Arthur Schnitzler
Therese
Arthur Schnitzler

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19

Eines Abends, kurz nach ihrem Eintritt in Maxens Zimmer, während sie eben Hut und Schleier ablegte, wurde an die Türe geklopft, zu ihrer Verwunderung rief Max ohne weiteres »Herein«, und einer seiner Kameraden, ein langer blonder Mensch, trat ein in Begleitung einer jungen Dame, die Theresen gleich als eine der Darstellerinnen aus einer neulich gesehenen Operette erkannte. »Ah, welche Überraschung!« rief Max aus, ohne Therese auch nur einen Moment darüber täuschen zu können, daß diese Überraschung zwischen den Kameraden verabredet war. Der Oberleutnant erwies sich als ein liebenswürdiger und höflicher Gesellschafter, und die Schauspielerin, ganz im Gegensatz zu Theresens Erwartung, befliß sich einer besonderen Zurückhaltung und Einsilbigkeit, die zu bewahren man ihr offenbar um Theresens willen besonders eingeschärft hatte. Zu ihrem Begleiter sagte sie »Herr Oberleutnant« und »Sie«, überdies erwähnte sie, daß ihre ältere Schwester mit einem Advokaten verheiratet sei, und endlich, daß gegen Weihnachten ihre Mutter, die Witwe eines höheren Beamten aus Wien, hieher übersiedeln werde. Man sprach über die letzten Theatervorstellungen, bald darauf, da die künstlerischen Urteile über Stücke und Darsteller rasch erledigt waren, über das Verhältnis des Direktors mit der Sentimentalen und das des Grafen Benkheim mit der Salondame; und man beschloß den Abend im Gasthof bei einer Flasche Wein, wo sich die Unterhaltung in einer etwas lebhaften, aber für Therese nicht sonderlich anregenden Weise fortsetzte. Ein paar Offiziere an anderen Tischen grüßten höflich, ohne von 57 der Gesellschaft weiter Notiz zu nehmen. In früher Stunde, kurz nach zehn Uhr, empfahl sich Therese, bestand darauf, daß Max noch mit den andern bleibe; und in einer ziemlich trüben, leicht beschämten Stimmung begab sie sich nach Hause.

Bei der nächsten Zusammenkunft in Maxens Wohnung ging es erheblich heiterer zu. Der Oberleutnant hatte kalten Aufschnitt und Backwerk mitgebracht, und schon nach der ersten Flasche Wein stellte es sich heraus, was für Therese natürlich keine Überraschung bedeutete, daß der Oberleutnant und die Schauspielerin auf vertrauterem Fuße miteinander standen, als sie das letztemal hatten verraten wollen. Immerhin hielt sie sich noch ein wenig zurück, sprach bald wieder von ihrer Mutter, die zwar zu Weihnachten nicht kommen könne, sie aber am Palmsonntag von hier abholen werde; und später, als die kleine Gesellschaft in einem Kaffeehaus saß und aus einer Ecke der Komiker des Theaters mit kordialem Winken ein »Servus Lintscherl!« herüberrief, dankte sie kaum und bemerkte nur: »Was der freche Bengel sich einbild't!«

In einer ungestörten Stunde bald darauf bat Therese ihren Max, von diesen Zusammenkünften zu viert doch lieber abzusehen; sie fühle sich wohler mit ihm allein. Er lächelte zwar wie geschmeichelt, aber dann wurde er verdrießlich und schalt sie zuerst gelinde, dann immer heftiger wegen ihres »Hochmuts« und ihrer »Fadaise«. Sie weinte ein wenig; der Abend wurde trübselig und langweilig; – und als ein paar Tage darauf der Oberleutnant mit seiner Freundin wieder an Maxens Türe klopfte, war Therese im Grunde froh darüber. Nachher im Gasthaus und an den folgenden Abenden schien sie, 58 wenn nicht die lustigste, doch die lebhafteste von allen und war es auch in größerer Gesellschaft, wie sie sich nun immer öfter an ihrem Tische zusammenfand.


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