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Also täuscht' er die Gattin mit wahrheitgleicher Erdichtung. Aber die horchende Gattin zerfloß in Tränen der Wehmut. |
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205 | Wie der Schnee, den der West auf hohen Bergen gehäuft hat, Vor dem schmelzenden Hauche des Morgenwindes herabfließt; Daß von geschmolzenem Schnee die Ströme den Ufern entschwellen: Also flossen ihr Tränen die schönen Wangen herunter, Da sie den nahen Gemahl beweinete. Aber Odysseus |
210 | Fühlt' im innersten Herzen den Gram der weinenden Gattin; Dennoch standen die Augen wie Horn ihm, oder wie Eisen, Unbewegt in den Wimpern; denn klüglich hemmt' er die Träne. Und nachdem sie ihr Herz mit vielen Tränen erleichtert, Da begann sie von neuem, und gab ihm dieses zur Antwort: |
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Nun ich muß dich doch ein wenig prüfen, o Fremdling, |
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Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
225 | Einen zottichten schönen gefütterten Mantel von Purpur Trug der edle Odysseus, mit einer zwiefachgeschloßnen Goldenen Spange daran, und vorn gezieret mit Stickwerk. Zwischen den Vorderklauen des gierigblickenden Hundes Zappelt' ein fleckichtes Rehchen; und alle sahn mit Bewundrung, |
230 | Wie, aus Golde gebildet, der Hund an der Gurgel das Rehkalb Hielt, und das ringende Reh zu entfliehn mit den Füßen sich sträubte. Unter dem Mantel bemerkt' ich den wunderköstlichen Leibrock: Zart und weich, wie die Schale von einer getrockneten Zwiebel, War das feine Geweb', und glänzendweiß, wie die Sonne. |
235 | Wahrlich viele Weiber betrachteten ihn mit Entzücken. Eines sag' ich dir noch, und du nimm solches zu Herzen! Sicher weiß ich es nicht: ob Odysseus die Kleider daheim trug; Oder ob sie ein Freund ihm mit zu Schiffe gegeben, Oder irgend ein Fremdling, der ihn bewirtet. Denn viele |
240 | Waren Odysseus hold, ihm glichen wenig Achaier. Ich auch schenkt' ihm ein ehernes Schwert, ein gefüttertes schönes Purpurfarbnes Gewand, und einen passenden Leibrock, Und entließ ihn mit Ehren zum schöngebordeten Schiffe. Endlich folgte dem Helden ein etwas älterer Herold |
245 | Nach; auch dessen Gestalt will ich dir jetzo beschreiben. Bucklicht war er, und schwarz sein Gesicht, und lockicht sein Haupthaar; Und Eurybates hieß er; Odysseus schätzte vor allen Übrigen Freunden ihn hoch, denn er suchte sein Bestes mit Klugheit. Also sprach er; da hub sie noch heftiger an zu weinen, |
250 | Als sie die Zeichen erkannte, die ihr Odysseus beschrieben. Und nachdem sie ihr Herz mit vielen Tränen erleichtert, Da begann sie von neuem, und gab ihm dieses zur Antwort: Nun du sollst mir, o Fremdling, so jammervoll du vorhin warst, |
255 | Denn ich selber gab ihm die Kleider, wovon du erzählest, Wohlgefügt aus der Kammer, und setzte die goldene Spange Ihm zur Zierde daran. Doch niemals werd' ich ihn wieder Hier im Hause begrüßen, wann er zur Heimat zurückkehrt! Zur unseligen Stund' einschiffte mein trauter Odysseus, |
260 | Troja zu sehn, die verwünschte, die keiner nennet ohn' Abscheu!
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
265 | Denn es weint wohl jegliche Frau, die den Gatten verloren, Ihrer Jugend Gemahl, mit dem sie Kinder gezeugt hat; Und von Odysseus sagt man, er sei den Unsterblichen ähnlich. Aber mäßige dich, und höre, was ich dir sage: Denn ich will dir die Wahrheit verkünden, und nichts dir verhehlen, |
270 | Was ich von deines Gemahls Zurückkunft hörte, der jetzo Nahe von hier im fetten Gebiet der thesprotischen Männer Lebt. Er kehret mit großem und köstlichem Gute zur Heimat, Das ihm die Völker geschenkt. Doch seine lieben Gefährten Und sein rüstiges Schiff verlor er im stürmenden Meere, |
275 | Als er Thrinakiens Ufer verließ; denn es zürnten dem Helden Zeus und der Sonnengott, des Rinder die Seinen geschlachtet. Alle diese versanken im dunkelwogenden Meere. Aber er rettete sich auf den Kiel, und trieb mit den Wellen An das glückliche Land der götternahen Phäaken. |
280 | Diese verehrten ihn herzlich, wie einen der seligen Götter, Schenkten ihm großes Gut, und wollten ihn unbeschädigt Heim gen Ithaka bringen. Dann wäre vermutlich Odysseus Lange schon hier; allein ihm schien es ein besserer Anschlag Noch durch mehrere Länder zu reisen, und Güter zu sammeln: |
285 | So wie immer Odysseus vor allen Menschen auf Erden Wußte, was Vorteil schafft; kein Sterblicher gleicht ihm an Weisheit! Also sagte mir Pheidon, der edle thesprotische König, Dieser beschwur es mir selbst, und beim Trankopfer im Hause, Segelfertig wäre das Schiff, und bereit die Gefährten, |
290 | Um ihn heimzusenden in seiner Väter Gefilde. Aber mich sandt' er zuvor im Schiffe thesprotischer Männer, Welches zum weizenreichen Gefilde Dulichions abfuhr. Pheidon zeigte mir auch die gesammelten Güter Odysseus'. Noch bis ins zehnte Glied sind seine Kinder versorget: |
295 | Solch ein unendlicher Schatz lag dort im Hause des Königs! Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hören: Wie er in Ithaka ihm, nach seiner langen Entfernung, Heimzukehren beföhle, ob öffentlich oder verborgen. |
300 | Also lebt er noch frisch und gesund, und kehret gewiß nun Bald zurück; er irrt nicht lange mehr in der Fremde Von den Seinigen fern: und das beschwör' ich dir heilig! Zeus bezeuge mir das, der höchste und beste der Götter, Und Odysseus' heiliger Herd, zu welchem ich fliehe: |
305 | Daß dies alles gewiß geschehn wird, wie ich verkünde! Selbst noch in diesem Jahre wird wiederkehren Odysseus, Wann der jetzige Mond abnimmt, und der folgende zunimmt! Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: |
310 | Dann erkenntest du bald an vielen und großen Geschenken Deine Freundin, und jeder Begegnende priese dich selig! Aber es ahnet mir schon im Geiste, wie es geschehn wird. Weder Odysseus kehrt zur Heimat wieder, noch wirst du Jemals weiter gebracht; denn hier sind keine Gebieter, |
315 | Welche, wie einst der Held Odysseus, da er noch lebte, Edle Gäste mit Ehren bewirteten oder entließen. Aber ihr Mägde, wascht ihm die Füß', und bereitet sein Lager: Bringet ein Bett, und bedeckt es mit Mänteln und prächtigen Polstern, Daß er in warmer Ruhe den goldenen Morgen erwarte. |
320 | Aber morgen sollt ihr ihn frühe baden und salben, Daß er also geschmückt an Telemachos' Seite das Frühmahl Hier im Saale genieße. Doch reuen soll es den Freier, Der ihn wieder so frech mißhandelt: nicht das Geringste Hab' er hier ferner zu schaffen, und zürnt' er noch so gewaltig! |
325 | Denn wie erkenntest du doch, o Fremdling, ob ich an Klugheit Und verständigem Herzen vor andern Frauen geschmückt sei, Ließ ich dich ungewaschen und schlechtbekleidet im Hause Speisen? Es sind ja den Menschen nur wenige Tage beschieden. Wer nun grausam denkt, und grausame Handlungen ausübt; |
330 | Diesem wünschen alle, so lang' er lebet, nur Unglück, Und noch selbst im Tode wird sein Gedächtnis verabscheut. Aber wer edel denkt, und edle Handlungen ausübt; Dessen würdigen Ruhm verbreiten die Fremdlinge weithin Unter die Menschen auf Erden, und jeder segnet den Guten. |
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Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
340 | Laß mich denn diese Nacht so ruhn, wie ich es gewohnt hin: Viele schlaflose Nächte hab' ich auf elendem Lager Hingebracht, und sehnlich den schönen Morgen erwartet. Auch gebeut nicht diesen, mir meine Füße zu waschen; Denn ich möchte nicht gern verstatten, daß eine der Mägde, |
345 | Die im Hause dir dienen, mir meine Füße berühre. Wo du nicht etwa sonst eine alte verständige Frau hast, Welche so vielen Kummer, als ich, im Leben erduldet: Dieser wehr' ich es nicht, mir meine Füße zu waschen. Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: |
350 | Lieber Gast! denn nie ist solch ein verständiger Fremdling, Nie ein werterer Gast in meine Wohnung gekommen: So verständig und klug ist alles, was du auch sagest! Ja, ich hab' eine alte und sehr vernünftige Frau hier, Welche die Pflegerin war des unglückseligen Mannes, |
355 | Und in die Arme ihn nahm, sobald ihn die Mutter geboren: Diese wird, so schwach sie auch ist, die Füße dir waschen. Auf denn, und wasche den Greis, du redliche Eurykleia! Er ist gleiches Alters mit deinem Herrn. Vielleicht sind Jetzt Odysseus' Händ' und Füße schon eben so kraftlos. |
360 | Denn im Unglück altern die armen Sterblichen frühe.
Also sprach sie. Die Alte verbarg mit den Händen ihr Antlitz, Wehe mir, wehe, mein Sohn! Ich Verlassene! Also verwarf dich |
365 | Denn kein Sterblicher hat dem Gotte des Donners so viele Fette Lenden verbrannt und erlesene Hekatomben, Als du jenem geweiht, im Vertraun, ein ruhiges Alter Einst zu erreichen, und selber den edlen Sohn zu erziehen! Und nun raubt er dir gänzlich den Tag der fröhlichen Heimkehr! |
370 | Ach! es höhnten vielleicht auch ihn in der Fremde die Weiber, Wann er hilfeflehend der Mächtigen Häuser besuchte; Eben wie dich, o Fremdling, die Hündinnen alle verhöhnen, Deren Schimpf und Spott zu vermeiden du jetzo dich weigerst, Daß sie die Füße dir waschen. Doch mich, die willig gehorchet, |
375 | Heißt es Ikarios' Tochter, die kluge Penelopeia. Und nicht Penelopeiens, auch deinethalben, o Fremdling, Wasch' ich dich gern; denn tief im innersten Herzen empfind' ich Mitleid! Aber wohlan, vernimm jetzt, was ich dir sage: Unser Haus besuchte schon mancher bekümmerte Fremdling; |
380 | Aber ich habe noch nimmer so etwas Ähnlichs gesehen, Als du, an Stimme, Gestalt und Füßen, Odysseus gleichest. Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
385 | Ähnlich sind; wie auch du mit Scharfsinn jetzo bemerkest.
Also sprach er. Da trug die Alte die schimmernde Wanne |
390 | Denn es fiel ihm mit einmal aufs Herz, sie möchte beim Waschen Seine Narbe bemerken, und sein Geheimnis verraten. Jene kam, wusch ihren Herrn, und erkannte die Narbe Gleich, die ein Eber ihm einst mit weißem Zahne gehauen, Als er an dem Parnaß Autolykos, seiner Mutter |
395 | Edlen Vater, besucht' und Autolykos' Söhne, des Klügsten An Verstellung und Schwur! Hermeias selber gewährt' ihm Diese Kunst; denn ihm verbrannt' er der Lämmer und Zicklein Lenden zum süßen Geruch, und huldreich schirmte der Gott ihn. Dieser Autolykos kam in Ithakas fruchtbares Eiland, |
400 | Eben da seine Tochter ihm einen Enkel geboren. Eurykleia setzte das neugeborene Knäblein, Nach dem fröhlichen Mahl, auf die Kniee des Königs, und sagte: Finde nun selbst den Namen, Autolykos, deinen geliebten |
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Und Autolykos sprach zu seinem Eidam und Tochter: |
410 | Wann er mich einst als Jüngling im mütterlichen Palaste Am Parnassos besucht, wo ich meine Güter beherrsche; Will ihn reichlich beschenkt und fröhlich wieder entlassen. |