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Mit kurzen Worten: Am Tage darauf stand Sören wieder in seiner dunklen Schmiede und machte das Haus erbeben mit den Schlägen des mächtigen Vorhammers. Und hier stand er seither tagaus, tagein, bis er ein Greis war.
Er alterte früh. Der Schädel wurde blank, und der Bart verblich, ehe er das halbe Hundert erreichte. Menschenfeindlich wie ein Kettenhund war er geworden, und wenn er zu viel Schnäpse zum Essen getrunken hatte, schlug er um sich mit höhnischen und prahlerischen Worten, so daß die Leute hinter seinem Rücken lachten.
Auch Anne-Mette begann nun, ihre Jahre zu fühlen; aber obwohl sie beständig gelebt hatte, als hänge ein Gewitter über dem Hause, so war sie doch nicht verschüchtert. Die kleine rührige Frau mit den sanften Augen und dem duldsamen Sinn war nun auch diejenige, die Sören am besten kannte und wußte, wieviel Gutes und Liebevolles sich hinter seinem finstern Wesen verbarg. Aber auch sie hatte niemals erfahren, was ihn in die Stadt geführt hatte an jenem betrüblichen Tage, als alle Straßenjungen hinter ihm her waren und er hinter Schloß und Riegel kam.
Die meisten Kinder wuchsen groß und schön heran und arteten hierin dem Vater nach. Sie waren auch lernbegabt und brachten gute Zeugnisse aus der Schule nach Hause. Der älteste der Söhne kam nach der Konfirmation zu einem Uhrmacher in die Lehre, und schon in seinem dritten Lehrjahre wurde er bei einer Lehrlingsprüfung mit der Prämie des Handwerkervereins belohnt. Sören empfing ihn bei der Heimkehr mit den Worten: »Na, büst du dor! Dat is man god, dat du mi doch nich gradto Schand makst!«
Auch der Sohn Jörgen, der Seminarist, der übrigens der am wenigsten begabte von den Kindern war, kam gut vorwärts. Und mit Tyge ging der Stern des Märchens über dem kleinen Schmiedehäuschen in Enslev auf.
Bei seiner Geburt hatte großer Jammer geherrscht. Er kam mit einem welken Fuß zur Welt, was ein Familienerbe in Anne-Mettes Familie war. Nach einer Untersuchung erklärte der Arzt, daß der Junge hinken würde. Mehrere Tage tobte Sören wie ein Wilder, schlug mit den Türen und schwur, daß er die Mißgeburt im Misthaufen vergraben wolle. Als der Junge heranwuchs, hüpfte er zwischen seinen Geschwistern und andern Spielgefährten herum wie ein flügellahmer Vogel. Es lag eine eigentümlich schwermütige Lustigkeit über ihm. Wie sein Gang, so war auch sein Sinn: ohne Gleichgewicht – ein ewiges Aprilwetter.
Auch aus einem andern Grunde nahm er sich fremd aus zwischen der übrigen Dorfjugend. Er war immer blaß. Sonne und Wind konnten ihm nichts anhaben. Aber schon ehe er in die Schule kam, zeigte er eine Lernlust und leichte Auffassungsgabe, die den körperlichen Fehler reichlich aufwogen. Mit vierzehn Jahren wurde er auf die Koldinger Lateinschule geschickt, um zum Studenten gemacht zu werden.
Nachdem er Student geworden war, wollte er auch sein juristisches Examen machen, und der Vater half ihm nach schwachen Kräften.
Schmied Sören hatte gerade zu dieser Zeit eine Reihe guter Jahre. Trotz seines barschen Wesens suchten ihn selbst Leute aus den Nachbargemeinden mir ihren Feldgerätschaften auf. Namentlich hatte er sich einen Ruf durch seine Heusensen erworben, von denen es hieß, daß sie um sich beißen könnten wie ihr Vater.
An jenem Sommerabend, als der Brief mit dem Examenergebnis aus Kopenhagen gekommen war, saß Anne-Mette draußen auf der Bank am Giebel des Hauses, einen langen Strickstrumpf in den unermüdlichen Händen. Die Arme an ihr gingen wie ein Paar Flügel. Sören kam heraus und setzte sich zu ihr. Er empfand das Bedürfnis, ein wenig über das große Ereignis zu reden.
Es war eine glückliche und wunderbar reiche Zeit in den letzten Jahren für sie gewesen. Kurz zuvor hatte die Tochter Katrine den Kaplan geheiratet; der Uhrmachersohn in Kolding hatte sein eigenes Geschäft und der Schullehrer seine erste Anstellung bekommen.
All diese Erfolge der Kinder hatten den Schmied allmählich mit seinem eigenen Mißgeschick ausgesöhnt. Voller Beschämung dachte er nun an die Zeit, wo er sich das Glück aus der Hand des Satans hatte eintauschen wollen.
Der Welt gegenüber bewahrte er noch seine höhnische Schweigsamkeit, und wenn ihm die Leute zu seinen Kindern beglückwünschten, zog er die dichten Brauen mit einem hochmütigen Ausdruck in die Höhe, als dächte er: »Das fehlte auch noch! Meine Kinder!« – In seinem Innersten aber war er ein demütiger Mensch geworden, der jetzt die Wahrheit des Bibelwortes erkannte, mit dem ihn der Pfarrer an seinem Konfirmationstage ermahnt und über das er seither oft nachgegrübelt hatte: daß denen, die Gott fürchten und die seine Gebote halten, alles zum Besten dienen muß.
»Der liebe Gott ist doch ein verständigerer Mann, als ich oft geglaubt hab,« sagte er bewegt.
Anne-Mette lächelte so verstohlen über ihrem langen Strickstrumpf.
»Ja, wahrhaftig. Er is woll nich so ganz dumm!«