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Als zur Heuernte einmal schlechtes Wetter war, so daß man das Heu nicht einbringen konnte, war in Ganslosen großer Jammer. »Warum tut ihr denn nichts dagegen?« fragte ein durchreisender Handwerksbursche, der im Dorfwirtshaus abgestiegen und mit dem anwesenden Schulzen darüber ins Gespräch gekommen war. Der Schultheiß sah ihn erstaunt an und sagte: »Etwas dagegen tun? Was kann man denn gegen das Wetter tun? Beten? Das tun wir morgens und abends und am Sonntag in der Kirche; aber 's will nichts batten.« – »Ei,« sagte der Fremde, »ihr habt scheints noch nichts davon gehört, daß man jetzt das gute Wetter in der Apotheke kaufen kann, aber nur in einer rechten, in einer ganzen, und solche gibt es scheints hier zu Lande nicht viele. Bei uns hat das Mittel noch immer geholfen, und wir sind seitdem vom schlechten Wetter verschont geblieben.«
Dem Schulzen ging der neue Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. Und als das Wetter am nächsten Tage sich wieder nicht bessern wollte, berief er den Gemeinderat zusammen und teilte ihm mit, was er erfahren hatte. »Ich bin der Meinung,« sagte er, »daß wir den Büttel in die Apotheke nach Göppingen schicken. Gibt es dort kein gutes Wetter, so kann er gleich weiter gehen nach Stuttgart in die Hofapotheke, wo man ja alles haben kann.« Der Gemeinderat war wie gewöhnlich mit des Schulzen Vorschlag einverstanden, und der Büttel erhielt den Auftrag, nach Göppingen zu gehen und in der Apotheke nach gut Wetter zu fragen. Der Büttel wollte aber an diesem Tage seinen Mist auf den Acker bringen, und so kam ihm der Auftrag ungelegen. Er schickte daher seine Frau nach Göppingen. Der Apotheker aber war ein Schalk, und als er von der Frau sich das Nähere hatte berichten lassen, sagte er zu ihr: »Vorrätig habe ich das gute Wetter nicht, aber ich kann es Euch machen. Nehmet nur einstweilen Platz, bis ich fertig bin.« Dann ging er hinaus in seinen Garten, wo er ein Brummhummel-Nest wußte. Diesem entnahm er eine dicke Hummel, sperrte sie in ein Schächtelein, wickelte das Schächtelein sauber ein und gab es der Frau. Dabei schärfte er ihr ein, das Schächtelein auf dem Wege ja nicht zu öffnen, da er sönst für das gute Wetter nicht garantieren könne.
Die Frau ging heimwärts und trug das Schächtelein vorsichtig in der Hand. »Wie kann in einem so kleinen Schächtelein,« dachte sie, »genug gutes Wetter für ein ganzes Dorf sein?« Sie betrachtete das Schächtelein von allen Seiten und hielt es auch ans Ohr. Da hörte sie darin etwas krabbeln. Ihre Neugierde ward dadurch aufs äußerste erregt, und sie konnte der Versuchung nicht länger mehr widerstehen, das Schächtelein zu öffnen. Vorsichtig wickelte sie das Papier auf und hob den Deckel etwas in die Höhe. Aber kaum hatte der gefangene Brummhummel einen Hauch von Freiheit verspürt, als er sich auch schon durch den offenen Spalt drängte. »Brum! brum!« und jetzt flog er davon. Die Frau stand zuerst starr wie ein Stein; dann aber lief sie ihm nach. Doch all' ihr Mühen war umsonst. Der Brummhummel nahm seinen Flug querfeldein und war bald darauf ihren Blicken entschwunden. Als die Frau sah, daß er nicht mehr einzuholen sei, rief sie ihm nach: »Gut Wetter! Ganslosen zu! Ganslosen zu! Mir hänt di kauft!«
Der Schulze und die ganze Gemeinde waren voll Zorn über die Dummheit der Büttelsfrau und schalten sie tüchtig aus. Als aber schon am andern Tag das Wetter sich änderte und heller Sonnenschein über den Fluren lag, da war alles damit einig, daß das gute Wetter den Zuruf der Frau gehört und den Weg richtig nach Ganslosen gefunden habe.
(Ähnliches wird von Mehrstetten erzählt.)
(Mündlich. K. Rommel.)