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Also sprach sie zum Schein, den Gemahl zu versuchen. Doch zürnend Wandte sich jetzt Odysseus zu seiner edlen Gemahlin: Wahrlich, o Frau, dies Wort hat meine Seele verwundet! |
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185 | Selbst der erfahrenste Mann; wo nicht der Unsterblichen einer Durch sein allmächtiges Wort es leicht von der Stelle versetzte: Doch kein sterblicher Mensch, und trotzt' er in Kräften der Jugend, Könnt' es hinwegarbeiten! Ein wunderbares Geheimnis War an dem künstlichen Bett; und ich selber baut' es, kein andrer! |
190 | Innerhalb des Gehegs war ein weitumschattender Ölbaum, Stark und blühendes Wuchses; der Stamm glich Säulen an Dicke. Rings um diesen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen Unser Ehegemach, und wölbte die obere Decke, Und verschloß die Pforte mit festeinfugenden Flügeln. |
195 | Hierauf kappt' ich die Äste des weitumschattenden Ölbaums, Und behaute den Stamm an der Wurzel, glättet' ihn ringsum Künstlich und schön mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtschnur; Schnitzt' ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt' ihn rings mit dem Bohrer, Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette, |
200 | Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war; Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut. Dies Wahrzeichen sag' ich dir also. Aber ich weiß nicht, Frau, ob es noch so ist, wie vormals; oder ob jemand Schon den Fuß von der Wurzel gehaun, und das Bette versetzt hat. |
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Also sprach er. Der Fürstin erzitterten Herz und Kniee, Sei mir nicht bös, Odysseus! Du warst ja immer ein guter |
210 | Und verständigen Mann! Die Götter gaben uns Elend; Denn zu groß war das Glück, daß wir beisammen in Eintracht Unserer Jugend genössen, und sanft dem Alter uns nahten! Aber du mußt mir jetzo nicht darum zürnen noch gram sein, Daß ich, Geliebter, dich nicht beim ersten Blicke bewillkommt! |
215 | Siehe, mein armes Herz war immer in Sorgen, es möchte Irgend ein Sterblicher kommen, und mich mit täuschenden Worten Hintergehn; es gibt ja so viele schlaue Betrüger! Nimmer hätte der Fremdling die schöne argeiische Fürstin Helena, Tochter von Zeus, zur heimlichen Liebe verleitet; |
220 | Hätte sie vorbedacht, daß die kriegrischen Söhne Achaias Würden mit Feuer und Schwert sie zurück aus Ilion fodern. Aber gereizt von der Göttin, erlag sie der schnöden Verführung, Und erwog nicht vorher in ihrem Herzen das nahe Schreckengericht, das auch uns so vielen Jammer gebracht hat! |
225 | Jetzo, da du, Geliebter, mir so umständlich die Zeichen Unserer Kammer nennst, die doch kein Sterblicher sahe, Sondern nur du und ich, und die einzige Kammerbediente Aktoris, welche mein Vater mir mitgab, als ich hieher zog, Die uns beiden die Pforte bewahrt des festen Gemaches: |
230 | Jetzo besiegst du mein Herz, und alle Zweifel verschwinden.
Also sprach sie. Da schwoll ihm sein Herz von inniger Wehmut: |
235 | Mitten im Meere durch Sturm und geschwollene Fluten zerschmettert; Wenige nur entflohn dem dunkelwogenden Abgrund, Schwimmen ans Land, ringsum vom Schlamme des Meeres besudelt, Und nun steigen sie freudig, dem Tod' entronnen, ans Ufer: So erfreulich war ihr der Anblick ihres Gemahles; |
240 | Und fest hielt sie den Hals mit weißen Armen umschlungen. Und sie hätten vielleicht bis zur Morgenröte gejammert; Aber ein andres beschloß die heilige Pallas Athene. Denn sie hemmte die Nacht am Ende des Laufes, und weilte An des Oceans Fluten die goldenthronende Eos: |
245 | Und noch spannte sie nicht die schnellen leuchtenden Rosse Lampos und Phäton an, das Licht den Menschen zu bringen. Aber zu seiner Gemahlin begann der weise Odysseus: Liebes Weib, noch haben wir nicht der furchtbaren Kämpfe |
250 | Viel und gefahrenvoll, und alle muß ich vollenden! Also verkündigte mir des großen Teiresias' Seele, Jenes Tages, da ich in Aïs' Wohnung hinabstieg, Forschend nach der Gefährten und meiner eigenen Heimkehr. Aber nun laß uns, Frau, zu Bette gehen: damit uns |
255 | Beide jetzo die Ruhe des süßen Schlafes erquicke.
Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: |
260 | Aber weil dich ein Gott daran erinnert, mein Lieber, Sage mir auch den Kampf! Ich muß ihn, denk' ich, doch einmal Hören; so ist es ja wohl nicht schlimmer, ihn gleich zu erfahren. Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
265 | Sage? Ich will es dir denn verkünden, und nichts dir verhehlen. Freilich wird sich darob dein Herz nicht freuen; ich selber Freue mich nicht. Denn mir gebeut der erleuchtete Seher, Fort durch die Welt zu gehn, in der Hand ein geglättetes Ruder, Immerfort, bis ich komme zu Menschen, welche das Meer nicht |
270 | Kennen, und keine Speise gewürzt mit Salze genießen, Welchen auch Kenntnis fehlt von rotgeschnäbelten Schiffen, Und von geglätteten Rudern, den Fittichen eilender Schiffe. Deutlich hat er sie mir bezeichnet, daß ich nicht irre. Wenn ein Wanderer einst, der mir in der Fremde begegnet, |
275 | Sagt, ich trag' eine Schaufel auf meiner rüstigen Schulter; Dann soll ich dort in die Erde das schöngeglättete Ruder Stecken, und Opfer bringen dem Meerbeherrscher Poseidon, Einen Widder und Stier und einen mutigen Eber; Drauf zur Heimat kehren, und opfern heilige Gaben |
280 | Allen unsterblichen Göttern, des weiten Himmels Bewohnern, Nach der Reihe herum. Zuletzt wird außer dem Meere Kommen der Tod, und mich, von hohem behaglichem Alter Aufgelöseten, sanft hinnehmen, wann ringsum die Völker Froh und glücklich sind. Dies hat mir der Seher verkündet. |
285 |
Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: Also besprachen diese sich jetzo untereinander. |
290 | Weiche Gewande zum Lager, beim Scheine leuchtender Fackeln. Und nachdem sie in Eile das warme Lager gebettet, Ging die Alte zurück in ihre Kammer, zu ruhen. Aber Eurynome führte den König und seine Gemahlin Zu dem bereiteten Lager, und trug die leuchtende Fackel; |
295 | Als sie die Kammer erreicht, enteilte sie. Jene bestiegen Freudig ihr altes Lager, der keuschen Liebe geheiligt. Aber Telemachos, der Rinderhirt und der Sauhirt |
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Jene, nachdem sie die Fülle der seligen Liebe gekostet, |
305 | Scharenweise geschlachtet, und frech im Weine geschwelget. Dann erzählte der Held, wie vielen Jammer er andern Menschen gebracht, und wie viel er selber vom Schicksal erduldet. Und die Königin horchte mit inniger Wonne; kein Schlummer Sank auf die Augenlider, bevor er alles erzählet. |
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Und er begann, wie er erst die Kikonen bezwungen, und hierauf |
315 | Ausgerüstet; allein die Stunde der fröhlichen Heimkehr War noch nicht; denn er trieb, von dem wilden Orkane geschleudert, Lautwehklagend zurück ins fischdurchwimmelte Weltmeer. Wie er Telepylos dann und die Lästrygonen gesehen, Wo er die rüstigen Schiffe und schöngeharnischten Freunde |
320 | Alle verlor; nur er selber entrann mit dem schwärzlichen Schiffe. Auch von Kirkes Betrug und Zauberkünsten erzählt' er; Und wie er hingefahren in Aïdes dumpfe Behausung, Um des thebäischen Greises Teiresias' Seele zu fragen, Im vielrudrigen Schiff, und alle Freunde gesehen, |
325 | Auch die Mutter, die ihn gebar und als Knaben ernährte. Wie er dann den Gesang der holden Sirenen gehöret; Dann die irrenden Klippen gesehn, und die wilde Charybdis, Und die Skylla, die keiner noch unbeschädigt vorbeifuhr. Dann, wie seine Gefährten die Sonnenrinder geschlachtet; |
330 | Und wie sein rüstiges Schiff der Gott hochrollender Donner Zeus mit dem Blitze zerschmettert; es sanken die tapfern Genossen Allzumal, nur er selber entfloh dem Schreckenverhängnis. Wie er drauf gen Ogygia kam, zur Nymphe Kalypso, Die ihn so lang aufhielt in ihrer gewölbeten Grotte, |
335 | Und zum Gemahl ihn begehrte: sie reicht' ihm Nahrung und sagte Ihm Unsterblichkeit zu und nimmerverblühende Jugend; Dennoch vermochte sie nicht sein standhaftes Herz zu bewegen. Wie er endlich, nach großer Gefahr, die Phäaken erreichet, Welche von Herzen ihn hoch, wie einen Unsterblichen, ehrten, |
340 | Und ihn sandten im Schiffe zur lieben heimischen Insel, Reichlich mit Erz und Golde beschenkt und prächtigen Kleidern. Und kaum hatt' er das Letzte gesagt, da beschlich ihn der süße Sanftauflösende Schlummer, den Gram der Seele vertilgend. Aber ein Neues ersann die heilige Pallas Athene: |
345 | Als sie glaubte, der Held Odysseus habe nun endlich Seine Seele in Lieb' und süßem Schlafe gesättigt; Rief sie vom Ocean schnell die goldenthronende Frühe, Daß sie die finstere Welt erleuchtete. Aber Odysseus Sprang vom schwellenden Lager, und sprach zu seiner Gemahlin: |
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Frau, wir haben bisher der Leiden volle Genüge |
355 | Sorge du für die Güter, die mir im Palaste geblieben; Aber die Rinder und Schafe, die mir die Freier verschwelget, Werden mir teils die Achaier ersetzen, und andere werd' ich Beuten von fremden Völkern, bis alle Höfe gefüllt sind. Jetzo geh' ich hinaus, den guten Vater Laertes |
360 | Auf dem Lande zu sehn, der mich so herzlich bejammert. Dir befehl' ich, o Frau; zwar bist du selber verständig: Gleich wenn die Sonn' aufgeht, wird sicher der Ruf von den Freiern Durch die Stadt sich verbreiten, die ich im Hause getötet; Darum steig' in den Söller, und sitze dort unter den Weibern |
365 | Ruhig; siehe nach keinem dich um, und rede mit keinem.
Also sprach er, und panzerte sich mit schimmernder Rüstung, |
370 | Schlossen die Pforte dann auf, und gingen, geführt von Odysseus. Schon umschimmerte Licht die Erde. Doch Pallas Athene Führte sie schnell aus der Stadt, mit dichtem Nebel umhüllet. |