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Nachdem so auch der letzte Act der Tragödie vom Jahre 1865 geschlossen, könnten wir den Vorhang fallen lassen, doch meinen wir, es werde den Leser interessiren, noch von den Schicksalen derjenigen Personen, welche im Laufe unsrer Geschichte mehr oder minder das Interesse in Anspruch genommen, so viel zu erfahren, als uns mitzutheilen möglich ist.
In Boston, der großen Handelsstadt in Massachusetts existirt noch heute die Firma Crofton & Co. Und mehr als ein Schiff dieser Firma liegt alljährlich in Englands und Frankreichs Häfen. Inhaber dieser Firma sind Mr. Crofton und Charles Powel. In einer der prächtigsten Straßen liegen zwei respectable Häuser neben einander.
In dem einen wohnt Mr. Crofton mit seiner Schwester, der Wittwe des Capitain Lincoln, in dem andern Mr. Powel und seine glückliche Familie.
Jetzt, im Sommer 1866, da wir dieses schreiben, stehen aber beide Häuser leer, denn beide Familien befinden sich nicht in Boston, sondern in Old-Church auf der Factorei Richard Brocklyns. Es ist wieder ein Fest, das sie dort hingerufen. Mrs. Lavinia hält ein liebliches Kind aus ihrem Schooße, ein Knäblein, welches bei der kürzlich stattgehabten Taufe den Namen Eugene erhielt. Leider war derjenige, nach dem es so benannt wurde, bei der Feier nicht gegenwärtig, derselbe – wer anders als der Vice-Admiral Eugen Powel – kreuzte im Mexikanischen Meerbusen. Die Pathenstelle aber, welche ihm zugedacht war, ward vertreten durch die Frau des Admirals, Mrs. Carlyne Powel, geborne Brocklyn. Und wie stolz leuchtete das Auge der schönen Frau, als man bei Tische des tapferen Seemanns gedachte und in der Zeitung die Nachricht fand, daß man für eine Expedition, welche einen ganz besonders erfahrnen und tüchtigen Seemann erforderte, von allen höhern Officiren zur See gerade ihn auserwählt habe.
Glückliche Familie; möge Euch Euer jetziges Loos Ersatz bieten für die zahllosen Leiden, welche Euch heimgesucht! –
Auch in New-York haben wir Freunde Da ist die Familie des alten lieben Rentier Patric Powis. Wie ganz anders sieht es jetzt in diesem Hause aus. Auch Mrs Hatty Powis hält einen Knaben auf ihrem Schooß, freilich nicht so weiß und zart, wie der Richard Brocklyn's, sondern von etwas dunklerem Teint, aber schön und blühend.
Der Leser erräth, das dies das Kind ist, welches Mr. Sanders mit einer seiner Sclavinnen, der Geliebten Edward Brown's, erzeugte und Cleary als Zugabe in den Kauf gab. Sanders hat, durch Edwards Machtspruch diesem Kinde urkundlich die halbe Million Dollars vermacht und sich seiner Vaterrechte zu Gunsten Mr. Powis' entsagt. Auch eine Wärterin hat dies Kind, und das ist die Witwe Rogue's, die heldenmüthige Negerin Janita, welche es aus den Händen der Feinde und aus den Flammen mit Gefahr ihres Lebens errettete. Sie hätte es nicht überlebt, sich von diesem Kinde zu trennen, und Mr. Powis ist nicht der Mann, welcher das Gefühl eines Andern beleidigt. Die Negerin ist bei ihm für alle Zeiten nicht Dienerin, sondern Hausgenossin. –
Es sind noch andere Leute in New-York, welche wir kennen, diese aber müssen wir in den Zellen von City-Halt aufsuchen. Die Schwestern Mrs. Gamp und Mrs. Bagges, sie büßen ihre Betheiligung an der Entwendung der eisernen Kiste und ihr schändliches Gewerbe, das sie in Charleston betrieben, mit einer fünfjährigen Gefängnißstrafe. –
Wenden wir uns nun nach dem Süden. In Charleston findet sich zur Sommersaison noch immer Mr. Seyers mit seiner Menagerie ein. Wohl hält noch Mr. Mops seinen naturgeschichtlichen Vertrag eben so vollständig wie damals, wohl produciren sich die Elephanten in ihren grotesken Stellungen, wohl fungirt noch die gespenstische Seeschlange auf dem Anschlagzettel, wohl wird noch die Löwenjagd im Käfig der sieben Löwen ausgeführt, aber das Publicum bleibt kalt. Die Bewohner der Stadt haben noch den Thierbändiger von damals, den großen »Tomahuhu den Unüberwindlichen« im Gedächtniß, und sind darüber einig, daß niemand ihn in dem Fache erreichen wird.
Auch Belle Boyd und Miss. Slater leben in Charleston. Die erstere beschäftigt sich damit, ihre Erlebnisse niederzuschreiben und den Beweis zu führen, daß trotz aller Gräuel die Ritter des Südens die respectabelsten Leute sind und mit der Rebellion in ihrem besten Rechte waren. –
Auch Miß Emmy Brown hat ihren Wohnsitz von Richmond nach Charleston verlegt. Richmond hat für sie allzutraurige Erinnerungen. Beinahe ein Jahr verging, ehe sie von ihrem ehemaligen Geliebten, Frederic Seward, Nachricht erhielt. Da aber überraschte er sie mit seinem Besuche. Jedes Wort, das er sprach, bewies, daß Esthers Andenken in seinem Herzen noch nicht erloschen sei, dennoch aber hielt er es für seine Pflicht, ihr Testament zu erfüllen. Er hat Emmy seine Hand angetragen. Das war Esthers letzter Wunsch, und nach ihren Worten das einzige, was sie mit dem Leben auszusöhnen im Stande wäre. Frederic Seward ist zwar noch heute nicht mit Miß Emmy Brown vermählt, doch ist die Vermählung sicher nahe bevorstehend. –
Da wir uns einmal im Süden befinden dem Lande der Sclaven, so wollen wir hier gleich einiger Schwarzen erwähnen, welche in unsrer Geschichte eine grössere oder kleinere Rolle gespielt haben. Von Pet, der auf unsere Erwähnung die größten Ansprüche hat, wird später die Rede sein. Jim ist unmittelbar nach dem Brande von White-House nach Jamaika entflohen. Er hat sich an dem dortigen Negeraufstande betheiligt und soll in demselben gefallen sein. Scip hat durch einen Notar das Haus, welches ihm Mr. Cleary als sein letztes Besitzthum verschrieben, verkaufen lassen und ist spurlos verschwunden. –
Mrs. Davis und Miß Jenny Davis sind in Canada geblieben.
Von dem unermeßlichen Vermögen aber, das an 14 Millionen Dollars betrug, welches ihr Gatte nach St. Thomas in Sicherheit gebracht hatte, haben sie wenig bekommen, da sich ihre Helfeshelfer bereits den größten Theil davon angeeignet hatten. –
In Canada, dieser neutralen englischen Colonie leben jetzt fast sämmtliche der entflohenen Führer der Rebellion Wir wollen an diesen vorübergehen, ohne sie zu erwähnen, und wollen uns dem westlichsten Theil des Landes zuwenden, dahin wo die Bevölkerung dünner, die Städte seltener und die Natur mehr den Hinterwäldern der Vereinigten Staaten ähnlich wird.
Einzelne Farmen liegen hier zerstreut; unter allen ist die größte und schönste die des ehemaligen Obristen in der Unionsarmee, Edward Brown. Das Wohnhaus und die Wirthschaftsgebäude gleichen mehr dem Etablissement eines europäischen Gutsbesitzers als der Farm eines Hinterwäldlers. Edward Brown hat dies Gut als Geschenk von seiner Halbschwester Emmy Brown erhalten. Er ist verheirathet. Die Leidenschaft, welche die Erscheinung von Cleary's schöner Tochter Miß Fanny, in seiner Brust erweckt, hatte er nicht niederzukämpfen vermocht. Er kannte Fanny's Fehltritt, allein das hielt ihn nicht ab, ihr seine Hand zu reichen, und es gereicht ihm zum besonderen Lobe und ist ein Zug der Ehrenhaftigkeit, die überall seinen Charakter kennzeichnet, daß er das Kind, welches Fanny kurz nach der Vermählung gebar, die Frucht von Tuckers schändlicher Verführung, wie sein eigenes hält und liebt.
Noch zwei Personen unserer Bekanntschaft finden wir hier. Miß Esther Brown und den alten Neger Pet, welcher Letztere so eine Art Aufseher auf dem Gute ist. Esther ist seit dem Tage froher und glücklicher, da sie erfahren, daß die Vermählung Frederick Seward's mit Emmy in Aussicht stehe.
So sehr es auch Fanny's Wunsch war, daß ihr Vater bei ihr wohne, so hat sich doch Mr. Cleary nicht dazu verstehen können. Melancholisch düster ist seine Stimmung seit dem Tage der Katastrophe. Niemand hat seitdem ein Lächeln auf seinem Antlitz gesehen. Er will nichts als Einsamkeit. Er flieht jedes Menschen Nähe, bis auf Einen, den er oft unter Thränen umarmt, wobei er schmerzhaft ausruft:
»Du bist der Einzige, der mir immer treu geblieben ist!«
Das ist Noddy, der Mulatte, der ehemalige Thierbändiger in der Menagerie von Mr. Seyers. Auch er besitzt eine herrliche Farm in der Nähe der Besitzung Edwards, und dort lebt er still und glücklich an der Seite seiner lieben Gattin, der sanften Nettice. So jung beide noch sind, so hat doch das Schicksal sie gestählt und ihnen Erfahrung und Kraft zugleich verliehen, um muthig und unverzagt den Blick in die Zukunft richten zu können. In ihrem Hause lebt Mr. Cleary, und wenn es etwas auf der Welt giebt, was seine Theilnahme erregt, so ist es das Glück Noddy's. –
*
Damit hätten wir uns unserer Aufgabe entledigt. Es ist beinahe ein Jahr verflossen seit Beendigung jenes titanenhaften Krieges, welchen die Freiheit gegen die Sclaverei führte. Das Buch der Geschichte ist um einen Beweis reicher, daß nie und nimmer die Knechtschaft über die Freiheit den Sieg davon trägt. Erst jetzt ist die Freiheit der nordamerikanischen Republik völlig zur Wahrheit geworden. Der Süden war sehr im Irrthum, wenn er meinte, durch die Mordwaffe eines Banditen ein so festes Gebäude umstoßen zu können. Die Freiheit, die Existenz der Republik ruht in Amerika nicht auf den zwei Augen eines Herrschers, nein, sie wird getragen durch das Bewußtsein von 6 Millionen politisch reifer Männer. Der politische Mord hat immer Fluch über die Sache gebracht.
Abraham Lincoln ist hingesunken als Märtyrer für die Freiheit, und seine Leichenfackel hat die letzte Spur des Sclaveninstituts innerhalb der Vereinigten Staaten vertilgt. – Sic semper tyrannis!
Ende.