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Was, Vindobona, hat so bleich
Dein hehres Antlitz überflogen,
Was hat so bang und schmerzensreich
Ein stiller Gram es überzogen?
Du blickst nach deiner Kinderschaar
Mit sorgenvollen Ahnungsblicken;
Du siehst wie Damokles am Haar
Das Schwert ob ihren Häuptern zücken.
Und Alles tollt in wilder Lust
Und tanzt an eines Abgrunds Rande;
Nur Geldgier wühlt in durst'ger Brust,
Entfesselt sind der Sitte Bande.
Ach, Alles strebt, am Schwindelpfad
Des Reichthums Pforte zu ereilen;
Der Landmann läßt im Stich die Saat
Und rennt den Klippenpfad, den steilen;
Der Bürger schmäht der Arbeit Fleiß,
Nach Ueberfluß geht sein Bestreben –
Und eine neue Gottheit weiß
Mit vollen Händen stets zu geben.
In ihrem wundervollen Glanz
Erblinden der Bethörten Blicke,
Hold winkt des Ueberflusses Kranz
In ihrer Hand voll gift'ger Tücke.
Und plötzlich läßt sie nun die Maske fallen –
Das Elend ist's, mit wildem Grinsen starrt
Es die Bethörten an, und Seufzer schallen
Von den erblaßten Lippen schaudervoll.
Und des geträumten Reichthums Macht entschwindet,
Der falschen Gottheit Thron zerfällt in Schutt;
Die Noth erhebt ihr Drachenhaupt und windet
Um der Verblendung Opfer ihren Leib.
Kein Stübchen birgt die Stadt am Donaustrande,
Wo nicht das Elend droht! Du sahst dein Volk,
O Vindobona, an des Abgrunds Rande,
Und deiner Kinder Unglück galt dein Schmerz.