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Zweiundneunzigstes Kapitel.
Die Massacres zu Fort Pillow

Neben der Grenze von Canada hatte die Union eine Anzahl kleiner Forts angelegt, um die Grenze gegen Einfälle der dort befindlichen Guerillabanden zu sichern. Die Forts waren besetzt meistens durch Negerregimenter. Eine Vorpostenlinie zog einen Cordon fast die ganze Grenze entlang, indessen gelang es den Guerillas nicht selten, den Cordon zu durchbrechen, eins der Forts zu überfallen und sogar zu erstürmen.

Das hatte für sie dann den Vortheil, daß sie von diesem Fort aus so lange die Umgegend zu verwüsten vermochten, bis die requiriten Hülfstruppen sie wieder hinaus trieben aus dem Lande.

Eins der Forts im Staate New-York, das Fort Pillow, war besetzt von dem Theil der Negertruppen, welche sich in Tennessee von der Heeresabtheilung Edward Browns getrennt hatten. Sie standen unter dem Commando Rogues, des Negerhäuptlings von Canada, des gefürchteten Anführers bei den Sclavenaufständen.

Rogue hatte das Fort Pillow mit sechshundert Mann besetzt. Seine persönliche Tapferkeit und seine Schaar, welche sich vortheilhaft vor fast allen übrigen Negertruppen auszeichnete, hatten schon manchen Angriff der Guerillas zurückgeschlagen. Indessen es war in demselben Monate, da von Utah aus der Angriff auf Lawrence ausgeführt wurde, als auch zu Fort Pillow ein solches Schauerdrama in Scene gesetzt wurde, wie es leider in diesem Kriege so viele gegeben hat.

Auf Thompsons Befehl und zum Theil unter seiner persönlichen Leitung wurde in der Nacht ein Marsch gegen Fort Pillow unternommen. Die Vorpostenlinie ward durchbrochen, der Rapport zwischen dieser und dem Fort abgeschnitten und mit furchtbarem Geheul stürmten die Feinde auf das Fort zu. Die Neger sprangen von ihren Lagern auf und griffen zu den Waffen, allein die Verwirrung, die Ueberraschung, das plötzliche Erscheinen des Feindes vor den Thoren des Forts hatten eine so gewaltige Wirkung, daß die Thore gesprengt und das Fort genommen war, noch bevor Rogue einen förmlichen Widerstand zu organisiren vermochte.

Ein blutiger Kampf entspann sich in den Gräben und auf den Brücken des Forts. Die Neger kannten die Erbitterung ihrer Feinde gegen sie, denn ihre Feinde kämpften hier nicht allein den Kampf gegen die Unionisten, nein, sie übten einen Art persönlicher Rache. –

Das waren die Neger, welche in Kentucky und Tennessee ihre Herren verjagt und massacrirt hatten, welche Dörfer und Farmen eingeäschert und den Weg, den sie bis zum Lager des Feindes genommen, mit Feuer und Blut gezeichnet hatten. Das waren die Kettenbrecher, welche die Despoten hatten erzittern gemacht, die Wesen, welche man wie Halbmenschen behandelt und stets für willenlose nur bestialischer Leidenschaften fähige Geschöpfe angesehen hatte, und welche sich dann plötzlich und unerwartet mit männlichem Trotz erhoben, das Racheschwert geschwungen und die feigen Henker gezüchtigt hatten, deren Peitsche so lange über sie geschwungen war.

Die Neger wußten, daß ein entsetzliches Geschick ihrer harre, wenn sie unterliegen würden, und sie kämpften den Kampf der Verzweiflung. Die Uebermacht war zu groß. Schritt für Schritt mußten sie rückwärts weichen, Schritt für Schritt des Terrains ward mit dem Leben der muthigen Kameraden vertheidigt; allein der Feind gewann immer mehr Feld und die Vertheidiger des Forts wurden immer mehr zurückgedrängt, bis in die äußerste Schanze. Dort konnten sie nicht weiter, und dort blieb ihnen weiter nichts übrig, als sich willenlos hinschlachten zu lassen.

Ihre Munition war verschossen und die Uebermacht der Feinde hinderte sic, ein anderes Vertheidigungsmittel zu ergreifen. Sie hatten Nichts als ihre Bowiemesser, und was nützten ihnen diese gegen eine Anzahl mit guten Büchsen versehener Angreifer?

Hohngelächter erscholl aus den Reihen der Guerillas. Schuß auf Schuß ward auf die Schaar der wehrlos dastehenden Neger abgefeuert.

Mit unerschüttertem Muthe stand Rogue an ihrer Spitze, seine Kameraden auffordernd, sich mit ihm in die Reihen der Feinde zu stürzen. Allein den meisten war der Muth entsunken. Sie wußten, daß Nichts als der Tod ihrer harre, und daß sie nur Hoffnung hatten, mit dem Leben davonzukommen, wenn sie sich dem Feinde auf Gnade und Ungnade ergeben würden. Sie warfen Alle mit fast alleiniger Ausnahme Rogue's, ihres Führers, die Waffen weg.

Als sie vollständig entwaffnet dastanden, da bemächtigte sich ein Theil der Feinde der Person des Führers der erst nach wildestem Kampfe gebändigt und gebunden werden konnte; ein anderer Theil umstellte die in der Schanze zusammengedrängten Schwarzen, um sie am Entweichen zu hindern. Und nun begann die Execution gegen den Führer.

»Zündet einen Scheiterhaufen an!« rief der Anführer der Guerillas. – Morgan ist der Name dieses Scheusals. – »Laßt uns ihn verbrennen!«

Der Befehl ward ausgeführt. Die Gestelle der Zelte, in welchen die Besatzung des Forts schlief, wurden über einander geworfen, und ein helles Feuer loderte mitten in dem Fort auf.

»Hinauf mit ihm, mit dem Bluthund, der in Kentucky die Farmer erhängte!« schrie Morgan. »Warte schwarzer Teufel, wir werden Dir die Hölle heizen«.

»Halt!« riefen Andere denen zu, die den gebundenen Neger auf den Scheiterhaufen zu werfen im Begriff waren. »Werft ihn nicht in die Flamme, das ist keine Strafe für eine Bestie, wie diese, laßt uns ihn erst foltern!«

»Woher Apparate nehmen? Wir haben Nichts als Feuer.«

»Gut! Feuer genügt. Hier ist ein Bolzen.«

Der Sprecher zog einen an einem brennenden Stück Holz befestigten und in der Flamme bereits glühend gewordenen Bolzen hervor.

»Das Ding taugt recht gut zum Foltern«, rief er, indem er mit teuflischer Lust dem Schwarzen damit über den entblößten Rücken fuhr, daß es aufzischte.

Rogue ächzte, aber kein Schrei, kein Wort, das um Erbarmen flehte, kam über seine Lippen.

»Der schwarze Satan hat kein Gefühl oder stellt sich, als ob er unsrer Folter spotte,« rief Einer.

»O, da haben wir andere Mittel; er soll jammern und winseln wie ein altes Weib auf dem spanischen Bock. Er soll nicht krepieren ohne vorher um Gnade gefleht zu haben.«

»Er thut es nicht«, rief Einer der andern Neger, »Ich bitte Sie auf den Knieen, Massah Morgan, lassen Sie ihn nicht foltern! Er fleht nicht um Erbarmen, er ist stark und hat schon manche Folter ertragen. Haben Sie Erbarmen mit ihm«.

»Schweig, Du Niggervieh!«

»Aber ich spreche die Wahrheit; ich weiß, daß er kühn genug ist, die äußerste Folter zu ertragen, ohne einen Schrei auszustoßen«, wiederholte der Neger. »Lassen Sie es unsertwegen, die wir die Waffen gestreckt haben; foltern Sie unsern Führer nicht. Sie würden seine Leute dadurch zu neuer Wuth und vielleicht zu einem unvorsichtigen Widerstande reizen«.

»Ha, das wäre erst ein Vergnügen!« rief Morgan. »Wir wollen einmal sehen, was diese gereizten Niggerbestien, wenn sie ohne Waffen und wohl umstellt sind, anfangen. Das wird ein Freudenfest, Leute! Werft diese Canaille ins Feuer!«

Noch ehe der fürsprechende Neger zu protestiren vermochte, ward er ergriffen, und in die Flammen geworfen. Rogue sah es mit Zähneknirschen. Nun kam die Reihe an ihm.

Die neue Folter, die man für den Führer der Neger ersonnen hatte, bestand darin, daß man ihn auf einen Lehmplatz legte und ein gelindes Feuer um ihn her anzündete, um ihn so allmählich zu braten.

Rogue war nicht im Stande, ein Glied zu rühren, er mußte es deshalb über sich erdulden. Er war nicht im Stande, sich umzuwenden. Er fühlte, daß die Hitze ihm bis ins innerste Mark drang; aber nicht einmal durch eine Wendung des Körpers vermochte er sich Linderung zu verschaffen. Die Schaar der Guerillas umtanzte ihn in unbändiger Freude.

»Laßt uns den Braten wenden!« riefen Einige, als sie sahen, daß der Rücken des Negers bereits eine einzige Brandwunde war.

Sie wandten ihn deshalb um und ließen auch den vordern Theil seines Körpers der Hitze ausgesetzt.

Einer der Unmenschen kam auf den teuflischen Einfall, daß zu dem Braten auch Sauce gehöre. Ein Theerfaß, welches zum theeren der Lafetten diente, ward ans Feuer gestellt und zum Kochen gebracht, und mit dem kochenden Theer überträufelte man den Körper des Bratenden.

Noch kam kein Schmerzensschrei über die Lippen des Gefolterten. Rogue fühlte, dass der Augenblick der Erlösung nahe war. Er fühlte bereits seine Sinne schwinden und hoffte, daß der Tod ihn aus den Händen seiner Henker erlösen werde. Aber die raffinirte Grausamkeit der Banditen begnügte sich nicht mit dem kurzen Schauspiel, und ihre Erfahrung in solchen Belustigungen gab ihnen leicht ein Mittel in die Hand, dies Schauspiel noch um ein Bedeutendes zu verlängern. Ein Eimer kalten Wassers aus der Cisterne ward schnell herbeigeholt, und man goß dem Versengenden und vor Hitze Verschmachtenden nicht nur ein wenig Wasser in den Mund, sondern kühlte außerdem unablässig seinen Kopf und sein Herz und ließ den Körper weiter braten.

Auf diese Weise gelang es, ihn buchstäblich zu einem lebendigen Braten herzurichten; er blieb bei voller Besinnung bis zum letzten Athemzuge.

Allein auch dies Mittel ward mit der Zeit wirkungslos. Rogue schloß seine Augen, sein Mund öffnete sich weit, um den Lungen einen Strom frischer Luft zuzuführen. Die Brust begann krampfhaft sich zu heben und zu senken, der letzte Athemzug war nahe.

»Bestie, willst Du nicht um Verzeihung flehen?« rief Morgan, ergriff einen Feuerbrand und stieß ihn dem Sterbenden tief in den Mund hinab. Noch einmal zuckte der Gefolterte zusammen, dann blieb er regungslos liegen.

Der Rache der Banditen an diesem hier war Genüge geschehen.

Nun kamen die Andern an die Reihe.

Was war mit ihnen anzufangen? Sollte man die vierhundert Mann – so viel von den Negern waren etwa noch am Leben – alle erschießen? die Procedur wäre zu kurz und zu wenig spaßhaft gewesen. – Sollte man sie alle erhängen? das hätte zu viel Zeit erfordert, zumal man nicht einmal die nöthigen Verrichtungen hatte, und wer konnte· wissen, wie lange sie Herren des Forts blieben. Sollte man sie alle als Gefangene mit sich nehmen und daheim sie den nöthigen Torturen unterwerfen? das war zu unsicher. Besaßen sie die Mittel, eine solche Menge Gefangene mitten durch feindliches Land unangefochten zu transportiren?

Morgan war noch zweifelhaft, was er thun sollte, da mit einem Male drang ein Geheul an sein Ohr: die Schüsse der Wache gaben ein Nothsignal. Er wandte sich um; siehe da! die gefangenen Neger hatten sich wie auf ein Zeichen vereinigt und noch einmal Widerstand zu leisten versucht. Die Warnung des Negers war wohlbegründet gewesen. Die Grausamkeit hatte die Gefangenen die Gefahr vergessen lassen und sie zu wüthendem Angriff auf die erbarmungslosen Henkersknechte angestachelt.

Mit dämonischem Lachen gab Morgan den Befehl:

»In die Laufgräben mit den meuterischen Hunden! Dort werden wir ihnen ein Gefängniß bereiten, aus dem sie keinen Ausbruch versuchen können.«

Der Augenblick hatte ihm einen Gedanken eingegeben, der sich eben so sehr durch seine Originalität, als durch die beispiellose Rohheit auszeichnete. Seit Nero's Zeiten ist kein Tyrann auf eine Strafmethode gekommen, wie sie der Banditenführer hier zur Anwendung brachte.

In einen der Laufgräben wurden die vierhundert Neger zusammengetrieben, welche nur noch zum geringen Theile kampf- und widerstandsfähig waren, da die Meisten zum Tode verwundet und durch die Anstrengung des Kampfes bis zur Kraftlosigkeit erschöpft waren. Rings auf den Wällen stellte sich mit gefällten Bajonett ein Theil ihrer Henker auf, während ein anderer Theil Schaufeln ergriff und die Erde des Walles über die Neger herabwarf. Wer von den Unglücklichen hinaus wollte und in der Todesangst die Wand zu erklimmen suchte, ward mit dem Bajonett zurückgestoßen.

Eine der scheußlichsten Thaten dieses Krieges ist die des Banditenhäuptlings Morgan, welcher hier in Fort Pillow vierhundert Neger lebendig vergraben ließ. – –

Genug von den Grausamkeiten, welche die Sclavenhalter und ihre Werkzeuge vollführten, genug von den Gräuelscenen, welche dieser Bürgerkrieg uns vorführt; laßt uns unser Antlitz wegwenden von diesen Scenen des Entsetzens, und laßt uns unsern Blick freundlicheren Bildern zuwenden.


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