Carl von Ossietzky
Sämtliche Schriften 1929 - 1930
Carl von Ossietzky

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[Antworten] Minister Grzesinski

Sie haben im preußischen Landtag zu den berliner Maivorfällen eine lange Erklärung abgegeben, die schon in den knappen Presseauszügen seltsam anmutete und erst recht jetzt, wo das Protokoll vorliegt, Kopfschütteln erregen muß. Im ganzen nimmt der Herr Minister den Standpunkt ein, daß die Polizei sich in der Abwehr befunden, daß sie einer organisierten Bewegung gegenübergestanden habe, die zu Kampfhandlungen führen mußte. Wo Holz gehauen wird, meinte der Minister etwas zu handfest, da fallen Späne. Richtig. Aber es kommt auch darauf an, zu welchem Zweck Holz gehauen wird. Dem Minister dürfte auch der Begriff des Flurschadens und des Baumfrevels vertraut sein, und darum hat es sich dies Mal gehandelt. Wer hat den Minister unterrichtet? Hat er sich nur auf die Polizeiberichte gestützt? In einem Punkt mußte der Minister selbst seinen Polizeipräsidenten dementieren. Während Herr Zörgiebel steif und fest behauptete, es sei vor zwanzig Uhr nicht geschossen worden, gibt der Minister zu, daß die Polizei bereits im Laufe des Tages am Hackeschen Markt, bei Kliems Festsälen und am Senefelder Platz von der Waffe Gebrauch gemacht hat. Sollte das den Minister nicht stutzig machen, daß die oberste Spitze der Polizei über eine so wichtige Sache eine grundverkehrte Auskunft gegeben hat? Wer hat den Minister informiert? Wer hat ihm die zahllosen Unrichtigkeiten, die hanebüchenen Sottisen, die er in seiner Rede als amtlich erhärtete Tatsachen vorführte, als authentisches Material überliefert? Wer hat ihn so kompromittiert? Der Herr Minister hat einige Nichtanwesende apostrophiert: ›Ich möchte zugleich auch an einige außerhalb des Hauses stehende Personen, die sich als Republikaner und als Demokraten bezeichnen, die Frage richten, ob sie meinen, daß die Schreiberei gegen die Polizeibeamten, unter denen doch auch Republikaner, Demokraten, Sozialdemokraten und Zentrumsleute sind, aus diesem Anlaß geeignet ist, das Vertrauen der Beamten in die Staatsgewalt und in ihre Vorgesetzten zu erhalten.‹ Ich glaube nicht, Herr Minister, daß dies Vertrauen von einer von Außen herkommenden Kritik berührt wird, das liegt bei den Inhabern der Staatsgewalt selbst, und je mehr die Kraft der Beamten in sinnlosen Aktionen verpulvert wird, desto eher wird dies Vertrauen erschüttert sein. Sie, Herr Minister, haben weiter verlangt, daß ›man sich bei Maßnahmen, die zur Abwehr von Angriffen auf die Staatsgewalt getroffen werden, absolut und vorbehaltlos hinter die Regierung stellt‹. Erlauben Sie einem, der sich als Republikaner und Demokrat bezeichnet, dazu ein Wort. Die Staatsgewalt ist kein Fetisch und kein Abstraktum, sondern immer das gewesen, was ihre jeweiligen Inhaber daraus machten. Und zwischen dem 1. und 4. Mai hat die Staatsgewalt in Berlin genau so ausgesehen wie Herr Zörgiebel. Ich erspare mir jede nähere Qualifikation, weil mir die Gerichtskosten zu schade sind.

Die Weltbühne, 28. Mai 1929


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