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Schon zwei Stunden währte das Fest. Man war müde geworden des Tanzens und Stolzierens, die Augenlider und Wangen brannten unter den lästigen Gesichtsmasken; man entlarvte sich, man suchte Rast und leibliche Genüsse: sizilische, korsische, cyprische Weine, Zuckerwerk und kandierte Früchte boten sich lockend an auf kleineren und größeren Tischen in Kabinetten, Korridoren und Gemäldesälen. Stämmige Negersklaven balancierten auf säulenhaft aufragenden Armen Silberschüsseln mit Kapaunen, Spanferkeln, radschlagenden Pfauen, funkelfarbigen Goldfasanen. Die prickelnden Rhythmen des Orchesters erloschen wie ermattete Irrlichter – nur noch die Viola d'amore schwelgte nachtigallenhaft.
Zwischen einigen Altersgenossinnen saß in einem der kleineren Nebensäle Donna Faustina. Ihr Liebreiz, erhöht durch das kostbare, schmuckbehängte Cinderella-Kostüm, kam jetzt erst im vollsten Maße zur Geltung, nachdem ihre kindschmalen Wangen, der Gesichtsmaske ledig, vom botticellischen Rotblond ihrer Ringellocken wie von einem schwergoldenen Rahmen eingefaßt wurden. Sie saß – mit dem Rücken zu einem flandrischen Wandteppich – an der hinteren Längsseite eines nicht sehr langen und ziemlich schmalen Tisches. Zur Linken hatte sie Alda Pandolfini, Domitilla de'Monforte und Betta Ridolfi; zur Rechten Nannina Sansedoni, Agnese Gondi und Tolla Fiordespini. Die entsprechenden Plätze an der vorderen Längsseite der Tafel nahmen junge Kavaliere ein, Tänzer und Verehrer der kichernden Signorinas, lauter Träger nicht minder gutklingender altflorentinischer Namen. Bloß ein Stuhl, genau Faustina gegenüber, war unbesetzt. Auf diesem Stuhl hatte eben noch der dreizehnjährige Don Ernando de'Medici, Cosmos jüngster Sohn, gesessen, – der war jedoch durch die Affensprünge eines Arlecchino in den großen Tanzsaal weggelockt worden. Und so blieb denn bis zu seiner Rückkunft der Platz leer.
Maske gegen Maske eingetauscht hatte Faustina –: denn ihre Fröhlichkeit verbarg das wahre Gesicht ihrer Angst. Ob Pietro sich zwischen den Ballgästen umhertrieb, sie wußte es nicht; das aber wußte sie, daß eine Pferdebremse sich leichter verscheuchen ließ als er. Seinen Vorsatz, den verweigerten Kuß ihr öffentlich und zwar gewaltsam zu rauben, hatte tags zuvor ihre Retterin Lodovica Malaspina zunichte gemacht; – zuzutrauen war ihm, daß er nun erst recht versuchen werde, die Scharte auszuwetzen, mochte es auch hier angesichts der vornehmsten Florentiner geschehen. Hatte er sie im Tanzgewühl nicht zu erblicken vermocht, ebensowenig wie sie ihn, so war jetzt einander leichter zu finden, nachdem Männlein und Weiblein, demaskiert und bequem zu überblicken wie auf eine Schnur gereihte Perlen, nebeneinander tafelten.
Furchtsam wanderten Faustinas Augen immer wieder zu beiden offenen Türen hin, gewärtig, ihn auf sich zukommen zu sehn, ein Schreckgespenst. Und in der Tat – plötzlich stand er mitten im Zimmer. Aus seinen trunkenen Zügen leuchtete der Triumph, daß er sie gefunden, die Gesuchte.
Auch sonst leuchtete alles an ihm: vom Kopf bis zu den Zehen war seine Gestalt ein glimmerndes Geflirr. Am Diamantenstern im geckenhaft frisierten Haar ließ sich erkennen, daß er zu den sieben Planeten gehörte; und zwar stellte er die Sonne, d. h. il Sole, den Sonnenjüngling, dar –: daher der funkelnde Goldbrokat seiner trikotartig enganliegenden Kleidung. Kreisrunde Platten aus purem Golde klirrten auf dem Brokat, so dicht aneinander geschichtet, als wären es Fischschuppen. Inmitten der Brust war diese Beschuppung von einer tellergroßen Goldplakette unterbrochen, darauf in Basrelief Ikarus zu sehn war, der aus Sonnennähe kopfüber ins Meer stürzt, weil die Sonne das Wachs seiner Flügel geschmolzen. (Das mochte eine Warnung an Lodovica sein.) Durch den kostbarsten Schmuck aber zeichnete sich Pietros Gesäß aus: eine von Meisterhand entworfene biblische Szene – Dina, des Patriarchen Jakob Tochter, sich verzweifelt wehrend gegen die Küsse ihres Schänders, des Heviter-Prinzen Sichem – war mit grellweißen Seidenfäden auf den himmelblauen Hosenboden des prinzlichen Gesäßes gestickt.
Pietro ging auf den Tisch zu. Das Kichern der Damigellen war verstummt. Er faßte die Stuhllehne, er schob den Stuhl hinter sich und stand, beide Hände auf den Tischrand gestützt, Faustina gegenüber. Mit weinschwerer Zunge sagte er:
»Küsse mich, meine Seele.«
»Ich bin deine Seele nicht, Pietro!«
»Du wirst es bald sein, Faustina!«
»Nie!«
»Oh, ich werde dich bezaubern, Faustina, –: ich besitze die Milch aus den Brüsten des rostschwarzen Adlers! Paß auf, du wirst bezaubert sein von mir!«
»Das möchte ich gern wissen, wie du das anfangen willst!«
»Da schau, wie! Da schau, wie es dir ergehn wird!«
Er wandte sich geschwind um, bückte den Oberkörper und zeigte ihr sein Gesäß.
Es war die denkbar ungeheuerlichste Beschimpfung einer Gentildonna. Doch von den jungen Kavalieren an der Tafel getraute sich keiner, dem gefürchteten Prinzen den Handschuh hinzuwerfen.
Während noch Pietro sich beugte, trug eben ein Negersklave Wildbret durchs Zimmer, und ein anderer Sklave ging hinterdrein mit Saucenschalen auf einem Tablett. Diesem zweiten Sklaven versetzte eine Mohammedanerin, die neugierig an Pietro herangekommen war, durch eine unvorsichtige Bewegung einen Stoß, so daß eine große Silberschale zu Boden fiel, und zwischen dem Prinzen und dem Tisch ein See von schwarzbrauner Wildbretsauce entstand. Trunken wie er war, bemerkte er es nicht.
Aber Faustina bemerkte es. Obgleich durch Schreck an ihn gebannt, waren ihre Blicke von ihm abgeglitten, um das dunkle Wesen – seinen Schatten gleichsam – zu streifen, sofort schon, als beide fast gleichzeitig ins Zimmer getreten waren. Wie alle, hatte auch die Mohammedanerin die Maske abgenommen, doch unerspähbar hinter einem dichten türkischen Frauenschleier blieb ihr Gesicht. Dafür verheimlichte die Kleidung nichts von ihrer biegsamen, amazonenhaften, knabenschlanken Gestalt. Und plötzlich durchzuckte Freude Faustinas Herz: die Verschleierte da konnte niemand anders sein als ihre gestrige Retterin Lodovica ...
Lange, allzulange hatte Don Pietro seine Rückseite bewundern lassen. Jetzt hob er den Rumpf und wandte sich eitel dem Tische wieder zu.
»Nun, wie habe ich dir gefallen, Faustina? Hast du dich endlich verliebt in mich? Willst du mich nun endlich küssen? – ich lasse dir die Wahl frei, wo!«
Die temperamentvolle Nannina Sansedoni konnte nicht länger mehr an sich halten. Sie schrie ihn an:
»Du gehörst in einen Schweinestall, du trunkenes Schwein!«
Auch Faustina wollte ihm eine empörte Antwort geben, – da sah sie, daß die Türkin ihr heimlich winkte und eine beschwichtigende Handbewegung machte. Sofort bezwang sich Faustina und lachte übermütig.
»Du hast mich bezaubert, Pietro! Du übertriffst die Aphrodite Kallipygos, – du weißt doch, die man in Neapel gefunden hat ...«
»Die mit dem schönen Steiß? Hast du jetzt endlich auch mich gefunden? Brav so! Küsse mich also!«
»Nachher ... Erst laß uns mit Rosa Solis anstoßen, – oder welchen Wein trinkst du am liebsten?«
»Deine weißen Lippen, Faustina.«
»An denen nipptest du noch nicht ... hier in den Flaschen sind süßere und heißere Weine!«
»Deine Blicke sind der heißeste Wein, Faustina! ... Hast du ein Gespenst damit berauscht? Wessen Geist sitzt auf diesem Platz?«
»Niemandes. Komm, setze dich zu uns, Pietro.«
»Ich brauche deine Erlaubnis nicht. Aber setzen will ich mich in aller Teufel Namen! – magst du mich auch in die Erde wünschen!«
Er stand an den Tisch gelehnt und rückte den Stuhl heran. Während er jedoch sich niederließ, riß die Mohammedanerin den Stuhl unter ihm weg. Rückwärts niederfallend setzte sich der Prinz mit seinem herrlichen silberweißen Gesäß in die schwarzbraune Wildbretsauce.
Die Lautlosigkeit, die darauf folgte, das erstickte tonlose Lachen – es war unbeschreiblich. Und es wurde unerträglich, wandelte sich in Gepruste, stoßweise hervorzischend wie Dampf aus geplatztem Kessel. Sie hielten sich die Seiten, wie wenn sie zu platzen fürchteten, die jungen Mädchen alle und ihre Ritter; und dann johlten sie, ja, trotz hoher Kultur und adeliger Erziehung johlten sie geradezu und verließen fluchtartig das Zimmer, stoben auseinander; mit ihnen auch Faustina und Lodovica. Als auf Pietros Alarmgeschrei andere Gäste aus den Nebensälen herbeikamen, stand die reichgedeckte Tafel verlassen da wie nach einem Erdbeben.
Nicht nur für den prinzlichen Hosenboden war, was sich ereignet hatte, eine Katastrophe.
Am Nachthimmel draußen schoben noch immer Schnee-Engel Wolken heran, finstere Wolken über Florenz. Sie verdeckten die Mondscheibe, die nur hin und wieder herausblinkte wie ein glitzernder Lachs aus dunkler Flut. Ausgetollt haben sich die Schneeflocken, mit ihrem Tanzen ist's vorbei; auf Türme, Schornsteine und Bildsäulen haben sie sich falterhaft niedergelassen. Kristallisch flirrend weißen sie das Dach einer Staatskarosse, die am Arno entlang zur Piazza Pitti heimfährt. Im Wagen befinden sich Faustina, der junge Kardinal Giovanni und das Nesthäkchen der Medicifamilie, der dreizehnjährige Don Ernando.
Ein paar feurige Andalusier sind vor die Karosse gespannt. Durch den Lungarno Corsini trappeln sie, vom Kutscher straff gezügelt, in gleichmäßigem Tritt und Trott, – etwas hohl klingt es auf dem mit schmelzendem Schnee wattierten Backsteinpflaster ... Da kommt am Ponte S. Trinità übermütiges Fastnachtsvolk, grelle Laternen schwingend, dem Wagen in die Flanke, und eine übermenschengroße Strohpuppe fällt vor die Pferdehufe. Die erschreckten Tiere gehn durch. Wahnsinn hat die Tiere ergriffen, selbstmörderischer Wahnsinn. Die mitten auf der Straße entgegenkommenden Fußgänger stürzen in wilder Flucht auf die linke Straßenseite zu, sich an die Mauern der Häuserreihe anzudrücken, und vermehren erst recht hiedurch die Gefahr, daß die Pferde nach rechts abgedrängt werden, wo unterhalb der Brüstung der Arno rauscht. Der rasend hüpfende Wagen hat die beiden Lakaien abgeschüttelt, in den Schnee geworfen, und saust, leichter geworden, um so geschwinder dahin, schon poltert er mit den rechten Rädern funkensprühend an die Brüstung. Niedrig ist die Brüstung, und der Fluß ist tief.
Da plötzlich wirft ein ärmlich gekleideter Mann, ein Pastetenverkäufer, seine Ware von sich, tut einen Tigersprung und hängt an der Kandare des einen Pferdes. Das andere bäumt wütend kerzengerade empor, gleitet aus auf dem geschmolzenen Schnee, stürzt. Und jenes, gebändigt durch das Gewicht des an ihm hängenden Menschen, steht nun stockstill, schaudernd, zuckend am ganzen Körper.
Während der zu Tode erschrockene Kutscher vom Bock steigt, dem gestürzten Pferde aufzuhelfen, öffnet der Pastetenverkäufer den Verschlag des Wagens. Kreideblaß steigt der junge Kardinal aus und murmelt Dankesworte. Von einem Passanten läßt sich der Fremde eine Laterne reichen und leuchtet in den Wagen, um der Signorina und dem Knaben herauszuhelfen. Da gewahrt er, daß beide ohnmächtig sind. Unschlüssig steht er, ob er es wagen darf, sie zu wecken. Dieweil er noch zögert, schlägt Faustina die Augen auf. Unheimlich nahe sind sich die vier staunenden, fragenden Augen.
»Hast du die Pferde zum Stehn gebracht?«
»Das kann nur der Gott der Pferde, Signorina.«
»Wie heißt du?«
»Pulcinello hat keinen Namen ...«
In diesem Augenblick erlischt das Licht der Laterne. Und – doch das war vielleicht nur ein Wachtraum Faustinas. Ihr war, als streife falterhaft zart ein Kuß ihre Wange. Es konnte aber auch bloß Schneestaub gewesen sein, von einem Windstoß in den Wagen gewirbelt.
Als sie ohne seinen Beistand aus der Karosse gestiegen war, hatte er sich schon entfernt. Er habe die Goldbörse des Kardinals zurückgewiesen, wurde erzählt. Doch das war so unwahrscheinlich, daß Faustina es nicht glauben mochte; – eher glaubte sie, auch er sei nichts als Schneestaub oder ein Traum ihrer kranken Sinne gewesen.
Glocken riefen zur Frühmette, Schlüssel knarrten in Haustüren; Fensterläden klappten geräuschvoll ans Gemäuer; schon begannen Maultiertreiber mit gutmütigen Verwünschungen Säcke und Ballen aufzuladen; Waffenschmiede, Sargschreiner und Schuster hämmerten. Tok, tok, tok sagten die Nägel, ins Sargholz eindringend, – und zu ihrem Takt sang eine Knabenstimme das glückselige Karnevalslied des Lorenzo Magnifico. Graziös schreitende, holzbeschuhte Bäuerinnen brachten Gänseeier, Täubchen und Winterrosen zum Markt in Körben, die auf ihren Scheiteln wiegend schwebten. In der Lichtflut der Sonne ertrank das Licht des Morgensterns. Nirgendwo beginnt der Alltag zauberhafter als in Italien.
Durch eine der unsaubersten und verrufensten Gassen außerhalb der Porta San Gallo schallte der Glöckchenschritt einer jungen Hure. Daß sie eine der Hetären von San Gallo war, bewiesen die Glöckchen an ihrem Gewand, die rote Kappe auf ihrem kastanienbraunen Haar und ihr honiggelber Schleier. So zu gehn war für alle Kurtisanen Vorschrift, mochten auch manche der bedauernswerten Geschöpfe eine hohe humanistische Bildung haben und begabte Dichterinnen sein wie diese junge La Delfina.
Vor einer grauen Spelunke blieb sie gähnend stehn. Hier hauste ein berüchtigter Dieb, seines Zeichens ein Koch: Messère Lelio Marfagnone. Seine Spezialität waren nächtliche Besuche in Kirchen und Kapellen. Da er einst, als Jüngling, etliche Jahre in Famagosta gelebt hatte, hieß er »der cyprische Koch«. Er hätte auch »der Kahlkopf« oder »der Pockennarbige« heißen können, denn Glatze sowohl wie Blatternarben verhäßlichten auffallend seine kühne Verbrecherphysiognomie. Eben öffnete er die Bottega und stellte auf das (wie eine Laube überwölbte) Fensterbrett Gläser mit Mostsirup, ferner Brezeln, Makronen und kleine Fleischklößchen, die er einem Schmortiegel entnahm. Während er damit beschäftigt war, goß seine Ehefrau, die Strega (oder Hexe) Finicella, aus dem oberen Stockwerk den Inhalt eines Nachtgeschirrs hinab in die Gasse.
La Delfina pflegte auf dem Rückweg von ihren nächtlichen Sündengängen beim cyprischen Koch den Morgenimbiß einzunehmen und zu warten, bis ihr halbwüchsiger Diener Guerzolo sie heimzubegleiten kam. Sie, die alle Nächte ohne Begleitung durch die stockfinsteren Gassen schlich, fürchtete im Morgenlicht Steinwürfe und üble Nachrufe von Straßenjungen. Den Imbiß nahm sie (wie alle es taten) auf der Gasse stehend ein, durch das überwölbte Fensterbrett getrennt von dem in der Bottega befindlichen Verkäufer. Devot redete er sie an, – sie glich ja einer Fürstin mehr als einer Hure.
»Euer Gnaden gähnen? Fleißig gewesen die ganze Nacht?«
»Nur eine halbe, Messer Lelio! ... Nein, keine Makronen, – gebt mir vom Mandelkuchen! ... Eine halbe Nacht in eines Basilisken Nest ...«
»Legte er nicht goldene Eier? Was war es denn für einer?«
»Ein Scheusal, ein Lakai, der seinen Herrn bestohlen hat ...«
»Der Tausendsassa! ... hat er auch Euer Gnaden Jungfernschaft gestohlen? ... Doch wenn er Euch ein Scheusal dünkte, warum gingt Ihr denn mit ihm?«
»Weil's ein Kerl war ... und was für ein Kerl! ... Dann aber – pfui Teufel! Man hat doch noch ein Herz ...«
»Eine schlechte Angewohnheit, Euer Gnaden! Das habe ich mir ganz abgewöhnt, das Herz ... Wart Ihr so übel gebettet?«
»In den Armen eines stinkenden Ziegenbockes ... Beruf ist ja Beruf, Messer Lelio, das ist nicht anders ... Aber heute habe ich es doch gesegnet, daß es bloß eine halbe Nacht war.«
»Und die andere Hälfte?«
»Die vertanzte ich im Palazzo Corsini.«
»Donner und Blitz! Da wart Ihr eingeladen?«
»Genau so eingeladen wie die böse Fee im Märchen. Wäre es herausgekommen, man hätte mich ausgepeitscht – mir eine Bastonata von einunddreißig Hieben auf den Rücken gepfeffert ... Dennoch habe ich es gewagt – nicht etwa weil ich tanzsüchtig war ...«
»Sondern?«
»Fragt die Kasserolle dort, warum sie ihr Liedchen summt; – ebensoviel Antwort werdet Ihr von mir erhalten ... Was macht Eure Tochter?«
»Die Antonietta? Die schläft noch, das Faultier, und träumt davon, Königin von Cypern zu werden.«
»Noch immer? Hat sie es nicht aufgegeben? ... Und wo ist Seine Majestät, ihr hoher Verlobter?«
»Seine Majestät wäscht sich. Er leidet an königlicher Sauberkeit. Es ist eine Krankheit, Euer Gnaden!«
»Ich wünschte, alle Männer hätten die Krankheit! ... Eure Tochter ist zu beneiden ... Doch ehrlich gestanden, ich glaube nicht daran – – – «
»Woran?«
»Daß er ein Lusignan ist, ein Enkel der Catarina Cornaro.«
»Unter uns gesagt, Euer Gnaden, ich glaube es ja selber nicht. Aber kommt es denn darauf an, daß wir es glauben? Die Hauptsache ist doch, daß die Welt es glaubt.«
»Wenn sie es bis jetzt nicht tat ...«
»Oh, nur Geduld, sie wird noch!«
»Ist die Welt so dumm?«
»Unbeschreiblich dumm, – fast so dumm wie Seine Majestät.«
»Wißt Ihr, Messer Lelio – doch lacht mich nicht aus –, wißt Ihr, was mir zuweilen vorkommt?«
»Was?«
»Daß Seine Majestät zu dumm ist, um ganz so dumm zu sein.«
»Euer Gnaden meinen, daß er den Blöden spielt? ... Anfangs dachte ich es auch. Doch nein, nein, nein, – unmöglich. Stellt Euch vor: einmal nahm ich ihn nachts in eine Kirche mit – – –«
»Nachts? Seid Ihr so fromm, Signore?«
»So fromm bin ich ... Alles klappte. Wir hatten gute Arbeit getan. Da fängt Seine Majestät an, die Glocken zu läuten, so daß die Sbirren herbeigestürzt kommen ... Habt Ihr gehört, was er gestern abend angestellt hat?«
»Er hat zwei Prinzen gerettet ...«
»Doch wie! Die Pasteten wirft er in den Straßenkot – und die Goldbörse des Kardinals schlägt er aus! Als ob wir hier einen Goldklumpen nicht brauchen könnten! Als ob mein Kind Antonietta nicht seine Braut wäre, die auch einmal Unterhosen und einen Hüftenwulst tragen möchte wie die vornehmen Signoras! ... So dankt er es uns, daß wir ihn aus den Läusen aufgelesen haben!«
»War Jacopo Malatesti eine Laus?«
»Und noch dazu eine hungrige, Euer Gnaden. Und jetzt ist er eine tote Laus. Mir hat er den König von Cypern vererbt – aber nicht dessen Geheimnis. Das eben war das Pech, daß Malatesti auf dem Sterbelager nicht reden konnte. Er nämlich wußte das ganze Geheimnis, er wußte, warum General Bragadino den zum Tode Verurteilten begnadigt hat. Aber ...«