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Als Pet um sich blickte, war Scip, der ehemalige Gehülfe der Miss. Bagges, verschwunden.
Er konnte nur in eins der nächsten Häuser getreten sein, diese aber waren die Hôtels von Breckenridge, Sanders, Cleary, Tucker und Berckley. Was konnte er dort zu thun haben? – Wunderbar! –
Kopfschüttelnd setzte Pet seinen Weg fort.
Die Yorktownstraße war wie ausgestorben, um so mehr mußten dem Neger zwei Menschen auffallen, welche von Springhill her die Straße entlang kamen.
Die beiden Leute hätten ohnehin schon Aufmerksamkeit erregen müssen, denn sowohl ihre Person als ihr Benehmen hatten, namentlich in dieser Gegend der Stadt, etwas Auffälliges.
Es war ein hoch und muskulös gewachsener Jüngling, welcher an seinem Arm ein Mädchen führte.
Der erstere verrieth sich durch seine gelbliche Gesichtsfarbe, durch die ein wenig ausgeworfenen Lippen und sein rabenschwarzes lockiges Haar, sofort als den Abkömmling eines Schwarzen. Das Mädchen an seiner Seite hatte einen zarten, weißen, fast durchsichtigen Teint. Ihr Wuchs war schlank, ohne einer gewissen Rundung der Form zu entbehren; ihre Züge waren weich, und ihr blaues Auge glänzte in engelgleicher Milde und Sanftmuth. Die Kleidung der Beiden war sauber und der Mode der besten Stände gemäß, aber einfach und ohne Koketterie.
Ein schönes und vornehmes weißes Mädchen am Arm eines Farbigen, das war bisher in Richmond eine seltene Erscheinung. Um so weniger war es Pet zu verargen, daß er die Eile seiner Schritte hemmte und expreß nach der andern Seite der Straße hinüberging, um sich das Paar näher zu betrachten.
Kaum aber sah er des Jünglings Züge, als er seine Hand ergriff und herzlich schüttelte.
»Noddy, Junge – kennst Du Deinen alten Freund nicht mehr? – Erkennst Du den alten Pet nicht?«
Noddy, kein Anderer war der Jüngling, erwiederte den Gruß des Schwarzen mit Herzlichkeit.
»Du kommst mir in den Weg, wie gerufen,« sagte er. »Du kannst mir ohne Zweifel das Haus Mr. Cleary's zeigen.«
»Gewiß, mein lieber Junge Dort, dort, das dritte Haus von hier. – Aber wundern muß ich mich, daß Du Deinen ehemaligen Herrn gerade heute aufsuchst. – Oder ziehst Du vor, das Eigenthum Deines ehemaligen Herrn zu bleiben, statt von der Freiheit Gebrauch zu machen?«
»Du weißt, Pet, daß ich nicht Einer von Denen bin, welche ihre Brüder verrathen, um den Weißen en gefallen.
»Das weiß ich, Noddy, Du warst schon als Knabe ein braver Bursche und hast stets auf der Seite der Schwarzen gestanden, aber warum willst Du zu Cleary?«
»Es ist nicht mein ehemaliger Herr, den ich aufsuche, es ist mein Wohlthäter, Pet. – Jetzt ist die Zeit da, daß ich meine Schuld gegen ihn abtragen kann.«
»Sehr brav! Geh, mein Junge. – Wer aber ist die schöne Miß? – Ei, ei, hätte es noch vor acht Tagen nicht gewagt mit einem Mulatten Arm in Arm durch die Straßen von Richmond zu gehen.«
»Um Vergebung!« antwortete das Mädchen im freundlichem Tone, »ich hätte mich vor Niemandem geschämt.«
»Das bestätige ich,« fügte Noddy hinzu. »Diese junge Dame, Pet, Miß Nettice, ist mir eine treue Schwester gewesen seit den Tagen meines Unglücks. Ich schulde ihr vielen, vielen Dank!«
Nettice drückte leise, wie zum Vorwurf, Noddys Arm.
»Ich weiß Du hörst es nicht gern,« sagte er, »Du gute Seele, aber tief in meinem Herzen fühle ich, was Du mir warst und bist. – Adieu Pet. Auf Wiedersehen im Lande der Freiheit.«
Noddy schritt mit seiner Begleiterin auf das bezeichnete Haus zu. Kein Portier öffnete, Alles war wie ausgestorben. Selbst auf dem Hausflur, wo sich sonst stets ein Diener aufzuhalten pflegte, war Niemand zu sehen, und ohne einem menschlichen Wesen zu begegnen, stiegen sie die Treppe hinan.
Auch die Thür des Vorzimmers stand offen. Sie traten ein. Noddy schwankte, ob er hier warten, bis sich ein Diener sehen lasse, oder ob er weiter gehen sollte.
Noch ehe er darüber zum Entschluß kam, hörte er im Nebenzimmer Stimmen.
Er bemerkte, daß die Thür, welche in dasselbe führte, nur angelehnt war. Er ging auf dieselbe zu, um hinein zu gehen.
Plötzlich aber hielt er inne.
»Es ist Mr. Cleary's Stimme,« flüsterte er seiner Begleiterin zu. »Laß uns warten bis er allein ist.«
Sie konnten deutlich hören, was drinnen gesprochen wurde. Es war der Schluß einer Unterredung, welche Cleary mit einem Unbekannten führte.
»Ich habe nichts mehr zu vergeben, als dieses Haus,« hörten sie Cleary sagen, »es ist mein letztes Eigenthum. Alles Andere hat der Krieg verschlungen. – Sieh her, hier ist die Verschreibung: das Haus mit allem, was darin ist, gehört Dir, sobald Du mir Gewißheit giebst, daß Du den Auftrag ausgeführt. In der Stunde, da Du mir das Bewußte bringst, händige ich Dir die Verschreibung aus.«
»Sie hält sich also gegenwärtig in Washington auf?« fragte der Unbekannte.
»Ja Washington, im Hause eines gewissen Spangler, vielleicht auch im Boardinghause der Mrs. Surratt.«
»Wie soll ich Ihnen aber den Beweis liefern, daß ich Ihren Auftrag ausführte?«
»Ich kenne die Ringe genau, eine Täuschung kann nicht stattfinden.«
»Die Rechte muß es sein?«
»Die Rechte.«
»Wir sind einig Mr. Cleary. Sie sollen pünktlich bedient werden.«
Wenige Minuten später öffnete sich die Thür, und heraus trat ein Neger, in welchem Noddy und Nettice zu ihrer Ueberraschung den Sclaven der Mrs. Bagges erkannten, Scip, dessen widerwärtige Physiognomie in diesem Augenblicke etwas an sich hatte, das Noddy an die Semiramis erinnerte, welche damals den unglücklichen Tomahuhu zerfleischte.
Wäre Noddy diesem Menschen an irgend einem andern Orte begegnet, er hätte ihn nicht ungezüchtigt seines Weges gehen lassen, hier aber im Hause seines Wohlthäters kämpfte er die in ihm aufsteigende Wuth nieder.
Scip schlüpfte grinsend an ihm vorüber zur Thür hinaus.
Sein Anblick hatte Noddy dermaßen alterirt, daß er einige Minuten gebrauchte, um sich erst wieder zu sammeln. Während dieser Zeit hörte er, wie Cleary mit starken Schritten im Nebenzimmer auf- und abging, von Zeit zu Zeit einige unverständliche Worte vor sich hin murmelnd.
»Das letzte, wag mir noch zu thun oblag, ist geschehen! – Ihre Hand der Lohn für seine That! – Er soll sie haben!«
Es trat eine Pause ein, in welcher sein Athem hörbar keuchte. Dann hob er wieder an:
»O Gott, wie habe ich sie geliebt! – Verloren! – Einsamkeit und Armuth ist mein Loos. – Mein Reichthum ist dahin, Freunde hatte ich nie, und die ich hatte, wandten dem ruinirten Mann den Rücken! – Grausames Geschick! – Arm und allein auf der Welt!«
»Nicht allein, Mr. Cleary!« rief in diesem Augenblicke Noddy's Stimme, welcher durch die Thüre eintrat. »Wollen Sie diese Hand nicht verschmähen, Sir, so haben Sie einen Freund, der Sie nie mehr im Stiche lassen wird.«
Er reichte Cleary seine Hand.
Cleary blieb überrascht stehen, bald Noddy mit verwirrten Blicken messend, bald die schüchtern im Hintergrunde stehende Nettice betrachtend. Er bedurfte einiger Zeit um sich zu sammeln, und zu überzeugen, daß er den lange todt geglaubten Negerknaben vor sich sehe. Dann ergriff er die dargebotene Hand mit beiden Händen und zog Noddy an seine Brust.
»Wahr Noddy!« rief er, »Du warst mein einziger Freund von jeher, in der Stunde der Gefahr und des höchsten Elends erscheinst Du mir als rettender Engel, und das jetzt mehr als damals, da Du mich den Händen der Mörder entrissest! – Komm an mein Herz, Du, nicht mehr mein Sclave – mein Sohn!«
Noddy legte, während Cleary ihn umarmte, seinen linken Arm um seine Schulter, unbeweglich blieb der rechte. Cleary mochte das auffallen.
»Du bist verwundet?« fragte er.
Noddy nickte.
»Verwundet, ja, aber nicht im Kriege. Meine eigene Vermessenheit hat mich zum Krüppel gemacht, mein Ehrgeiz, meine Vermessenheit war Schuld daran.«
Netticens Lippen flüsterten den Namen »Fanny.«
So leise sie auch sprach, Noddy hörte sie doch.
»Fanny!« wiederholte er mit bitterm Lächeln mehr zu sich selber als zu Cleary sprechend. »Als Knabe opferte ich die Hand für sie, als Jüngling den Arm, hätte ich sie glücklich machen können, ich hätte mein Leben für sie geopfert.«
»Und Fanny?« fragte Cleary, »wo ist sie?«
»Ich weiß es nicht, Mr. Cleary,« antwortete Noddy. »Meinem Schutz ward sie zwei Mal entzogen. Das erste Mal zu Nashville da man mich fortschleppte. Nach langem Suchen fand ich sie wieder. Ich that für sie was ein Bruder für sie zu thun schuldig ist. – Da warf mich dies Leiden« – er deutete auf seinen steifen Arm – »auf ein langwieriges Krankenlager. Seit der Zeit, es sind sechs Monate, sah ich sie nicht mehr.«
»Du konntest sie im Stiche lassen, Noddy? – Du hast Dich nach Deiner Genesung nicht um sie gekümmert?«
Noddy schüttelte schmerzvoll den Kopf.
Mehr als einmal hatte Nettice versucht statt seiner zu antworten, aber immer hatte ein Blick des Freundes ihr Schweigen auferlegt.
»Sie hat einen andern Beschützer gefunden,« antwortete Noddy endlich mit schwermüthigem Ausdruck.
»Ach ich verstehe!« rief Cleary, »sie verschmäht die Fürsorge des Bruders. Ha, das ist das Vorurtheil, das ihr – Dank der Erziehung ihrer Mutter durch jenen nichtswürdigen Geistlichen eingeimpft wurde. Oh ich kann mir's denken; der Freund und Beschützer wurde krank, sie pflegte ihn nicht, sie hielt es unter ihrem Rang ihm mehr als oberflächliche Theilnahme zu zeigen, sie knüpfte Bekanntschaften an, vor welchen sie der treue Freund nicht hat warnen können, und als dieser endlich sich vom Krankenbette erholt, da hat er sie verachten gelernt und wendet ihr den Rücken.«
»O mit nichten!« fiel hier Noddy ein, »ich habe sie in vielen Briefen – da ich sie nicht sprechen durfte – beschworen, Mr. Tucker's Schutz von sich zu weisen und den Bruder für sich sorgen zu lassen. Sie wollte es nicht.«
»Also Tucker, der Wüstling, warf sich zu ihrem Beschützer auf? Mein Himmel, so ist auch meine Tochter mir verloren.«
»Ist sie es Mr. Cleary, was ich fast fürchte, so führe ich Ihnen hier eine neue Tochter zu, ein Wesen, dessen edles Herz ich während meines Krankenlagers kennen und schätzen lernte. Sie war Fanny eine treue Gefährtin im Unglück, und wäre es auch im Glück gewesen, wenn Fanny sie nicht von sich gestoßen hätte.«
»Dank – Dank!« rief Cleary Netticens Stirn mit seinen Lippen berührend. – »Noddy und Sie, meine Tochter, wie soll ich Euch lohnen und danken. Mein Reichthum ist hingeschwunden, selbst der Platz, wo wir stehen, gehört mir nicht mehr, ich bin ärmer als einst der ärmste meiner Beamten.«
»Auch das Unglück hat sein Gutes,« antwortete Noddy tröstend. »Im Unglück erst lernt man den Werth der Herzen kennen und die falschen von den treuen unterscheiden. Ich habe mir, Gott sei Dank so viel erworben, daß meine Zukunft gesichert ist. Fanny hat mir ihre Hauseinrichtung, ihre Equipagen und die Kapitalien, die ich ihr zur Verfügung stellte, zurückgegeben, so bin ich in der Lage irgend wo im Lande eine Besitzung zu kaufen, welche uns Allen ein sorgenfreies Leben gestattet, Wollen Sie uns begleiten, Mr. Cleary? Sie könnten mich durch nichts glücklicher machen, als wenn Sie mir gestatten, Ihnen durch die treue Pflege eines Sohnes die Liebe zu vergelten, welche Sie dem verachteten Negerknaben allezeit erwiesen haben.«
Das Gespräch wurde unterbrochen durch ein Geräusch auf der Straße.
Noddy eilte an's Fenster.
»Retten Sie sich, Mr. Cleary!« rief er, nachdem er einen Blick hinausgeworfen. »Man kommt. Eine Abtheilung Negersoldaten besetzt die Häuser.«
Cleary erbleichte. Doch schnell gefaßt sagte er:
»Es giebt einen Ausweg –· das Ritterhaus.«
»So eilen Sie, ich selbst werde zurückbleiben, um die Nachsuchenden aufzuhalten, oder von Ihrer Spur abzulenken.«
»Nein Noddy!« entgegnete Cleary, »Du trennst Dich nicht mehr von mir· Ihr Beide, Ihr begleitet mich, sei dann mein Schicksal welches es wolle.«
Es war keine Zeit zu verlieren. Denn schon drangen Bewaffnete in's Haus.
Wie schon erwähnt, führten von all' den in diesem Stadttheil gelegenen Palais von den Parks aus Wege nach dem Ritterhause. Von Mr. Cleary's Hause aus mußte man, um dahin zu gelangen, den Park Mr. Tucker's passiren. Hier angekommen, sahen sie diesen in wilder Eile durch die Laubgänge stürzen der Gegend zu, wo das Venusschloß lag. Bei einer Biegung des Weges rannte er Cleary und seine beiden Begleiter beinahe über den Haufen.
»Wohin?« rief ihm Cleary zu und trat ihm in den Weg.
Tucker blieb überrascht stehen.
»Mich flüchten,« antwortete er dann und wollte weiter.
Cleary vertrat ihm von Neuem den Weg.
»Nicht weiter Sir – sprechen Sie erst, was aus meiner Tochter geworden ist.«
»Ihre Tochter?« antwortete Tucker spöttisch. »Sie können sie noch heute haben, wenn Sie wollen.«
»Sie ist hier?«
»Ja; aber lassen Sie mich jetzt.«
»Ich begleite Sie. – Komm Noddy; der Gentleman darf uns nicht entkommen.«
Tucker hatte bereits den Weg nach dem Venusschloß eingeschlagen.
Wäre Cleary allein gewesen, so würde Tucker ihm leicht entkommen sein. Noddy holte ihn gerade ein, als er die versteckte Thür, welche am Fuß des Berges sich befand, hinter sich zuzuschlagen im Begriff stand.
Noddy stemmte sich gegen die Thür und hielt sie offen, bis Cleary und Nettice herbeikamen. Tucker protestirte mit aller Gewalt gegen das unbefugte Eindringen in seinem Versteck, aber Cleary bestand darauf, ihm zu folgen. Sollte nicht der Lärm und das Zögern die Verfolger herbeilocken, so mußte Tucker endlich nachgeben und seinem ehemaligen Freunde und dessen Begleitern den Eintritt gestatten.
Sie stiegen die Treppe hinan und gelangten durch die Fallthür in die oberen Räume. Tucker öffnete eine Thür und ließ die Gäste eintreten in eins jener Zimmer, welche der Wüstling zum Aufenthalt der Opfer seiner Wollust hatte einrichten lassen. Er wollte sich entfernen; Cleary aber hielt ihn zurück.
»Wo ist Fanny, mein Kind?« fragte er mit drohender Stimme.
Tucker lächelte höhnisch und deutete auf eine Thür.
»Wenn Sie sie durchaus sehen wollen, – ich habe nichts dawider.«
Noddy öffnete die Thür.
Welch ein Anblick! – Da saßen aus dem Divan aus welchem wir, als wir zum ersten Male in diese Räume eintraten, die schöne Camilla schlummernd fanden, zwei Mädchen. Beide so verschieden wie der Tag und die Nacht, und beide doch so schön! Camilla, die Farbige in jener verführerisch nachlässigen Toilette, welche expreß für Mr. Tuckers Sinnlichkeit berechnet war, neben ihr Fanny mit aufgelöstem Haar und verweinten Augen. Sie hatte das Haupt an Camilla's Brust gelegt und schluchzte und war mit ihrem Schmerz so beschäftigt, daß sie die Eintretenden nicht gewahrte.
Erst als Noddy ihren Namen rief, da richtete sie das Haupt empor und blickte mit den thränenumflorten Augen um sich.
Kaum aber hatte sie die Eintretenden erkannt, da stieß sie einen Schrei aus, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, und barg ihr Haupt wieder an Camilla's Brust.
»Fanny, mein Kind!« rief Cleary und eilte auf sie zu.
Sie machte einen Versuch, ihm entgegenzueilen, aber sie sank auf das Sopha zurück.
»Was ist Dir? Nach so langer Trennung, Fanny, diese Zurückhaltung?«
»Ich darf Dich nicht umarmen, mein Vater, ich bin nicht werth, Dein liebes Antlitz zu schauen!« stöhnte sie.
»O, mein Gott, was ist geschehen? Sprich, Fanny, Du folterst mich, was hast Du? Was bedeuten diese Thränen?« fragte der besorgte Vater indem er Fanny zu sich empor zog und in seine Arme schloß.
Fanny barg ihr Antlitz an seine Brust und schluchzte krampfhaft. Sie vermochte nicht zu antworten.
»Du bist unglücklich,« fuhr Cleary fort, »und verbirgst dem Vater, der Dich liebt, Dein Leid? Du bist in Richmond und kommst nicht zu mir, und verschließest Dich hier – hier ....«
»Um meine Schande zu verbergen!« flüsterte Fanny kaum hörbar.
»Ha, meine Ahnung!« schrie Cleary. »Ich täusche mich nicht, dieser Elende ...« er trat auf Tucker zu.
»Nicht er, ich allein bin schuld!« rief Fanny, sich an ihren Vater klammernd. »O, Noddy, mein Bruder,« fügte sie dann hinzu, indem sie seine Hand ergriff, »wie viel tausend Thränen der Reue habe ich geweint, daß ich durch den Glanz der Andern verblendet, mich Deinem Schutze entzog. Wie habe ich Dich gekränkt, als ich mich weigerte, Dich auf Deinem Krankenlager zu besuchen! Wie schlecht, wie undankbar war ich! – Du wirst es mir nie verzeihen können.«
Sie schlang ihre Arme um Noddy's Hals, und nur ein Thränenstrom schaffte ihrem gepreßten Herzen Erleichterung.
Noddy machte sich sanft aus Fanny's Umarmung los.
»Möge Gott Dir verzeihen, wie ich Dir verzeihe,« sagte er, Du hattest allerdings mein Herz tief, tief verwundet, aber der Himmel sandte mir einen Engel, welcher Balsam auf das brennende Herz legte, und dieser Engel wird auch Dich ferner geleiten und trösten, Fanny.« Er nahm Netticens Hand und legte sie in diejenige Fanny's.
Nettice und Fanny lagen einander in den Armen.
Während dieser Zeit hatte Mr. Cleary sich Tucker genähert.
»Sie wissen, Sir,« sagte er mit strengem Ernst, »daß Sie das Mädchen, das Sie verführt, zu heirathen gezwungen sind.«
»Ich habe nichts dawider, wenn das Vermögen Ihrer Tochter dem meinigen nur einigermaßen angemessen ist,« antwortete Tucker mit hochmüthigem Nasenrümpfen.
»Das Vermögen meiner Tochter ist jetzt gleich Null, aber das, was Sie ihr geraubt, das ist von unersetzlichem Werth und nur eine Heirath kann das Verbrechen sühnen.«
»Es thut mir leid, aber ich muß doch Ihr Anerbieten ausschlagen.«
»Nichtswürdiger, mit den Gesetzen des Landes will ich Sie zwingen ...«
»Die Gesetze des Landes können mich nicht zu einer Heirath unter meinem Stande zwingen.«
Die Zornadern auf Cleary's Stirn schwollen an. Er that einen hastigen Schritt auf Tucker; vielleicht hätte ein furchtbarer Auftritt stattgefunden, wenn nicht Fanny sich ins Mittel geworfen hätte. Sie sprang hinzu und ergriff ihres Vaters Arm.
»Ich beschwöre Dich, Vater, kein Wort mehr mit diesem Menschen, den ich aus tiefster Seele verachte; – und wenn er König der ganzen Welt wäre, ich wollte ihn jetzt nicht zum Manne. – Laß uns fortgehen, keine Stunde mehr mit ihm unter demselben Dach bleiben; – komm, mein Vater, kommt Noddy und Nettice.«
Sie legte eine Hand unter den Arm ihres Vaters, die andere unter Noddy's Arm und wollte auf die Thür zuschreiten. Da wurden Stimmen hörbar. Dieselben kamen offenbar von der Treppe herauf.
»Vorwärts, alte Kupplerin!« riefen rauhe Männerstimmen. »Du zeigst uns, wo sie sind, oder Du wirst aufgeknüpft.«
Die flehende Stimme eines Weibes erklang dazwischen.
»Kein Winseln, wo sind sie? – Keine Ausflüche, immer voran!«
Man hörte die Fallthür sich öffnen; Tritte im Vorzimmer; eine zeternde Weiberstimme.
Da ward die Thür gesprengt.
Eine Anzahl Soldaten mit Musketen bewaffnet und ein Trupp Neger, an ihrer Spitze Jim und Pet, stürmten herein. In ihrer Mitte hielten sie die Mulattin, die Aufseherin im Venusschloß, welche händeringend und jammernd betheuerte, daß sie nun und nimmermehr ihren geliebten Herrn verrathen haben würde, wenn nicht diese Unmenschen ihr unablässig gedroht hätten, sie aufzuhängen.
»Meine Herren, Sie sind meine Gefangenen,« wandte sich der Führer der Truppe an Cleary und Tucker. – »Folgen Sie uns gefälligst.«
»Ich werde Sie begleiten.« rief Noddy; »ich habe gelobt, ihr Geschick zu theilen.«
»Nichts da!« sagte der Führer der Soldaten. »Mein Befehl lautet nur, diese beiden Gentlemen zu verhaften. – Zurück also, wenns gefällig ist.«
»Abmarschirt!«