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Für Karl Maria begann nun ein merkwürdiges Doppelspiel zwischen Glück und Unglück. Mit einem plötzlichen Ruck trat er in die Wirklichkeit. Aber er hielt seine Augen noch halb in die stille Vergangenheit zurückgewandt, weil der neue Tag ihm zu grelles Licht entgegenwarf.
Sein erstes Schicksal hatte sich erfüllt. Er hatte der Mutter wehgetan. Mit hilflosen Blicken bettelte er um ein gutes Wort, aber die Mutter wies ihn zurück: »Ich kann nichts mehr für dich tun, Karl Maria, nur Gott bitten, daß er dich wirklich lieb behalte.«
»Hab' doch du mich lieb!«
Und als Frau Lisbeth ihn nicht küßte, stampfte er mit den Füßen und rief: »Ich will dir doch alles geben, was ich mit meiner Geige verdiene! dir, dir! Schöne neue Kleider und ein hübsches Haus mitten unter Rosen, zwei schwarze Schwäne mit roten Schnäbeln in einem Teich! Du wirst im Kahn sitzen, und ich bin dann ein großer Herr und spiele dir vor. – Siehst du denn nicht, wie schön das alles sein wird?«
Lisbeth lächelte traurig: »Du armer, eitler Schelm.«
Da kniete er vor ihr, legte den Kopf in ihren Schoß und flüsterte: »Laß mich doch glücklich werden!«
Sie streichelte sein Haar und dachte zurück in die Zeit, als sie selbst gegen Eltern und Bruder das Recht ihrer Liebe zu Franz Tredenius verteidigt hatte. Dies erbettelte Glück war Rauschgold gewesen. Nun saß sie mit leeren Händen, und vor ihr kniete ihr Junge und bat um die Freiheit, dem Unheil nachzulaufen. Sie allein sah die Mauern, an denen seine Sehnsucht sich wundstoßen mußte. Aber es war Schicksal, daß das Junge in die Welt lief und das Alte grollend zurückblieb. Ein Staunen kam über die Frau, ein Kinderstaunen über das Leben, das ihr stets Wunder und Schrecken zugleich gewesen.
Als Karl Maria dann vor ihr stand, in seinem neuen dunkelblauen Anzug mit der weißen flatternden Krawatte, den Geigenkasten unter dem Arm, jung, blaß und schön, küßte sie ihn wieder und wieder und hielt ihn fest, als ginge er in den Tod.
Im Halbschatten lehnte hoch und schlank Martha Tredenius, ihre nackten Arme schimmerten wie bläuliches Silber, rot spielte das Lampenlicht über Gesicht und Nacken.
Ihr Blick war stolz und heiß.
Als Karl Maria Abschied nahm, murmelte die Mutter: »Jetzt gebe ich ihn fort.«
Aber der glückliche Bub hörte sie nicht.