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Siebentes Kapitel.

             Unter allen Männern, sag' ich,
Die's wagen, denn 's ist ein verzweifelt Wagstück,
Auf freiem Nacken Weiberjoch zu tragen,
Wähl' ich mir den Soldaten.

Der Malteser.

Es schwebt so leicht der kleine Kahn
Auf kaum berührter Wellen Bahn;
So sorglos scheinet er zu seyn,
Gelassen auf der See allein,
Da liegend, die Segel wallend lind,
Bis der Himmel schickt einen günstigen Wind.

Wilson. Die Palmeninsel.

Vaudemont ging an diesem Abend nach London zurück, und fand in seiner Wohnung ein Billet von Lord Lilburne, des Inhalts, daß, da sein Podagra jetzt sich einigermaßen gelegt, der Arzt ihm gerathen, eine Luftveränderung zu versuchen, – Beaufort-Court liege in einer der westlichen Grafschaften, in einer gesunden Gegend – er reise deßwegen am nächsten Tage für kurze Zeit dahin – er habe einige von Vaudemonts Landsleuten und einige andere Freunde gebeten, den Zirkel eines langweiligen Landhauses zu beleben – Mr. und Mrs. Beaufort würden sich auch sehr freuen, Monsieur de Vaudemont zu sehen, – und seine Annahme ihrer Einladung würde ein Werk der Barmherzigkeit seyn gegen Monsieur de Vaudemonts treuen und verpflichteten Lilburne.

Die erste Empfindung Vaudemonts bei Durchlesung dieses Billets war Entzücken – »Ich werde sie sehen!« rief er aus, »ich werde mit ihr unter Einem Dache seyn!« Aber auf einmal schwand der Glanz und die Glut von seiner Wange, unter Einem Dache! welchem Dache? der Gast seyn da, wo er sich als Herrn betrachtete! der Gast seyn von Robert Beaufort! – Und war das Alles? Sann er nicht auf den tödtlichsten Krieg, welchen das civilisirte Leben gestattet – auf den Krieg des Rechtsstreites – einen Krieg um Namen, Eigenthum, ja um eben diesen Herd mit all seinen Hausgöttern, gegen diesen Mann? – Konnte er seine Gastfreundschaft annehmen?

»Und wie?« rief er aus, im Zimmer auf- und abschreitend, »weil ihr Vater mich mißhandelte, und weil ich meine Abkunft von dem meinigen geltend machen will – muß ich darum aus meinen Gedanken, aus meinem Gesicht ein so holdes und schönes Bild verbannen – sie, die als Kind an meiner Seite kniete vor diesem harten Mann? – Ist der Haß eine so edle Leidenschaft, daß er keinen Strahl von Liebe zulassen darf? Liebe! welches Wort! Ich muß bei Zeiten auf meiner Hut seyn!«

Er hielt inne in heftigem Kampf mit sich selbst, riß das Fenster auf und schnappte nach Luft. Die Straße, worin er wohnte, lag in der Nähe von St. James; und eben in diesem Augenblick fuhr, als sollte dadurch aller Widerstand vereitelt werden, und der Kampf ein Ende haben, Mrs. Beaufort im offenen Wagen vorbei, Camilla an ihrer Seite, Mrs. Beaufort blickte herauf und verbeugte sich matt; und auch Camilla bemerkte ihn, und er sah sie erröthen, als sie sich verneigte. Er schaute ihnen beinahe athemlos nach, bis der Wagen verschwand, und dann, nachdem er das Fenster wieder geschlossen, setzte er sich, um seine Gedanken zu sammeln, und wieder mit sich selbst zu Rathe zu gehen. Aber während des Ueberlegens sah er immer vor sich jenes Erröthen und jenes Lächeln.

Endlich sprang er auf und ein edler und glänzender Ausdruck hob den Charakter seines Angesichts. Ja, wenn ich jenes Haus betrete, wenn ich dieses Mannes Brod esse, und aus seinem Kelche trinke, muß ich entsagen – nicht der Gerechtigkeit, nicht dem, was dem Namen meiner Mutter gebührt – aber Allem, was dem Haß und der Rache angehört! Wenn ich jenes Haus betrete, und die Vorsehung mir die Mittel gewährt, meine Rechte wieder zu gewinnen: nun dann mag sie – die Unschuldige – das Mittel seyn, ihren Vater vom Ruin zu erretten, und wie ein Engel an der Grenze stehen, wo die Gerechtigkeit in Rache übergeht! – Ueberdies, ist es nicht meine Pflicht, Sidney zu entdecken? dort allein kann ich den Faden dazu in die Hände bekommen.«

Nach diesen Betrachtungen zögerte er nicht länger – er entschied sich; er wollte diese Gastlichkeit nicht zurückweisen, da es leicht später in seiner Macht stehen konnte, sie zehntausendfältig zu vergelten.

»Und Wer weiß,« murmelte er wieder, »ob nicht der Himmel, indem er dies holde Wesen mir auf meinem Wege begegnen ließ, dabei die Absicht hatte, die zornigen, ungestümen Leidenschaften, die ich so lange nährte, in mir zu dämpfen und zu sänftigen? Ich habe sie gesehen – kann ich jetzt noch ihren Vater hassen?«

Er schickte das Billet fort, worin er die Einladung annahm, und als er dies gethan, war er mit sich zufrieden. Er hatte die ihm dadurch auferlegten Pflichten vom möglichst edeln und großartigen Gesichtspunkt aufgefaßt; aber Etwas in seinem Herzen flüsterte: »In deiner Großmuth ist Schwäche! Darfst du die Tochter Robert Beauforts lieben?« Und sein Herz hatte keine Antwort für diese Stimme.

 

Die Schnelligkeit, womit die Liebe reift, hängt weniger ab von der wirklichen Zahl der Jahre, die über den Boden hingegangen sind, worein der Same gestreut worden, als von der Frische des Bodens selbst. Ein junger Mann, der das gewöhnliche Leben der Welt mitmacht, und der seine Gefühle mehr zerbröckelt als erschöpft durch die Mannigfaltigkeit von rasch aufeinanderfolgenden Gegenständen – mit den Cynthia's Im Original: »the Cynthias of the minute«. Susemihl, aaO., Bd. 2, S. 268, übersetzt gänzlich verfehlt: »mit dem Cynthias der Minute«. Das »mit den« bzw. »mit dem« ist vom Originaltext jedoch nicht gedeckt; vielmehr erscheint das in Gedankstrichen Eingefügte als Apposition zu den voranstehenden »quick succeding subjects«, den »rasch aufeinander folgenden Gegenständen«, die damit dann als »Cynthias des Augenblicks« verbildlicht würden. Der Name »Cynthia« selbst ist hier zu deuten als Allusion auf das Werk des altrömischen Lyrikers Propertius, in dessen Elegien hauptsächlich die Liebe des lyrischen Ichs zu einem Mädchen namens Cynthia thematisiert wird. Schon in der ersten Elegie wird Cynthia als Herrin dargestellt, die den armen Liebenden durch ihre lieblichen Augen gefangen genommen hat. Die »Cynthias des Augenblicks« sind demnach zu verstehen als die rasch sich abwechselnden Angebeteten des besagten »jungen Mannes« – Anm.d.Hrsg. der Minuten! – ist nicht im Stande, eine wirkliche Leidenschaft auf den ersten Anblick zu fassen. Die Jugend ist entzündlich nur, wenn das Herz jung ist!

Es gibt gewisse Zeiten im Leben, wo bei beiden Geschlechtern die Gefühle des Herzens so zu sagen vorbereitet sind, durch das erste hübsche Angesicht, welches die Phantasie anzieht und das Auge erfreut, sich gewinnen zu lassen. Solche Zeiten sind, wenn das Herz lange einsam gewesen ist, und wenn eine Frist der Ruhe und Muße auf Perioden ungestümer und stürmischerer Aufregung folgt.

Genau ein solcher Zeitpunkt war jetzt im Leben Vaudemonts eingetreten. Obgleich viele Jahre lang sein Ehrgeiz, sein Traum und sein Schwert seine Geliebte gewesen, hatte er doch, von Natur gemüthvoll und tiefer Empfindungen fähig, oft über sein einsames Loos geseufzt. Nach und nach stimmte sich die jünglinghafte Phantasie und Verehrung, womit er das Bild Eugeniens umfaßt hielt, zu jener weichen und zarten Schwermuth herab, die vielleicht, indem sie die Kraft der strengeren Gedanken schwächt, uns geneigt macht, eine neue Neigung eher in uns aufzunehmen, als ihr zu widerstehen, und an der Grenze der süßen Erinnerung schwebt zitternd die süße Hoffnung. Die Unterbrechung seines Berufs, seiner Plane, seiner Kämpfe, seiner Laufbahn, ließ seine Leidenschaften unbeschäftigt. Vaudemont war so, ohne daß er es wußte, zur Liebe wie vorbereitet.

Wie wir gesehen, richteten sich seine ersten und frühesten Gefühle auf Fanny. Aber er hatte so im Augenblick die Gefahr entdeckt, und er schreckte so im Augenblick davor zurück, diese Gedanken und Phantasien, ohne welche die Liebe aus Mangel an Nahrung stirbt, für eine Person zu nähren, der er einen solchen Schwachsinn beimaß, wodurch ein solches Gefühl ganz den Charakter der schwachherzigsten Unbesonnenheit, oder einer dem Sakrilegium sich annähernden Ehelosigkeit erhalten mußte – daß die Flügel des Gottes weggescheucht wurden in dem Augenblick, wo ihr Schatten über seinem Geist schwebte, und so war sein Herz, als Camilla vor ihm aufstieg, frei, ihr Bild in sich aufzunehmen.

Ihre Anmuth, ihre Bildung und Talente, ein gewisser namenloser Reiz, der sie umgab, entzückten ihn mehr noch, als selbst ihre Schönheit; die Erinnerungen, die sich an das erste Mal, wo er sie gesehen, knüpften, waren ebenfalls Dankbarkeit und Neigung erweckend, die Härte, womit ihre Eltern mit ihr sprachen, erweckte sein Mitleid, und wirkte nicht wenig auf ein Gemüth, das ganz besonders empfänglich war für jene Großmuth, die sich auf die Seite der Schwachen und Mißhandelten neigt; die gewinnende Mischung von Milde und Munterkeit, womit sie ihren mürrischen und höhnischen Oheim pflegte, überzeugte ihn von ihren besseren und dauernderen Eigenschaften des Gemüths und eines ächt weiblichen Herzens, und sogar – so seltsam und widerspruchsvoll sind unsere Gefühle – eben der Gedanke, daß sie verwandt war mit einer ihm so verhaßten Familie, machte ihr Bild um so glänzender aus der sie umgebenden Dunkelheit hervortreten.

Denn war es nicht die Tochter seines Feindes, für welche der Liebende von Verona Romeo. – Anm.d.Hrsg. auf den ersten Anblick in Liebe entbrannte? Und ist nicht das ein Typus von uns Allen – als gefiele sich die Liebe in Widersprüchen? Wie der Taucher, in Schillers herrlicher Ballade, mitten in der grausigen Tiefe sich an das Korallenriff anklammert: so klammern wir doppelt dankbar uns an jeden schönen Gedanken, jedes süße Obdach, die uns in den Tiefen des Hasses und Kampfes zulächeln.

Aber vielleicht hätte sich Vaudemont nicht so plötzlich und so gänzlich einer Leidenschaft hingegeben, die schon seinen starken Geist völlig zu beherrschen anfing, hätte er nicht durch Camilla's Verlegenheit, Schüchternheit und Erröthen den berauschenden Glauben bekommen, daß seine Gefühle nicht unerwiedert seyen, und Wer weiß nicht, daß ein solcher Glaube, einmal gefaßt und gehegt, unsere eigene Liebe mit einer raschen Entwicklung reifen macht, wo Stunden wie Jahre sind?

Mit solchen Gefühlen also, die ihn blind und taub machten gegen jeden andern Gedanken, außer der Wonne, dieselbe Luft mit seiner Cousine zu athmen, die aus seinem Geist die Vergangenheit, die Zukunft verdrängten, und ihn die Zeit nur als freudige, athemlose Gegenwart erblicken ließen, begab er sich nach Beaufort-Court. Er kehrte vor seiner Abreise nicht nach H*** zurück, sondern schrieb an Fanny einen kurzen, hastigen Brief, worin er ihr meldete, daß er wenigstens einige Tage ausbleiben würde, und wieder zu schreiben versprach, falls er gegen Vermuthen länger hingehalten werden sollte

 

Inzwischen datirte sich eine jener auf einander folgenden Revolutionen, welche die Stufen in Fannys geistigem Leben bezeichneten, von dem letzten Male, wo sie mit einander spazieren gegangen und sich unterhalten hatten.

Noch am Abend dieses Tages, einige Stunden nachdem Philipp weg war, und Simon sich zur Ruhe begeben hatte, saß Fanny vor dem ersterbenden Feuer in dem kleinen Wohnzimmer in der Stellung tiefer, nachsinnender Träumerei. Die alte Dienerin, Sarah, welche, ganz anders als Mrs. Boxer, Fanny von ganzem Herzen liebte, kam, wie sie pflegte, vor Bettgehen in das Zimmer, um zu sehen, ob das Feuer ausgelöscht und Alles in Ordnung sey; und als sie sich dem Herd näherte, erstaunte sie, Fanny noch auf zu finden.

»Ei Du mein Herz!« sagte sie, »ei, Miß Fanny, Ihr werdet Euch durch Erkältung den Tod holen, – an was denkt Ihr denn?«

»Setzt Euch, Sarah; ich möchte mit Euch sprechen.«

Nun war Fanny, obwohl ausnehmend freundlich gegen Sarah, und anhänglich an sie, doch selten gegen sie wie überhaupt gegen Niemand, mittheilsam. In seiner eignen Stille und Dunkelheit machte gewöhnlich dies liebliche Gemüth seine Zweifel aus.

»Ihr, meine holde junge Herrin? Gewiß Alles was ich kann –« und Sarah setzte sich in ihres Herrn großen Stuhl und rückte ihn zu Fanny hin. Es war kein Licht im Zimmer, außer dem erlöschenden Feuer, und es warf einen blassen Schimmer auf die zwei Gesichter, die sich darüber hin beugten, – das eine so überraschend schön, so glatt, so blühend, so ausgezeichnet durch Jugend und Unschuld; das andere verwelkt, runzlig, mager und schlau. Es war wie die Fee und die Hexe neben einander.

»Nun, Miß,« sagte die Alte, als Fanny nach einer ziemlichen Pause noch immer schwieg.

»Nun – –«

»Sarah, ich habe eine Hochzeit gesehen!«

»Habt Ihr!« und die Alte lachte. »Oh! ich hatte gehört, daß sie heute seyn sollte! – des jungen Waldrons Hochzeit! Ja, sie haben einander lang lieb gehabt!«

»Waret Ihr auch verheiratet, Sarah?«

»Gott tröste Euch, – ja! und einen recht guten Gatten hatte ich – der arme Mann! Aber er ist todt seit vielen Jahren; und wenn Ihr mich nicht angenommen hättet, hätte ich müssen ins Arbeitshaus gehen.«

»Todt ist er! – War Euch das Leben nachher nicht sehr schwer, Sarah?«

»Der Herr kräftigt die Herzen der Wittfrauen!« bemerkte Sarah mit heiligthuender Miene.

»Hattet Ihr Euern Bruder geheirathet, Sarah?« sagte Fanny, mit dem Zipfel ihrer Schürze spielend.

»Meinen Bruder!« rief die Alte entsetzt. »Ei, Miß, so müßt Ihr nicht schwatzen! das ist ganz verrucht und heidnisch. – Man darf nicht seinen Bruder heirathen!«

»Nicht!« sagte Fanny zitternd und wurde sichtlich, selbst bei dieser Beleuchtung, blaß. »Nicht! – Wißt Ihr das ganz gewiß?«

»Es ist ganz verrucht, auch nur davon zu sprechen, meine liebe, junge Herrin; aber Ihr seyd wie ein ungebornes Kind!«

Fanny schwieg einige Augenblicke Endlich sagte sie, unbewußt daß sie laut redete: »Aber er ist ja eigentlich doch nicht mein Bruder!«

»Oh pfui, Miß! – Laßt Ihr Euer hübsches Köpfchen dem schönen Gentleman nachlaufen! – Ihr also auch, o Liebe, Liebe! Ich sehe wir sind Alle gleich, wir arme, weibliche Kreaturen! – Ihr! Wer hätte daran gedacht? Oh, Miß Fanny! Das Herz wird Euch noch brechen, wenn Ihr Euch solche Dinge weiter in den Kopf setzt!«

»Was für Dinge?«

»Nun, daß der Gentleman Euch heirathen werde! Ich glaube gewiß, obgleich er so simpel thut, daß er doch ein vornehmer Gentleman ist! Man sagt, sein Roß sey hundert Pfund werth! Liebe, Liebe, warum dachte ich daran nicht früher! Er muß ein sehr böser Mann seyn. Jetzt merke ich, warum er herkommt. Ich will mit ihm reden – ja, das will ich! Ein sehr böser Mann!«

Sarah ward aus ihrer Entrüstung aufgeschreckt, indem Fanny plötzlich aufstand und in dem flackernden Zwielicht beinahe wie eine umgewandelte Gestalt vor ihr stand, so groß erschien sie, so stattlich, so würdevoll.

»Von ihm sprecht Ihr so?« sagte sie in einem Tone ruhiger aber tiefer Bitterkeit, »von ihm! Wenn das ist, Sarah, so können wir Zwei nicht mehr in demselben Hause leben!«

Und diese Worte sprach sie mit einer Sammlung und einem Anstand, welche der Sarah, bei all ihrem Schrecken, augenblicklich zeigten, wie Unrecht diejenigen Fanny thaten, die noch jetzt in das Papageigeschrei: »das blödsinnige Mädchen!« einstimmten.

»Oh! gütiger Himmel! – Miß – Fräulein – es thut mir so leid – ich wollte mir lieber die Zunge abbeißen, als ein Wort sagen, Euch zu beleidigen; es war nur meine Liebe zu Euch, liebe unschuldige Kreatur, die Ihr seyd!« und das ehrliche Weib schluchzte mit wirklichem Schmerz, indem sie Fannys Hand faßte. »So viele junge Personen, gut und harmlos, ja, wie Ihr, sind schon ins Verderben gerathen. Aber Ihr versteht mich nicht. Miß Fanny, hört mich an; ich muß versuchen Euch deutlich zu machen, was ich sagen wollte. Dieser Mann – dieser Gentleman – so stolz, so schön gekleidet, so vornehm, wird Euch nie heirathen, nie – nie! Und wenn er je sagt, er liebe Euch, und Ihr sagt ihm, Ihr liebet ihn, und Ihr heirathet einander nicht, so werdet Ihr zu Grunde gerichtet und elend seyn und sterben – sterben an einem gebrochenen Herzen!«

Der Ernst in Sarahs Wesen besänftigte und erschreckte beinahe Fanny. Sie sank in ihren Stuhl zurück und ließ die Alte einige Augenblicke ihre Hand liebkosen und mit Thränen benetzen, in einem Stillschweigen, das die dunkelsten und stürmischsten Gefühle verhehlte, welche Fanny bis jetzt empfunden. Endlich sagte sie:

»Warum sollten wir uns nicht heirathen, wenn er mich liebt? – er ist nicht mein Bruder! – wahrhaftig, er ist es nicht! Ich will ihn nie wieder so nennen.«

»Er kann Euch nicht heirathen,« sagte Sarah, mit einer Art rohem Edelsinn entschlossen, bei dem zu beharren, was sie als ihre Pflicht erkannte; »Ich will Nichts sagen vom Geld, weil das nicht immer in Anschlag kommt. Aber er kann Euch nicht heirathen, weil Leute, die so und so erzogen sind, nie Solche heirathen, die anders aufgewachsen und erzogen sind. Ein Gentleman von dieser Art verlangt von einer Frau, daß sie Viel – oh! so arg Viel wisse; und Ihr – –«

»Sarah!« unterbrach Fanny sie, wieder aufstehend, aber diesmal mit einem Lächeln im Gesicht, »sprecht nicht weiter davon; ich verzeihe Euch, wenn Ihr versprecht, nie wieder unfreundlich von ihm zu sprechen – nie – nie – nie, Sarah!«

»Aber ich darf ihm doch sagen, daß – daß –«

»Daß was?«

»Daß Ihr so jung und unschuldig seyd, und keinen Beschützer braucht; und daß, wenn Ihr ihn lieben solltet, es eine Schande an ihm wäre – ja das wäre es!«

Und da (oh nein! Fanny, jetzt war Nichts umwölkt und verschattet in Deinem Geist!) da erwachten in ihr die Unruhe, die Sittsamkeit, der Instinkt, die Angst des Weibes, und sie rief:

»Nimmer, nimmermehr! Ich will ihn nicht lieben, ich liebe ihn nicht! gewiß nicht, Sarah. Wenn Ihr mit ihm sprecht, Sarah, so seh ich Euch nicht mehr an. Es ist Alles vorüber – Alles, liebe Sarah!«

Sie küßte die Alte; und Sarah, im Wahn, daß ihr Scharfsinn und Rath den Sieg davongetragen, versprach Alles, um was sie sie bat; so gingen sie als gute Freunde mit einander die Treppen hinauf.



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