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I.
Der Röhrle von Häfner-Neuhausen kam einst in der Nähe von Tübingen in eine Wirtschaft, in welcher einige Studenten waren, die sich durch lustige Geschichten und fröhliche Spässe unterhielten. Keck wie er war, setzte sich der Röhrle zu den jungen Herren, und bald griff er auch in ihre Unterhaltung ein. Und seine Spässe gefielen anfangs allgemein. Als er aber viel getrunken hatte, da wurde er anzüglich, und die Studenten wurden spitzig, und ein Wort gab das andere. Der Röhrle fragte einen der Herren nach der Ursache seiner Schmarre, die ihm vom Ohrläpplein nach dem Mundwinkel lief. Der Student sagte, das komme von einem hieb, und wenn der Röhrle jetzt sein keckes Mundwerk nicht halte, so könne er auch »haben«. Da stund der Röhrle auf und sagte: »Nein, denn wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe.« Und damit Hub er zu dreschen an, und die Hiebe fielen hageldicht. Da erhub sich ein anderer der Studenten, welcher ein Theologe war und die Schrift wußte. Dieser sprang auf den Röhrle zu und schrie: »Es stehet auch geschrieben: mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden.« Und schlug zu, und die andern schlugen auch zu. Da kam der Wirt herbeigesprungen und wehrte ab. Der Röhrle aber beruhigte ihn: »Laß nur gut sein, Herr Wirt, wir haben einander nur die Heilige Schrift ausgelegt.«
II.
Der Röhrle traf einst im Schönbuch einige Studenten an, die eben von der Mensur nach Hause fahren wollten. Der Waffengang war gütlich und ohne Blutvergießen abgelaufen. Da verspottete der Röhrle die Studenten und sagte: »Ihr habt einander eben nach dem Hirn gezielt, und da habt ihr natürlich nichts getroffen.« Das nahmen ihm nun die Herren Studenten übel, und Röhrle mußte schleunigst Fersengeld geben.
III.
Für diese gottlose Redensart des Röhrle wollten die Studenten nun Rache an ihm nehmen. Sie fuhren deshalb nach Neuhausen und vor das Haus des Röhrle. Dort läutete einer von ihnen mit einer großen Kuhglocke und rief dann aus, wie die Büttel es auf den Ortschaften machen: »Der Röhrle hat den Verstand verloren, wer ihn findet« – aber weiter kam er nicht mit Ausrufen; denn schon hatte der Röhrle das Fenster aufgerissen und rief nun heraus: »der möge ihn abgeben bei den Studenten in Tübingen, die können ihn brauchen.«
IV.
Der Röhrle war in seiner Militärzeit Bursche bei einem Oberst gewesen. Einstmals war sein Herr ausgegangen und Röhrle war über eine Flasche seinen Weines gekommen, die einzige Sorte dieser Art, die sein Herr besaß, und sie war ein Geschenk des Königs. Der Röhrle hatte die Flasche Wein bald vollständig leer getrunken. Nach drei Tagen aber war der Geburtstag der Frau Obristin und der Oberst wollte seiner Gemahlin zu Ehren den köstlichen Wein aus des Königs Keller kredenzen. Aber der Wein wurde überall vergeblich gesucht. Da trat Röhrle vor seinen Oberst hin und sagte: »Herr Oberst, ist eine Sache verloren, wenn man weiß, wo sie ist?« – »Unsinn! Selbstverständlich nicht!« – »Herr Oberst, gottlob, dann ist der Wein nicht verloren, denn ich weiß, wo er ist.« – »Dann schaff' ihn her!« sagte der Oberst. – »Herschaffen kann ich ihn leider nicht,« erwiderte Röhrle; »ich habe ihn nämlich getrunken.« Der gute Witz half dem Röhrle aus der Not; der Oberst zankte seinen Burschen nur tüchtig aus, verhängte aber weiter keine Strafe über ihn.
(C. Schnerring, Kirchheim u. T.)