Homer
Odyssee
Homer

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185  Auch der Männerbeherrscher Philötios brachte den Freiern
Eine gemästete Kuh und fette Ziegen zum Schmause.
Diese kamen vom festen Land' in der Fähre der Schiffer,
Die auch andere fahren, wenn jemand solches begehret.
Und er knüpfte sein Vieh auch unter der tönenden Halle
190  Fest; dann trat er näher, und fragte den edlen Eumäos:

Hüter der Schweine, wer ist der neulich gekommene Fremdling
Hier in unserem Hause? Von welchen rühmlichen Eltern
Stammt er ab? Wo ist sein Geschlecht und väterlich Erbe?
Armer! Wahrlich er trägt der herrschenden Könige Bildung!

195  Aber die Götter verdunkeln das Ansehn irrender Menschen,
Auch wenn Königen selbst ein solcher Jammer zu teil wird.

Also sprach er, und kam und reichte dem edlen Odysseus
Freundlich die rechte Hand, und sprach die geflügelten Worte:

Freue dich, fremder Vater! Es müsse dir wenigstens künftig

200  Wohl ergehn! denn jetzo umringt dich mancherlei Trübsal!
Vater Zeus, du bist doch vor allen Unsterblichen grausam!
Du erbarmest dich nicht der Menschen, die du gezeugt hast,
Sondern verdammst sie alle zu Not und schrecklichem Jammer!
Heißer und kalter Schweiß umströmte mich, als ich dich sahe,
205  Und mir tränten die Augen: ich dachte gleich an Odysseus,
Der wohl auch so zerlumpt bei fremden Leuten umherirrt;
Wo er anders noch lebt, und das Licht der Sonne noch schauet!
Ist er aber schon tot, und in der Schatten Behausung;
Weh mir! wie klag' ich Odysseus, den Herrlichem! der mich als Jüngling
210  Über die Rinder im Lande der Kephallenier setzte!
Diese werden nun fast unzählbar; schwerlich hat jemand
Eine so frischaufwachsende Zucht breitstirniger Rinder.
Aber mich zwingen Fremde, sie ihnen zum üppigen Mahle
Herzuführen, und achten nicht des Sohnes im Hause,
215  Zittern auch nicht vor der Rache der Götter; ja ihnen gelüstet
Schon, die Güter zu teilen des langabwesenden Königs.
O wie oft hat mein Herz in Verzweifelung diesen Gedanken
Hin und wieder bewegt: Sehr unrecht wär's, da der Sohn lebt,
In ein anderes Land mit den Rindern zu fliehen, und Hilfe
220  Fremder Leute zu suchen; doch schrecklicher ist es, zu bleiben,
Und die Rinder für andre mit innigem Kummer zu hüten.
Und ich wäre schon längst zu einem mächtigen König
Außer dem Lande geflohn; (denn es ist nicht länger zu dulden!)
Aber ich hoffe noch immer, daß mein unglücklicher König
225  Wiederkomm', und die Schar der Freier im Hause zerstreue!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Keinem geringen Manne noch törichten gleichst du, o Kuhhirt,
Und ich erkenn' es selber, du denkst vernünftig und edel;
Darum verkünd' ich dir jetzt, und beteur' es mit hohem Eidschwur:

230  Zeus von den Göttern bezeug' es, und diese gastliche Tafel,
Und Odysseus' heiliger Herd, zu welchem ich fliehe:
Du wirst selber zugegen sein, wann Odysseus zurückkommt,
Und so du willst, auch selber mit deinen Augen es ansehn,
Wie er die Freier vertilgt, die hier im Hause gebieten.

235 

Ihm antwortete drauf der Oberhirte der Rinder:
Fremdling, erfüllte doch Zeus, was du verkündet! Du solltest
Sehn, was auch meine Kraft und meine Hände vermöchten!

Auch Eumäos flehte zu allen unsterblichen Göttern,
Daß sie dem weisen Odysseus verstatteten wiederzukehren.

240  Also besprachen diese sich jetzo untereinander.

Und die Freier beschlossen, Telemachos heimlich zu töten.
Aber linksher kam ein unglückdrohender Vogel,
Ein hochfliegender Adler, und hielt die bebende Taube.
Als ihn Amphinomos sahe, da sprach er zu der Versammlung:

245 

Freunde, nimmer gelingt uns dieser heimliche Ratschluß
Über Telemachos' Tod; wohlauf! und gedenket des Mahles!

Also sprach er, und allen gefiel Amphinomos' Rede.
Und sie gingen ins Haus des göttergleichen Odysseus,
Legten die Mäntel nieder auf prächtige Sessel und Throne,

250  Opferten große Schafe zum Mahl, und gemästete Ziegen,
Opferten fette Schwein' und eine Kuh von der Weide.
Brieten und reichten umher die Eingeweide; und mischten
Dann des Weines in Kelchen; die Becher verteilte der Sauhirt;
Und der Männerbeherrscher Philötios reichte den Freiern
255  Brot in zierlichen Körben; Melanthios schenkte den Wein ein:
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.

Aber Telemachos hieß, auf Listen sinnend, Odysseus
Sitzen im schöngemauerten Saal, an der steinernen Schwelle,
Neben dem kleinen Tisch, auf einem der schlechteren Stühle.

260  Und er bracht' ihm ein Teil der Eingeweide, und schenkte
Wein in den goldenen Becher, und sprach zu dem edlen Odysseus:

Sitze nun ruhig hier, und trinke Wein mit den Männern.
Vor Gewaltsamkeiten und Schmähungen will ich dich selber
Schützen gegen die Freier! Denn hier ist kein öffentlich Gasthaus,

265  Sondern Odysseus' Haus; und ich bin der Erbe des Königs!
Aber ihr, o Freier, enthaltet euch aller Beschimpfung
Und Gewalt; damit kein Zank noch Hader entstehe!

Also sprach er; da bissen sie ringsumher sich die Lippen,
Über den Jüngling erstaunt, der so entschlossen geredet.

270  Aber Eupeithes' Sohn Antinoos sprach zur Versammlung:

Freunde, wie hart sie auch ist, wir wollen Telemachos' Rede
Nur annehmen; ihr hört ja des Jünglings schreckliche Drohung!
Zeus Kronion verstattet' es nicht, sonst hätten wir lange
Hier im Hause den Redner mit heller Stimme geschweiget.

275 

Also sprach der Freier, doch jener verachtete solches.
Und die Herolde führten die Hekatombe der Götter
Durch die Stadt; und die Schar der hauptumlockten Achaier
Ging in den Schattenhain des göttlichen Schützen Apollo.

Aber die Freier brieten das Fleisch und zogen's herunter,

280  Teilten's den Gästen umher und feirten das prächtige Gastmahl.
Und Odysseus brachten die Diener, welche zerlegten,
Ebensoviel des Fleisches, als jedem Gaste das Los gab,
Weil es Telemachos hieß, der Sohn des edlen Odysseus.

Aber den mutigen Freiern verstattete Pallas Athene

285  Nicht, des erbitternden Spottes sich ganz zu enthalten, damit noch
Heißer entbrennte das Herz des Laertiaden Odysseus.
Unter den Freiern war ein ungezogener Jüngling,
Dieser hieß Ktesippos und war aus Same gebürtig.
Stolz auf das große Gut des Vaters, warb er anitzo
290  Um die Gattin Odysseus', des langabwesenden Königs.
Dieser erhub die Stimme und sprach zu den trotzigen Freiern:

Höret, was ich euch sag, ihr edelmütigen Freier!
Zwar empfing der Fremdling schon längst sein gebührendes Anteil,
Eben wie wir; denn es wäre nicht recht und gegen den Wohlstand,

295  Fremde zu übergehn, die Telemachos' Wohnung besuchen:
Aber ich will ihm doch auch ein wenig verehren, damit er
Etwa die Magd, die ihn badet, beschenke, oder auch jemand
Sonst von den Leuten im Hause des göttergleichen Odysseus.

Also sprach er und warf mit nervichter Rechter den Kuhfuß,

300  Welcher im Korbe lag, nach Odysseus. Aber Odysseus
Wandte behende sein Haupt und barg mit schrecklichem Lächeln
Seinen Zorn; und das Bein fuhr gegen die zierliche Mauer.
Aber Telemachos schalt den Freier mit drohenden Worten:

Wahrlich, Ktesippos, es ist ein großes Glück für dein Leben,

305  Daß du den Fremdling nicht trafst; denn dieser beugte dem Wurf aus.
Traun, ich hätte dich gleich mit der spitzen Lanze durchbohret,
Und statt der Hochzeit würde dein Vater ein Leichenbegängnis
Hier begehn! Verübe mir keiner die mindeste Unart
Hier im Palast! Mir fehlt nun weder Verstand noch Erfahrung,
310  Gutes und Böses zu sehn; denn ehmals war ich ein Knabe!
Dennoch schaun wir es an und leiden alles geduldig,
Wie ihr das Mastvieh schlachtet und schwelgend den Wein und die Speise
Ausleert; denn was vermag ein einziger gegen so viele?
Aber hierbei laßt nun auch eure Beleidigung stillstehn!
315  Habt ihr indes beschlossen, mich mit dem Schwerte zu töten:
Lieber wollt ich doch das, und wahrlich, es wäre mir besser,
Sterben, als immerfort den Greul der Verwüstungen ansehn,
Wie man die Fremdlinge hier mißhandelt oder die Mägde
Zur abscheulichen Lust in den prächtigen Kammern umherzieht!

320 

Also sprach er, und alle verstummten umher und schwiegen.
Endlich erwiderte drauf Damastors Sohn Agelaos:

Freunde, Telemachos hat mit großem Rechte geredet;
Drum entrüste sich keiner, noch geb' ihm trotzige Antwort!
Auch mißhandelt nicht ferner den armen Fremdling, noch jemand

325  Von den Leuten im Hause des göttergleichen Odysseus.
Aber Telemachos möcht ich anitzt und Telemachos' Mutter
Dies wohlmeinend raten, wenn's ihrem Herzen gefiele.
Als ihr beide noch immer mit sehnlich harrendem Herzen
Hofftet die Wiederkehr des erfindungsreichen Odysseus,
330  War es nicht tadelhaft, zu warten und die Achaier
Hinzuhalten im Hause (denn besser wär es gewesen,
Hätten die Götter Odysseus verstattet wiederzukehren).
Doch nun ist es ja klar, daß Odysseus nimmer zurückkehrt.
Drum geh hin zu der Mutter und sag ihr, sie möge den besten
335  Jüngling, welcher das meiste geschenkt, zum Bräutigam wählen,
Daß du alle Güter des Vaters beherrschen und friedlich
Essen und trinken könnest, da sie mit dem Manne hinwegzieht!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Nein, bei Zeus, Agelaos, und bei den Leiden des Vaters,

340  Der von Ithaka ferne den Tod fand oder umherirrt,
Ich verhindre sie nicht, ich selber heiße die Mutter
Wählen, welchen sie will und wer sie reichlich beschenket.
Aber ich scheue mich, sie mit harten Worten gewaltsam
Aus dem Hause zu treiben; das wolle Gott nicht gefallen!

345 

Also sprach er. Und siehe, ein großes Gelächter erregte
Pallas Athene im Saal und verwirrte der Freier Gedanken.
Und schon lachten sie alle mit gräßlichverzuckten Gesichtern.
Blutbesudeltes Fleisch verschlangen sie jetzo; die Augen
Waren mit Tränen erfüllt, und Jammer umschwebte die Seele.

350  Und der göttliche Mann Theoklymenos sprach zur Versammlung:

Ach, unglückliche Männer, welch Elend ist euch begegnet!
Finstere Nacht umhüllt euch Haupt und Antlitz und Glieder!
Und Wehklagen ertönt, und Tränen netzen die Wangen!
Und von Blute triefen die Wänd' und das schöne Getäfel!

355  Flatternde Geister füllen die Flur, und füllen den Vorhof,
Zu des Erebos Schatten hinuntereilend! Die Sonne
Ist am Himmel erloschen, und rings herrscht schreckliches Dunkel!

Also sprach er; und alle begannen herzlich zu lachen.
Aber Polybos' Sohn Eurymachos sprach zu den Freiern:

360 

Hört, wie der Fremdling rast, der neulich von ferne hieherkam!
Hurtig, ihr Jünglinge, eilt, und leitet ihn aus dem Palaste
Nach dem Versammlungsplatz! Hier kommt ihm alles wie Nacht vor!

Und der göttliche Mann Theoklymenos gab ihm zur Antwort:
Keineswegs bedarf ich, Eurymachos, deiner Geleiter;

365  Denn du siehst, ich habe noch Augen und Ohren und Füße,
Und mein guter Verstand ist auch nicht irre geworden.
Hiermit will ich allein hinausgehn; denn ich erkenne
Schon das kommende Graun des Todes, dem keiner entfliehn wird,
Keiner von euch, ihr Freier im Hause des edlen Odysseus,
370  Wo ihr die Fremdlinge höhnt, und schändliche Greuel verübet!

Also sprach er, und ging aus der schöngebaueten Wohnung
Hin zum Hause Peiräos', und wurde freundlich empfangen.

Aber die Freier sahn sich all' einander ins Antlitz,
Höhnten Telemachos aus, und lachten über die Gäste.

375  Unter dem Schwarme begann ein übermütiger Jüngling:

Nein, Telemachos, keiner hat jemals schlechtere Gäste
Aufgenommen, als du! Denn dieser verhungerte Bettler
Sitzt da, nach Speise und Wein heißhungrig; aber zur Arbeit
Hat er nicht Lust noch Kraft, die verworfene Last der Erde!

380  Und der andere dort erhub sich, uns wahrzusagen.
Aber willst du mir folgen; (es ist wahrhaftig das beste!)
Laß uns die Fremdlinge beid' im vielgeruderten Schiffe
Zu den Sikelern senden; da kannst du sie teuer verkaufen.

Also sprachen die Freier; doch jener verachtete solches.

385  Schweigend sah er Odysseus an, und harrte beständig,
Wann sein mächtiger Arm die schamlosen Freier bestrafte.

Gegenüber dem Saal auf einem prächtigen Sessel
Saß Ikarios' Tochter, die kluge Penelopeia,
Und behorchte die Reden der übermütigen Männer.

390  Diese feirten nun zwar mit lautem Lachen das Frühmahl,
Lustig und fröhliches Muts, denn sie hatten die Menge geschlachtet:
Doch unlieblicher ward kein Abendschmaus noch gefeiert,
Als den bald die Göttin, mit ihr der starke Odysseus,
Jenen gab, die bisher so schändliche Greuel verübten.

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