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Wer ’t mag, dei mag ’t,
Un wer ’t nich mag,
Dei mag’t jo woll nich mœgen.
Seinem besten Freunde
Fritz Peters
widmet die nachfolgenden Blätter zum Andenken an froh verlebte Stunden
der Verfasser.
Wenn Jemand unser Zimmer betritt mit der Entschuldigung, daß er so frei sei – und dasselbe verläßt mit der Entschuldigung, daß er so frei gewesen sei –, so mag das immerhin ein Zeugniß für seine gute Lebensart abgeben, unterhaltend wird man es aber nicht finden. So müßte eigentlich ich meinen Lesern gegenüber mich benehmen, ich müßte mich entschuldigen und wieder entschuldigen wegen der Unbedeutenheit meines Stoffes, wegen der Mangelhaftigkeit der Form und, was sonst kein Schriftsteller nöthig hat, auch noch wegen der Unbeholfenheit der Sprache. Dies Alles würde aber etwas langweilig ausfallen, und, wie gescheiht ich auch meine Vertheidigung führen möchte, man würde mich doch höchstens nur von der Instanz absolviren und meine Verbrechen gegen den guten Geschmack nur für den Augenblick mit Stillschweigen übergehen. Meine Gedichte sind nicht wie vornehmer Leute Kinder, mit kleinen Ohren und aristokratischen Händen, geschnürter Taille und zartem Teint in die Welt gesendet worden, die allenthalben rücksichtslos volle Aufnahme finden und sich dafür mit gesetzten, zierlichen Worten bedanken. Nein! sie sind oder sollen sein eine Congregation kleiner Straßenjungen, die in "roher Gesundheit" lustig über einander purzeln, unbekümmert um ästhetische Situationen, die fröhlichen Angesichts unter Flachshaaren hervorlachen und sich zuweilen mit der Thorheit der Welt einen Scherz erlauben. Der Schauplatz ihrer Lust ist nicht das gebohnte Parquett fürstlicher Salons; nicht der farbenglühende Teppich zierlicher Boudoirs; ihre Welt ist der offene Markt, die staubige Heerstraße des Lebens, dort treiben sie sich umher, haschen und jagen sich, treten ernst umherstolzirenden Leuten auf die Zehen, rufen den heimwärtsziehenden Bauern ein Scherzwort zu, verspotten den Büttel, ziehen dem Herrn Amtmann ein schifes Maul und vergessen die Mütze vor dem Herrn Pastor zu ziehen. Ja, springt und lärmt nur, ihr armen Schelme! Bald wird es aus sein mit eurer Lust, und wenn fremde Leute kommt, wird man euch ziehen un zerren, euch richten und hobeln, man wird eure Ausgelassheit züchtigen; was ihr in aller Unschuld und Natürlichkeit für Scherz hieltet, wird man euch als Grobheit und Roheit in Anrechnung bringen, und selten werdet ihr Jemand finden, der eure Fehler entschuldigt und eure Blöße bedeckt.
Dort kommt die Frau von Hohendunst. – "Ruhig ihr Jungen!" – Frau von Hohendunst betrachtet meine liebe Jugend von ferne mit ihrem Augenglase und wendet sich mit Widerwillen ab: "Pfui! wie garstig! kein einziger auf Höheres deutender Zug, keine auch noch so entfernte Spur von Romantik in den Physiognomien dieser Canaille." – Herr Blauendunst, magister artium und professor eloquentiae: "Ihr ewigen Götter und Du schützende Pallas Athene! Böotischer Brut zahnbrechenden Laut vernehm’ ich und dorische Klänge." – Herr pastor primarius Trübendunst: "Durchbruch nur im äußern Menschen, im Innern eitel Weltlust."
So werden denn nun wohl die Urtheile der Welt alias Recensionen ausfallen; ich bin darauf gefaßt und sitze, wie der Perser sagt, auf dem Sopha der Geduld und rauche die Pfeife der Erwartung; und nur ein Fall könnte auf meine Ruhe sehr störend wirken, wenn es nämlich dem Bauern Jochen Pœsel plötzlich in den Sinn käme, mir mit seinem Spazierstocke von Kreuzdorn einen Besuch abzustatten und von mir über die Mittheilung einzelner Vorfälle seines Lebens Rechenschaft zu verlangen; wenn er sich so recht breitspurig und mit Hinweisung auf seinen braunen Begleiter vor mich hinstellte und fragte: "Herr, wat hewwen Sei mit mi un min Fru tau dauhn?" Das, gestehe ich, würde mir unangehnem sein, und um dieser oder ähnlichen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen, erkläre ich, daß ich weder den Bauer Pœsel noch Schulze, Müller, Schmidt, Schröder, noch irgend eine unter meinen kleinen Straßenjungen vorkommende Person gemeint habe, und daß das, was von Lübz erzählt ist, von Teterow gilt, und das aus Teterow Berichtete von Güstrow und so weiter.
Allen meinen guten Freunden einen herzlichen Gruß!
Treptow an der Tollense, den 18. October 1853.
F. Reuter
Als meine "Läuschen un Rimels" vo mehreren Jahren in ihrer ersten Auflage erschienen, konnte ich nicht ahnen, daß sie einen größeren Leserkreis sich gewinnen würden; sie waren, wie sie auf anrathen von nahestehenden Freunden in den Druck gegeben wurden, und zunächst auch nur für diese, die mich größtentheils nachbarlich umwohnten,so viel als möglich, leicht verständlich zu werden. Ich glaubte dies am Besten zu erreichen, wenn ich mit den vorhandenen Schriftzeichen des hochdeutschen Alphabets die plattdeutschen Töne meiner Landschaft nachzubilden suchte und nebenbei zu Gunsten des Auges beim Lesen der hochdeutschen Schreibart in den verwandten Wörtern mich anschlösse, selbst in den Eigenthümlichkeiten, die man oft und mit Recht getadelt hat. Ich nahm daher z.B. das dehnende "h" und "e" in meine Orthographie auf. Diese Art der Ausführung ist von Freunden mit nachsichtsvoller Schonung und freundlicher Berücksichtigung der naheliegenden Schwierigkeiten, von Feinden mitgroßer Strenge und eigensüchtiger Petulanz gerügt worden; ich bin beiden dankbar und habe zu meiner Entschuldigung nur die ursprüngliche Bestimmung dieser Gedichte anzuführen sowie auch, daß ich den plötzlichen Aufschwung einer neu=plattdeutschen Literatur bei dem Erscheinen meiner ersten ersten Versuche nicht ahnen konnte.
Gewiß ist das allgemein ausgesprochene Verlangen nach einer durchgreifenden plattdeutschen Orthographie ein durchaus berechtigtes, aber wer nur zwei oder drei neuerschienene, plattdeutsche, literarische Erzeugnisse mit einander vergleichen will, wird die vorläufige Unmöglichkeit einer Vereinigung aller dieser divergirenden Dialekte in dem Brennpunkte einer Schreibart leicht einsehen. Mehr oder weniger hat bisher jeder plattdeutsche Schriftsteller uns in seiner Darstellung nur ein Bild seines engbegrenzten heimathlichen Idioms dargeboten, un wie verschieden diese einzelnen Dialekte sind undsein müssen, wird man leicht einsehen, wenn man bedenkt, daß der plattdeutschen Sprache seit ungefähr zweihundert Jahren das gemeinsame Band einer Schriftsprache mangelt, daß in dieser Zeit die Pflege der Sprache nicht dem gebildeten Theile der Bevölkerung, sondern haupsächlich der arbeitenden Klasse anvertraut war, wodurch allerdings wohl die Naturwüchsigkeit und Originalität erhalten, aber auch Regel= und Geschmacklosigkeit Thür und Thor geöffnet wurde.
Ohne auf Kosten anderer eine offenbare Ungerechtigkeit zu begehen, kann man nun nicht annehmen, daß ein oder der andere niederdeutsche Volkstamm die Pflege der plattdeutsche Sprache mit besonderer Sorgfalt und hervorragendem Glücke geübt habe, und daß die Eigenthümlichkeiten und Vorzüge der Sprache in seinem Idiom vorzugsweise zur Anschauung kämen; jeder hat etwas und keiner hat Alles. Es ist daher auch ein vergebliches Mühen, wenn ein plattdeutscher Schriftsteller sein Idiom als das vorzüglichere den übrigen Volkstämmen octroyiren will, wenn er sich an seinen Schreibtisch setzt und aus seinen vielleicht höchst eiseitigen Werken allgemeine Regeln für die Sprache aufstellt; mit einem peremtorischen "sic!" ist da nicht geholfen. Eine solche auf der Studirstube gemachte Sprache hat kein Fleisch und Blut, sie hat kein Leben; und könnte ihr die künstlich eingeblasen werden und gäben die übrigen Idiome ihre Rechte einseitig auf, so wär’s das größte Unglück für die Sprache, es wäre ein selbsmörderischer Act zu Gunsten einer höchst zweifelhaften Autorität.
Mit der Verschiedenheit der Idiome hängt die Verschiedenheit der Schreibweise auf’s Engste zusammen; jeder Schrifteller bemüht sich durch die vorhandenen Sprachzeichen, ja durch neuerfundene, dem Klange seines landschaftliche Dialekts gerecht zu werden, und dadurch wird die geschriebene Sprache noch viel buntscheckiger und unverständlicher als selbst die gesprochene. Ich unterhalte mich mit Leichtigkeit mit einem Westphalen und Ostfriesen, die in jenen Gegenden geschriebenen Bücher aber bieten mir beim Lesen viele Schwierigkeiten dar!
Grammatiken und Lexika können diesem Übelstande nicht abhelfen, denn sie leiden ebenfalls an dem landschaftlichen Particularismus, und das einzige Lexikon, welches auf alte und neue Sprache und Dialekte Rücksicht nimmt, das Kosegartensche, ist nicht fertig und wird nach seiner Vollendung den Lesern plattdeutscher Schriften wohl Aufschlüsse ertheilen, nicht aber den Schriftstellern zu einer gemeinsamen Ausdrucksweise und Schreibart verhelfen können.
Kurz! uns geht es mit unserer neuen plattdeutschen Literatur, wie unseren Stammverwandten, den Engländern, den Amerikanern mit ihrem unterseeischen elektrischen Kabel, das Band ist da, das Kabel spricht auch, aber wir sind zu weit auseinander, um an den Enden der Kette die Sprache zu verstehen; wir haben bei Legung des Kabels den Fehler gemacht, die natürlichen Einflüsse der sich kreuzenden und störenden Idiome nicht in Rechnung zu bringen.
Oder sollte glücklicher Weise die Unverständlichkeit nur von einem Riß in der Kette herrühren? Dann wäre die Möglichkeit vorhanden, wenn auch nach manchem Umhersuchen, endlich den Riß zu finden, die Kette aufs neue zu knüpfen und ein Verständniß zu erzielen. Von beiden Ufern aus muß diese Untersuchung eingeleitet werden und mit großer Sorgfalt und ehrlichster Treue. Jeder plattdeutsche Schriftsteller muß von seinem heimischen Gestade Abschied nehmen, das große Sprachkabel sorgfältig verfolgen bis an jenen Riß und dort, so gut es geht, so gut er’s versteht, anknüpfen. Der Riß wird leicht zu finden sein. Da, wo die alte plattdeutsche Sprache aufhörte, Schriftsprache zu sein, ist das Band zuerst zerrissen, da muß vernüftiger Weise zuerst wieder angeknüpft werden; da könnte man den Knoten schlagen, der all Dialekte wieder zu einem Ganzen verbände.
Ich meine dies selbsvertändlich nicht so, daß die plattdeutschen Schriftsteller mit einem Sprunge wohl oder übel in dem Anfänge des siebenzehnten Jahrhunderts fußen und einer entfernten Zeit die letzten Reste der altplattdeutschen Schriftsprache als allein richtig aufdringen sollen. – Das kann mir nicht einfallen. Zwischen damals und jetzt liegt eine lange Zeit, und diese Zeit hat ihre Rechte, und wenn auch unsere Sprache als Schriftsprache geschlummert hat, so hat sie als gesprochene Sprache nach mannigfacher Richtung fortgebildet, wie dies ja gerade die Verschiedenheit der Dialekte beweist. Wir müssen daher nicht von dem Riß ausgehen, sondern von unseren heimathlichen Ufern aus dahin vogehen, nicht übereilt, wiel wir sonst zu rasch unsern nächsten Nachbarn aus den Augen kommen könnten, sondern allmählich; wir müssen das Unwesentliche über Bord werfen und das Zufällige der Aussprache dem Lese überlassen. Auf diese Weise bleibt jedem Dialekte das Tüchtige und Eigenthümliche; aber wir werden uns nähern, weil wir auf convergirender Fahrt ein Ziel im Auge haben,und werden leicter Einer von dem Anden das Tüchtige aufnehmen können. Es wird uns dies Opfer zu Gunsten der gemeinsamen Mutter auch nicht schwer werden können; wenigstens lange nicht so schwer, als zu Gunsten einer höchstens gleichberechtigten Schwester.
Wenn sich einer meiner freundlichen Leser die Mühe nehmen und diese Ausgabe mit der vorigen vergleichen will, so wird er finden, daß ich in der oben erwähnten Weise fortgeschritten bin. Es ist dies ein Anfang in meinem Sinne und noch viele Änderungen und Besserungen sind in die Zukunft verschoben; ich wollte allmählich vorschreiten, um meine nächsten Nachbarn nicht aus den Augen zu kommen. Man wird mir mit Recht viele Inconsequenzen vorwerfen können, die anderen Dialekte werden mir unteranderem die Beibehaltung der Diphthongen "au" "eu" "ei", die dem Mecklenburger eigenthümlich sind, tadeln, und werden sich wundern, daß ich selbige nicht als etwas Unwesentliches über Bord geworfen habe, und so gibt es hundert Dinge, mit welchen man sich nicht einverstanden erklären wird. Es schadet dem vorläufig nicht; ich bin auf gutem Wege, denn ich liebe meine Sprache mehr, als meinen Dialekt.
Daß die Veränderung der Orthographie und des Ausdrucks in dieser Auflage in bedeutender Weise das Versmaß und den Reim alteriren und daher eine sehr durchgreifende Überarbeitung veranlassen mußte, liegt auf der Hand. Ich habe mich derselben mit Gewissenhaftigkeit unterzogen und würde mich freuen, wenn man einen Fortschritt in dieser Ausgabe erkennen könnte; eine größere Freude aber würde es für mich sein, wenn von Seiten anderer plattdeutscher Schriftsteller ein ähnlicher Weg betreten würde, um mit der Zeit zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen.
Neubrandenburg, den 9. Juli 1859.
Fritz Reuter