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Fünftes Kapitel

Was es auch sein mag.
's ist höllisch schwer. Nur hurtig aufgerissen!
Hat sich das Meer den Magen überladen
Mit Gold. so ist's ein gutes Glück für uns.
Daß es uns zugerülpst.

Shakspeare.

Ungefähr drei Wochen nach den im vorigen Kapitel berichteten Ereignissen segelte Newton Forster mit seinem Schiffe aus, um eine Ladung in den Hafen von Waterford abzuliefern. Der Schiffer war sehr dem Branntwein ergeben und ließ sich, so lange er im Hafen blieb, selten – nicht einmal an Sonntagen in einem Zustande vollkommener Nüchternheit betreffen. War übrigens sein Schiff für seefertig erklärt, so enthielt er sich völlig seiner üblen Gewohnheit, um die seiner Obhut anvertrauten Güter gehörig besorgen und den Weg nach seinem bestimmten Hafen finden zu können. In solchen Fällen besiegte die Sorge für den eigenen Vortheil für eine Weile seine Lieblingsneigung, und seine Nüchternheit zur See war so wohl bekannt, daß die beharrliche Unmäßigkeit im Hafen seiner Ehre als zuverlässiger Seemann keinen Eintrag that. Freilich war er in der letzten Zeit, seit Newton mit ihm segelte, von seinem wichtigen Entschlüsse so ziemlich abgegangen, denn er fand, daß das Schiff unter der Obhut seines Maten so gut versorgt war, als unter seiner eigenen, und da er sich viele Mühe gegeben hatte, um Newton in die Seemannskunst einzuführen und ihn mit allen Gefahren der Küste vertraut zu machen, so meinte er, bei der Tüchtigkeit seines Schülers könne er sich wohl hin und wieder ein Glas oder zwei erlauben, um sich die Langeweile der Fahrt zu vertreiben. Von nun an war, so oft er an Bord kam, um die Anker lichten zu lassen, ein steinerner Branntweinkrug sein beharrlicher Begleiter, den er, aus Furcht vor einem Unfalle, eigenhändig nach der Kajüte brachte. Sobald das Segelwerk gesetzt und der Kurs aufgenommen war, verfügte er sich zu seinem Lieblingsgefährten und wurde, bis er auf die Neige geleert war, nicht wieder, nüchtern genug, um auf dem Decke erscheinen zu können, so daß eigentlich Newton Forster der verantwortliche Schiffsmeister war.

Der Wind, der zur Zeit des Ankerlichtens günstig gewesen war, schlug um und blies ihnen, noch ehe sie den Hafen von Overton aus dem Gesichte verloren hatten, gerade in die Zähne. Am dritten Tage segelten sie eben unter einer leichten Brise und glattem Wasser von dem Lande ab, um den Eintritt der Fluth zu benützen, als Newton verschiedene Gegenstände in der hohen See schwimmen sah. Eine Kleinigkeit ist schon eine gute Prise für einen Küstenfahrer, und sogar leere Fässer werden nicht verschmäht; Newton hielt daher ein paar Striche ab, um sich den herrenlosen Gegenständen zu nähern und ihre Beschaffenheit zu erkunden. Er entdeckte bald einige tief im Wasser schwimmende Fässer, zerbrochene Spieren und unterschiedliche andere Artikel. Die Schaluppe steuerte mitten hinein, woraus Newton beilegte, den kleinen Nachen niederließ und im Laufe einer Stunde ohne Vorwissen seines Kapitäns, der in seinem Bette die Wirkung der letzten Libationen ausschlief, so viel von der schwimmenden herrenlosen Habe, als sich bequem auf den Decken unterbringen ließ, an die Seite seines Fahrzeugs brachte und hinaufschrotete. Das Boot wurde durch seine und seiner Mannschaft vereinigte Anstrengung wieder aufgehißt (er hatte nämlich noch einen Mann und einen Knaben bei sich), worauf die Schaluppe umdrehte und wieder landwärts steuerte.

Newton entnahm hieraus, daß kürzlich ein großes Schiff gescheitert sein müsse, denn die Spieren waren frisch im Bruch und rein – nicht wie diejenigen, welche lang im Wasser gelegen haben, mit Seegras bedeckt sind und durch eine Schaar von Fischen begleitet werden, die Nahrung in der daraus versammelten Thierwelt suchen und den schwimmenden Holzstücken wie einem Adoptivvater überall hin folgen, wohin sie durch Wind und Fluth gejagt werden mögen.

Newton untersuchte die Hielung der Spieren; sie waren jedoch nicht mit dem Namen des Schiffes bezeichnet, zu dem sie gehört hatten. Die zwei Fässer zeigten nur einige eingebrannte Anfangsbuchstaben, aber nirgends ließ sich etwas auffinden, was zu Entdeckung der Eigenthümer hätte führen können. Ein großer Koffer fesselte seine Aufmerksamkeit, obgleich er denselben nicht eher öffnen mochte, bis der Schiffsherr auf das Deck kam; die Fässer aber zapfte er an, und da er in dem Inhalt ächten Jamaica erkannte, so begab er sich nach der Kajüte hinunter, um unverweilt eine Kunde zu hinterbringen, die, wie er wohl wußte, die dankbarste Anerkennung finden mußte.

Es stund einige Zeit an, ehe es Newton gelang, den Schiffer aus seinem betäubten Schlafe zu wecken.

»Spieren – Schiffbruchsgegenstände!«

»Was Spieren? Zum Henker mit dem Schiffbruch,« brummte der alte Thompson (denn so hieß er), während er unserem Forster sehr unceremoniös den Rücken zuwandte und wieder zu schnarchen begann.

»'s ist auch ein Koffer dabei, Sir, – ein großer Koffer; aber ich möchte ihn nicht öffnen, ohne daß Ihr auf dem Deck seid. Ein großer Koffer und ziemlich schwer.«

»Koffer? – Nun, und was weiter? Koffer! – oh, hole der Teufel den Koffer! – laßt mich ruhig schlafen,« murmelte der Schiffer.

»Auch sind zwei große Fässer da, Sir; ich habe sie angezapft und gefunden, daß sie Rum enthalten,« schrie Newton, ohne sich abweisen zu lassen.

»He! wie? – Fässer? Was für Fässer?«

»Zwei Tonnen Rum.«

»Rum! – Habt Ihr nicht von Rum gesprochen?« rief der alte Thompson, den Kopf von dem Kissen erhebend und Newton dumm anstierend. »Wo?«

»Auf dem Deck. Zwei Fässer. Wir haben sie aufgelesen, als wir von dem Lande absteuerten.«

»Aufgelesen? – Sind sie an Bord?« fragte der Schiffer sich in seinem Bette aussetzend, und die Augen reibend.

Ja, sie sind wohlbehalten an Bord; wollt Ihr nicht auf das Deck kommen?«

»Freilich will ich. Zwei Tonnen Rum, sagt Ihr?«

Und der alte Thompson half sich auf die Beine, taumelte nach der Hüttentreppe und kletterte ohne Schuhe auf allen Vieren hinan.

Sobald der Schiffer der Schaluppe den Inhalt der Fässer untersucht hatte, von dem er je ein halbes Glas zu sich nahm, machte ihm Newton den Vorschlag, den Koffer zu öffnen.

»Ja,« versetzte Thompson, welcher sich sofort von der Flüssigkeit einen Krug voll abgezogen hatte, mit welchem er wieder nach der Kajüte hinunterzusteigen im Begriffe war. »Oeffnet Ihr immerhin, wenn Ihr Lust dazu habt, mein Junge. Ihr habt heute eine gute Prise gemacht und Euer Antheil soll der Koffer sein. Behaltet ihn und was drin ist für Eure Mühe; vergeßt aber nicht, die Fässer fest zu machen, bis wir sie hinunterstauen können. Wir können freilich jetzt die Ladung nicht verrücken, aber je bälder sie drunten sind, desto besser ist's, sonst kriegen wir vielleicht so ein Stück Federvieh mit seinem Flotsam und Jetsum für der Herr weiß wen an Bord.«

Und dann begab sich Thompson wieder hinunter, um, seinem eigenen Ausdrucke zufolge, »seine Seele einzuweichen.«

Leser, kennst du wohl den Sinn der Worte Flotsam und Jetsum? Niemand kann ihn dir erklären, als ein Advokat, denn es ist eine alte Rechtssprache, und die Rechtssprache ist ein Bischen anders, als die Sprache im Allgemeinen. Letztere wurde erfunden, um uns in die Lage zu setzen, unsere Meinung auszudrücken und die Gedanken Anderer zu begreifen, während die erstere in der Absicht erdacht wurde, daß man kein Wort davon verstehen solle. In früheren Zeiten, als alles Recht, das Faustrecht aufgenommen, noch in seiner Kindheit lag und die Advokaten noch nicht so gelehrt oder in so guten Umständen waren, wie gegenwärtig, hielt man für räthlich, es durch die Erfindung einer Art Kauderwelsch unverständlich zu machen; letzteres bestand aus einem Gemische von schlechtem Französisch und noch schlechterem Lateinisch, die Mulattenzeugung eines unbegreiflichen Wörterstammes mit französischem Kopf und lateinischen Schwänzen, welche ganz der beabsichtigten Wirkung – nämlich der der Mystifikation – entsprachen. Die Ausdrücke Flotsam und Jetsum gehören auch in diese Zucht. Flot ist von dem französischen flottant, schwimmend, – jet aber von dem Worte jeter, aufwerfen, abgeleitet, und mit beiden bezeichnet man Herrschaftsrechte, welche die Könige an ihre Günstlinge verliehen, indem sie dieselben ermächtigten, sich das Eigenthum eines Jeden zuzueignen, der etwa unglücklich war, was in damaligen Zeiten als gleichbedeutend mit schuldig galt. Wenn Einer die Urkunden sehen könnte, mit welchen man damals die Leute bevollmächtigte, die Habe und das Vieh Anderer in eigenen Nutzen zu verwenden, so würden die Worte der gelehrten Schreiber der Vergangenheit wahrscheinlich so lauten: – » Omnium quod flotsam et jetsum et alle andere dingum, quod findetes« in einfachem Deutsch: »Alles was auf dem Wasser schwimmt oder ausgeworfen wird, wie auch sämmtliche Gegenstände, die ihr sonst finden mögt.«

Zu der Zeit unserer Geschichte hatte der Küstenadmiral dieses seeräuberische Privilegium, und da in früheren Tagen Sextanten und Chronometer unbekannt waren, so liefen die Schiffer weit mehr Gefahr, als in gegenwärtiger Zeit; auch waren die Wracks, welche die Küste bestreuten, von sehr großem Werthe. Erst kürzlich ist mir ein Beweis vorgekommen, daß das gedachte Recht auch jetzt noch geübt wird, das heißt, soweit unreklamirtes Eigenthum dabei zur Sprache kömmt. Ich war von den westindischen Inseln aus nach Plymouth zurückgekehrt. Als wir bei St. Michael unsern Anker lichteten, fanden wir, daß sich ein anderer sammt seinem Tau höchst liebevoll an denselben angeklammert hatte – zur großen Freude des ersten Lieutenants, welcher den Vorschlag machte, davon für jeden Mann auf dem Schiffe ein seidenes Schnupftuch zu kaufen und den Rest des Erlöses auf den Anstrich zu verwenden. Wir hatten jedoch noch keine vierundzwanzig Stunden in dem Plymouther Sund geankert und kaum Zeit gehabt, uns mit den Herren Schiffszeughöckern zu benehmen, als ich von einem luchsaugigen Agenten des gegenwärtigen Küstenadmirals (wie ich glaube, einem Rechtsgelehrten) eine Mittheilung erhielt, die mich zu alsbaldiger Auslieferung des Ankers sammt Kabel aufforderte, da seinem Mandanten das Herrschaftrecht des Flotsam und Jetsum zustehe. Nun war der Einfall so abgeschmackt, als das Ansinnen unverschämt; denn wir hatten den Anker in der Rhede einer fremden Macht, ungefähr fünfzehnhundert Meilen von der englischen Küste entfernt, aufgezogen.

In dem gegenwärtigen Falle wollte nun alles am Borde des Schiffes rechtsverständig sein, weshalb ich gleichfalls meine juridische Erwiederung mit den Worten gab, daß »erstlich Flotsam schwimmend bedeute, eine Eigenschaft, welche sich auf Anker nicht anwenden lasse; zweitens sei unter Jetsum etwas Ausgeworfenes verstanden, was von einem Anker auch nie gesagt werden könne; und drittens solle er sich zum Teufel scheeren

Meine Argumente waren unwiderleglich. Der Rechtsfreund für den Kläger gab vermuthlich seine Klage auf, denn wir hörten nichts mehr von Mr. Flotsam und Jetsum.

Fahren wir jedoch in unserer Geschichte fort. Der Mann und der Knabe, welche mit Newton das ganze Schiffsvolk bildeten, schienen sich mit der Vertheilung, welche dem Schiffer beliebt hatte, vollkommen zufrieden zu geben, denn sie setzten voraus, da der Branntwein einmal an Bord sei, so müsse ihr Stillschweigen so lange durch einen Abtrag von der Waare erkauft werden, als dieselbe ausreichte.

Sie begaben sich mit einem Napfe voll aus dem Fasse nach dem Vorderschiff, wo sie sich gütlich thaten, während Newton das Steuer ergriff. Nach einer halben Stunde rief Forster den Knaben nach hinten, damit er das Fahrzeug steure, und trug den Koffer in die Kajüte hinunter, wo er fand, daß Thompson den größeren Theil seines Krugs bereits zu Ende gebracht hatte und jetzt in einem Zustande trunkener Betäubung da lag.

Die Klampe des Schlosses war durch einen Spitzhammer bald beseitigt, und der Inhalt des Koffers lag jetzt offen vor Newtons Blicken da. Er bestand hauptsächlich aus Frauenkleidern und Kindszeug: unter diesen Gegenständen befand sich aber auch ein großes Paket mit Briefen, welches an eine Madame Louise de Montmorency überschrieben war – freilich für unsern Helden böhmische Dörfer, da er nicht französisch verstand. Ein rothes Maroquin-Etuis enthielt einigen Diamantenschmuck und drei oder vier Kreuze von verschiedenen Ritterorden. Die Kleider der Dame waren mit den Anfangsbuchstaben L. M., die Wäsche des Kindes aber mit J. F. gezeichnet.

Nach einer sorgfältigen Untersuchung breitete Newton die Kleider zum Trocknen über die Kajütenschreine und den Tisch aus, verwahrte die werthvollen Gegenstände an einem sicheren Orte und kehrte auf das Verdeck zurück. Thompson hatte ihm zwar mit dem Koffer und seinem Inhalt ein Geschenk gemacht, Newton fühlte aber wohl, das er es nicht als Eigenthum betrachten dürfe, und nahm sich daher vor, Alles wieder einzuschließen, und nach beendigter Fahrt seinen Vater über die Mittel zu Rathe zu ziehen, welche eingeschlagen werden könnten, um die gesetzmäßigen Eigenthümer zu entdecken.

Die Schaluppe hatte unter Newtons Leitung ihren Cours weitere zwei Tage gegen die zwar widrige aber doch leichte Brise fortgesetzt, als das Wetter anders wurde. Der Wind behielt zwar noch immer die gleiche Richtung bei, aber der Himmel hüllte sich in Wolken und die Sonne ging mit trübrothem Scheine unter, der eine Bö aus Nordwest verkündigte. Noch vor Morgen mußte sich das Schiff durch eine kurze, schlagende See Bahn brechen. Um Mittag erreichte der Sturm seine Höhe, und da Newton bemerkte, daß die Schaluppe sich nicht mehr hielt, so ging er in die Kajüte hinunter, um den Schiffer zu wecken und ihn über die weiteren Schritte zu befragen, weil es ihm selbst räthlich schien, das Schiff unter den Wind zu bringen, und der einzige Hafen, der viele Meilen unter ihrem Lee lag, unserem Helden nicht bekannt war.

Die Schaluppe stand unter dicht gerefftem Mars- und Sturmfocksegel, fast begraben in der schweren See, welche von dem Vorderschiff an bis zur Hüttenluke über das Deck hinwusch, als Newton hinunterging, um den betrunkenen Thompson zu wecken, was diesmal leichter ging, da der Schiffer die ganze Nacht durch geschlafen hatte, ohne zu dem beigeblichen stimulus seine Zuflucht zu nehmen.

»He! was? bläst hart –! ja, wahrhaftig. – Wie steht der Wind?« fragte der Schiffer, die Füße aus dem Bette herausschiebend und sich aufrichtend.

»Nordwest mit einem Umschlag nach Nordnordwest in den heftigeren Stößen. – Wir haben seit gestern Abend gut vier Meilen verloren und sind dicht an den Duddensandbänken,« versetzte Newton; »ich glaube, wir müssen vor dem Wind gehen, denn die Bö scheint nicht brechen zu wollen.«

»Schon gut, ich will im Augenblick auf dem Decke sein, mein Junge,« entgegnete Thompson, der nun ganz wieder er selbst war und sich eben beschäftigte, die Schuhe anzuziehen – die einzigen Anzugsartikel, die er beim Niederlegen beseitigt hatte. »Geht nur hinauf und seht, daß sie säuberlich voll beihalten – und jene Tonnen gut befestigt werden – die Duddensandbänke – ein vertrackter Platz – aber ich habe mich nicht umsonst meine vierzig Jährchen an der Küste herumgeschlagen.«

In einer Minute erschien Thompson auf dem Decke, hielt sich an den Luvstengen-Hinterstagen und heftete seine schweren Augen auf das Land an der Windvierung.

»Ganz recht, Junge; das ist in der That die Spitze.« Dann wandte er sein Gesicht gegen den Wind, der seine grauen Locken in die Höhe riß und horizontal an die Pelzmütze anlegte. »Nun das ist ein wahrer Teufel von einer Bö. – Sie kann vielleicht einen ganzen Monat von Sonntagen anhalten. – Hinauf mit dem Steuer, Tom. – Viert säuberlich die großen Schoten ab, mein Junge – nicht zu viel. – Jetzt das schlaff hängende Tau eingenommen, ehe sich die Schaluppe dreht.«

Der Schiffer duckte sich sodann unter die große Spiere und nahm seine Stellung auf der andern Seite des Decks. »Nur ruhig fortgemacht. – Newton, nehmt das Steuer. – Seht Ihr jenen hohen Vorsprung? – haltet schnurstracks drauf ab. Tom, Ihr und der Knabe müßt das Ankertau ausholen – ungefähr zehn Faden. auf das Deck und es umschlagen. Ihr werdet ein Stück Bindseil und einen Merlpfriem in der Truhe hinten finden.«

Die Schaluppe lenßete vor der Bö und in weniger als zwei Stunden war sie dicht an dem von dem Fischer angedeuteten Vorsprunge.

»Nun, Newton, müssen wir uns so dicht als möglich an die Spitze halten, oder wir treffend nicht – wir Alle müssen jetzt die große Schote da beschlagen. – Luvt ordentlich – So ist's recht; wir sind jetzt an der Spitze der Sandbank vorbei und werden bald im glatten Wasser sein. – Stätig, so, so. – Nun ein Tröpflein nach der Anstrengung,« rief Thompson, welcher meinte, er sei jetzt lang genug nüchtern gewesen, und sich nach dem Rumfaß begab, das auf der Leeseite festgebunden war.

Während er niederkniete, um den Zapfen zu drehen, wurde die Schaluppe, welche jetzt in den Wind gebracht war, seitlich von einer schweren Woge getroffen, welche bis zum Schanddeck umlegte; die Bindseile des Luvfasses rissen, so daß dieses über das Deck flog, den Kopf des unglücklichen Thompson gegen die Leetonne quetschte und dann über Bord hüpfte. Der alte Mann stieß ein schweres Aechzen aus und fiel dann rücklings nieder. Der Mann und der Knabe eilten ihm zu Hülfe und brachten ihn der Weisung Newtons gemäß, der das Steuer nicht verlassen konnte, in die Kajüte, wo sie ihn zu Bette legten. Nach einigen Minuten ritt die Schaluppe wohlbehalten in glattem Wasser vor ihrem Anker, und Newton eilte, jetzt selbst auch in die Kajüte. Thompsons Kopf war gegen die Faßzarge gequetscht worden; er athmete noch ein paar Stunden schwer – und hatte dann das Zeitliche gesegnet.


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