Magnus Gottfried Lichtwer
Fabeln
Magnus Gottfried Lichtwer

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Der Krokodil und das Meerpferd.Ich habe das Meerpferd, Hippopotamus genannt, statt des Stören erwählt, weil jenes, aber nicht dieser in dem Nil gefunden wird.

      Die Bosheit herrscht auf diesem Runde,
In Wassern, wie auf trocknem Grunde,
Was Berg und Thal und Wald beklagt,
Das geht im Fluß und Meer nicht besser;
Man sieht die Kinder der Gewässer
Gedrückt, verfolgt und wohl geplagt.
Es stieg aus den verborgnen Tiefen
Manch Ungeheuer in die Höh',
Es naht' der Erde, Riesen liefen,
Es wich, und es erschrak die See.
Die Ufer wissen nebst den Höllen
Von ihrem Grimme zu erzählen,
Des aufgesperrten Rachens Kluft
Ist so der Fisch' als Menschen Gruft.
Zu seinem Ruhm, der Welt zur Plage,
Erschuf der älteste der Tage
Den ungeheuren Krokodil,
Des Meeres Furcht, der Erde Schrecken,
Den feste Panzerschuppen decken,
Den Wüthrich in dem breiten Nil.

    Einst lag das Unthier an dem Strande
Des Stroms gestreckt, und dörrte sich
Den feuchten Ranzen säuberlich
In der Aegypter tiefem Sande.
Ein armes Kind, das noch nicht viel
Von diesem Ungeheuer wußte,
Und sich dem Flusse nähern mußte,
Kam aus Versehn zum Krododil.
Sofort war dieser auf den Beinen,
Und biß ihm das Genick entzwei.
Doch glaubt ihr, daß es möglich sey?
Der Krokodil fing an zu weinen.

    Ein Meerpferd, das seit langer Zeit,
Entfernt von aller Eitelkeit,
In seiner Höhle ruhig lebte,
Und sich der Eitelkeit bestrebte,
Kam gleich dazu, und sah mit Lust,
Wie dieser Mörder sich betrübte.

    Ach, dieses hab' ich längst gewußt,
Daß dich der Himmel jetzt noch liebte,
Hob dieser Meerapostel an,
Mein Bruder, das ist wohlgethan,
Bedaure du nur dein Verbrechen,
Und weine ferner Tag und Nacht,
Daß du dies Kindlein umgebracht,
So wird die Vorsicht es nicht rächen.

    Da wär' ich so ein Thor, wie du,
Schrie ihm der Neubekehrte zu,
Erspare künftig deine Lehren;
Der Junge macht mich noch nicht satt,
Weil er kein Fleisch am Kopfe hat,
Das ist die Ursach' meiner Zähren.

* * *

  Ihr frommen Seelen, traut des Heuchlers Thränen nicht;
        Denn was er mit dem Munde spricht,
        Das läugnet er in seinem Herzen:
Sein Auge weint, und die Gedanken scherzen.

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