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Hunderteinundzwanzigstes Kapitel.
Ein gefährlicher Richter

Es war am sechsten April, drei Tage nach der Uebergabe Richmonds, als in der Hauptstadt eine Generalordre des General Weitzel publicirt wurde, nach welcher allen Personen, auch solchen, die im Civil- oder Militairdienste der Rebellenregierung gestanden hätten, erlaubt sein sollte, der Vereinigten-Staaten-Regierung den Treueid zu leisten, um so von der Strafe der Betheiligung an der Rebellion ausgeschlossen zu sein.

In der Office des Profoß-Marschalls waren an fünf Tischen Officiere der Vereinigten-Staaten-Armee von früh bis spät anwesend, um den Treueid der Bewohner Richmonds entgegen zu nehmen.

In einem der Zimmer des unteren Stockwerkes in derselben Office, befanden sich Bureaux der Commandeure. Eins derselben war das Sprechzimmer des Oberst Brown, jenes Quadroonen, welchen wir im Niggeraufstand in Kentucky, so wie in der denkwürdigen Schlacht bei Reynoldsbourg in Tennessee kennen gelernt haben.

Dieser ehemalige Sclave des Mr. Breckenridge hatte es im Kriege sowohl durch seine vorzüglichen Anlagen und seine nicht ungewöhnliche Bildung, als namentlich auch durch seinen Muth und seine militairischen Fähigkeiten sehr schnell bis zum Range eines Obristen gebracht.

Er war setzt damit betraut, die gefangenen Führer der Rebellion zu vernehmen. Er saß in seinem Sprechzimmer und durchblätterte die Liste, welche die Namen der gravirten Personen enthielt.

Wie manchen Namen las er da, der ihm bekannt war aus der Zeit seiner Erniedrigung oder seines Unglücks. Wie viel Gelegenheit hätte sich ihm hier dargeboten, persönliche Rache oder persönliche Begünstigung zu üben.

Wie weit indessen sein Charakter, sein Ehr- und Pflichtgefühl die Leidenschaft übertraf, das wird sich aus dem Verhör erweisen, das eine Stunde später beginnen sollte.

Es war Morgens 9 Uhr, die Zeit, welche Obrist Brown zur Audienz für diejenigen bestimmt hatte, welche von der Wohlthat der Ableistung des Treueides ausgeschlossen, aber gewillt waren, sich derselben durch ein Gnadengesuch theilhaftig zu machen.

Ein Adjutant trat ein und meldete, nicht wie Brown erwartet, irgend einen hervorragenden Offizier, sondern zwei junge Damen und einen jungen Mann, welche ihm ihre Namen nicht genannt, aber dringend gebeten hatten, sie vorzulassen.

In einer eroberten Stadt, namentlich in einer Stadt, deren Bewohner von solchem Haß durchdrungen sind, wie es die Bevölkerung Richmonds war, nimmt der Eroberer keine sichrere Stellung ein, wie ein verhaßter Tyrann auf seinem Throne.

Brown erklärte deshalb, er werde Niemanden vorlassen, der ihm seinen Namen nicht nenne.

Der Offizier entfernte sich. Nach einigen Minuten kehrte er zurück.

»Zwei der Fremden sind Farbige,« sagte er; »die junge Dame versichert, daß es Ihnen genügend sein würde, wenn sie Ihnen den Namen »Esther« nenne.«

»Esther!?« rief Edward Brown auffahrend, »meine Schwester hier!? Lassen Sie unverzüglich die Fremden eintreten.«

Mit Spannung sah er dem Augenblick entgegen, da er nach so langer Trennung und nachdem Beide so viele Leiden durchgemacht, seine Schwester wiedersehen sollte. Sie traten ein, und die Geschwister lagen einander in den Armen.

Edward gewann zuerst die Sprache wieder.

»Tausend Dank, Esther,« sagte er, »daß Du kommst, mich aufzusuchen! Unser Sieg hat mein Herz kaum glücklicher gemacht, als dies Wiedersehen! Hoffentlich, Schwester, werden wir uns nicht mehr trennen; kein unmenschliches Gesetz streckt mehr seine eiskalte Hand gegen uns aus, es steht nicht mehr Todesstrafe auf den Kuß, den ich nun auf Deine Wange drücke. Dank, Esther, dank, daß Du kamst.«

»Ich komme als eine Bittende,« antwortete Esther, »und die Freude, Bruder, welche Du empfindest, macht Dich vielleicht willfährig.«

»Bitte, Esther! Was in der Macht eines Menschen liegt, das versuche ich, um Dir, die Du lange entbehrt hast, einen Wunsch zu erfüllen.«

»Ich bringe zwei Freunde mit,« sagte Esther, auf ihre beiden Begleiter deutend.

Brown warf einen Blick auf dieselben. Der junge Mann, welcher sich hochachtungsvoll verneigte, trat einen Schritt näher.

»Mr. Brown,« sagte er, »ich habe wahrscheinlich nicht die Ehre von Ihnen noch gekannt zu sein.«

Brown betrachtete ihn einen Augenblick; dann eilte er auf ihn zu und ergriff seine Hand.

»Noddy! Mein Freund, mein Gefährte! O, wie preise ich die Stunde, die mir die einzige Verwandte und den ältesten Freund in die Hände führt«

»Sie sind gütig gegen mich, Herr Oberst,« fuhr Noddy fort.

»Noddy!« rief Brown in vorwurfsvollem Tone, »warum diese Sprache gegen Deinen ehemaligen Freund und Kampfgenossen in Kentucky? Gieb mir die Hand, Noddy, und nenne mich, wie Du mich damals nanntest, als wir die weißen Niggerhenker zum Lande hinausjagten!«

»Ich weiß nicht, ob ich es darf, Mr. Brown, zumal ich komme, für einen der Männer, welche Sie Niggerhenker nennen, Fürbitte zu thun.«

Die Stirn des jungen Quadroonen umdüsterte sich ein wenig.

»Du, Noddy, leistest Fürbitte für einen Weißen?«

»Ja, Mr. Brown; und noch dazu für einen von denjenigen, welche wir aus Kentucky trieben.«

»O, ich errathe ...«

»Für Mr. Cleary.«

»Ich dachte es mir!«

»Und ich finde ein williges Ohr?«

»Noddy, meine Schuld gegen Cleary ist abgetragen. Als er in Tennessee gefangen ward und eben mit den andern Gefangenen abgeführt werden sollte, da ward ich seiner ansichtig. In demselben Moment wurde mir die Erlaubniß gegeben, einen Wunsch auszusprechen, eine Forderung zu thun, mit deren Höhe man es damals nicht so genau genommen hätte. Ich hätte eine Million fordern können, ich hätte einen hohen militärischen Rang oder ein hohes Amt fordern können. Ich that es nicht! Ich forderte die Freilassung dieses Mannes, eines Mannes, welcher mein Todfeind ist, wie alle die Andern, die unsere Stammgenossen geknechtet haben. Cleary hat sich des Kindes meiner Geliebten angenommen, es vom Tode gerettet, und ist menschlich mit dem Säugling verfahren. Diese meine Schuld ist dadurch abgetragen.«

»Ich spreche auch nicht von dem Abtragen einer Schuld, Mr. Brown; wenn Sie eine solche gegen Mr. Cleary hatten, so war sie durch jene edle Handlungsweise allerdings mehr als abgetragen. Was Sie jetzt thun, ist eine Wohlthat und als eine solche werde sowohl ich, als auch Ihre Schwester, Miß Brown, als auch meine – Freundin hier, Miß Nettice, Ihr Zugeständniß, meiner Fürbitte Gehör zu geben, ansehen.«

»Sprich, Noddy; was forderst Du? Was Selbstverleugnung gewähren kann, das sei Dir gewährt; was aber nur durch Verletzung meiner Pflicht geschehen kann, das, so schwer es mir wird, das muß ich Dir abschlagen!«

»Geben Sie Cleary frei.«

»Ich kann es nicht! Das wäre gegen meine Pflicht!«

»Edward,« fiel hier Esther ein, »thu's um meinetwillen!«

»Auch nicht um Deinetwillen. Ich hab damals, als ich seine Freilassung bewirkte, zu ihm gesagt: Meine Schuld ist abgetragen; begegnen wir uns wieder, so begegnen wir uns als Feinde!«

»So thue es um Fanny's willen!« bat Esther.

»Fanny? Wer ist Fanny?«

»Sie ist die unglückliche Tochter des Mannes, der all' seines Eigenthums beraubt ist. Sein Vermögen, das unermeßlich schien, ist dahin! Er ist, wie er selbst sagt, ärmer, als der letzte seiner ehemaligen Beamten. Sein Weib verloren, seine Tochter entehrt, kein Freund ist ihm auf der Welt geblieben, als ich!« antwortete Noddy.

Esther flüsterte, während Noddy dies sprach, Nettice einige Worte ins Ohr. Dieselbe eilte hinaus.

»Traurig, sehr traurig!« antwortete Brown auf Noddy's letzte Aeußerung. »Indessen ich darf mich nicht rühren lassen; ich habe hier eine Pflicht zu erfüllen, und wenn Mr. Cleary, was wahrscheinlich der Fall ist, den Treueid nicht leisten will, so kann ich nichts für ihn thun.«

Es schlug zehn Uhr.

Mit dem Glockenschlage trat der Adjutant ein.

»Die Gefangenen sind da, Herr Obrist; sollen sie vorgeführt werden?«

Brown nickte. Er ersuchte seine Schwester und Noddy, in seinem Zimmer Platz zu nehmen, und begab sich in das nebenan liegende Verhörzimmer.

Zwei Protocollführer saßen hier an einem Tische· Der Obrist nahm zwischen ihnen Platz. Er warf einen Blick auf die Liste, welche vor ihm lag.

»Mr. Breckenridge!« rief er.

Der diensthabende Officier führte den Aufgerufenen vor.

Die gebrechliche Gestalt des ehemals so eisenfesten Mannes erschien. So schwankend indeß sein Körper auch war, so wenig war sein Trotz und sein Haß gebrochen.

Er erkannte seinen ehemaligen Sklaven auf den ersten Blick.

Ein fürchterlicher Richter, der über ihn abzuurtheilen hatte! –

Der Sclave, den man auf seinen Befehl gefoltert und gepeitscht hatte, der Mann, den er, trotz seiner vorzüglichen Bildung, und trotz seiner vormals glänzenden Stellung als Adoptivsohn Mr. Browns zu den niedrigsten Sklavendiensten verurtheilt hatte, der Mann, den er dem sichern Tode im Gefängniß zu Millen preisgegeben, der Mann, welchen er hätte zu Tode foltern lassen, wenn das Verhältniß ein umgekehrtes wäre, wenn Breckenridge der Richter und Brown der Verklagte gewesen wäre, dieser Mann hatte jetzt die Macht, ihn zu verurtheilen.

Wer hätte es dem Obrist Brown verdacht, wenn seine Leidenschaft in diesem Augenblicke über seine Pflicht den Sieg davon getragen hätte?

Er vermied es, dem Auge seines ehemaligen Herrn zu begegnen, weil er fürchtete, daß sein tief in seinem Herzen wurzelnder Haß die Herrschaft über ihn gewinnen möge. In ruhigem, leidenschaftslosem Tone sagte er zu ihm:

»Mr. Breckenridge, Sie sind angeklagt, an der Rebellion dadurch Theil genommen zu haben, daß Sie Kriegsminister des Rebellenpräsidenten gewesen sind, daß Sie zur Ausrüstung der Armeen Beiträge gesammelt und an den Agitationen der Ritter vom goldenen Cirkel Theil genommen haben. Gestehen Sie das zu?«

Breckenridge richtete seine gebeugte Gestalt stolz auf.

»Ich leugne nichts, Sir! Was ich gethan und was ich gewesen, Niemand weiß es besser, als Sie. Verschwenden Sie Ihre kostbare Zeit nicht mit einem langen Verhör, Mr. Brown. Säße ich an Ihrer Stelle, und ständen Sie an der meinigen, nicht ein Wort verschwendete ich; eine Handbewegung gegen meinen Sklavenvoigt würde Sie dem Tode überliefern.«

Die Zornesröthe stieg Brown in's Gesicht: er preßte die Lippen auf einander und schwieg eine Weile, um seine Leidenschaft zurück zu kämpfen. Diese Herausforderung war sicherlich eine starke Probe, auf welche man seinen Character stellte.

Er bestand diese Probe.

»Sie gehören zu denjenigen, Mr. Breckenridge,« sagte er nach einer Pause in einem Tone so ruhig, daß der Kriegsminister ihn erstaunt anblickte, »Sie gehören zu denjenigen, welche von der Ableistung des Treueides ausgeschlossen sind. Dennoch aber stelle ich es Ihnen anheim, ein Gnadengesuch einzureichen, und verspreche Ihnen, dasselbe zu befürworten.«

Breckenridge horchte auf und schien zu bezweifeln, ob er recht gehört habe. Dann aber antwortete er mit höhnischem Lachen:

»Ein Gnadengesuch an den Tyrannen, der uns besiegt hat? Niemals!«

»So wollen Sie auch nicht den Treueid leisten?«

»Nimmermehr!«

Der Haß aus Mr. Breckenridges Augen war mehr und mehr verschwunden Die edle Selbstverleugnung des Obristen hatte ihn besiegt.

»Ich kann nichts mehr für Sie thun,« fügte dieser hinzu; »Sie haben Ihr Schicksal selber gewählt, nicht ich habe Sie zu dem Loose verurtheilt, das Ihrer wartet. Sie sind entlassen.«

Breckenridge zögerte. Er that einige Schritte gegen die Thür; dann aber wandte er sich nach dem Obristen zurück.

»Mr. Brown,« sagte er in einem Tone, so weich, wie ihn sicherlich Niemand aus dem Munde des Sclavenhändlers je gehört, »was mir auch begegnen mag, und wäre es der Tod am Galgen, ich nehme die Ueberzeugung mit, daß Sie ein Ehrenmann sind! Adieu, Sir!«

Damit schritt er zur Thür hinaus.

Brown war durch die Scene so aufgeregt, daß er einiger Zeit bedurfte, um sich zu sammeln.

Er benutzte diese Zeit, um nach seinem Privatzimmer zurückzugehen, wo er seine Schwester und Noddy verlassen. Zu seinem Erstaunen fand er hier zwei Personen mehr, als er vermuthet hatte.

Nettice war zurückgekehrt, und mit ihr ein engelschönes Mädchen, dessen Schönheit durch den rührenden Schmerz in ihren seelenvollen Augen ein so ergreifendes Relief erhielt, daß der Obrist verdutzt in der Thür stehen blieb.

Das Mädchen warf sich sofort zu seinen Füßen.

»Mr. Brown,« rief sie, »ich bin die Tochter des Mannes, dessen Geschick in ihren Händen liegt! Lassen Sie sich durch das Flehen eines Kindes rühren, das für die Freiheit seines Vaters bittet. Lassen Sie sich rühren durch die Thränen eines unglücklichen Mädchens, welches ohne Vater, entehrt, verlassen, der Schande und dem Elende preisgegeben, auf der Welt allein steht!«

Edward Brown trat auf sie zu, ergriff ihre Fand und sagte:

»Stehen Sie auf, Miß Cleary! Es ist die Schuld ihres Vaters, daß ein Mädchen von Ihrem Range und von Ihren Vorzügen in die traurige Lage kommen konnte, einen solchen Platz einzunehmen. Schmerzlich ist es mir,« fügte er mit schwankender Stimme hinzu, »Ihnen keine Aussichten geben zu dürfen. Ich bitte Dich, Esther, führe die Dame hinweg; Noddy, bleib', ich habe Dich später zu sprechen.«

Sichtlich bewegt und erschüttert verließ er das Zimmer, um das Verhör der Gefangenen fortzusetzen Der Eindruck, welchen Fanny's Erscheinung auf ihn gemacht, war ein gewaltiger, ein unauslöschlicher.

Er fühlte es, daß er seiner ganzen Stärke bedürfen werde, um sich durch diesen Eindruck nicht zu einer Pflichtverletzung hinreißen zu lassen. Nur einen Augenblick hatte er in Fanny's Augen geschaut, nur eine Minute den Klang ihrer Stimme gehört, und doch fühlte er, er liebte Fanny mit der Leidenschaft, mit der Gluth, welche seiner Rasse stets eigen ist.

Es flimmerte vor seinen Augen; die Namen auf seiner Liste schienen ihm verwaschen, und die Buchstaben tanzten durcheinander. Es bedurfte erst einer kurzen Unterredung mit den Protokollführern, um ihm wieder die Klarheit des Geistes zurückzugeben.

Er las den folgenden Namen.

»Mr. George Sanders!«

Der Aufgerufene ward vorgeführt.

»Sie leugnen Ihre Schuld der Betheiligung an der Rebellion nicht?« begann Edward. »Sie können dieselbe nicht leugnen, da man Sie ja bei dem Versuche ertappte, die Archive der Conföderation in Sicherheit zu bringen!«

»Ich kann nicht leugnen, Sir, daß das meine Absicht war.«

»Sie waren Kriegsminister?«

»Ich folgte Breckenridge in diesem Amt«

»Sie sind von der Wohlthat des Treueides ausgeschlossen und also ein Kriegsgefangener. Man wird gegen Sie die Anklage wegen Landesverrätherei erheben!«

Die ganze Erscheinung des Sclavenbarons und Kriegsministers war eine wenig gentlemanische. So sehr Mr. Breckenridge den Eindruck eines unbeugsamen festen, willenskräftigen Charakters gegeben, so sehr bot Sanders das Bild eines schwachen, feigen, furchtsamen Mannes.

»Mr. Brown,« sagte er, »ich habe persönlich Ihnen nie ein Leides gethan, und ich hoffe, Sie werden meiner Bitte, ein Gnadengesuch zu befürworten, ein gütiges Gehör leihen. Ich bin bereit, den Treueid zu leisten und ein Gnadengesuch einzureichen; ich flehe Sie an, unterstützen Sie dasselbe.«

Ein Zug der Verachtung zuckte um Edward's Mundwinkel.

»Sie haben mir nie ein Leides gethan, sagen Sie, Mr. Sanders!? Erinnern Sie sich, daß Sie einmal eine Creolin zu Tode peitschen ließen?«

»In der That, Sir, – es muß ein Irrthum sein, – ich entsinne mich nicht ...«

»Oho! Ist Ihnen das so oft passirt? Nun, es war eine Sklavin, welche hoch schwanger war und nach der Tortur ein Kind gebar, welches Sie Mr. Cleary bei einem Sclavenhandel als Zugabe mit in den Kauf gaben! Entsinnen Sie sich jetzt?«

Sanders wurde immer bleicher.

»Ich entsinne mich jetzt,« sagte er, »diese Creolin war Ihre Geliebte; Sie wollten Sie heirathen; o Himmel! so habe ich keine Aussicht auf Begnadigung?«

»Sie haben keine, Mr. Sanders, wenn ich sie Ihnen nicht eröffne,« versetzte Brown, ihn mit einem verächtlichen Blicke messend; »Sie sind ein Feigling, Mr. Sanders! Ein Mann, welcher ein unschuldiges Weib verführen und dann morden kann, muß auch den Muth haben, den Galgen zu besteigen; Sie wissen ja, das Loos der Mörder ist der Galgen!«

Der Kriegsminister vermochte sich nicht auf seinen schlotternden Knieen aufrecht zu erhalten.

Edward deutete auf einen Stuhl und ließ ihn sich niedersetzen.

In kaltem Tone fuhr er fort:

»Ich eröffne Ihnen die Aussicht auf Begnadigung ...« – Sanders athmete auf – »doch ich stelle Bedingungen! Das Kind, welches jene Creolin gebar, war das Ihrige!«

Sanders schwieg.

»Sie antworten nicht, Sie leugnen!?« fuhr ihn Brown zornerröthend an.

»Nicht doch, ich leugne nichts,« antwortete Sanders schnell, um sich die günstige Stimmung des Obristen zu erhalten.

»Sie wollten das Kind dem größten Elende, in dem ein Mensch leben kann, dem Loos der Sklaverei übergeben! Ich habe es diesem Elende entzogen. Eine Sclavin Mr. Clearys, Janita mit Namen, hat es mit Gefahr ihres Lebens gerettet. Es befindet sich jetzt in einem Waisenhause zu New-York.«

»Ich bin in der That glücklich, daß ich ...«

»Schweigen Sie, Mr. Sanders, Sie wollen eine Lüge aussprechen! Sie sind reich ... Wie groß ist Ihr Vermögen?«

»Man überschätzt es in der Regel; ich gebe Ihnen die Versicherung, daß, da der Werth der verwüsteten Farmen kaum in Anschlag zu bringen ist, mein Vermögen nicht hoch ist.«

»Nicht über eine Million Dollars, Sir?«

»Kaum eine Million Dollars, Mr. Brown.«

»Gut! – Sie haben Kinder?«

»Einen Sohn.«

»Also im Ganzen zwei Kinder: dem Sohne gebühret die Hälfte Ihres Vermögens; dem Säugling, dem Kinde der Creolin, die Sie gemordet, die andere Hälfte.«

Sanders ahnte, wo hinaus Brown wollte. Sein Auge leuchtete in Hoffnung auf.

»O,« sagte er, »wenns weiter Nichts ist, ich will gern in meinem Testamente dem Kinde eine halbe Million ...«

»Warten Sie, lassen Sie mich ausreden! Das Kind muß auch einen Namen haben; Sie werden nicht anstehen, Ihrem Kinde auch Ihren Namen zu geben.«

»Was!?« rief Sanders aufspringend, »diesem Niggerbalg!?«

Schnell aber sich besinnend fügte er hinzu:

»Sie können unmöglich verlangen, Mr. Brown, da das Kind ein uneheliches ...«

»Sie haben eingeräumt, daß es das Ihrige ist; das genügt!«

»Es wäre mir lieber, Mr. Brown, Sie stellen eine andere Bedingung als die, das Kind zu adoptiren; etwa eine Erhöhung der Summe, welche ich ihm aussetze.«

»Meine Bedingungen stehen unabänderlich fest! Verweigern Sie eine, so bleibt es dabei, daß Sie als Kriegsgefangener abgeführt werden.«

Die Niedergeschlagenheit kehrte auf Sanders Gesicht zurück.

»So mag es sein,« sagte er seufzend; »ich werde das Kind adoptiren und stelle es Ihnen anheim, mir dasselbe zurückzuschicken, damit ich es einer Niggerin zur Pflege übergebe ...«

»Warten Sie! Noch kommt eine dritte Bedingung! Sie leisten urkundlich Verzicht auf das Vateranrecht an dem Kinde, übertragen vielmehr die Vormundschaft und väterlichen Rechte und Pflichten einem Rentier Namens Patrick Powis zu New-York. Das sind die drei Bedingungen! Also noch einmal! Erstens, Sie überweisen dem Kinde ein Vermögen von fünf mal hunderttausend Dollars, welche Sie sofort bei einem Bankhause zu New-York einzuzahlen haben; zweitens, Sie erkennen das Kind als das Ihrige an und geben ihm die Berechtigung, Ihren Namen zu führen; drittens, Sie übergeben es der Vormundschaft, Pflege und Erziehung des Mr. Powis, und entschlagen sich aller Anrechte – Einverstanden?«

»Es sind harte Bedingungen, Mr. Brown ...«

»Einverstanden?«

»Wäre es nicht möglich ...«

»Keine Widerrede! Ich habe Ihnen gesagt, meine Bedingungen sind unabänderlich! Also: Ja, oder nein?«

Sanders rückte unruhig auf seinem Stuhle hin und her.

Einer der Protocollführer hatte das Document entworfen und übergab es Brown.

»Ja, oder nein!?« wiederholte dieser; »ich gebe Ihnen nicht eine Minute Bedenkzeit!«

»Nun denn: Ja!« keuchte Sanders und griff nach der Feder.

Das Document ward von Sanders unterzeichnet; der Obrist Brown und der zweite Protokollführer unterschrieben sich als Zeugen.

»Sie sind entlassen!« sagte Brown.

Zwar erleichterten Herzens, aber doch nicht in ganz froher Stimmung, verließ Mr. Sanders den Saal.

Der nächste Name auf der Liste war der Mr. Tuckers.

Auch Mr. Tucker wagte nicht, irgend einen der Anklagepunkte zu leugnen. Auch er verlangte in jämmerlicher Niedergeschlagenheit, den Treueid zu leisten.

Da eine thatsächliche Betheiligung ihm nicht direct nachzuweisen war, und man vorläufig von ihm nichts weiter wußte, als daß er Armeelieferant gewesen, so konnte ihm sein Gnadengesuch nicht abgeschlagen werden.


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