Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Odysseus, von neuem beschenkt, geht am Abend zu Schiffe, wird schlafend nach Ithaka gebracht, und in Phorkis Bucht ausgesetzt. Das heimkehrende Schiff versteinert Poseidon. Odysseus in Götternebel verkennt sein Vaterland. Athene entnebelt ihm Ithaka, verbirgt sein Gut in der Höhle der Nymphen, entwirft der Freier Ermordung, und gibt ihm die Gestalt eines bettelnden Greises.
Also sprach er; und alle verstummten umher, und schwiegen, Horchten noch, wie entzückt, im großen schattigen Saale. Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und sagte: Da du zu meiner hohen mit Erz gegründeten Wohnung |
|
5 | Kamst; so hoff' ich, Odysseus, dich sollen doch jetzt von der Heimfahrt Keine Stürme verwehn, wie sehr du auch immer geduldet! Aber gehorchet nun, ihr alle, meiner Ermahnung, Die ihr beständig allhier, in meinem Palaste, des roten Ehrenweines genießt, und des Sängers Begeisterung anhört. |
10 | Kleider liegen bereits in der schöngeglätteten Lade Für den Fremdling, auch Gold von künstlicher Arbeit, und andre Reiche Geschenke, so viel die phäakischen Fürsten ihm brachten. Laßt uns noch jeden ein groß dreifüßig Geschirr und ein Becken Ihm verehren. Wir fodern uns dann vom versammelten Volke |
15 | Wieder Ersatz; denn einen belästigten solche Geschenke.
Also sprach er; und allen gefiel die Rede des Königs. |
20 | Aber die heilige Macht Alkinoos legte das alles, Selber das Schiff durchgehend, mit Sorgfalt unter die Bänke; Daß es die Ruderer nicht an der Arbeit möchte verhindern. Hierauf gingen sie alle zur Burg, und besorgten das Gastmahl. |
25 | Zeus den donnerumwölkten Kroniden, der alles beherrschet. Und sie verbrannten die Lenden, und feirten das herrliche Gastmahl, Fröhliches Muts; auch sang vor ihnen der göttliche Sänger, Unter den Völkern geehrt, Demodokos. Aber Odysseus Wandte zur strahlenden Sonn' oft ungeduldig sein Haupt auf, |
30 | Daß sie doch unterginge; denn herzlich verlangt' ihn zur Heimat. Also sehnt sich ein Pflüger zur Mahlzeit, welcher vom Morgen Bis zum Abend die Brache mit rötlichen Stieren geackert; Freudig sieht er, wie sich die leuchtende Sonne hinabsenkt, Eilet zur Abendkost, und dem Gehenden wanken die Kniee: |
35 | Also freute sich jetzt Odysseus der sinkenden Sonne. Schnell begann er darauf zu den rudergeübten Phäaken, Aber vor allen wandt' er sich gegen den König, und sagte: Weitgepriesener Held, Alkinoos, mächtigster König! |
40 | Denn ich habe nun alles, was meine Seele gewünscht hat: Eine sichere Fahrt und werte Geschenke. Die Götter Lassen mir alles gedeihn! daß ich unsträflich die Gattin Wiederfinde daheim, und unbeschädigt die Freunde. Ihr, die ich jetzo verlasse, beglückt noch lange die Weiber |
45 | Eurer Jugend, und Kinder! Euch segnen die Götter mit Tugend Und mit Heil, und nie heimsuche die Insel ein Unglück! Also sprach er; es lobten ihn alle Fürsten, und rieten, |
50 | Mische Wein in dem Kelche, Pontonoos; reiche dann allen Männern im Saal' umher; daß wir dem Vater Kronion Flehn, und unseren Gast zu seiner Heimat befördern. Sprach's; und Pontonoos mischte des herzerfreuenden Weines, |
55 | Flehend den Göttern des Tranks, die den weiten Himmel bewohnen, Jeder von seinem Sitz. Da erhub sich der edle Odysseus, Gab in Aretens Hand den schönen doppelten Becher, Redete freundlich sie an, und sprach die geflügelten Worte: Lebe beständig wohl, o Königin, bis dich das Alter |
60 | Sanft beschleicht und der Tod, die allen Menschen bevorstehn! Jetzo scheid' ich von dir. Sei glücklich in diesem Palaste, Samt den Kindern, dem Volk, und Alkinoos, deinem Gemahle! Eilend ging nun der Held Odysseus über die Schwelle. |
65 | Ihn zu dem rüstigen Schiff ans Meergestade zu führen. Auch die Königin ließ ihn von drei Jungfrauen begleiten: Eine trug ihm den schöngewaschenen Mantel und Leibrock; Diese sandte sie mit, die zierliche Lade zu bringen; Jene folgte dem Zuge mit Speis' und rötlichem Weine. |
70 |
Als sie jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, |
75 | Ruhig schliefe. Dann stieg er hinein, und legte sich schweigend Auf sein Lager. Nun setzten sich alle hin auf die Bänke, Nach der Ordnung, und lösten das Seil vom durchlöcherten Steine, Beugten sich vor und zurück, und schlugen das Meer mit dem Ruder. Und ein sanfter Schlaf bedeckte die Augen Odysseus', |
80 | Unerwecklich und süß, und fast dem Tode zu gleichen.
Wie wenn auf ebener Bahn vier gleichgespannete Hengste |
85 | Dunkel und groß die Woge des lautaufrauschenden Meeres. Schnell und sicheres Laufes enteilten sie; selber kein Habicht Hätte sie eingeholt, der geschwindeste unter den Vögeln. Also durcheilte der schneidende Kiel die Fluten des Meeres, Heimwärts tragend den Mann, an Weisheit ähnlich den Göttern. |
90 | Ach! er hatte so viel unnennbare Leiden erduldet, Da er die Schlachten der Männer und tobende Fluten durchkämpfte; Und nun schlief er so ruhig, und alle sein Leiden vergessend. Als nun östlich der Stern mit funkelndem Schimmer emporstieg, |
95 | Schwebten sie nahe der Insel im meerdurchwallenden Schiffe. Phorkys, dem Greise des Meers, ist eine der Buchten geheiligt, Gegen der Ithaker Stadt, wo zwo vorragende schroffe Felsenspitzen der Reede sich an der Mündung begegnen. Diese zwingen die Flut, die der Sturm lautbrausend heranwälzt, |
100 | Draußen zurück; inwendig am stillen Ufer des Hafens Ruhn unangebunden die schöngebordeten Schiffe. Oben grünt am Gestad' ein weitumschattender Ölbaum. Eine Grotte, nicht fern von dem Ölbaum, lieblich und dunkel, Ist den Nymphen geweiht, die man Najaden benennet. |
105 | Steinerne Krüge stehn und zweigehenkelte Urnen Innerhalb; und Bienen bereiten drinnen ihr Honig. Aber die Nymphen weben auf langen steinernen Stühlen Feiergewande, mit Purpur gefärbt, ein Wunder zu schauen. Unversiegende Quellen durchströmen sie. Zwo sind der Pforten: |
110 | Eine gen Mitternacht, durch welche die Menschen hinabgehn; Mittagwärts die andre geheiligte: diese durchwandelt Nie ein sterblicher Mensch; sie ist der Unsterblichen Eingang. Jene lenkten hinein, denn sie kannten den Hafen schon vormals. |
115 | Stürmend ans Land: so stark war der Schwung von der Ruderer Händen. Und sie stiegen vom Schiffe mit zierlichen Bänken ans Ufer, Hoben zuerst Odysseus vom Hinterverdecke des Schiffes, Samt dem leinenen Teppich und schönen purpurnen Polster, Und dann legten sie ihn, wie er schlummerte, nieder im Sande. |
120 | Und sie enthoben das Gut, das die edlen Phäaken beim Abschied Ihm geschenkt, durch Fügung der mutigen Pallas Athene. Dieses legten sie alles zuhauf am Stamme des Ölbaums, Außer dem Wege, daß kein vorübergehender Wandrer Heimlich zu rauben käme, bevor Odysseus erwachte. |
125 | Und nun fuhren sie heim. Doch Poseidaon vergaß nicht Seiner Drohung, die er dem göttergleichen Odysseus Ehmals hatte gedroht; er forschte den Willen Kronions: Vater Zeus, auf immer ist bei den unsterblichen Göttern |
130 | Jene Phäaken, die selbst von meinem Blute gezeugt sind! Sieh, ich vermutet', es sollte nach vielen Leiden Odysseus Kommen ins Vaterland; denn gänzlich hätt' ich die Heimkehr Nimmer gewehrt, da dein allmächtiger Wink sie verheißen: Und sie bringen im Schlaf ihn über die Wogen, und setzen |
135 | Ihn in Ithaka aus, und geben ihm teure Geschenke, Erzes und Goldes die Meng', und schöngewebete Kleider, Mehr als Odysseus je aus Ilion hätte geführet, Wär' er auch ohne Schaden mit seiner Beute gekommen! Ihm antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion: |
140 | Welche Red' entfiel dir, du erderschütternder König? Nimmer verachten dich die Götter! vermessene Kühnheit Wär' es, den ältesten mächtigsten Gott mit Verachtung zu reizen. Weigert sich aber ein Mensch, durch Kraft und Stärke verleitet, Dich, wie er soll, zu ehren; so bleibt dir ja immer die Rache. |
145 | Tue jetzt, wie du willst, und deinem Herzen gelüstet!
Drauf erwiderte jenem der Erderschüttrer Poseidon: |
150 | Das vom Geleiten kehrt, im dunkelwogenden Meere Plötzlich verderben; damit sie sich scheun, und die Männergeleitung Lassen; und rings um die Stadt will ich ein hohes Gebirg ziehn. Ihm antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion: |
155 | Wann die Bürger der Stadt dem näher rudernden Schiffe Alle entgegen schaun, dann verwandel' es nahe dem Ufer Zum schiffähnlichen Fels; daß alle Menschen dem Wunder Staunen; und rings um die Stadt magst du ein hohes Gebirg ziehn. Als er solches vernommen, der Erderschüttrer Poseidon, |
160 | Ging er gen Scheria hin, dem Lande der stolzen Phäaken. Allda harrt' er; und bald kam nahe dem Ufer das schnelle Meerdurchgleitende Schiff. Da nahte sich Poseidaon, Schlug es mit flacher Hand, und siehe! plötzlich versteinert, Wurzelt' es fest am Boden des Meers. Drauf ging er von dannen. |
165 |
Aber am Ufer besprachen mit schnellgeflügelten Worten Wehe! wer hemmt im Meere den Lauf des rüstigen Schiffes, |
170 |
Also redeten sie, und wußten nicht, was geschehn war. Weh mir! es trifft mich jetzo ein längst verkündetes Schicksal. |
175 | Dieser würde dereinst ein treffliches Schiff der Phäaken, Das vom Geleiten kehrte, im dunkelwogenden Meere Plötzlich verderben, und rings um die Stadt ein hohes Gebirg ziehn. So weissagte der Greis; das wird nun alles erfüllet. Aber wohlan! gehorcht nun alle meinem Befehle. |
180 | Laßt die Männergeleitung, woher auch ein Sterblicher komme, Unserem Volke zu flehn; und opfert jetzo Poseidon Zwölf erlesene Stiere! Vielleicht erbarmt er sich unser, Daß er nicht rings um die Stadt ein hohes Felsengebirg zieht. Also sprach er, und bange bereiteten jene das Opfer. |
185 | Also beteten dort zum Meerbeherrscher Poseidon, Für der Phäaken Stadt, die erhabenen Fürsten und Pfleger, Stehend um den Altar. Da erwachte der edle Odysseus, Ruhend auf dem Boden der lange verlassenen Heimat. Und er kannte sie nicht; denn eine Göttin umhüllt' ihn |
190 | Rings mit dunkler Nacht, Zeus' Tochter, Pallas Athene, Ihn unkennbar zu machen, und alles mit ihm zu besprechen: Daß ihn weder sein Weib noch die Freund' und Bürger erkennten, Bis die üppigen Freier für allen Frevel gebüßet. Alles erschien daher dem ringsumschauenden König |
195 | Unter fremder Gestalt: Heerstraßen, schiffbare Häfen, Wolkenberührende Felsen, und hochgewipfelte Bäume. Jetzo erhub er sich, stand; und da er sein Vaterland ansah, Hub er bitterlich an zu weinen, und schlug sich die Hüften Beide mit flacher Hand, und sprach mit klagender Stimme: |
200 |
Weh mir! zu welchem Volke hin ich nun wieder gekommen? |
205 | Und mir hätte dagegen ein anderer mächtiger König Hilfe gewährt, mich bewirtet und hingesendet zur Heimat! Jetzo weiß ich es weder wo hinzulegen, noch kann ich's Hier verlassen, damit es nicht andern werde zur Beute! Ach! so galt denn bei jenen Gerechtigkeit weder, noch Weisheit, |
210 | Bei des phäakischen Volks erhabenen Fürsten und Pflegern, Die in ein fremdes Land mich gebracht! Sie versprachen so heilig, Mich nach Ithakas Höhn zu führen; und täuschten mich dennoch! Zeus vergelt' es ihnen, der Leidenden Rächer, der aller Menschen Beginnen schaut, und alle Sünde bestrafet! |
215 | Aber ich will doch jetzo die Güter zählen und nachsehn, Ob sie mir etwas geraubt, als sie im Schiffe davon flohn. |