruhigen, während er mit seinen Tataren ihn umgehen wolle. Und wirklich, kaum war er fortgeritten, so hörte er schon zuerst vereinzelt, dann mehr und mehr Schüsse fallen. »Gut,« sagte Pan Andreas. »Sie attackieren da.«

Als es dunkelte, wälzte sich Kmicic mit seinen Tataren wie eine schwarze Masse lautlos vorwärts. Kein Pferdegewieher, kein Säbelgeklirr war zu vernehmen. Die Tataren verstehen es, sich wie die Wölfe heranzuschleichen. Das Gewehrgeknatter wurde immer lauter, augenscheinlich rückte Sapieha auf der ganzen Linie vor. Die Tataren waren inzwischen schon bis auf fünfzig Schritt an den Feind herangerückt. Plötzlich ertönte ein schreckliches Geheul, und die Horde wilder Reiter stürzte sich wie eine Lawine auf die feindliche Infanterie. Man vernahm Gestöhn und Ausrufe: »Allah! Herr Jesus! Mein Gott!«

Währenddessen stürmten die Freiwilligen, die durch Kmicic' Erfolg angespornt waren, wütend auf die feindliche Reiterei ein. Zu dieser Zeit begann ein strömender Regen herniederzufallen. Die brennenden Scheiterhaufen erloschen, und die Schlacht wurde im Dunkeln fortgesetzt.

Übrigens währte der Kampf nicht lange. Die überrumpelte Infanterie wurde in kurzer Zeit gänzlich vernichtet. Die Reiterei, in der zumeist Polen dienten, streckte bald die Waffen.

Eine Viertelstunde später zündete Kmicic das nächstliegende Dorf an, um dem Hetman die Einnahme der Schanzen anzuzeigen. Dann ordnete er seine Tataren, um weiter vorzustürmen. Plötzlich erschien eine große Reiterabteilung des Kurfürsten. An ihrer Spitze ritt ein Ritter in silbernem Harnisch auf weißem Gaul.

»Boguslaw!« schrie Kmicic auf und stürzte mit seinen Tataren vorwärts.

Die Feinde flogen wie zwei vom Sturme gepeitschte Wellen aufeinander zu. Noch trennte sie ein gewaltiger Raum, aber die Pferde, angetrieben durch die Sporen der Reiter, streckten sich aus und jagten dahin, kaum die Erde berührend. Auf der einen Seite Hünen in glänzenden Kürassen, mit geraden, gezogenen Säbeln in den Händen, auf der anderen, – eine große, dunkle Wolke Tataren.

Da stoßen beide Wellen aufeinander, und jetzt ereignet sich etwas Fürchterliches. Die Tataren fallen wie Halme unter der Sichel des Schnitters. Die Kürassiere reiten über sie hinweg und sausen weiter, als wenn ihnen Flügel an den Schultern gewachsen seien. – Einige Minuten später jedoch erheben sich einige Tataren und nehmen die Verfolgung auf. Die wilden Reiter der Steppen kann man niedertreten, aber man kann sie nicht durch einen Ansturm vernichten. Bald erheben sich einige andere und wieder einige, und sie sausen hinter den sich entfernenden Kürassieren her, und ihre Lassos pfeifen in der Luft.

An der Spitze der Fliehenden befindet sich immer noch der Ritter im silbernen Harnisch, aber Kmicic ist unter den Verfolgern nicht zu sehen! –

Erst bei Tagesanbruch begannen die Tataren zurückzukehren, fast jeder hatte einen gefangenen Kürassier im Lasso. Nach langem Suchen fanden sie auch Kmicic und brachten den Bewußtlosen zu Pan Sapieha.

Der Hetman saß unentwegt an seinem Lager; erst gegen Mittag öffnete Pan Andreas die Augen.

»Wo ist Boguslaw?« war seine erste Frage.

»Aufs Haupt geschlagen. Zuerst war ihm das Glück günstig; dann aber stieß er auf die Infanterie Oskierkas und verlor seine ganze Armee. Ich glaube kaum, daß er noch fünfhundert Mann für sich gerettet hat.«

»Und er selbst?«

»Ist geflohen.«

Kmicic schwieg einen Augenblick.

»Es ist schwer, sich mit ihm zu messen. Durch einen einzigen Hieb stürzte er mich vom Pferde. – Zum Glück rettete mich mein Helm! – Aber es ist gleich, – ich werde ihn verfolgen bis ans Weltende!«

»Lesen Sie nur den Brief, den ich nach der Schlacht erhalten habe,« sagte der Hetman, indem er Kmicic ein Schreiben überreichte.«

Kmicic las laut:

»Der schwedische König rückt gegen Zamoscie, Lemberg und dann gegen unseren König vor. Kommen Sie mit Ihrer ganzen Armee, den König und das Vaterland zu retten! – Ich allein kann gegen den Feind nicht aufkommen. Czarniecki.«

Es trat Stillschweigen ein.

»Gehen Sie mit uns, oder wollen Sie mit den Tataren nach Tauroggen?« fragte nach einiger Zeit der Hetman.

Kmicic schloß die Augen. Er gedachte der Worte Pater Kordeckis und der Tat Skrzetuskis.

»Ich ziehe gegen den Feind fürs Vaterland. Die Rache später!«

Der Hetman umarmte ihn.

»Sei du mein Bruder!« sagte er. »Ich bin ein alter Mann; empfange meinen Segen.« – –

Ende des Vierten Buches.


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