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Wie bereits Belle-Boyd angedeutet hatte, so verhielt es sich.
Mrs. Bethsey Bagges und deren Schwester, Mrs. Gamp und deren Mann Mr. Gamp hatte Charleston verlassen.
Sei es nun, daß sie wirklich ein Einschreiten der Behörde fürchteten, sei es, daß die Geldnoth selbst unter den Vornehmen in bedenklicher Weise zugenommen und sie zu so kostspieligen Vergnügungen unlustig gemacht hatte, wie das Etablissement der Mrs. Bagges sie darbot, sei es, daß sie hofften, wo anders mit besserem Erfolge ein ähnliches Institut herzurichten, – genug Mrs. Bagges hatte ihre Besitzung verkauft, um sich nach dem Norden zu begeben.
Auf diesem Wege gelangte das würdige Schwesterpaar auch nach Old Church, und zwar gerade in den Tagen, als hier auf einer Besitzung des Mr. Brocklyn eine große Auction abgehalten wurde. – –
Noch an demselben Tage, als Charles Powel aus dem Gefängnisse des Court-Hauses entlassen wurde, traf man Anstalten, den zweiten, mit den Buchstaben K. G. C. versehenen und in einer Chiffren-Schrift verfaßten Brief dechiffriren zu lassen.
Natürlich hielt es nicht schwer, den ersten Lieutenant der Kearsage, Mr. Richard Brocklyn, aufzufinden.
Der Richter legte ihm den Brief vor und fragte ihn, ob er im Stande sei, den Schlüssel zu dieser Schrift zu liefern.
Brocklyn hatte lange genug dem Süden gedient, um mit der Chiffren-Schrift der Ritter vom goldenen Zirkel bekannt zu sein.
Wer beschreibt die Freude sowohl der Familie Powel's, als auch des vortrefflichen Ehepaares Patrick und Hatty Powis, als sich herausstellte, daß in diesem Briefe Mr. Atzerott als der Vermittler der Correspondenz zwischen dem Orden und dessen gefangenem Präsidenten, Mr. Berckley, bezeichnet wurde.
Damit war also die Unschuld von Mrs. Powel hinlänglich an den Tag gebracht.
Die bis zum tiefsten Elend herabgedrückte Familie, die von allen Leiden heimgesuchten Unschuldigen, die jeder Demüthigung ausgesetzten Unglücklichen, sie feierten an diesem Tage förmlich ein Auferstehungsfest.
Jahrelange Schmach, jahrelanges Elend und Schande, das Alles war mit diesem Tage zu Ende·
Mr. Powis versäumte nicht, diese Wendung in dem Geschick der Familie seines Freundes in allen Zeitungen zu veröffentlichen. Die Behörde verschaffte durch amtliche Bekanntmachungen den Gekränkten die vollständigste Genugthuung und gab umfassende Ehrenerklärungen.
Durch Richard Brocklyn's Vermittelung hatte bereits dessen Vater seinem ehemaligen Compagnon, Charles Powel, notariell sein Eigenthum in Old-Church überwiesen.«
Jetzt, nach seiner Freilassung, stand nichts mehr im Wege, diese Besitzung anzutreten.
Mr. Crofton aber protestirte dagegen.
»Du weißt,« sagte er zu seinem Freunde Powel, »daß ich Dir versprach, bei meiner Rückkehr für Deine gute Existenz zu sorgen, und ich beabsichtige, mein Wort einzulösen. Ich habe Besitzungen sowohl auf Jamaica und auf St. Thomas, wie auch hier und in Massachusets. Ich brauche für meine Fabriken einen tüchtigen Dirigenten und für meine umfangreichen Geschäfte einen gewandten Geschäftsführer. Ich selbst beabsichtige, Boston nicht wieder zu verlassen und mich von den Meinigen nicht wieder zu trennen. Diese letzte ereignißvolle Reise hat mir vollends die Lust verdorben an meiner frühern geschäftlichen Thätigkeit. Willst Du also mir, Deinem Freunde, einen wesentlichen Dienst erweisen, so tritt mit einem Geschäftsantheil als Compagnon in mein Geschäft ein. Es ist ehrenwerth von Mr. Brocklyn, daß er daran denkt, Dich für den Betrug, den er Dir gespielt, schadlos zu halten; allein Du brauchst sein Geschenk nicht hinzunehmen als ein Almosen. Verkaufe die Besitzungen in Old-Church und lege den Erlös mit in meinem Geschäfte an.«
Natürlich war das Anerbieten Mr. Croftons ein äußerst vortheilhaftes und die Annahme wurde Mr. Powel durch das Gefühl der Dankbarkeit beinahe zur Pflicht gemacht, so daß er also genöthigt war, einzuschlagen.
Bereits wenige Tage später reiste er nach Old Church ab, in Begleitung seines Freundes Crofton und zweier Justiz-Personen, um dort die Besitzung zu veräußern.
Mr. Brocklyn hatte alles Mobiliar und alles Inventar in der Factorei gelassen, denn er hatte nicht anders geglaubt, als daß Mr. Powel dieselbe sofort beziehen werde. Mit seinem baarem Vermögen hatte er sich, wie wir bereits wissen, nach Lawrence begeben und dort ein neues Handelshaus etablirt.
Da nun Charles Powel die Besitzung nicht anzutreten beabsichtigte, so ward mit der Auction sofort begonnen, und zwar zunächst mit der Verauctionirung des lebenden und todten Inventars· –
Wie bereits erwähnt, traf in diesen Tagen auch das saubere Kleeblatt der Gamps und Bagges in Old-Church ein.
Mrs. Gamp ist eine speculative Frau.
»Bethsey,« sagte sie zu ihrer Schwester, »in den heutigen Tagen haben die Leute wenig Geld, und bei dem Verkauf von Mobiliar und Hausgeräthen kommt in der Regel wenig genug heraus. Wir haben etwas Geld und falls wir es ausgeben, leiden wir darum noch nicht Noth; denn, wie ich Dir mittheilte, habe ich einem Freunde in Washington, Namens Spangler, ein Kistchen übergeben, das noch einen Nothpfennig enthält. Wir werden für wenige Dollars auf dieser Auction eine Menge werthvoller Sachen kaufen können, und, – wie auch der Krieg enden mag, – nach dem Kriege werden wir sie sicherlich mit großem Vortheil wieder verkaufen können. Bis dahin lassen wir sie als todtes Kapital liegen.«
Bethsey fand den Vorschlag plausibel, und so begaben sich denn die speculativen Schwestern, mit einer gewissen Summe in der Tasche an den Ort der Auction.
Mrs. Gamp hatte ganz richtig vorausgesehen.
Der Käufer waren wenige, und fast alle Gegenstände wurden hier für einen Spottpreis verkauft.
So gelang es ihnen denn in der That, eine Menge Silberzeug, Küchen- und Hausgeräth, Kleidungsstücke, Luxusartikel aller Art zu erstehen.
Unter den Gegenständen, die zur Versteigerung kamen, befand sich auch eine Kiste, welche einen sehr eleganten Damen-Anzug enthielt.
»Ei, sieh' einmal an! Das ist ja das Geschenk für die blasse Mrs. Powel, das sie gerade an dem Tage erhielt, als sie in das Gefängniß abgeführt wurde. Ei, ei! wunderbar! Damals ärgerte ich mich, daß Unsereinem so etwas nicht geboten wird, und nun wird der schöne Anzug doch in meine Hände kommen. Man sagt, daß Mr. Atzerott dies Geschenk übersandt habe; aber was thut's? Mr. Atzerott wird sein Eigenthum nicht zurückverlangen, und der schöne Anzug wird mein!«
In der That, für wenige Dollars kam Mrs. Gamp in den Besitz des prächtigen Anzuges, der seit seiner Abführung aus Leesbourg, wo er von Mr. Blackburn präparirt war, so wunderbare Schicksale erlebt hatte.
Während der Auction saßen Mr. Crofton und Mr. Powel in einem der schönen Zimmer des Wohnhauses, und wählten aus der Bibliothek, die Mr. Brocklyn ebenfalls zurückgelassen hatte, einige Bände aus, die sie nicht mit in die Versteigerung hineingeben wollten.
Sie wurden in ihrer Beschäftigung dadurch unterbrochen, daß ein Diener das Extra-Blatt der »Daily-News« brachte, welches nicht nur die neuesten Börsennachrichten, sondern auch die neuesten Nachrichten vom Kriegsschauplatze enthielt.
Einem Kaufmann, selbst dem gebildetsten, geht diese Lectüre allen angenehmen Beschäftigungen voran, und auch Mr. Powel unterbrach sofort seine soeben begonnene Thätigkeit und griff nach dem Zeitungsblatt.
Die Börsennachrichten wurden durchflogen und die telegraphischen Depeschen gelesen, da blieb sein Auge haften auf einer Notiz überschrieben:
»Die Bartholomäusnacht zu Lawrence.«
Kaum hatte er einige Zeilen gelesen, da rief er, plötzlich aufspringend:
»Crofton, mit der Auction muß sofort inne gehalten werden! Kein Stück darf veräußert werden! Da, hier lies! – Brocklyn ist in Lawrence überfallen, all' seines Eigenthums beraubt, in einer Nacht zum Bettler geworden. Brocklyn hat, was er gegen mich verbrochen, bereut und durch uneigennützige Freundschaft gut zu machen gesucht. Meine Pflicht ist es, ihm jetzt, da ich eine gesicherte Stellung, ein sorgenfreies Leben habe, und da der Wohlstand mir blüht, ihm, da er zum Bettler geworden, wieder aufzuhelfen. Ich gebe diese Besitzung Brocklyn zurück.«
Crofton drückte seinem Freunde schweigend die Hand und nickte beistimmend mit dem Kopfe.
Keine Viertelstunde verging, da waren die Auctionsräume von Kauflustigen geleert, ein Verwalter eingesetzt, und die Urkunde, nach welcher das Besitzthum Brocklyn zurückverschrieben wurde, unterzeichnet.
Mrs. Gamp und Mrs. Bagges waren sehr verstimmt, daß man ihre vortheilhaften Einkäufe so schnell unterbrochen hatte. Indessen half es nichts; sie mußten mit dem, was sie erstanden, zufrieden sein und reisten noch an demselben Tage von Old-Church ab, und zwar schlugen sie den Weg nach Washington ein, wo, wie Mrs. Gamp im Vertrauen ihrer Schwester mitgetheilt, Mr. Spangler für sie einen Nothpfennig in Verwahrung genommen.
Mit diesem Nothpfennig bezeichnete Mrs. Gamp natürlich den Inhalt der Kiste von Eichenholz, welcher für Mr. Spangler im Laufe der Zeit einen solchen Reiz gewonnen hatte, daß es bei ihm fest stand, diesen Nothpfennig an die Auftraggeberin nicht wieder zurück zu liefern.
Der Verlauf unserer Geschichte aber wird zeigen, daß auch Mr. Spangler des Genusses der Million Dollars nicht froh werden sollte.