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Fünfzehntes Kapitel.

Ex humili magna ad fastigia rerum
Extollit.

Juvenal.

Als Harriet Fanny verlassen, hatte die Dienerin, in dem schlauen Wunsch, sie in Lilburnes Nähe zu locken, ihr gesagt, das Zimmer unten sey leer, und die Seele der Gefangenen ergriff natürlich im Augenblick den Gedanken an die Möglichkeit der Flucht. Nach einer kurzen Pause, wo sie tief aufathmete, schlich sie geräuschlos die Treppen hinab und öffnete leise die Thüre; und in eben diesem Augenblick trat Robert Beaufort durch die andere Thüre ein; sie zog sich erschrocken zurück, – aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie einen Namen aussprechen hörte, der sie wie mit einem Zauber fesselte – einen Namen, den zu hören sie am wenigsten erwarten konnte; Lilburne nämlich, sobald er Beaufort blaß, hohläugig, voll Unruhe in das Zimmer stürzen, und die Thüre hinter sich zuschlagen sah, konnte nur voraussetzen, daß Etwas von außerordentlicher Wichtigkeit, den gefürchteten Gast betreffend, vorgefallen sey, und schrie:

»Ihr kommt wegen Vaudemonts! – Es ist Etwas vorgefallen mit Vaudemont! – mit Philipp! – Was ist es? Beruhigt Euch!«

Fanny streckte, als dieser Name so plötzlich genannt wurde, den Kopf wirklich zur Thüre hinein; aber als sie einen Fremden erblickte, zog sie ihn wieder zurück; und alle ihre Sinne bei Nennung dieses Namens unnatürlich aufgeregt, horchte sie, während sie die Thüre beinahe ganz zuhielt, mit einer Spannung, daß man sagen konnte, ihre ganze Seele sey in ihrem Ohr gewesen.

Die Blicke beider Männer waren von ihr abgekehrt und ihr theilweises Erscheinen war nicht bemerkt worden.

»Ja,« sagte Robert Beaufort, sich auf Lilburnes Schulter lehnend, als fürchtete er, zu Boden zu sinken – »Ja; Vaudemont oder Philipp, denn sie sind Einer und derselbe; – ja wegen dieses Mannes komme ich, mich mit Euch zu berathen. Arthur ist angekommen.«

»Nun?«

»Und Arthur hat den Elenden gesehen, der uns besucht hat, und des Schurken Benehmen hat ihm so imponirt, hat ihn so überzeugt, daß Philipp der Erbe unseres ganzen Vermögens ist, daß er herübergekommen ist, krank – krank – ich fürchte« (fuhr Beaufort mit hohler Stimme fort), » sterbend, um – um –«

»Um gegen ihre Machinationen Vorkehrungen zu treffen?«

»Nein, nein, nein – um zu erklären, daß, wenn dies – der Fall, weder Ehre noch Gewissen uns gestatten, seinen Rechten entgegen zu treten. Er ist so hartnäckig in dieser Sache; seine Nerven ertragen so wenig Erörterung und Widerspruch, daß ich nicht weiß, was thun – –«

»Schöpft Athem – fahrt fort!«

»Nun, es scheint, daß dieser Mensch Arthur aufgefunden, beinahe sobald mein Sohn in Paris ankam – daß er Arthur überredete, er habe es in seiner Gewalt, die Heirath zu beweisen – daß er sich die Miene gab, sehr ungeduldig auf eine Entscheidung zu dringen – daß Arthur, um Zeit zu gewinnen, sich mit mir zu besprechen, Unschlüssigkeit heuchelte – ihn mit nach Boulogne nahm; denn der Schurke wagt nicht nach England zurückzukehren, ihn dort zurückließ – und jetzt kommt mein eigner Sohn zurück als mein schlimmster Feind, um sich gegen mich, gegen mein Vermögen zu verschwören! Ich hätte meine Fassung nicht behaupten können, wenn ich geblieben wäre. – Aber das ist nicht Alles, nicht das Schlimmste. Vaudemont verließ mich plötzlich am Morgen auf den Empfang eines Briefes hin. Beim Abschied von Camilla ließ er Anspielungen fallen, die mich mit Furcht erfüllen. Nun – ich erkundigte mich, als ich hieher reiste, nach seinem Thun und Treiben; er hat in D*** Halt gemacht, und sich über eine Stunde eingeschlossen und besprochen mit einem Manne, dessen Namen der Wirth wußte, weil er auf seiner Reisetasche stand – der Name war Barlow! Ihr erinnert Euch der Aufforderungen! Guter Himmel, was ist zu thun? Ich möchte nichts Unehrliches oder Unedles thun. Aber es bestand keine Heirath. Ich will nimmermehr glauben, daß eine Heirath bestand – nimmer!«

»Es bestand eine Heirath, Robert Beaufort,« sagte Lord Lilburne, und freute sich beinahe der Qual, die er dem Andern bereitete; »und ich habe hier in meiner Hand ein Papier, welches einen Augenblick in seine Griffe zu bekommen, Philipp Vaudemont, denn so wollen wir ihn noch nennen, mit seiner rechten Hand erkaufen würde. Ich habe es so eben in einer verborgenen Vertiefung in diesem Schreibtisch gefunden. Robert, von diesem Papier kann das Schicksal, das Vermögen, die Wohlfahrt, die Größe Philipp Vaudemonts, oder seine Armuth, seine Verbannung, sein Ruin abhängen. Seht!«

Robert Beaufort warf einen Blick auf das ihm hingehaltene Papier – ließ es auf den Boden fallen – und taumelte auf einen Stuhl. Lilburne legte kaltblütig die Urkunde wieder in den Schreibtisch, und auf seinen Schwager zu hinkend, sagte er mit einem Lächeln:

»Aber das Papier ist in meinem Besitz – ich will es nicht vernichten. Nein, ich habe kein Recht, es zu vernichten. Ueberdies würde es ein Verbrechen seyn; aber wenn ich es Euch gebe, könnt Ihr damit thun, was Euch beliebt!«

»O Lilburne, schont meiner, schont meiner! Ich dachte ein ehrlicher Mann zu seyn. Ich – ich –« und Robert Beaufort schluchzte.

Lilburne betrachtete ihn mit Verachtung, Hohn und Erstaunen.

»Fürchtet nicht, daß ich schlimmer von Euch denken werde; und Wer sonst sollte es erfahren. Mich fürchtet nicht; nein; auch ich habe Gründe, diesen Philipp Vaudemont zu hassen und zu fürchten; denn Vaudemont soll sein Name seyn, und nicht Beaufort, trotz fünfzig solcher Fetzen Papier! Er hat einen Mann gekannt, – meinen ärgsten Feind – er hat Geheimnisse von mir in seiner Gewalt – von meiner Vergangenheit – vielleicht von meiner Gegenwart; aber ich lache über seine Bekanntschaft damit, so lang er ein unsteter Abenteurer ist; – ich würde davor zittern, wenn er sie in die Welt hinaus donnern könnte als Philipp Beaufort von Beaufort-Court! So seht, ich bin aufrichtig gegen Euch. Jetzt hört meinen Plan. Beweist Arthur, daß sein Besuch ein Missethäter und Sträfling ist, indem Ihr augenblicklich die Diener der Gerechtigkeit nach ihm ausschickt – fort mit ihm wieder in die Colonien! Einem einzelnen Zeugen bietet Trotz – lockt Vaudemont nach Frankreich zurück, und beweist von ihm (ich denke, ich will es beweisen, ich hoffe es, mit wenig Geld und wenig Mühe! –), beweist von ihm, daß er der Mitschuldige von William Gawtrey war, ein Falschmünzer und Mörder! Pah, nehmt das Papier dort! Thut damit, was Ihr wollt; behaltet es – gebt es Arthur – gebt es Philipp Vaudemont, und Philipp Vaudemont wird reich und vornehm; der glücklichste Mann zwischen Erde und Paradies! Oder auf der andern Seite – kommt und sagt mir, daß Ihr es verloren, oder daß ich Euch nie ein solches Papier gegeben, oder daß nie ein solches Papier existirt habe, – und Philipp Vaudemont lebt fort als ein Armer, und stirbt vielleicht als ein Galeerensklave! Verliert es, sage ich – verliert es – und berathet Euch mit mir über das Uebrige.«

Von Entsetzen überwältigt, angedonnert, starrte der schwache Mann in das ruhige Gesicht des vollendeten Schurken, wie etwa der Gelehrte in der alten Fabel den Erzfeind angestarrt haben mag, der ihm hier weltliches Glück, und dort das Verderben seiner Seele vorlegte. Er hatte bis jetzt Lilburne nie in seinem wahren Licht gesehen. Er war entsetzt über das schwarze Herz, das offen vor ihm lag.

»Ich kann es nicht vernichten – ich kann nicht,« stammelte er; »und wenn ich es thäte, aus Liebe für Arthur – sprecht nicht von den Galeeren, – von Rache – ich – ich –«

»Die Rückstände der Renten, die Ihr genossen, werden Euch auf Lebenszeit in das Schuldgefängniß bringen. Nein, nein! vernichtet das Papier nicht!«

Beaufort stand mit verzweiflungsvoller Kraftanstrengung auf; er trat zu dem Schreibtisch. Fannys Seele schwebte auf ihrem Munde; – von dieser langen Unterredung hatte sie nur den Einen wichtigen Punkt gefaßt, auf welchen Lilburne mit einem Nachdruck hingewiesen, der einem Kind hätte begreiflich seyn müssen; und wirklich betrachtete er in diesem Augenblick Beaufort als ein Kind; – Von diesem Papier hing Philipp Vaudemonts Schicksal ab, – sein Glück, wenn es erhalten, sein Verderben, wenn es vernichtet wurde, – Philipps – ihres Philipps! Und Philipp selbst hatte ihr einmal gesagt – wann hatte sie je seine Worte vergessen? – und wie leuchteten jetzt diese Worte in ihrer Seele auf! – Philipp selbst hatte ihr einmal gesagt: »Von einem Fetzen Papier, wenn ich ihn nur finden könnte, hängt vielleicht mein ganzes Vermögen, mein ganzes Glück, Alles ab, was mir im Leben am Herzen liegt.«

Robert Beaufort trat an den Schreibtisch, ergriff die Urkunde – überlas sie noch einmal hastig, und ehe Lilburne, der keineswegs wünschte, daß sie in seiner Gegenwart vernichtet würde, seine Absicht erkannte, eilte er mit wankenden Schritten zum Herde, – wandte die Augen ab, und warf sie auf die Glut.

In diesem Augenblick schoß etwas Weißes – er wußte selbst nicht was, es erschien ihm wie ein Geist, ein Gespenst – an ihm vorüber, und riß das Papier von der glühenden Asche weg! – Eine Pause folgte – nur der hundertste Theil eines Augenblicks – ein gurgelnder Ton des Erstaunens und Entsetzens drang aus Beauforts Mund – ein Ausruf ertönte von Lilburne – ein Lachen von Fanny, indem sie, ihre Augen Licht sprühend, ihr Körper sich stolz erhebend, das Papier fest an die Brust gedrückt, ihren triumphirenden Blick vom Einen zum Andern schweifen ließ.

Die Männer waren Beide für den Augenblick zu verblüfft, um rasche Maßregeln zu treffen. Lilburne aber faßte sich zuerst wieder und eilte auf sie zu; – sie entzog sich seinem Griffe– sie eilte nach der Thüre des Ganges; als Lilburne, voll ernstlicher Besorgniß, sie am Arm faßte:

»Närrisches Kind! gib mir dies Papier!«

»Nimmer, außer mit meinem Leben!« und Fannys Geschrei um Hülfe gellte durch das ganze Haus.

»Dann,« das Wort erstarb ihm auf dem Munde, denn in diesem Augenblick hörte man draußen einen hastigen Schritt – ein augenblickliches Ringen und Kämpfen – Stimmen in heftigem Wortwechsel; – die Thüre gab nach, wie wenn ein Sturmbock sie eingestoßen; – und weniger hereingestoßen, als wirklich ins Zimmer geschleudert, stürzte Dykeman mit schwerem Körper, wie ein Leichnam zu Lord Lilburnes Füßen hin – und Philipp Vaudemont stand auf der Schwelle!

Lilburne ließ Fannys Arm fahren, und das Mädchen eilte mit Einem Sprung an Philipps Brust. »Da! da!« rief Fanny; »nehmt es – nehmt es!« und sie drückte ihm das Papier in die Hand. »Laßt es sie nicht wieder in die Hände bekommen! lest es – seht es – kümmert Euch nicht um mich!«

Aber Philipp, obgleich seine Hand instinktmäßig der kostbaren Urkunde sicher sich bemächtigte, kümmerte sich um Fanny; und in diesem Augenblick war ihre Sache die einzige für ihn auf der Welt.

»Nichtswürdiger Schurke!« sagte er, auf Lilburne zuschreitend, während Fanny noch an seiner Brust hing, »sprecht! – sprecht! – ist – sie – ist sie? – sprecht, Mensch, sprecht! Ihr wißt, was ich sagen wollte! Sie ist das Kind Eurer eigenen Tochter, die Enkelin jener Mary, die Ihr entehrtet – das Kind des Weibes, das William Gawtrey vor Entehrung schützte! Vor seinem Tode empfahl Gawtrey sie meiner Sorge! O Gott im Himmel! redet! komm' ich nicht zu spät?«

Das Benehmen – die Worte – das Gesicht Philipps drängten dem Lord Lilburne die überraschende und (denn am Ende war er doch auch ein Mensch) entsetzliche Ueberzeugung der Wahrheit auf. Aber des Mannes schlaue Geistesgewandtheit, längst arg mißbraucht, triumphirte selbst über die Reue wegen der gräßlichen That, mit der er umgegangen, über die Dankbarkeit dafür, daß ihm dies Verbrechen erspart worden. Er warf einen Blick auf Beaufort – auf Dykeman, der jetzt allmälig sich erholend, ihn mit Augen ansah, welche aus ihren Höhlen springen zu wollen schienen – und heftete endlich seinen Blick auf Philipp selbst. Drei Zeugen waren da! Geistesgegenwart war seine große Eigenschaft!

»Und wenn, Monsieur de Vaudemont, wenn ich wüßte, oder wenigstens die festeste Ueberzeugung hätte, daß Fanny meine Enkelin sey was dann? Warum sonst sollte sie hier seyn? – Pah, Sir! ich bin ein alter Mann!«

Philipp trat vor Erstaunen einen Schritt zurück; sein gerader Sinn ward getäuscht durch die kaltblütige Lüge. Er blickte nieder auf Fanny, welche Nichts von allem Gesprochenen verstand, denn all ihre Geistesvermögen, selbst ihr Gehör und Gesicht waren verschlungen von ihrer ungeduldigen Besorgniß für ihn, und ausrief:

»Kein Leid ist Fanny geschehen – keines; nur geängstigt. Lest! lest! rettet dies Papier. – Ihr wißt, was Ihr mir einmal sagtet von einem bloßen Fetzen Papier! Kommt fort! kommt!«

Er warf jetzt sein Auge auf das Papier in seinen Händen. Das war ein entsetzlicher Augenblick für Robert Beaufort – sogar für Lilburne! – die unheilvolle Urkunde dieser Faust entrissen! – ebenso gut hätten sie sie den Krallen eines Tigers entreißen mögen! Er schlug die Augen auf– sie weilten auf dem Bilde seiner Mutter! – ihr Mund lächelte ihm zu! Er wandte sich gegen Beaufort mit einer innern Bewegung, die zu jubelnd, zu selig war für gemeine Rache, – für gemeinen Triumph – beinahe für Worte.

»Schaut dorthin, Robert Beaufort – schaut!« und er deutete auf das Gemälde. »Ihr Name ist fleckenlos! Ich stehe wieder unter meines Vaters Dach, der Erbe von Beaufort! Wir werden uns gegenüberstehen vor den Gerichtshöfen unseres Landes. Was Euch betrifft, Lord Lilburne, so will ich Euch glauben, es ist zu gräßlich, auch nur zu zweifeln an Euren Absichten. Wenn ihr ein Leid zugefügt worden wäre: ich hätte Euch hier, wo Ihr steht, zerrissen, Glied für Glied, und dankt ihr« (denn Lilburne gewann bei dieser Sprache den kecken Muth seiner Jugend wieder, wie er war, ehe Berechnung, Indolenz und Ausschweifungen seine Nerven abgestumpft hatten; und schritt, uneingeschüchtert durch die Größe, Mannhaftigkeit und Stärke des ihm drohenden Gegners hochmüthig auf ihn los), »dankt es Einer Verwandtschaft mit ihr,« sagte Philipp; und stimmte seinen Ton zu einem Flüstern herab, »daß ich Euch nicht als Betrüger und Dieb brandmarke, Schuft‹! – Still, Schüler von George Gawtrey! – Ich fechte keine Duelle aus als mit Männern von Ehre!«

Jetzt wurde Lilburne weiß, und das trotzige Wort blieb ihm in der Kehle stecken. Im nächsten Augenblick hatten Fanny und ihr Beschützer das Zimmer verlassen.

»Dykeman ,« sagte Lord Lilburne nach langem Schweigen, »ein andermal will ich Euch fragen, wie Ihr dazu kamet, diesen unverschämten Menschen hereinzulassen; – für jetzt geht und bestellt das Frühstück für Mr. Beaufort.«

Sobald Dykeman, vielleicht noch mehr erstaunt über seines Lords Kaltblütigkeit, als über alles Vorhergegangene, das Arbeitszimmer verlassen, trat Lilburne zu Beaufort hin, der wie von der Starrsucht gelähmt schien, und sagte, ihn derb und ungeduldig anrührend:

»Gottes Tod! Mann! rafft Euch auf! Kein Augenblick ist jetzt zu verlieren. Ich habe schon entschieden, was Ihr thun müßt. Das Papier ist keinen Strohhalm werth, wenn nicht der Geistliche, der es beglaubigte, den Umstand mit seinem Zeugnis erhärtet. Er ist ein geringer Pfarrer,– ein Pfarrer in Wales – Ihr seyd noch Mr. Beaufort, – ein reicher und vornehmer Mann. Der Pfarrer, gehörig bearbeitet, legt vielleicht ein entgegengesetztes Zeugnis ab, – und dann können wir sie wegen Fälschung und Complotts anklagen. Im schlimmsten Falle könnt Ihr ohne Zweifel den Pfaffen dahin bringen, die ganze Sache zu vergessen, – sich entfernt zu halten. Seine Adresse war auf dem Certificat – C***. Reist selbst nach Wales, ohne einen Augenblick zu zögern. Dann, wenn Ihr die Sache mit Mr. Jones ins Reine gebracht, eilt zurück – fahrt hinüber nach Boulogne, und erkauft diesen Verbrecher und seinen Zeugen – ja erkauft sie! Das ist jetzt das Einzige. Schnell, schnell, schnell! Blitz, Mann, wenn es meine Sache, mein Vermögen wäre, ich fragte nicht eine Stecknadel nach diesem Wisch Papier; ich würde mich vielmehr darüber freuen! Ich sehe, wie man es gegen Sie benützen könnte! Geht!«

»Nein, nein! Ich bin der Sache nicht gewachsen. Wollt Ihr es in Eure Hände nehmen? wollt Ihr? – Mein halbes Vermögen – Alles! Nehmt es, nur reitet –«

»Geht mir!« unterbrach ihn Lord Lilburne mit großer Verachtung »Ich bin so reich als ich mir wünsche. Geld besticht mich nicht. Ich diese Sache in meine Hände nehmen? ich? – Lord Lilburne! – ich! Ha, wenn man dahinter käme – es ist Aufstiftung von Zeugen – persönliche Bloßstellung – Entehrung.– Ruin. Wie nun? Ihr müßt Euch der Gefahr aussetzen, – denn Euch trifft das Verderben, wenn Ihr es nicht thut. Ich kann es nicht. Ich habe Nichts dabei zu gewinnen!«

»Ich kann es nicht! ich darf nicht!« murmelte Beaufort, gänzlich gebrochenen Geistes. »Aufstiftung, Bloßstellung, Entehrung! und ich, so achtbar! – mein Charakter! und dazu mein Sohn gegen mich! mein Sohn, in dem ich zum zweiten Mal lebte! Nein, nein! Mögen sie Alles nehmen! Mögen sie es nehmen! Ha, ha! mögen sie es nehmen! Ich wünsche Euch guten Tag!«

»Wohin geht Ihr?«

»Ich will Mr. Blackwell zu Rath ziehen, und es Euch dann wissen lassen.«

Und Beaufort ging mit wankenden Schritten zurück zu seinem Wagen.

»Er geht zu seinem Rechtsgelehrten!« grollte Lilburne. »Ja, wenn sein Rechtsanwalt ihm helfen kann, die Leute gesetzlich zu betrügen, so wird er nicht anstehen, sie zu betrügen. Das wird die achtbare Weise seyn, es zu thun! Hm! das kann ein häßlicher Handel werden für mich – das Papier hier gefunden – wenn das Mädchen Zeugniß ablegen kann über das, was sie gehört hat, und sie muß Etwas gehört haben! – Nein, ich glaube, die Gesetze über wirklichen Besitz werden ihr Zeugniß schwerlich zulassen, und wenn auch – hm! – meine Enkelin! – ist es möglich? – Und Gawtrey bewahrte ihre Mutter, mein Kind, vor den Lastern ihrer Mutter! Mein Wohlgefallen an dem Mädchen kam mir doch ganz anders vor, als je in einem früheren Falle! – es war rein, ja, das war es! – es war Mitleid – Zärtlichkeit, und ich darf sie nie wieder sehen – muß die ganze Sache vergessen! – Und ich werde alt – bin kinderlos – und allein!«

Er hielt inne, beinahe mit einem Stöhnen; dann aber veränderte sich der Ausdruck seiner Züge zu dem der Wuth, und er schrie:

»Der Mensch drohte mir und ich war eine Memme! Was thun? Nichts! Die Defension ist mein Plan. Ich werde nie mehr spielen. – Ich greife Niemand an. – Wer will Lord Lilburne anklagen? Dennoch, Robert ist ein Narr. Ich darf ihn nicht selbst überlassen. He da! Dykeman! – den Wagen! Ich werde nach London fahren.«

Ein Glück ohne Zweifel war es für Philipp daß Mr. Beaufort nicht Lord Lilburne war. Denn die ganze Geschichte – öffentliche und Privat-Geschichte – Eroberer – Staatsmänner – schlaue Heuchler und entschlossene Ränkeschmiede, – ja, Alle belehren uns, wie mächtig Ein Mann von großem Verstand und ohne Gewissen ist gegen das Recht von Millionen! Der Eine Mann bewegt – die Masse ist träg. – Die Gerechtigkeit sitzt auf dem Throne. – Spitzbüberei rastet nie. – Thätigkeit ist der Hebel des Archimedes.



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