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IV

Mads Vestrup arbeitete sich heimwärts, gegen den heftigen Wind an. Eine breitrandige Mütze mit einem Knopf oben im Kopfstück hatte er ganz über die Ohren gezogen, und er stützte sich schwer auf einen Knüttel mit einer Strippe, so wie ihn die Viehhändler auf den Märkten um das Handgelenk tragen.

Auf der einen Seite lagen die meilenbreiten Wiesen, auf der andern stieg das Land zu einem Wall mit steilen Lehmabhängen an. Die Landstraße lief während der ersten Strecke an dem Wiesenrand entlang, bog dann aber jäh ab und führte aufwärts durch einen Einschnitt in den Hügeln.

Hier erreichte er den herbstlich-roten Wald. Die brüllenden Laubmassen schlössen sich wie eine Feuersbrunst um ihn.

Der Weg war schmutzig, und trotz seiner gewaltigen Gemütserregung hatte er nicht vergessen, seine Beinkleider aufzustreifen, um die Sonntagshose zu schonen. Aber seine Gedanken waren im Himmel. Mit einem Notschrei aus der Tiefe des Herzens kniete er vor seinem Gott und fragte, wie lange er die offenbare Verhöhnung noch gestatten wolle. Würde er nicht bald in der ganzen Fülle seiner Macht und Herrlichkeit erscheinen und diese triumphierende Satansbrut niederschlagen, die den Menschen einbildete, daß sie das Leben in lauter freche Genüsse und den Tod in ein wollüstiges Hinschwinden verwandeln könne?

Er beantwortete sich die Frage selbst: Aber laß sie nur trotzen! Dem Tage der Abrechnung und der großen Beichte entgehen sie doch nicht. Einmal werden sie in Angst erwachen und erfahren, daß Gott lebt und daß er ihr Richter ist.

Als er aus dem Wald herausgekommen war, fing er an, das Heim zu wittern. Das kleine Bauerndorf lag mit seinen rauchenden Schornsteinen eine Strecke in das offene Land hinein, am Fuße eines niedrigen Hügels. Der Wind drückte den Rauch über die Felder hinab und sandte ihm einen vertraulichen Hauch von Torfdunst entgegen. Das äußerste Gehöft mit der Windfahne auf der Scheune war das Pfarrhaus, so wie Asmus Hagens Hasenaugen es ganz richtig erspäht hatten.

Daheim angelangt, machte Mads Vestrup erst seine gewöhnliche Runde durch die Wirtschaftsgebäude und den Stall, um sich zu vergewissern, daß während seiner Abwesenheit nichts versäumt war. Aber gegen seine Gewohnheit war er heute recht geistesabwesend auf seiner Wanderung durch die halbdunklen Räume mit den vertrauten Gerüchen nach Heu und Kleie und Tierwärme. Ganz mechanisch sammelte er auf, was er an der Erde fand, hier eine verlorene Rübe, dort einen Büschel Heu, und als er im Kuhstall den Knecht antraf, der der Magd beim Melken half, hielt er ihnen nicht wie sonst eine Donnerrede, mit Gottes Gaben nicht verschwenderisch umzugehen, sondern ging ohne ein Wort weiter.

Er blieb in der offenen Stalltür stehen, während die Abendglocken läuteten. Er dachte an die Jahre seiner eigenen traurigen Verirrungen da drüben in Kopenhagen, wo er die Beute des Teufels geworden war und als Ärmster in finsterm Wahnsinn geendet haben würde, wenn sich nicht Gott seiner erbarmt und ihn zu seiner alten Mutter zurückgeführt hätte. Gott erfreue ihre Seele im Himmel! ... Da draußen vor dem Abendrot konnte er deutlich die Umrisse von zwei Bäumen erkennen, die das glückliche Heim seiner Kindheit beschattet hatten, zwei hohe Pappeln, in deren Säulen er als Kind Gottes Stimme vernommen, wenn er auf der Bank am Fenster saß und hinausstarrte, während die Mutter am Webstuhl arbeitete und ihre geistlichen Lieder sang. Hinter der langen weißen Friedhofsmauer dort drüben lag nun die fromme Frau, die arbeitsmüden Hände um ihr altes Gesangbuch gefaltet, und harrte einer seligen Auferstehung.

Da draußen unter den leuchtenden Wolken des westlichen Himmels konnte er auch die von Weiden eingefriedigte Landstraße verfolgen, auf der er sechs Jahre lang an jedem Wochentag die drei Viertelmeilen nach der Lateinschule in Randers zurückgelegt hatte. Im Sommerhalbjahr, wenn Torben Dihmer daheim aus Favsingholm wohnte, begegneten sie sich zuweilen und leisteten einander Gesellschaft. Torben ritt auf einem norwegischen Pony zur Schule, während er selbst den Weg auf Holzschuhen oder auf bloßen Füßen zurücklegen mußte, um die Schuhe zu schonen, die am Tornister hingen und nicht angezogen werden durften, ehe er die Stadt erreichte. Er erinnerte sich Torbens besonders deutlich in einem metbraunen Samtanzug mit langen Reitgamaschen, die eine Zeitlang sein Bauernherz betört hatten. Bis dann eines Tages seine Mutter zu ihm sagte: »Was meinst du wohl, wie sich solch aufgeputzter Bengel in des lieben Gottes Augen ausnimmt?« Da schlug er beschämt den Blick zu Boden.

Die Uhr im Turm verstummte. Mit einem tiefen Kehllaut, der an das Wiederkäuen der Kühe erinnerte, kehrte er durch die Scheune zurück und ging hinein.

Als er mit seiner Familie bei dem Abendbrot saß, an dem auch das Gesinde teilnahm, erzählte er von dem Besuch des fremden Arztes im Schloß und von seinen Wunderpillen, die den Gutsbesitzer wieder gesund machen sollten. »Falls das Ganze nicht freche Prahlerei und loses Gerede ist,« fügte er hinzu.

Später sagte er:

»Jeden Tag im Jahr und jede Stunde am Tage verrichtet der liebe Gott die schönsten Wunder für uns; er läßt seine klare Sonne über der Welt scheinen, ruft nährendes Korn und liebliche Blumen aus der Erde hervor, schafft kleine lebende Menschenkinder nach dem Bilde seiner Engel und legt sie in unsere Arme. Doch so etwas finden die Kinder der Welt nur ›natürlich‹ und nicht der Rede noch des Dankes wert. Aber kaum hat ein elender Doktor ein klein wenig Glück mit dem Messer oder mit einem Pulver, so wissen die Leute gar nicht, was sie davon denken sollen, ob es der liebe Gott oder wir selbst sind, die die Welt regieren. – Aber laßt uns nun sehen! Der Satan soll nicht zu früh triumphieren!«

Die letzten Worte dröhnten über den Tisch, so daß das jüngste der Kinder, ein kleiner Lockenkopf von drei Jahren, erschreckt die Hände faltete. Auch die andern Kinder waren ganz ängstlich geworden. Sie wußten, daß, wenn der Vater schalt, dies Gottes fürchterlicher Zorn war, der durch seinen Mund verkündet wurde.

Die Mahlzeit wurde schweigend fortgesetzt. Es stand nichts weiter auf dem Tisch als eine Schüssel mit unbelegtem Butterbrot und Kannen mit gekochter Milch. Mads Vestrup stand nicht umsonst in dem Ruf, ein besorgter Hüter seines Geldbeutels zu sein. Er, der aussah wie ein Prasser, hatte sich selbst und seinem Hausstand Kasteiung als religiöse Pflicht auferlegt. Es konnte ihm ja freilich zuweilen geschehen, wenn er bei Tische einem seiner Leibgerichte, wie Reisbrei oder Blutwurst oder Schweinefleisch mit Braunkohl gegenübersaß, daß er der starken Forderung seiner Natur erlag und sich übernahm. Aber hinterher strafte er sich immer mit einer noch strengeren Selbstentsagung.

Am Schluß der Mahlzeit sprach eins der Kinder das Tischgebet. Dann pflegte er die Kinderschar traulich im Wohnzimmer um sich zu versammeln, wo er ihnen irgend etwas erzählte, in der Regel Geschichten aus der Heiligen Schrift.

Aber an diesem Abend ging er zur Überraschung seiner Frau und der Kinder gleich in sein eigenes Zimmer am andern Ende des Ganges hinüber. Das Lockenköpfchen, das ihm nachgelaufen war, um seine Hand zu haschen, blieb mit dem Finger im Munde stehen und wagte nicht, ihm zu folgen. Für alle Kinder war die Tür zu des Vaters Stube der Eingang zu einer heiligen Stätte – gleich der Pforte des Himmelreichs, von einem Cherub mit einem Flammenschwert bewacht.

Als die Pfarrersfrau nach einer Weile mit der brennenden Lampe zu ihrem Mann hineinkam, saß dieser auf seinem kurzen Wachstuchsofa und rauchte eine Pfeife Tabak, der einzige Luxus, den er sich gestattete.

Frau Stine war eine kleine Frau mit schiefer Hüfte, nahe den Vierzigern, ein paar Jahre älter als ihr Mann. Ihr letztes Wochenbett hatte sie zum Krüppel gemacht. Sie war die Tochter eines Schullehrers dort aus der Gegend und hatte sich mit Mads Vestrup verlobt, als er noch ein ganz junger Student war. Damals war sie ein rotwangiges Dorfmädchen, von deren Schönheit viel gesprochen wurde; aber schon ehe sie Hochzeit machen konnten, hatte sie angefangen zu welken, und jetzt war sie bis auf den Stengel verblüht.

Sie stellte die Lampe auf den Schreibtisch und blieb ein wenig stehen und schraubte daran herum, als warte sie darauf, daß er sie anreden solle. Aber Mads Vestrup saß in seine eigenen Gedanken eingemauert da, stieß nur hin und wieder unfreiwillig einen seiner wiederkäuenden Kehllaute aus.

Verstohlen holte sie einen zerknitterten Brief aus der Kleidertasche unter ihrer Schürze hervor, legte ihn auf den Tisch und hinkte hinaus, die Hand auf der kranken Hüfte.

Leute, die Mads Vestrup nicht kannten und ihn allein nach seinem Äußeren beurteilten, sahen nur den Bauern in ihm. Seine Berufsgenossen in der Gegend betrachteten ihn als einen beschränkten und etwas gestörten Menschen, der seinem Stande nicht zur Zierde gereichte. Aber auch in seiner eigenen Gemeinde fiel er lästig infolge seines altmodischen Glaubens, den fast niemand mit ihm teilte. Viele Familien hielten sich zu den Geistlichen der benachbarten Gemeinden, die in seinen Augen alle von dem modernen Unglauben angesteckt waren. Er war ein sehr einsamer Mann, den die Last der Tage früh gealtert hatte.

Wenn er in der täglichen Tretmühle herumging, lag etwas Stumpfsinniges, Schläfriges über ihm. Die wilden Kampfgelüste in seinem Blut wurden im Zaum gehalten von der krankhaften Sorge um sein Auskommen und von diesem schwerfälligen Körper, der ihm mancherlei Beschwerden verursachte. Während die meisten seiner Amtsbrüder überall geschäftig in Bewegung waren als religiöse, politische oder soziale Agitatoren, ging er mehr und mehr in seiner Landwirtschaft auf und in der Fürsorge für seine Familie. Trotz des Selbstgefühls, das Leuten gegenüber, die ihn über den Kopf ansehen wollten, in ihm aufbrausen konnte, hegte er in Wirklichkeit sehr bescheidene Gedanken über sich selbst und über die Bestimmung der Vorsehung mit ihm. Er wußte recht gut, daß er kein Kanzelredner war und nicht die äußere Persönlichkeit besaß, die Eindruck auf die Massen macht. Und im übrigen rechtfertigte er seinen Mangel an Tatkraft mit der Betrachtung, daß ein Mann, der eine schwache Frau und vier Kinder zu versorgen hat, nicht von Gott dazu ausersehen sein könne, den Kampf gegen die Hölle allein aufzunehmen.

Die Wildheit, die das Erlebnis im Schloß einen Augenblick in ihm entfesselt hatte, war denn auch schon wieder im Begriff, in schwere und finstere Mutlosigkeit umzuschlagen. Er sah in Gedanken Torben Dihmer den Stock wegwerfen und in Gesundheit und Kraft aufblühen wie durch ein wirkliches Wunder. Er sah diesen gottlosen Menschen zum Leben zurückkehren, um es als sorgloses Spiel fortzusetzen.

Ja, dachte er, der Fürst der Finsternis ist ein freigebiger Herr! Statt Tod und gerechter Strafe in der Hölle winkten neue Lust und neue Freuden aus dem Überfluß der Sünde. Hatte sich Gott denn wirklich unterworfen? Hatte Satan gesiegt? ...

Er suchte von neuem Trost in dem Gedanken, daß niemand der Stunde der Abrechnung und dem großen Gericht entgehe. Auch die Bösen hatten ihren Lohn »weg«. Er wußte ja freilich, daß es gewisse Halbchristen gab, die den Gedanken an eine Marterstätte verwarfen, als unvereinlich mit dem Glauben an Gottes Liebe, und die sich das Schicksal der bekehrten Sünder als ewige Auslöschung vorstellten. Aber das hieß, dem Allweisen einen dummen und schändlichen Selbstverrat andichten. Das würde keineswegs Liebe sein, sondern eine geradezu teuflische Lüge, falls diese frechen Spötter, die sich hier in der Welt des Fleisches in allen Lastern tummelten und in Wollust schwelgten, mit Hilfe der Zauberkünste eines Arztes in einem seligen Seufzer ausatmen, sich in ein Nichts verflüchtigen könnten, wie ein häßlicher Gestank. Aber so war es wirklich nicht. Nein, in ihrer Todesstunde würde die Hölle ihren finstern Schlund für die Unglücklichen auftun, und es war ihnen sicher eine fürchterliche, aber gerechte Strafe bereitet.

Er erhob sich, um die ausgegangene Pfeife an das Brett zu hängen. Auf dem Rückweg blieb er am Schreibtisch stehen und entdeckte den Brief, den seine Frau dort hinterlassen hatte. Er stand einige Augenblicke mit dem Brief in der Hand da und betrachtete ihn mit dem schildbürgerhaften Gaffen, das ihm eigen war, wenn ihn etwas überraschte.

»Was für ein Brief ist das?« sagte er laut. Der Briefumschlag war geöffnet und trug den Namen seiner Frau; und sowohl die Aufschrift als auch der Brief selbst waren mit verstellter Hand geschrieben.

»Was sind das für Schurkenstreiche?«

Der Brief war unterschrieben: »Eine Gläubige in der Gemeinde« und enthielt eine Aufforderung an seine Frau, ein wachsames Auge auf Jörgen Stauns Gehöft auf dem Hügel zu haben. »Dein Mann geht da früh und spät ein und aus, und Oleane ist ein Schundluder, das wissen wir ja alle.«

Er untersuchte den Poststempel der Briefmarke, den Umschlag und schließlich das Wasserzeichen im Papier, indem er es gegen das Lampenlicht hielt.

Und nun schwoll ihm der Hals an, ein neues, finsteres Unwetter brach über sein Gemüt herein. Er schlug mit der Hand auf den Tisch, so daß es dröhnte.

»Nein, dies ist denn doch zu arg!«

Er riß die Tür auf und rief auf die dunkle Diele hinaus, wo ein schmaler Lichtstreif verriet, daß die Wohnstubentür nur angelehnt stand:

»Stine, bist du da? ... Ach, hör einen Augenblick!«

Es währte ziemlich lange, bis sie kam, und mit einem unsicheren Schielen nach dem Schreibtisch hinüber, klemmte sie sich durch die Tür und blieb dort stehen. Aber der Ruf ihres Mannes hatte auch nicht wie eine reuige Anrufung geklungen. Es hatte im Gegenteil eine Verkündigung des Weltgerichtes darin gelegen.

»Was ist das da?« fragte er und schwenkte den Brief vor ihrem Gesicht hin und her.

»Ja, was ist das?« sagte sie und richtete ihre dunklen Augen mit einer kühnen Anklage auf ihn.

»Höre jetzt auf mit dem Komödienspiel! Du selbst hast ja den Brief geschrieben. Leugne es nicht!«

Stine Vestrup hielt den Arm bereit, um einen Schlag abzuwehren. Es war ein paarmal vorgekommen, daß ihr Mann sich in seiner Heftigkeit ihr gegenüber vergessen hatte.

»Ich hab ihn nicht geschrieben,« sagte sie und starrte ihm verhärtet in die Augen.

»Du lügst! Du bist ja so dumm gewesen, von dem Papier zu meinen amtlichen Schreiben zu nehmen. Und die ganze Geschichte sieht dir auch nur zu ähnlich! Es ist ja nicht das erste Mal, daß du deinen eigenen Mann verleumdet hast. Aber sich hinzusetzen und so was zu schreiben, das ist denn doch etwas ganz Neues. – Wenn dir recht geschehen sollte, dann schlüge ich dieses schmutzige Gewäsch an die Tür der Schmiede, so daß jeder sehen könnte, was für eine Person du bist!«

Diese Drohung bewirkte, daß Stine Vestrups starrer Nacken sich beugte. Klagend sank sie auf den Rand eines Stuhls nieder, die Schürze gegen die Augen gepreßt.

»Ach, Mads, ich weiß ja selbst nicht, was ich in dieser Zeit tue. Ich bin so krank – so krank – so krank.«

Mads Vestrup ging, nach Atem ringend, im Zimmer auf und nieder. Er zerriß den Brief in viele kleine Fetzen und warf sie schließlich in den Ofen.

»Ja, ja – Stine!« sagte er augenblicklich besänftigt. »Vergessen wir die Geschichte, wie ich auch die andern vergessen und vergeben habe. Aber laß es nun das letzte Mal sein, daß du mir mit dergleichen kommst.«

Obgleich in der ganzen Gegend kaum eine weibliche Person war, der sie nicht ein Verhältnis mit ihm angedichtet hätte, so war sein Zorn ihr gegenüber immer nur ein Strohfeuer. Er empfand das innigste Mitleid mit ihr und hatte außerdem andere Gründe, nicht zu scharf mit ihr ins Gericht zu gehen.

Wie Stine zu ihrem Verdacht gegen Oleane gekommen war, begriff er nicht. Er hatte sich gerade so weit wie möglich Jörgen Stauns Hof ferngehalten, seit seine Kinderliebe dort Hausfrau geworden war. Aber er hatte schon früher die Beobachtung gemacht, daß Stine in den Zeiten, wo sie ganz von ihrer Eifersucht besessen war, gleichsam hellseherisch sein konnte.

Die unglückliche Frau trocknete noch immer ihre rotränderigen Augen unter vielem Schnauben. Sie wollte etwas sagen, hatte aber nicht den Mut, es vorzubringen. Endlich platzte sie damit heraus:

»Meinst du nicht, Mads, daß ich einmal mit dem Professor reden sollte, der nach Favsingholm gekommen ist? Wenn er nun auch einen Rat für meine Krankheit wüßte. Dann könntest du am Ende wieder ein bißchen Freude an mir haben.«

Mads Vestrup blieb vor ihr stehen und antwortete:

»Findest du nicht, daß wir genug von der Art probiert haben? Du kannst ihn doch nicht schon vergessen haben, diesen umherreisenden Bandagisten und Marktschreier vom vergangenen Jahr. Diesen schändlichen Betrüger! Vierzig Kronen hat er für den Gürtel genommen. Und hat er denn vielleicht geholfen? Du bist nur elender davon geworden. Vierzig Kronen auf den Misthaufen geworfen. Ich sollte meinen, daß wir das nicht noch einmal tun sollten!«

»Aber dieser ist doch ein richtiger Professor. Und ein richtiger Doktor. Er soll ja sogar einer von den allerersten sein.« »Stine! Ich habe es dir so oft gesagt: Es gibt nur einen wahren Arzt für uns arme Menschen. Das ist Jesus Christus, Gottes eingeborener Sohn, unser Herr. Er hat uns gelehrt, unser Kreuz mit Geduld zu tragen, in Hoffnung auf den ewigen Frieden und die Freude im Jenseits. Und es gibt kein anderes Heil.«


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