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Noch waren erst wenige Minuten vergangen, als Mr. Nicolai bereits ein neues Audienzgesuch überbrachte.
»Es hat wirklich sein Lästiges,« sagte Lincoln »einer Gefahr entgangen zu sein. Die Theilnahmebezeugungen währen nun schon über eine Woche, und haben mich fast verhindert, alle die mir obliegenden Arbeiten zu erledigen.«
»Diesmal ist es keine Deputation, noch auch Einer, der vom Süden Geschenke bringt,« sagte Mr. Nicolai; »diesmal ist es eine schöne junge Dame, welche eine wichtige Entdeckung gemacht zu haben vorgiebt.«
»Eure wichtige Entdeckung fragte Lincoln lächelnd. »Es wäre mir lieber, wenn sie ihre Entdeckung einem Andern mittheilte; sagen Sie ihr, daß ich augenblicklich beschäftigt sei und keine Audienz ertheilen könne.«
»Excellenz,« sagte Nicolai. nachdem er den Auftrag ausgerichtet, »die junge Dame besteht darauf, vorgelassen zu werden. Sie sagt, daß sie Mittheilungen zu machen habe, die für das Wohl der ganzen Republik von der größten Bedeutung seien.«
»Eine junge Dame hat Mittheilungen zu machen, die für das Wohl der ganzen Republik von Bedeutung sind!?« lachte Lincoln; »das muß eine sonderbare junge Dame, oder vielmehr, es müssen sonderbare Dinge sein, die sie mitzutheilen hat. Wie nennt sich die junge Dame?«
»Es ist eine Quadroone, Excellenz; sie nennt sich Miß Esther Brown.«
Den Namen muß ich bereits gehört haben.«
»In dem Processe M'Clellans, Excellenz, ward der Name genannt, sie trat unaufgefordert als Belastungszeugin auf.«
»Ganz Recht! ich erinnere mich. Und man verurtheilte den General nicht, weil man die Zeugin nicht für glaubwürdig hielt.«
»Das gerade nicht,« entgegnete Nicolai, »sondern weil man den alten Zopf zur Geltung brachte, daß eine Niggerin gegen einen Weißen nicht zeugen dürfe.«
»Mich verlangt's, die junge Dame kennen zu lernen. Lassen Sie sie eintreten.«
Mr. Nicolai öffnete die Thür, und Esther Brown stand vor dem Präsidenten.
Ihre Haltung war edel und würdevoll, ihr Wesen ruhig und ernst.
Abraham Lincoln that sich etwas darauf zu Gute, daß eine Beobachtung von nur wenigen Sekunden ihm genügte, sich ein Urtheil über einen Menschen bilden zu können. Das Aeußere Miß Browns machte einen sichtlich günstigen Eindruck aus ihn.
Ihr edles Benehmen, sowie ihre Schönheit und der melancholische Ernst ihrer Züge, das alles imponirte ihm.
Als sie sich beim Eintreten verneigte, erhob er sich und lud mit einer Handbewegung sie ein, auf dem Sessel an der Seite seines Schreibtisches Platz zu nehmen.
»Ich höre, Sie haben mir Mittheilungen zu machen, Miß Brown,« redete er sie an.
»Ja, Excellenz; Mittheilungen von großer Wichtigkeit.«
»Um was handelt es sich?«
»Es handelt sich um nichts mehr und nichts weniger, als um den Untergang der ganzen Union.«
»Ah!« machte Lincoln.
»Es ist Ihnen sicherlich nicht unbekannt, Excellenz, daß der Süden mit noch andern Waffen, als denen der ehrlichen Feldschlacht, gegen den Norden kämpft.«
»Das ist mir in der That nicht unbekannt, Miß Brown. So z. B. intrignirt der Süden gegen meine Wiederwahl und agitirt für die Wahl M'Clellan's.«
»Des Verräthers, ja!« fiel Esther ein; »indessen auch diese Kampfart will ich noch zu den ehrlichen rechnen. Allein, es wird noch mit ganz andern Waffen gekämpft.«
»Sie meinen ...?«
»Ich erinnere Sie, Excellenz, an die Vergiftung des Wasser-Reservoirs zu New-York.«
»Nun?«
»Das war das Werk des unsichtbaren Feindes, der im Herzen der Union selber gegen dieselbe wüthet.«
»Sie setzen mich in Erstaunen, Miß Esther; woher glauben Sie ...«
»Ich weiß es, Excellenz; ich selbst bin ungesehn Zeugin einer Verhandlung des Ordens der Ritter vom goldenen Cirkel gewesen. Ich erinnere Sie ferner an die Pöbel-Emeute zu New-York und andern Städten des Nordens.«
»Auch diese sollten vom Süden angestiftet sein?«
»Sie sind es; sie sind das Werk desselben unsichtbaren Feindes; und endlich war es auch der Versuch Ihrer Gefangennehmung.«
Lincoln hörte mit Erstaunen zu.
»Sie werden mir es nicht verargen, Miß,« sagte er, als Esther schwieg, »wenn ich meine Bereitwilligkeit, Ihnen Glauben zu schenken, abhängig mache von der Auskunft über die Art, wie Sie zur Kenntniß all' dieser Dinge gekommen sind.«
»Sehr einfach, Sir; ich bin mit den Emissären des Südens mehrfach in Collision gekommen Ich habe als Sclavin im Dienste eines der Parteiführer gestanden; ich habe Gelegenheit gehabt, vertraute Zwiegespräche zu belauschen, und namentlich, wie ich schon erwähnte, ungesehn einer Sitzung im Ritterhause beigewohnt. Das Alles setzt mich in Stand, Ihnen nicht nur zu sagen, daß die erwähnten Uebel von den Agitatoren des Südens ausgingen, sondern Sie auch auf das vorzubereiten, was Ihnen bevorsteht, falls man nicht vorbeugt.«
»Und was wäre dies?«
»Das wäre ein Angriff auf Ihr Leben, Excellenz!«
»Man beabsichtigt einen Meuchelmord?« fragte Lincoln, der zu Esthers Befremden nicht das mindeste Erstaunen über diese Entdeckung verrieth.
»Allerdings. Da Ihre Gefangennehmung nicht geglückt ist, so wird man zu dem letzten Mittel greifen, das dem Süden zu seiner Rettung noch übrig bleibt.«
»Das wäre?«
»Ihr Tod! ... Ihr Tod, und der Ihrer Minister!«
»Was Ihre übrigen Mittheilungen betrifft, so sind mir dieselben zum Theil neu und überraschend. Indessen, was Ihre zuletzt ausgesprochene Vermuthung anbetrifft, so muß ich sagen, daß mich dieselbe ganz ruhig läßt.«
»Sie schenken meinen Worten keinen Glauben, Excellenz?«
»Ich bezweifle Ihre Worte keineswegs, aber was mich eine solche Mittheilung ruhig anhören läßt, das ist die Macht der Gewohnheit.«
»Ich verstehe nicht ..«
»Ich werde es Ihnen sogleich erklären. Sehen Sie einmal, hier!«
Abraham Lincoln hatte seine Papiere auf einem Repositorium geordnet liegen, das unmittelbar über seinem Schreibtisch angebracht war; dort lagen mehrere Mappen von grobem Papier, deren jede auf einer Etiquette eine Bezeichnung des Inhaltes trug.
Er nahm bei seinen letzten Worten von dem Repositorium eine derselben, eine graue Mappe, herunter, und legte sie vor Esther hin.
Aus einer weißen Etiquette las Esther zu ihrem nicht geringen Erstaunen das Wort:
»Meuchelmord.«
»Sehen Sie hier,« fuhr Lincoln fort, »diese Mappe ist ziemlich gefüllt, und alle die Papiere, welche darin enthalten sind, sprechen von beabsichtigtem Meuchelmord gegen meine Person.«
Er zog einige der Briefe, die in der Mappe lagen, hervor.
»Da; Nummero eins; ein Schreiben von Mr. Conover aus Richmond, worin er mir mittheilt, daß in einer Rebellenzeitung eine Annonce enthalten sei, eine Million Dollars werde Demjenigen als Preis geboten, der es unternimmt, mich zu ermorden. –
Nummero zwei. Ein Schreiben von Mr. George Borton, aus Sheridans Lager. Auf einer Spionage in Richmond hat er in Erfahrung gebracht, daß man gegen das Leben Aller, die an der Spitze unserer Regierung stehen, conspirire.
Hier, ein Schreiben von Mr. Frederick Seward, Einlage M'Clellan's Visitenkarte, die angeblich unser General dem Kriegsminister der Rebellen bei einem Besuche hat überreichen lassen.«
»Ich kenne die Karte,« fiel hier Esther ein; »ich selbst übergab sie Mr. Seward.«
Eine leichte Röthe flog bei diesen Worten über ihr Antlitz.
»Sie?«
»Ich war zu der Zeit, als der General M'Clellan den Kriegsminister auf White-House besuchte, eine Sclavin dort. Ich selbst empfing die Karte, und ich behielt sie, um sie später als Beweismittel gegen M'Clellan benutzen zu können.«
»Wunderbar! Durch Mr. Seward ward ich ebenfalls gewarnt; auch er spricht von einem Mordcomplott.«
»Eine Mittheilung, die ich ihm machte.«
»Da ist noch ein Brief, unterzeichnet »M. P.«, die Handschrift scheint übrigens mit der des Mr. Borton übereinzustimmen, sieht aber aus, wie eine Damenhand. Der Schreiber oder die Schreiberin dieses Briefes giebt vor, genau von den Plänen der Verschworenen unterrichtet zu sein. Man versichert, daß, nachdem die Gefangennehmung mißglückt sei, unverzüglich zu meiner Ermordung werde geschritten werden.«
»Das kann ich bestätigen Excellenz, und ich bin überrascht, zu finden, daß Sie auf alle diese Warnungen so wenig Gewicht legen.«
»Gar kein Gewicht, Miß Brown. Von allen denen, die mich warnen, nennt mir Keiner einen Namen, bezeichnet mir Keiner eine bestimmte Persönlichkeit. Daß es im Süden Leute genug giebt, die meinen Tod wünschen, bezweifle ich nicht; daß aber ein Mordcomplott gegen mich im Gange sei, das bezweifle ich. Ein solches Mordcomplott könnte nur unter Mitwissen der Rebellenregierung und Jefferson Davis' selbst existiren; aber ich halte es für ungerecht, die Männer, weil sie Rebellen sind, und namenloses Unglück über die ganze Nation heraufbeschworen haben, darum auch für gemeine Verbrecher zu halten, ehe ich unumstößliche Beweise habe. Ich werde Jefferson Davis nie für einen Mörder, oder den Anstifter eines Mordcomplotts halten, bevor man mich nicht unwiderleglich davon überzeugt.«
»Diese gute Meinung, Excellenz, macht Ihrem edlen Character Ehre,« versetzte Esther; »indessen der Umstand, daß man Ihnen diese Beweise schuldig bleibt, kann auch noch eine andere Ursache haben, als die, daß man überhaupt keine Beweise besitzt. Ich beispielsweise, könnte Ihnen Namen nennen, könnte Ihnen Personen bezeichnen, welche selbst in der Residenzstadt dieses Landes, welche in Ihrer Nähe leben und zum Mordcomplott gehören. Allein andere Pflichten zwingen mich, diese Kenntniß eines Geheimnisses als letzten Trumpf für mich zu behalten. Das Wohl einer mir theuren Person steht auf dem Spiele, und habe ich den letzten Trumpf ausgespielt, dann ist jene Person verloren.«
»Alle Achtung für Ihre Grundsätze, Miß Brown,« versetzte Lincoln, »allein ich kann mich nicht dazu entschließen, auf solche Versicherungen hin mein einmal gefaßtes Vorurtheil zu ändern. Es saß schon einmal ein Warner auf dem Platze, da, wo Sie sitzen, und auch dieser Warner versicherte dasselbe, was Sie versichern, daß nämlich gewisse Gründe ihn abhielten, die bei dem Complott betheiligten Personen zu nennen. Ich habe mich jetzt an diese unbestimmten Warnungen schon so gewöhnt, das; sie auf mich so gut wie gar keinen Eindruck mehr machen, und wenn Sie mir nicht Thatsachen hinzuzufügen haben, Miß Brown, so bitte ich Sie, nicht weiter über den Gegenstand zu sprechen.«
»Ihre Ruhe, Excellenz, macht mich zittern,« rief Esther mit Leidenschaft. »Ich beschwöre Sie, schenken Sie meinen Worten Glauben; sein Sie vorsichtig, umgeben Sie sich mit Wachen, vermeiden Sie es, irgend einem Fremden Audienz zu gewähren, besuchen Sie kein Theater, ohne vorher hinlängliche Sicherheitsmaßregeln getroffen zu haben. Beim allmächtigen Gott, ich rede die Wahrheit, Excellenz, und wenn ich Ihnen ein halbes Dutzend Namen nennen würde, so könnte Sie das nicht mehr überzeugen, als es meine bloße Versicherung sollte! Nicht ein halbes Dutzend Namen, nein, Hundert Personen will ich Ihnen namhaft machen, welche an dem Verbrechen betheiligt sind, die hier im Norden begangen wurden. Fast die ganze Aristocratie des Südens mit Einschluß des Präsidenten selber, das sind die Anstifter; und Sie zweifeln, ob sich ein Individuum findet, das gegen gute Belohnung die That vollführt? O, Sir, der Süden ist reicher an Pöbel und Verbrechern, als Sie glauben!«
»Und doch habe ich im Süden viele Freunde,« versetzte Lincoln »wie mir Mr. Bob Hugh versichert hat. Es ist merkwürdig, daß mir keiner dieser Freunde und Anhänger eine Warnung hat zukommen lassen.«
»Die Freunde und Anhänger, welche die Union im Süden hat, sind sehr vereinzelt, Excellenz, wenigstens sind es fast alle keine Leute von Einfluß.«
»Mr. Hugh versichert das Gegentheil.«
»Wer ist Mr. Hugh?«
»Ein Kaufmann aus Charleston, welcher hier in Washington am Union-Place ein elegantes Kleidermagazin errichtet und den Wunsch ausgedrückt hat, zum Hoflieferanten designirt zu werden,« fügte er lächelnd hinzu.
»Und dieser Kaufmann versicherte, daß Sie viele Anhänger im Süden hätten?«
»Allerdings! Und hat zur Beglaubigung seiner Versicherung mich wie die Minister mit sehr werthvollen Geschenken beehrt.«
»Ich bezweifle, daß der Mann die Wahrheit sprach!« sagte Esther bestimmt·
»Dann begreife ich nicht, was ihn veranlaßte, als der Vertreter einer ganzen Partei vor mir zu erscheinen; er hätte in dem Falle jedenfalls mehr in seinem Interesse gehandelt, wenn er die Geschenke als einen Beweis seiner persönlichen Hochachtung überbracht hätte.«
»Ich verstehe den Grund nicht, aber ich bin überzeugt, jener Mr. Hugh hinterging Sie.«
»Wenn er mich hinterging, und Alles Unwahrheit war, was er mir von Freunden im Süden sagte, so ist doch sein Geschenk eine greifbare Wahrheit. Da! Sehen Sie selbst! Das ist der Anzug, mit welchem ich mich meiner Stellung gemäß bekleiden werde, wenn ich einmal die Cirkel der Haute volée in Richmond oder Charleston besuche.«
Lincoln deutete mit diesen Worten lächelnd auf den Gala-Anzug, welcher noch über der Lehne des Stuhles hing, wo ihn Bob Harrold hingelegt hatte. Er hatte diese Bemerkung beiläufig gemacht und vielleicht kaum geglaubt, daß sie für Esther Interesse haben würde.
Auf Esther aber übte der Anblick der Kleider eine unbeschreibliche Wirkung aus.
Sie fuhr vom Stuhle empor, ihr Antlitz überzog Todtenblässe, ihre Lippen bewegten sich, sie schien sprechen zu wollen, aber keinen Laut vermochte sie hervorzubringen.
Lincoln blickte sie verwundert an.
»Was ist Ihnen, Miß? Ihnen ist nicht wohl!«
Seine Hand griff nach der Glocke, welche vor ihm stand; Esther fiel ihm in den Arm.
»Mir ist wohl, Sir; rufen Sie Niemanden. Aber ich fürchte ...«
»Was fürchten Sie?«
»Vielleicht täusche ich mich, Excellenz, aber ich fürchte ...«
»Sie zittern, Miß Brown ...«
»Lassen Sie mich, Excellenz; ich muß mich überzeugen.«
Esther trat mit bebenden Schritten auf den Stuhl zu, über dessen Lehne die Kleider hingen. Mit zitternder Hast nahm sie den Frack, aber nicht, um ihn äußerlich zu besichtigen, sondern innen.
Das Futter untersuchte sie. Sie schien sich zu beruhigen; sie griff in einen der Aermel und kehrte das Innere nach außen.
»Nichts!« hörte Lincoln sie sagen.
Dann in fieberhafter Spannung machte sie es mit dem andern Aermel ebenso.
Sie wandte das Innere nach Außen; kaum aber war dies geschehen, so ließ sie das Kleidungsstück fallen und sank wie vernichtet auf den Stuhl zurück.
»Mein Gott,« rief Lincoln aufspringend, »Miß Brown, Sie sind in der That krank!«
Esther raffte alle ihre Kraft zusammen und erhob sich.
»Excellenz – Der Mord!« stöhnte sie, und deutete auf das am Boden liegende Kleidungsstück.
»Wie? Welcher Mord?«
»Dies Kleidungsstück sollte Sie tödten.«
Lincoln schien zu glauben, daß Miß Browns Vernunft erschüttert sei. Er schüttelte bedenklich den Kopf und schwieg.
»Sie verstehen mich nicht,« sagte Esther, welche sich bemühte, ihre ganze Fassung wieder zu gewinnen.
Dann hob sie das Kleidungsstück vom Boden auf und deutete auf das Futter im Aermel.
»Sehen Sie das, Excellenz?«
Lincoln betrachtete das Futter; es schien ihm nichts Auffallendes daran zu sein. Er zuckte mit den Achseln.
»Sehen Sie hier das kleine rothe Kreuz welches in das Futter eingenäht ist?«
Lincoln warf noch einen Blick auf die bezeichnete Stelle.
In der That! dort war mit rother Seide ein Kreuz in das Futter genäht.
»Ich sehe es,« sagte er; »was ist denn daran Auffallendes?«
»Das Kreuz ist auf meine Veranlassung hineingenäht, Excellenz,« versetzte Esther, – »Alle Kleidungsstücke, welche dies Zeichen tragen, sind bestimmt, denjenigen, welcher sie anzieht, zu ermorden. – Diese Kleider sind vergiftet!«
»Vergiftet?« rief Lincoln betroffen.
»Ich sage es Ihnen, sie sind vergiftet. In Leesbourg, wo sich das Gelbfieber-Lazareth befindet, dort wurden Massen von Kleidungsstücken gefertigt. Ein Bekannter und ehemaliger Leidensgenosse von mir, Jack Hopkins, fertigte sie oder verpackte sie. Dann wurden sie nach dem Lazareth geschickt, und hier mit dem Gelbenfieber-Gifte inficirt. Die Kleider waren bestimmt, nach dem Norden geschickt zu werden, um die Pest im Lande zu verbreiten.«
»Miß Brown,« rief Lincoln mit dem Ausdruck der höchsten Erregung, »sprechen Sie die Wahrheit?«
»Ueberzeugen Sie sich, Excellenz! Ich schwöre darauf, daß jener Mr. Hugh, welcher aus dem Süden gekommen und vorgiebt, ein Abgesandter einer loyalen Partei zu sein, nichts ist, als ein gedungener Mörder!«
»Gebe Gott,« rief Lincoln »daß nicht bereits mehr von diesen Kleidern im Lande verbreitet sind. Man muß sofort Anstalt treffen, dem Uebel vorzubeugen, wenn es bereits irgendwo aufgetaucht sein sollte. Ich werde mich sofort an Mr. Blackburn wenden, daß er in den Hospitälern genau auf vorkommende Fälle vom gelben Fieber achtet und die Weiterverbreitung der Seuche verhütet!«
»Nannten Sie den Namen Blackburn, Sir?« sagte Esther, und ihr Gesicht verzog sich zu einem ironischen Lächeln.
»Ich nannte Blackburn,« versetzte Lincoln. »Das ist der Name eines Arztes, welcher mir soeben seine Dienste anbot, für den Fall, daß in diesem Sommer in unserm Staate das gelbe Fieber ausbrechen sollte.«
Esther lachte bitter.
»Blackburn, Excellenz, das ist der Name des Mannes, welcher in Leesbourg die Kleider vergiftete.«
Abraham Lincoln war von der überraschenden Nachricht dermaßen betroffen, daß er einige Minuten sprachlos dastand. Dann trat er, schnell entschlossen, an den Tisch, die Schelle ertönte so heftig, daß Mr. Nicolai besorgt und erschrocken hereinstürzte und fragte, was es gäbe.