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Neuntes Kapitel.

                Indeß eröffnete sich eine Scene,
Für das Gefühl erschütternd – das Spital.

Thomson. Das Schloß des Müßiggangs.

Es war bald Mitternacht. Am Eingang des Gäßchens, wo Gawtrey residirte, standen vier Männer. In nicht weiter Entfernung, in der breiten Straße, welche mit dem Gäßchen sich kreuzt, hörte man die rasselnden Räder von Wagen und den Ton von Musik. Eine Dame, schön von Gestalt, von zärtlichem Herzen, von fleckenlosem Ruf, empfing ihre Freunde.

»Monsieur Favart,« sagte Einer von den Männern zu dem Kleinsten unter den Vieren; »Ihr habt Euch die Bedingungen gemerkt – 20 000 Franks und völligen Pardon?«

»Nichts billiger – es ist eine ausgemachte Sache. Dennoch, ich gesteh es, hätte ich meine Leute gern näher bei der Hand. Ich bin nicht empfänglich für die Furcht; aber das ist ein gefährliches Experiment.«

»Ihr kanntet die Gefahr vorher, und verstandet Euch dazu; Ihr müßt mit mir allein hinein, oder gar nicht. Merkts Euch, die Männer haben geschworen, den ermorden der sie verräth. Nicht für zwanzigmal 20 000 Franks wollte ich, daß sie mich als den Angeber kennten. Mein Leben wäre keinen Tag sicher. Wenn Ihr Euch jetzt ganz auf Eure Vermummung verlassen könnt, so ist wohl keine Gefahr. Ihr habt sie dann bei ihrem Thun und Treiben gesehen – Ihr werdet ihre Personen wieder erkennen – Ihr könnt bei der Untersuchung gegen sie zeugen – ich werde Zeit gewinnen, Frankreich zu verlassen.«

»Gut, gut, wie es Euch beliebt.«

»Merkts Euch, Ihr müßt in dem Gewölbe verweilen, bis sie sich trennen. Wir haben Eure Leute so vertheilt, daß, welche Straße auch Jeder von der Bande beim Nachhausegehen einschlägt, doch Alle in der Stille und auf einmal gepackt werden können. Den Muthigsten und Schlausten von Allen, der, obgleich er erst kürzlich sich ihnen angeschlossen, doch schon ihr Haupt ist, – ihn, den Mann, von welchem ich Euch sagte, der in dem Hause wohnt, müßt Ihr nach seiner Rückkehr in seinem Bette festnehmen. Es ist das sechste Stockwerk, rechts, merkt es Euch; hier ist der Schlüssel zu seiner Thüre. Er ist ein Riese an Stärke, und wird sich nimmermehr lebendig greifen lassen, wenn er wach und bewaffnet ist.«

»Ah, ich verstehe! – Gilbert!« und Favart wandte sich zu einem seiner Begleiter, der noch nicht gesprochen, »nehmt drei Männer mit Euch – befolgt die Anweisungen, die ich Euch gegeben – der Pförtner in dem Hause wird Euch einlassen, das ist verabredet. Macht kein Geräusch. Wenn ich bis vier Uhr nicht zurück bin, wartet nicht auf mich, sondern schreitet sofort zum Werke. Seht zu, ob Ihr Pulver auf der Pfanne habt. Greift ihn lebendig, wo möglich im – schlimmsten Falle todt! Und jetzt – mon ami – führt uns!«

Der Verräther nickte und schritt langsam die Straße hinab. Favart blieb stehen und flüsterte dem Manne, den er Gilbert genannt, hastig ins Ohr:

»Folgt mir ganz nahe – geht an die Kellerthüre – stellt acht Mann so auf, daß sie mein Pfeifen hören – vergeßt nicht die Hakenschlüssel und Aexte. Wenn Ihr, das Pfeifen hört, brecht herein; wo nicht, so bin ich ungefährdet, und die ersten Befehle, den Hauptmann in seinem Bette aufzuheben, gelten.«

Mit diesen Worten eilte Favart seinem Führer nach. Die Thüre eines großen aber unlieblich aussehenden Hauses war nur angelehnt – sie traten ein – sie schritten unbelästigt durch einen Hofraum – stiegen einige Stufen hinab; der Führer schloß die Thüre eines Kellers auf, und holte eine Blendlaterne unter seinem Mantel hervor. Wie er den Schieber zurückschob, fiel das dämmernde Licht auf Weinkrüge und Fässer, welche den Raum zu füllen schienen. Eines davon beiseite wälzend, hob der Führer eine Fallthüre auf und leuchtete mit seiner Laterne hinunter. »Tretet ein!« sagte er, und die beiden Männer verschwanden.

* *
*

Die Falschmünzer waren in voller Arbeit. Ein Mann, auf einem Stuhl vor einem Pult sitzend, trug Rechnungen in ein großes Buch ein. Dieser Mann war William Gawtrey. Indeß ging die Maschinerie des schwarzen Gewerbes in seinen verschiedenen Zweigen ihren Gang – mit der raschen Genauigkeit ehrlicher Arbeiter.

Bei Seite, allein, unten an einem langen Tisch, saß Philipp Morton. Die Wirklichkeit hatte seinen schwärzesten Verdacht noch übertroffen. Er hatte eingewilligt, den Eid zu leisten, Nichts von dem, was er zu sehen bekäme, auszusagen; und als man ihm, nach der Einführung in dies Gewölbe, die Binde von den Augen nahm, dauerte es einige Minuten, bis er ganz das verbrecherische, verzweifelte Treiben dieser wilden Gestalten begriff, unter welchen die kräftige Gestalt seines Wohlthäters hervorragte.

Als ihm die Wahrheit allgemach aufdämmerte, bebte er von Gawtreys Seite zurück, aber indem tiefes Mitleiden über die Entwürdigung seines Freundes den Abscheu vor diesem Gewerbe verschlang, warf er sich auf einen der großen Stühle, und fühlte, daß das Band zwischen ihnen in der That zerrissen sey, und daß er am nächsten Morgen wieder allein in der Welt stehen werde.

Aber dennoch, wenn die obscönen Späße, die gräßlichen Flüche, welche-von Zeit zu Zeit durch das Gewölbe schallten, sein Ohr erreichten, ließ er sein stolzes Auge mit solcher Verachtung über die Gruppen hinschweifen, daß Gawtrey, der ihn beobachtete, für sein Leben zitterte; und Nichts als das Gefühl seiner Ohnmacht, und der männliche, nicht feigherzige, Wunsch: nicht von solchen Händen zu sterben, bannte die feurigen Verwünschungen eines noch immer stolzen und ehrlichen Gemüths, die ihm auf der Lippe zuckten.

Alle Anwesenden waren mit Pistolen und Messern bewaffnet, außer Morton, der die ihm dargebotnen Waffen unbeachtet auf dem Tische liegen ließ.

» Courage, mes amis!« sagte Gawtrey, sein Buch schließend, – » Courage! – noch wenige Monate, und wir werden genug gemacht haben, um uns damit zurückzuziehen, und den Rest unsres Lebens zu genießen. Wo ist Birnie?«

»Hat er Euch Nichts erzählt?« sagte Einer von den Arbeitern, aufschauend. »Er hat den geschicktesten Kerl in Frankreich aufgefunden – eben den Burschen, der Bouchard bei all seinen Fünffrankstücken half. Er hat versprochen, ihn heute Nacht her zu bringen«

»Ja, ich erinnere mich,« versetzte Gawtrey; »er erzählte mir diesen Morgen davon, – er ist ein famoser Lockvogel!«

»Ja, das glaub' ich auch!« sagte ein Falschmünzer; »denn er hat Euch gefangen, das beste Haupt für unsre Hände, womit je les industriels gesegnet wurden – sacré fichtre

»Schmeichler!« sagte Gawtrey, von dem Pult an den Tisch tretend, und aus einer der Flaschen Wein in einen mächtigen Humpen gießend – »Auf Euer Aller Gesundheit!«

Hier that sich die Thüre auf und Birnie schlüpfte herein.

»Wo ist Eure Beute, mon brave?« fragte Gawtrey. »Wir münzen nur Geld; Ihr münzt Menschen, stempelt sie mit Eurem Siegel und Gepräge und setzt sie in Umlauf – dem Teufel zu!«

Die Falschmünzer, welche Birnies Geschicklichkeit schätzten (denn der ci-devant Graveur besaß eine bewundernswerthe Gewandtheit in seinem Handwerk), aber sein unlustiges Wesen haßten, lachten über diesen Hieb, welchen Birnie nicht zu betrachten schien, außer mit einem boshaften Blick seines verstorbenen Auges.

»Wenn Ihr den berühmten Münzer, Jacques Giraumont meint, der wartet draußen. Ihr kennt unsre Regeln – ich kann ihn nicht ohne Erlaubniß einführen.«

» Bon, die geben wir, he, Messieurs?« sagte Gawtrey.

»Ja, – ja,« schrien etliche Stimmen. »Er kennt den Eid und wird die Strafe vernehmen.«

»Ja, er kennt den Eid,« versetzte Birnie und schlüpfte wieder hinaus.

Nach einem Augenblick kehrte er wieder zurück mit einem kleinen Mann in einer Arbeitersblouse. Der neue Ankömmling trug den republikanischen Backen- und Schnurrbart – röthlich grau – sein Haar hatte dieselbe Farbe; und ein schwarzes Pflaster über dem einen Auge vermehrte noch das Uneinnehmende seiner Gesichtszüge.

» Diable! Monsieur Giraumont! aber Ihr gleicht mehr Vulkan als Adonis!« sagte Gawtrey.

»Ich weiß Nichts vom Vulkan, aber ich weiß, wie man Fünffrankstücke macht,« versetzte Monsieur Giraumont trotzig.

»Seyd Ihr arm?«

»Wie eine Kirchenmaus! das einzige Ding, was zu einer Kirche gehört, das seit die Bourbons zurück sind, arm ist.«

Bei diesem Witzwort stießen die Falschmünzer, die sich um den Tisch gesammelt, den beifälligen Ausruf aus, mit welchem Franzosen unter allen Umständen ein bon mot aufnehmen.

»Hm!« sagte Mr. Gawtrey, »wer bürgt mit seinem eigenen Leben für Eure Treue?«

»Ich,« sagte Birnie.

»Laßt ihn den Eid leisten.«

Plötzlich traten vier Männer vor, ergriffen den Gast, und trugen ihn aus dem Gewölbe in ein anderes weiter innen. Nach wenigen Augenblicken kehrten sie zurück.

»Er hat den Eid geleistet und die angedrohte Strafe vernommen.«

»Tod Euch, Eurem Weibe, Eurem Sohn und Enkel, wenn Ihr uns verrathet!«

»Ich habe weder Sohn noch Enkel; was mein Weib betrifft, Monsieur le Capitaine, so gleicht es eher einer Bestechung, als einer Drohung, wenn Ihr von ihrem Tode sprecht.«

» Sacré! aber Ihr werdet wirklich ein Gewinn für unsern Kreis seyn, mon brave!« sagte Gawtrey, während der unholde Kreis wieder Beifall jauchzte.

»Aber an Eurem Leben, denke ich, ist Euch doch gelegen?«

»Sonst wäre ich lieber Hungers gestorben als hieher gekommen,« antwortete der lakonische Neophyte.

»Ich bin mit Euch fertig, Eure Gesundheit.«

Auf dies sammelten sich die Falschmünzer um Monsieur Giraumont, schüttelten ihm die Hand, und thaten vielerlei Fragen an ihn, um sich seiner Geschicklichkeit zu versichern.

»Zeigt mir zuerst Eure Münzerei; ich sehe, Ihr bedient Euch sowohl des Stempels als des Ofens. Hm, dies Stück ist nicht schlecht – Ihr habt es mit einem eisernen Stempel geschlagen? – recht – es macht den Eindruck schärfer als Stuk »Plaster of Paris«: Gips, Stuckgips. – Anm.d.Hrsg.. Aber Ihr ergreift die ärmlichste und gefährlichste Seite des Handwerks, wenn Ihr Euch an den inländischen Markt haltet. Ich kann Euch in Stand setzen, zehnmal Mehr zu machen – und ohne Gefahr! Seht einmal her!« Und Monsieur Giraumont nahm einen falschen spanischen Thaler aus seiner Tasche, so kunstreich gefertigt, daß die connoisseurs in Bewunderung verloren dastanden – »Von diesen könnt Ihr Tausende über ganz Europa verbreiten, Frankreich ausgenommen, und Wer wird Euch je auf die Spur kommen? Aber es bedarf einer bessern Maschinerie als Ihr hier habt.«

Unter solchen Reden hatte Monsieur Giraumont nicht bemerkt, daß ihn Mr. Gawtrey sehr aufmerksam und scharf prüfend beobachtete. Aber Birnie hatte ihres Hauptmanns Aufmerksamkeit bemerkt, und suchte einmal, sich zu seinem neuen Verbündeten zu drängen, als Gawtrey ihm die Hand auf die Schulter legte und ihn zurückhielt.

»Redet nicht eher mit Eurem Freund, als bis ich es Euch heiße, oder –« er hielt inne und berührte seine Pistolen.

Birnie wurde um einen Grad blässer, erwiederte aber mit seinem gewöhnlichen höhnischen Lächeln:

»Argwöhnisch! – nun, um so besser!« setzte sich gleichgültig an den Tisch und zündete seine Pfeife an.

»Und jetzt, Monsieur Giraumont,« sagte Gawtrey, indem er den obersten Platz am Tisch einnahm, »setzt Euch zu meiner Rechten. Ein halber Feiertag Euch zu Ehren. Räumt diese höllischen Werkzeuge weg, und mehr Wein, mes amis

Die Gesellschaft richtete sich um den Tisch herum ein, unter verzweifelten Leuten findet sich beinah jederzeit ein Hang zur Lustigkeit. Ein einsamer Spitzbube ist finster und mißmuthig, aber eine Rotte von Spitzbuben ist fröhlich. Die Falschmünzer schwatzten und lachten laut. Mr. Birnie mit seinem trutzigen Schweigen schien den Andern wie fremd, obgleich er in der Mitte saß. Denn in einem geräuschvollen Kreise baut eine schweigende Zunge eine Mauer um ihren Inhaber. Aber dieser Ehrenmann hielt insgeheim ein lauerndes Auge auf Giraumont und Gawtrey gerichtet, welche am einen Ende der Tafel sehr freundschaftlich miteinander zu plaudern schienen.

Der jüngere Novize dieser Nacht war bei gleicher Schweigsamkeit ein nicht minder scharfer Beobachter als Birnie. Eine unheimliche, unerklärliche Ahnung hatte ihn seit dem Eintreten Monsieur Giraumonts ergriffen, und sie ward noch verstärkt durch Gawtreys Benehmen. Seine sehr scharfe Beobachtungsgabe hatte in der Artigkeit des Hauptmanns gegen den Gast etwas Falsches entdeckt – etwas Gefährliches in dem blitzenden Auge, das Gawtrey immer, wenn er mit Giraumont sprach, auf die Lippen dieses Mannes heftete, indem er auf seine Antwort hörte. Denn wenn William Gawtrey einen Menschen beargwohnte, so beobachtete er nicht seine Augen, sondern seinen Mund.

Aufgeweckt aus seiner bittern Träumerei fühlte Morton seine Aufmerksamkeit durch einen seltsamen Zauber auf den Hauptmann und den Gast gefesselt, und er beugte sich mit offenem Mund und gespanntem Ohre vor, ihr Gespräch zu belauschen.

»Es scheint mir etwas auffallend,« sagte Mr. Gawtrey und erhob seine Stimme, so daß er von der ganzen Gesellschaft verstanden werden konnte, »daß ein so geschickter Münzer wie Monsieur Giraumont, keinem von uns bekannt seyn soll, als unsrem Freund Birnie.«

»Gar nicht auffallend,« versetzte Giraumont; »ich arbeitete allein mit Bouchard und zwei Andern, die seitdem auf die Galeeren geschickt worden sind. Wir waren nur eine kleine Brüderschaft – jedes Ding hat seinen Anfang.«

» C'est juste: buvez donc, cher ami!«

Der Wein kreiste; Gawtrey begann von Neuem: »Ihr habt einen bösen Unfall gehabt, wie es scheint, Monsieur Giraumont – wie kamt Ihr um Euer Auge?«

»Bei einem Scharmützel mit den Gensd'armes in der Nacht, wo Bouchard ergriffen wurde und ich entkam: solche Unfälle riskirt man beim Spiel!«

» C'est juste: buvez donc, Monsieur Giraumont!«

Wieder trat eine Pause ein und wieder hörte man Gawtreys tiefe Stimme.

»Ihr tragt eine Perrücke, glaub' ich, Monsieur Giraumont? nach Euren Augenwimpern zu urtheilen, war Euer eigenes Haar von einer schönern Farbe?«

»Es ist uns um Vermummung, nicht um Schönheit zu thun, mein Wirth, und die Polizei hat scharfe Augen!«

» C'est juste: buvez donc, vieux renard! Wann trafen wir Zwei uns das letzte Mal?«

»Nie, so viel ich weiß.«,

» Ce n'est pas vrai, buvez donc – Monsieur Favart!«

Beim Klange dieses Namens fuhr die Gesellschaft in Schrecken und Verwirrung auf, und der Polizeibeamte, sich für den Augenblick vergessend, sprang von seinem Sitz auf und steckte die rechte Hand in seine blouse.

»He da! Verrath!« schrie Gawtrey mit einer Donnerstimme und faßte den unglücklichen Mann bei der Gurgel.

Es war das Werk eines Augenblicks. Morton, von dem Platz aus, wo er saß, sah einen Kampf – hörte einen Todesschrei. Er sah die riesige Gestalt des Falschmünzerthauptmanns sich über die Andern erheben, während rings herum Messer blitzten und Augen funkelten. Er sah die zuckende, kraftlose Gestalt des unglücklichen Gastes hoch empor gehoben in diesen gewaltigen Armen – und im Augenblick darauf ward sie über den Tisch hingeschleudert – Flaschen klirrten zerbrechend – der Tisch schütterte unter seiner Last – und vor Mortons Augen lag da eine entstellte, leblose Masse. Im selben Augenblick sprang Gawtrey auf den Tisch, und sein finsteres Stirnrunzeln sonderte unter der Gruppe heraus das aschfarbene, leichenhafte Angesicht des bebenden Verräthers. Birnie war vom Tisch aufgesprungen – er war unterwegs nach der geheimen Thüre – sein Gesicht, über die Schulter rückwärts gewandt, begegnete dem Auge des Hauptmanns.

»Teufel!« brüllte Gawtrey mit seiner schrecklichen Stimme, die das Echo des Gewölbes von allen Seiten zurückwarf – »gab ich Dir nicht meine Seele preis, damit Du Dich nicht zu meinem Tod verschwürest? Hört Ihr es! so sterben meine Sklaverei und alle unsere Geheimnisse!«

Der Knall der abgefeuerten Pistole verschlang halb das letzte Wort, und mit einem einzigen Stöhnen sank der Verräther, durch das Hirn geschossen, zu Boden nieder – dann trat eine schauerliche Todesstille ein, während der Rauch langsam an der Decke des trübseligen Gewölbes sich hinwälzte.

Morton sank auf seinen Stuhl zurück und bedeckte sich das Angesicht mit den Händen. Das letzte Siegel war auf das Schicksal des Mannes des Verbrechens gedrückt; die letzte Woge in der entsetzlichen, geheimnißvollen Fluth seines Verhängnisses hatte seine Seele an die Küste geworfen, wo es keine Rückkehr mehr gibt. Vergeblich waren jetzt und von Stund an die Laune, das gesunde Gefühl, die freundlichen Gesinnungen und Aufwallungen, die geselligen Triebe und Talente, welche diese stahlkräftige Gestalt mit einem gefährlichen Zauber umkleidet; welche die Hoffnung auf endliche Reue, auf Versöhnung noch in dieser Welt, genährt hatten. Die Stunde und die Umstände hatten ihre Beute ergriffen; und die Selbstvertheidigung, welche eine gesetzlose Lebensbahn zur Nothwendigkeit machte, ließ die unauslöschliche Farbe des Blutes auf seinem Schicksalsspruch zurück!

»Freunde, ich habe Euch gerettet,« sagte Gawtrey, mit stetem Blick den Leichnam seines zweiten Opfers anschauend, während er die Pistole wieder in den Gürtel steckte; »ich habe nicht gebebt vor dem Auge dieses Mannes (und er stieß die Leiche des Beamten bei diesen Worten mit rachelustigem Hohn von sich), ohne seinen Ausdruck in meinem innersten Herzen aufzubewahren. Ich erkannte ihn, wie er eintrat – erkannte ihn durch seine Verkleidung hindurch – und wahrlich! es war eine kunstvolle! Dreht sein Gesicht herum und seht ihn jetzt an; es wird uns nicht wieder schrecken, wenn nicht an Geistern etwas Wahres ist!«

Murmelnd und bebend drängten sich die Falschmünzer um den Tisch herum und besichtigten genau den Todten. In dieser Beschäftigung störte sie aber Gawtrey, denn sein rasches Auge entdeckte neben den Pistolen unter des Polizeimannes blouse eine metallene Pfeife von seltsamer Construktion und er vermuthete sogleich, daß noch Gefahr in der Nähe sey.

»Ich habe Euch gerettet, sage ich, aber nur für diese Stunde. Diese That kann nicht schlafen – seht, er zählte auf Hülfe, die auf seinen Ruf bereit war. Die Polizei weiß, wo sie ihren Genossen zu suchen hat – wir sind zerstreut. Jeder für sich! Schnell vertheilt die Beute! › Sauve qui peut.‹«

Darauf hörte Morton, wie er noch die Hände vors Gesicht gedrückt dasaß, ein verworrenes Getöse von Stimmen, das Klirren von Geld, das Stampfen von Füßen, das Aechzen von Thüren– dann war Alles still.

Eine starke Faust zog ihm die Hände von den Augen weg.

»Die erste Scene, die Ihr gesehen, wo Leben gegen Leben stand!« sagte Gawtreys Stimme, welche dem Ohr Philipps entsetzlich verändert vorkam. »Bah! was würdet Ihr von einer Schlacht denken? Kommt in unser Nest; die Leichname sind weg.«

Morton sah sich schaudernd im Gewölbe um. Er und Gawtrey waren allein. Sein Auge suchte die Stellen, wo die Todten gelegen – sie waren weggeschafft – keine Spur von den argen Thaten – nicht einmal ein Blutstropfe.

»Kommt, nehmt Euer Messer auf, kommt!« wiederholte die Stimme des Hauptmanns, der mit seiner trüben Laterne, jetzt dem einzigen Licht in dem Gewölbe, im Schatten der Thüre stand.

Morton stand auf, ergriff maschinenmäßig die Waffe, und folgte dem entsetzlichen Führer, stumm und bewußtlos, wie eine Seele einem Traum folgt durch das Haus des Schlafes!«



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