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Jetzo besucht' ihn Odysseus, die reichen Geschenke zu holen. Aber Autolykos selbst und Autolykos' treffliche Söhne |
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415 | Reichten Odysseus die Hand, und hießen ihn freundlich willkommen; Auch Amphithea lief dem Enkel entgegen, umarmt' ihn, Küßte sein Angesicht und beide glänzenden Augen. Und Autolykos rief und ermahnte die rühmlichen Söhne, Daß sie Odysseus ein Mahl bereiteten. Diese gehorchten: |
420 | Eilten hinaus, und führten ein stark fünfjähriges Rind her, Schlachteten, zogen es ab, und hauten es ganz voneinander, Und zerstückten behende das Fleisch, und steckten's an Spieße, Brieten's mit Vorsicht über der Glut, und verteilten's den Gästen. Also saßen sie dort den Tag bis die Sonne sich neigte, |
425 | Und erfreuten ihr Herz am gleichgeteileten Mahle. Als die Sonne nun sank, und Dunkel die Erde bedeckte, Legten sie sich zur Ruh, und nahmen die Gabe des Schlafes. Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, |
430 | Und die spürenden Hunde; mit ihnen der edle Odysseus. Und sie erstiegen die Höhe des waldbewachs'nen Parnassos, Und durchwandelten bald des Berges luftige Krümmen. Aus dem stillen Gewässer des Oceanes erhub sich Jetzo die Sonn', und erhellte mit jungen Strahlen die Gegend. |
435 | Aber die Jäger durchsuchten das waldbewachsene Bergtal: Vornan liefen die spürenden Hund', und hinter den Hunden Gingen Autolykos' Söhne; doch eilte der edle Odysseus Immer voraus, und schwang den weithinschattenden Jagdspieß. Allda lag im dichten Gesträuch ein gewaltiger Eber. |
440 | Nie durchstürmte den Ort die Wut naßhauchender Winde, Ihn erleuchtete nimmer mit warmen Strahlen die Sonne, Selbst der gießende Regen durchdrang ihn nimmer: so dicht war Dieses Gesträuch, und hoch bedeckten die Blätter den Boden. Jener vernahm das Getös von den Füßen der Männer und Hunde, |
445 | Welche dem Lager sich nahten, und stürzte hervor aus dem Dickicht, Hoch die Borsten gesträubt mit feuerflammenden Augen, Grad' auf die Jäger, und stand. Odysseus, welcher voranging, Flog, in der nervichten Faust den langen erhobenen Jagdspieß, Ihn zu verwunden, hinzu; doch er kam ihm zuvor, und hieb ihm |
450 | Über dem Knie in die Lende: der seitwärts mähende Hauer Riß viel Fleisch ihm hinweg, doch drang er nicht auf den Knochen. Aber Odysseus traf die rechte Schulter des Ebers, Und bis vorn durchdrang ihm die Spitze der schimmernden Lanze: Schreiend stürzt' er dahin in den Staub, und das Leben verließ ihn. |
455 | Um ihn waren sogleich Autolykos' Söhne beschäftigt. Diese verbanden dem edlen, dem göttergleichen Odysseus Sorgsam die Wund', und stillten das schwarze Blut mit Beschwörung; Und dann kehrten sie schnell zu ihres Vaters Palaste. Als ihn Autolykos dort und Autolykos' Söhne mit Sorgfalt |
460 | Hatten geheilt; da beschenkten sie ihn sehr reichlich, und ließen, Froh des Jünglings, ihn froh nach seiner heimischen Insel Ithaka ziehn. Sein Vater und seine treffliche Mutter Freuten sich herzlich ihn wiederzusehn, und fragten nach allem, Wo er die Narbe bekommen; da sagt' er die ganze Geschichte: |
465 | Wie ein Eber sie ihm mit weißem Zahne gehauen, Als er auf dem Parnaß mit Autolykos' Söhnen gejaget. Diese betastete jetzo mit flachen Händen die Alte, |
470 | Stürzt' auf die Seite herum, und das Wasser floß auf den Boden. Freud' und Angst ergriffen das Herz der Alten: die Augen Wurden mit Tränen erfüllt, und atmend stockte die Stimme. Endlich erholte sie sich, und faßt ihn ans Kinn, und sagte: Wahrlich du bist Odysseus, mein Kind! und ich habe nicht eher |
475 | Meinen Herren erkannt, bevor ich dich ringsum betastet!
Also sprach sie, und wandte die Augen nach Penelopeia, |
480 | Faßte schnell mit der rechten Hand die Kehle der Alten, Und mit der andern zog er sie näher heran, und sagte: Mütterchen, mache mich nicht unglücklich! Du hast mich an deiner |
485 | Aber da du mich nun durch Gottes Fügung erkannt hast, Halt es geheim, damit es im Hause keiner erfahre! Denn ich sage dir sonst, und das wird wahrlich erfüllet! Wenn mir Gott die Vertilgung der stolzen Freier gewähret, Siehe dann werd' ich auch deiner, die mich gesäuget, nicht schonen; |
490 | Sondern ich töte dich selbst mit den übrigen Weibern im Hause!
Ihm antwortete drauf die verständige Eurykleia: |
495 | Eins verkünd' ich dir noch, und du nimm solches zu Herzen: Wann dir Gott die Vertilgung der stolzen Freier gewähret, Siehe, dann will ich selbst die Weiber im Hause dir nennen, Alle, die dich verraten, und die unsträflich geblieben. Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
500 | Mütterchen, warum willst du sie nennen? Es ist ja nicht nötig. Kann ich nicht selbst aufmerken, und ihre Gesinnungen prüfen? Aber verschweig die Sache, und überlaß sie den Göttern. Also sprach er. Da eilte die Pflegerin aus dem Gemache, |
505 | Als sie ihn jetzo gewaschen, und drauf mit Öle gesalbet; Nahm Odysseus den Stuhl, und zog ihn näher ans Feuer, Sich zu wärmen, und bedeckte mit seinen Lumpen die Narbe. Drauf begann das Gespräch die verständige Penelopeia: Fremdling, ich will dich jetzo nur noch ein weniges fragen; |
510 | Denn es nahet bereits die Stunde der lieblichen Ruhe, Wem sein Leiden vergönnt, in süßem Schlummer zu ruhen. Aber mich Arme belastet ein unermeßlicher Jammer! Meine Freude des Tags ist, unter Tränen und Seufzern In dem Saale zu wirken, und auf die Mägde zu sehen. |
515 | Aber kömmt nun die Nacht, da alle Sterblichen ausruhn; Lieg' ich schlaflos im Bett, und tausend nagende Sorgen Wühlen mit neuer Wut um meine zerrissene Seele. Wie wenn die Nachtigall, Pandareos' liebliche Tochter, Ihren schönen Gesang im beginnenden Frühling erneuert; |
520 | Sitzend unter dem Laube der dichtumschattenden Bäume, Rollt sie von Tönen zu Tönen die schnelle melodische Stimme, Ihren geliebten Sohn, den sie selber ermordet, die Törin! Ihren Itylos klagend, den Sohn des Königes Zethos: Also wendet sich auch mein Geist bald hiehin bald dorthin: |
525 | Ob ich noch weile beim Sohn, und alle Güter bewahre, Meine Hab', und die Mägd', und die hohe prächtige Wohnung, Scheuend das Lager des Ehegemahls und die Stimme des Volkes; Oder jetzt von den Freiern im Hause den tapfersten Jüngling, Welcher das meiste geschenkt, zu meinem Bräutigam wähle. |
530 | Als mein Sohn noch ein Kind war und schwaches Verstandes, da durft' ich Ihm zuliebe nicht wählen, noch diese Wohnung verlassen; Nun da er größer ist, und des Jünglings Alter erreicht hat, Wünscht er selber, ich möge nur bald aus dein Hause hinweggehn, Zürnend wegen der Habe, so ihm die Achaier verschwelgen. |
535 | Aber höre den Traum, und sage mir seine Bedeutung. Zwanzig Gänse hab' ich in meinem Hause, die fressen Weizen mit Wasser gemischt; und ich freue mich, wenn ich sie anseh'. Aber es kam ein großer krummgeschnabelter Adler Von dem Gebirg', und brach den Gänsen die Hälse; getötet |
540 | Lagen sie all' im Haus', und er flog in die heilige Luft auf. Und ich begann zu weinen, und schluchzt' im Traume. Da kamen, Ringsumher, mich zu trösten, der Stadt schönlockige Frauen; Aber ich jammerte laut, daß der Adler die Gänse getötet. Plötzlich flog er zurück, und saß auf dem Simse des Rauchfangs, |
545 | Wandte sich tröstend zu mir, und sprach mit menschlicher Stimme:
Tochter des fernberühmten Ikarios, fröhliches Mutes! |
550 | Daß ich den Freiern allein ein schreckliches Ende bereite.
Also sprach der Adler. Der süße Schlummer verließ mich; Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
555 | Fürstin, es wäre vergebens, nach einer anderen Deutung Deines Traumes zu forschen. Dir sagte ja selber Odysseus, Wie er ihn denkt zu erfüllen. Verderben drohet den Freiern Allzumal, und keiner entrinnt dem Todesverhängnis. Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: |
560 | Fremdling, es gibt doch dunkle und unerklärbare Träume, Und nicht alle verkünden der Menschen künftiges Schicksal. Denn es sind, wie man sagt, zwo Pforten der nichtigen Träume: Eine von Elfenbein, die andre von Horne gebauet. Welche nun aus der Pforte von Elfenbeine herausgehn, |
565 | Diese täuschen den Geist durch lügenhafte Verkündung; Andere, die aus der Pforte von glattem Horne hervorgehn, Deuten Wirklichkeit an, wenn sie den Menschen erscheinen. Aber ich zweifle, ob dorther ein vorbedeutendes Traumbild Zu mir kam. O wie herzlich erwünscht wär' es mir und dem Sohne! |
570 | Eins verkünd' ich dir noch, und du nimm solches zu Herzen. Morgen erscheinet der Tag, der entsetzliche! der von Odysseus' Hause mich trennen wird; denn morgen gebiet' ich den Wettkampf, Durch zwölf Äxte zu schießen, die jener in seinem Palaste Pflegte, wie Hölzer des Kiels, in grader Reihe zu stellen; |
575 | Ferne stand er alsdann, und schnellte den Pfeil durch die Äxte. Diesen Wettkampf will ich den Freiern jetzo gebieten. Wessen Hand von ihnen den Bogen am leichtesten spannet, Und mit der Senne den Pfeil durch alle zwölf Äxte hindurchschnellt: Sieh, dem folg' ich als Weib aus diesem werten Palaste |
580 | Meines ersten Gemahls, dem prächtigen reichen Palaste, Dessen mein Herz sich vielleicht noch künftig in Träumen erinnert. Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
585 | Wahrlich noch eher kommt der erfindungsreiche Odysseus, Ehe von allen, die mühsam den glatten Bogen versuchen, Einer die Senne spannt, und den Pfeil durch die Eisen hindurchschnellt. Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: |
590 | Unterhalten, mir würde kein Schlaf die Augen bedecken. Aber es können ja doch die sterblichen Menschen nicht immer Schlaflos sein; die Götter bestimmten jegliches Dinges Maß und Ziel den Menschen auf lebenschenkender Erde. Darum will ich jetzo in meine Kammer hinaufgehn, |
595 | Auf dem Lager zu ruhig, dem jammervollen, das immer Meine Tränen benetzen, seitdem Odysseus hinwegfuhr, Troja zu sehn, die verwünschte, die keiner nennet ohn' Abscheu! Dorthin geh' ich zu ruhn; du aber bereite dein Lager Hier im Haus auf der Erd', oder laß ein Bette dir bringen. |
600 |
Also sprach Sie, und stieg empor zu den schönen Gemächern, |