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Der Saal im Elysium, dem großen Tanzlokal im Norden Berlins, bot an diesem Freitagabend ein Bild, das die Augen jedes Normaldeutschen erfreuen mußte: Uniformen über Uniformen. Es war nicht so sehr die Wehrmacht, deren Grau oder Grün den kräftigen Untergrund zu diesem farbenfrohen Bilde abgab, es waren in viel stärkerem Maße die Uniformen der Partei und ihrer Gliederungen, die mit Braun, Hellbraun, Goldbraun, Dunkelbraun und mit Schwarz das Bild so bunt machten. Da sah man neben den Braunhemden der SA die viel helleren Hemden der HJ, die Organisation Todt war ebenso vertreten wie der Reichsarbeitsdienst, man sah die mehr gelben Uniformen der Sonderführer, die Goldfasanen genannt wurden, man sah Politische Leiter neben Luftschutzwarten. Und nicht etwa nur die Männer waren so herzerfreuend kostümiert, auch viele junge Mädchen trugen Uniform, der BDM, der Arbeitsdienst, die Organisation Todt, sie alle schienen ihre Führerinnen, Unterführerinnen und Geführten hierhergesandt zu haben.
Die wenigen Zivilisten verloren sich vollständig in diesem Gewimmel, sie waren bedeutungslos, langweilig unter diesen Uniformen, wie ja auch das zivile Volk draußen auf den Straßen und in den Fabriken nie eine Bedeutung der Partei gegenüber erlangt hatte. Die Partei war alles und das Volk nichts.
So wurde auch ein Tisch am Rande des Saales fast gar nicht beachtet, an dem ein Mädchen und drei junge Männer saßen. Keine von den vier Personen trug eine Uniform, nicht einmal ein Parteiabzeichen war zu sehen.
Ein Paar, das junge Mädchen und ein junger Mann, war zuerst gekommen; später hatte ein anderer junger Mann um die Erlaubnis gebeten, sich heransetzen zu dürfen, und schließlich hatte noch ein vierter Zivilist um die gleiche Erlaubnis nachgesucht. Das junge Paar hatte auch einmal den Versuch gemacht, in dem Gewühl zu tanzen. In dieser Zeit waren die beiden andern Männer in ein Gespräch miteinander gekommen, in ein Gespräch, an dem sich das zerdrückt und erhitzt zurückkommende Paar auch gelegentlich beteiligte.
Einer der Männer, anfangs der Dreißiger, mit hoher Stirn und schon spärlichem Haarwuchs, hatte sich weit mit seinem Stuhl zurückgelehnt und eine Weile schweigend das Gewühl auf der Tanzfläche und die Nebentische gemustert. Nun sagte er, wobei er die andern kaum ansah: »Ein schlecht gewählter Versammlungsort. Wir sind fast der einzige nur mit Zivil besetzte Tisch hier im Saal. Wir fallen auf.«
Der Kavalier des jungen Mädchens sagte lächelnd zu diesem, seine Worte waren aber für den Mann mit der hohen Stirn bestimmt: »Im Gegenteil, Grigoleit, wir werden überhaupt nicht beachtet, höchstens verachtet. Die Herrschaften denken nur daran, daß ihnen dieser sogenannte Sieg über Frankreich für ein paar Wochen Tanzerlaubnis gebracht hat.«
»Keine Namen! Unter keinen Umständen!« sagte der Mann mit der hohen Stirn scharf.
Einen Augenblick schwiegen alle. Das Mädchen malte mit dem Zeigefinger etwas auf den Tisch, es sah nicht auf, obwohl es fühlte, daß alle es ansahen.
»Jedenfalls, Trudel«, sagte der dritte Mann mit dem Unschuldsgesicht eines großgewordenen Säuglings, »ist jetzt der richtige Augenblick für deine Mitteilung. Was gibt's? Die Nebentische sind fast unbesetzt, alles tanzt. Los!«
Das Schweigen der beiden anderen Männer konnte nur Zustimmung bedeuten. Trudel Baumann sagte stockend, ohne hochzusehen: »Ich habe, glaube ich, einen Fehler begangen. Jedenfalls habe ich mein Wort nicht gehalten. In meinen Augen ist es freilich kein Fehler ...«
»Oh, hör auf!« rief der Mann mit der hohen Stirn verächtlich. »Willst du jetzt auch in die Gewohnheiten der Gänse verfallen? Schnattere nicht, sage geradeheraus, was ist!«
Das Mädchen sah hoch. Es sah langsam einen nach dem andern die drei Männer an, die sie, wie es ihr schien, mit grausamer Kälte anblickten. In ihren Augen standen zwei Tränen. Sie wollte sprechen, sie konnte es nicht. Sie suchte nach ihrem Taschentuch ...
Der mit der hohen Stirn lehnte sich zurück. Er ließ einen leisen, gedehnten Pfiff ertönen. »Sie soll nicht schnattern? Sie hat ja schon geschnattert! Seht sie bloß an!«
Der Kavalier an Trudels Seite widersprach rasch: »Unmöglich! Die Trudel ist goldecht. Sage ihnen, daß du nicht geschwatzt hast, Trudel!« Und er drückte ihr aufmunternd die Hand.
Der Säugling richtete seine runden, sehr blauen Augen abwartend, fast ausdruckslos auf das Mädchen. Der Lange mit der hohen Stirn lächelte verächtlich. Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und sagte höhnisch: »Nun, mein Fräulein?«
Trudel hatte sich gefaßt, sie flüsterte mutig: »Doch, er hat recht. Ich habe geschwatzt. Mein Schwiegervater brachte mir die Nachricht vom Tode meines Otto. Das hat mich irgendwie umgeworfen. Ich habe ihm gesagt, daß ich in einer Zelle arbeite.«
»Namen genannt?« Niemand hätte geahnt, daß der harmlose Säugling so scharf fragen könnte.
»Natürlich nicht. Ich habe überhaupt nichts weiter gesagt. Und mein Schwiegervater ist ein alter Arbeiter, der wird nie ein Wort sagen.«
»Dein Schwiegervater ist ein anderes Kapitel, du bist das erste! Du sagst, du hast keine Namen genannt ...«
»Und du wirst mir das glauben, Grigoleit! Ich lüge nicht. Ich habe freiwillig gestanden.«
»Sie haben eben schon wieder einen Namen genannt, Fräulein Baumann!«
Der Säugling sagte: »Aber seht ihr denn nicht ein, daß es ganz egal ist, ob sie jetzt Namen genannt hat oder nicht? Sie hat gesagt, daß sie in einer Zelle arbeitet, sie hat einmal geschnattert, sie wird wieder schnattern. Legen die bewußten Herren ihre Hand auf sie, quälen sie sie ein bißchen, so wird sie reden, gleichgültig, wieviel sie bisher verraten hat.«
»Ich werde nie zu denen reden, und wenn ich sterben müßte!« rief Trudel mit flammenden Wangen.
»Oh!« sagte der Hochstirnige. »Sterben ist sehr einfach, Fräulein Baumann, aber manchmal kommen vor dem Sterben noch recht unangenehme Dinge!«
»Ihr seid unbarmherzig«, sagte das junge Mädchen. »Ich habe einen Fehler begangen, aber ...«
»Ich finde auch«, ließ sich der auf dem Sofa neben ihr vernehmen. »Wir werden uns Ihren Schwiegervater ansehen, und wenn er verläßlich ist ...«
»Unter den Händen von denen gibt's keine Verläßlichkeit«, sagte Grigoleit.
»Trudel«, sagte der Säugling sanft lächelnd, »Trudel, du sagtest eben, du hättest noch keine Namen genannt?«
»Ich habe es auch nicht getan!«
»Und du hast behauptet, du wärest zum Sterben bereit, ehe du so was tätest?«
»Ja! Ja! Ja!« rief sie leidenschaftlich.
»Nun«, sagte der Säugling und lächelte gewinnend, »nun, Trudel, wie wäre es, wenn du heute abend noch stürbest, ehe du weitergeplappert hast? Das würde uns eine gewisse Sicherheit geben und eine Masse Arbeit ersparen ...«
Eine Totenstille entstand zwischen den vieren. Das Gesicht des Mädchens war kalkig weiß. Ihr Kavalier sagte einmal »Nein« und legte seine Hand leicht auf die ihre. Aber er nahm sie gleich wieder fort.
Dann kamen die Tanzenden zurück an ihre Tische und machten für den Augenblick eine Fortsetzung dieser Unterhaltung unmöglich.
Der mit der hohen Stirn brannte sich wieder eine Zigarette an, der Säugling lächelte unmerklich, als er sah, wie dem andern die Hand zitterte. Dann sagte er zu dem Dunklen neben dem schweigenden, bleichen Mädchen: »Sie sagen nein. Aber warum eigentlich? Es ist eine fast befriedigende Lösung der Aufgabe und eine Lösung, die, soviel ich verstanden habe, von Ihrer Nachbarin selbst vorgeschlagen wurde.«
»Die Lösung ist unbefriedigend«, sagte der Dunkle langsam. »Es wird schon zuviel gestorben. Wir sind nicht dafür da, daß die Zahl der Toten sich erhöht.«
»Ich hoffe«, sagte der Hochstirnige, »Sie denken an diesen Satz, wenn der Volksgerichtshof Sie und mich und diese da ...«
»Still!« sagte der Säugling. »Gehen Sie doch einen Augenblick tanzen. Das scheint ein sehr netter Tanz. Sie können sich unterdes besprechen, und wir beide besprechen uns hier ...«
Widerstrebend war der junge Dunkle aufgestanden und hatte seiner Dame eine leichte Verbeugung gemacht. Widerstrebend hatte sie die Hand auf seinen Arm gelegt, bleich gingen sie beide im Strom der andern zur Tanzfläche. Sie tanzten ernst, schweigend, ihm war es, als tanze er mit einer Toten. Ihn schauderte es. Die Uniformen um ihn, die Hakenkreuzbinden, die blutroten Fahnen an den Wänden mit dem verhaßten Zeichen, das mit Grün geschmückte Führerbild, die rhythmischen Geräusche des Swings: »Du wirst es nicht tun, Trudel«, sagte er. »Er ist wahnsinnig, so etwas zu verlangen. Versprich mir ...«
Sie bewegten sich fast auf der Stelle in dem immer dichter werdenden Gewühl. Vielleicht weil sie in ständiger Berührung mit anderen Paaren waren, vielleicht sprach sie darum nicht.
»Trudel!« bat er noch einmal. »Versprich es mir! Du kannst ja in einen andern Betrieb gehen, dort arbeiten, damit du denen aus den Augen bist. Versprich mir ...«
Er versuchte sie dazu zu bringen, daß sie ihn ansah, aber ihre Augen sahen hartnäckig über seine Schulter fort.
»Du bist die Beste von uns«, sagte er plötzlich. »Du bist die Menschlichkeit, er ist bloß das Dogma. Du mußt weiterleben, gib ihm nicht nach!«
Sie schüttelte den Kopf, mochte es nun ein Ja oder ein Nein bedeuten. »Ich möchte zurück«, sagte sie. »Ich mag nicht mehr tanzen.«
»Trudel«, sagte Karl Hergesell hastig, als sie sich aus den Tanzenden gelöst hatten, »dein Otto ist erst gestern gestorben, erst gestern hast du die Nachricht bekommen. Es ist zu früh. Aber du weißt es ja auch so, ich habe dich immer geliebt. Ich habe nie etwas von dir erwartet, aber nun erwarte ich, daß du wenigstens lebst. Nicht für mich, nein, daß du lebst!«
Aber wieder bewegte sie nur den Kopf, wieder blieb es ungewiß, was sie zu seiner Liebe, was sie zu seinem Wunsche, sie am Leben zu sehen, meinte. Sie waren am Tisch der andern angelangt. »Nun?« fragte Grigoleit mit der hohen Stirn. »Wie tanzt es sich? Ein bißchen voll, wie?«
Das Mädchen hatte sich nicht wieder gesetzt. Es sagte: »Ich gehe dann jetzt. Macht's gut. Ich hätte gerne mit euch gearbeitet ...«
Sie wandte sich zum Gehen.
Jetzt aber war dieser dicke, harmlose Säugling der erste hinter ihr, er faßte sie am Handgelenk, er sagte: »Einen Augenblick noch, bitte!« Er sagte es vollkommen höflich, aber sein Blick drohte.
Sie kehrten an den Tisch zurück. Sie setzten sich wieder. Der Säugling fragte: »Ich verstehe doch recht, Trudel, was dein Abschied eben bedeutete?«
»Du hast vollkommen recht verstanden«, sagte das Mädchen und sah ihn mit harten Augen an.
»So bitte ich dich, daß du mir erlaubst, dich für den Rest des Abends zu begleiten.«
Sie machte eine Bewegung entsetzter Abwehr.
Er sagte sehr höflich: »Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich gebe zu bedenken, daß bei der Ausführung eines solchen Vorhabens wiederum Fehler begangen werden können.« Er flüsterte drohend: »Es liegt mir nichts daran, daß irgendein Idiot dich aus dem Wasser fischt oder daß du morgen als gerettete Giftselbstmörderin in einem Krankenhaus liegst. Ich will dabeisein!«
»Richtig!« sagte der Hochstirnige. »Ich stimme zu. Das gibt die einzige Gewähr ...«
»Ich werde«, sagte nachdrücklich der Dunkle, »heute und morgen und jeden folgenden Tag an ihrer Seite sein. Ich werde alles tun, um die Ausführung dieses Vorhabens zu vereiteln. Ich werde Hilfe herbeiholen, wenn ihr mich zwingt, selbst von der Polizei!«
Der Hochstirnige pfiff wieder, lang, gedehnt, leise und böse.
Der Säugling sagte: »Aha, jetzt haben wir schon den zweiten Plapperer am Tisch. Verliebt, was? Ich dachte mir so was schon immer. Kommen Sie, Grigoleit, die Zelle ist aufgelöst. Es gibt keine Zelle mehr. Und das nennt ihr Disziplin, ihr Weiberherzen!«
»Nein, nein!« rief das Mädchen. »Hören Sie nicht auf ihn! Es ist wahr, er liebt mich. Aber ich liebe ihn nicht. Ich will heute abend mit euch gehen ...«
»Nichts!« sagte der Säugling jetzt wirklich zornig. »Seht ihr denn nicht, daß ihr gar nichts mehr tun könnt, da er ...« Er machte eine Kopfbewegung zu dem Dunklen hin. »Ach was!« sagte er dann kurz. »Es ist ausgespielt! Komm, Grigoleit!«
Der Hochstirnige stand schon. Gemeinsam wandten sie sich dem Ausgang zu. Plötzlich aber lag eine Hand auf dem Arm des Säuglings. Er sah in das glatte, ein wenig gedunsene Gesicht eines braun Uniformierten.
»Einen Augenblick, bitte! Was haben Sie da eben gesagt von der Auflösung der Zelle? Es würde mich doch sehr interessieren ...«
Der Säugling riß brutal seinen Arm frei. »Lassen Sie mich zufrieden!« sagte er sehr laut. »Wenn Sie wissen wollen, was wir geredet haben, fragen Sie die junge Dame dort! Gestern ist ihr Verlobter erst gefallen, heute hat sie schon wieder einen andern auf dem Korn! Verdammter Weiberkram!«
Er hatte immer mehr dem Ausgang zugedrängt, den Grigoleit schon erreicht hatte. Jetzt ging auch er hinaus. Der Fette sah ihm einen Augenblick nach. Dann wandte er sich dem Tisch zu, an dem das Mädchen und der Dunkle noch immer mit blassen Gesichtern saßen. Das beruhigte ihn. Vielleicht habe ich doch keinen Fehler begangen, als ich ihn laufenließ. Er hat mich überrumpelt. Aber ...
Er sagte höflich: »Gestatten Sie, daß ich mich einen Augenblick zu Ihnen setze und ein paar Fragen stelle?«
Trudel Baumann antwortete: »Ich kann Ihnen nichts anderes sagen, als was der Herr eben erzählt hat. Ich habe gestern die Nachricht vom Tode meines Verlobten bekommen, und heute möchte dieser Herr sich mit mir verloben.«
Ihre Stimme klang fest und sicher. Jetzt, wo die Gefahr an ihrem Tisch saß, waren Angst und Unruhe verflogen.
»Würden Sie etwas dagegen haben, den Namen Ihres gefallenen Verlobten zu nennen? Und seine Formation?« Sie tat es. »Und nun Ihr Name? Ihre Adresse? Ihre Arbeitsstelle? Haben Sie vielleicht irgendeinen Ausweis bei sich? Ich danke! Und nun Sie, mein Herr.«
»Ich arbeite in demselben Betrieb. Ich heiße Karl Hergesell. Hier mein Arbeitsbuch.«
»Und die beiden anderen Herren?«
»Wir kennen sie gar nicht. Sie haben sich an unsern Tisch gesetzt und plötzlich in unsern Streit gemischt.«
»Und warum stritten Sie?«
»Ich will ihn nicht.«
»Warum war dann dieser Herr so empört über Sie, wenn Sie ihn nicht wollen?«
»Was weiß ich? Vielleicht glaubte er meinen Worten nicht. Es ärgerte ihn auch, daß ich mit ihm tanzte.«
»Na schön!« sagte der Gedunsene, klappte das Notizbuch zu und sah dabei von einem zum andern. Sie sahen wirklich eher verstrittenen Liebenden als ertappten Verbrechern ähnlich. Schon die Art, wie sie ängstlich vermieden, einander anzusehen ... Und dabei lagen ihre Hände fast berührungsnah auf der Tischplatte. »Na schön. Ihre Angaben werden natürlich nachgeprüft werden, aber ich denke doch ... Jedenfalls noch eine bessere Fortsetzung dieses Abends ...«
»Nicht ich!« sagte das junge Mädchen. »Nicht ich!« Sie stand gleichzeitig mit dem andern auf. »Ich gehe nach Haus.«
»Ich bringe dich.«
»Nein, danke, ich gehe lieber allein.«
»Trudel!« bat er. »Laß mich doch noch zwei Worte mit dir reden!«
Die Uniform sah lächelnd von einem zum andern. Sie waren wirklich Verliebte. Eine flüchtige Nachprüfung der Angaben würde genügen.
Plötzlich hatte sie sich entschlossen: »Nun gut, aber nur zwei Minuten!«
Sie gingen. Endlich waren sie aus diesem entsetzlichen Saal, aus dieser Atmosphäre von Gegensätzlichkeit und Haß heraus. Sie sahen sich um.
»Sie sind fort.«
»Wir werden sie nicht wiedersehen.«
»Und du kannst leben. Nein, jetzt mußt du leben, Trudel! Ein unüberlegter Schritt von dir würde die andern in Gefahr bringen, viele andere – denke immer daran, Trudel!«
»Ja«, sagte sie, »jetzt muß ich leben.« Und mit einem raschen Entschluß: »Lebe wohl, Karl!«
Einen Augenblick lehnte sie an seiner Brust, ihr Mund streifte den seinen. Ehe er sich noch entschlossen hatte, lief sie schräg über die Fahrbahn auf eine haltende Elektrische zu. Der Wagen fuhr an.
Er machte eine Bewegung, als wollte er ihr nachlaufen. Aber er besann sich.
Ich werde sie dann und wann im Betrieb sehen, dachte er. Ein ganzes Leben liegt vor uns. Ich habe Zeit. Jetzt weiß ich doch, daß sie mich liebt.