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I.
Im Jahre 1824 ward eine Verordnung erlassen, daß man allüberall Anordnungen treffen solle zur Verhütung der Beerdigung scheintoter Personen. Einige Zeit nach Ausgabe des Kgl. Erlasses forderte daher ein Oberamtmann seine Schulzen auf zu berichten, ob in ihren Schultheißereien schon dem Kgl. Erlaß entsprechende Vorkehrungen getroffen worden seien. Darauf antwortete der Schultheiß Nockele:
Kgl. Oberamt!
Seit meiner Amtsführung hat sich kein Scheintoter im Ort blicken lassen; sobald ich aber einen aufgreife, werde ich ihn pflichtschuldigst ans Kgl. Oberamt transportieren lassen.
(Griesinger, Schwäbische Familien-Chronik.)
II.
Jedermann weiß, daß unsere menschlichen Uhren in ihrem Gang nach der Himmelsuhr, der Sonne, gerichtet werden. Da nun nicht für jeden Ort auf der Erde die Sonne zu gleicher Zeit ihren höchsten Stand am Himmelsgewölbe einnimmt oder, wie die Gelehrten sagen, kulminiert, so können auch nicht alle Uhren der Welt zu gleicher Zeit mittags 12 Uhr haben.
In der Tat gingen auch bis vor etwa einem Jahrzehnt die Uhren in München, damit die von ganz Bayern, gegenüber denen in Württemberg um einige Minuten voraus und diese wieder gegenüber denen von unseren westlichen Nachbarn, den Badenern. Das war nun namentlich für den Eisenbahnverkehr sehr hinderlich, und man beschloß, alle Uhren in Mitteleuropa einheitlich nach der Mittagszeit in Prag zu richten. So kam es, daß man in Württemberg alle Uhren auf einmal vorrichten mußte, um die Einheitszeit in Deutschland herzustellen.
Einige Wochen, nachdem diese Änderung durchgeführt war, verlangte ein Oberamtmann des Schwarzwaldkreises von seinen Schultheißen einen Bericht darüber, wie es mit der Einheitszeit gehalten werde. Ein Schultheiß aber war offenbar noch ein Mann der alten Zeit; denn in seinem Bericht gab er den Bescheid:
»Dem Kgl. Oberamt tut das Schultheißenamt kund und zu wissen, daß man hierorts wie früher immer dann einheizt, wann es rechtschaffen kalt ist.«
III.
Dieser Schulze, der in so netter Weise Einheizzeit und Einheitszeit verwechselt hat, wird wohl derselbe gewesen sein, der einstens auf die Anfrage hin, wieviel Geld seine Gemeinde zu Schulzwecken aufwende, berichtete:
»Es ist anhero hier Sitte gewesen, denen Schulkindern, Knaben und Mädchen, nach stattgehabter Visitation einen Wecken zu spendieren; aber daß der Schulz auch Wecken anzusprechen hat, davon ist hierorts nichts bekannt.«