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Britannia braucht kein Bollwerk,
Keine Thürm' an ihrem Gestad';
Ueber trollende Wellenberge
Läuft hin ihr heimischer Pfad.
Campbell.
Das Windsor-Castle pflügte unter einer günstigen Kühlte durch den weiten Ocean, eine reiche Ladung führend, bei deren geborgener Landung so Viele betheiligt waren. Aber was waren alle Schätze, die sich im Raume befanden, in Vergleichung mit dem holden Wesen, welches Newton sicher in die Heimath geleiten sollte. Die außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln, welche unser Held jede Nacht in Anwendung brachte oder anrieth, wie auch seine bange Besorgniß im Laufe des Tages, gaben dem Kapitän Oughton viel Stoff zum Gelächter, so daß dieser eines Tages gegen ihn bemerkte –
»Newton, mein Junge, ich sehe wie das Land liegt; aber verlaßt Euch darauf, das alte Schiff wird demungeachtet um kein Haar früher über Bord rumpeln. Ein einziges Reff in die Marssegel wird daher vollkommen zureichen.«
So wenig auch die beiden jungen Leute darüber sprachen, war es ihnen doch unmöglich, ihre Gefühle zu verhehlen. Schon der Versuch einer Verheimlichung macht an Bord den Gegenstand derselben zum Anlasse von Bemerkungen. Kapitän Oughton, der Newton sehr lieb gewonnen hatte, freute sich über sein gutes Glück, und hatte nichts dagegen, wenn junge Leute an Bord seines Schiffes sich in einander verliebten, obschon er nimmermehr eine Heirath zugegeben haben würde, so lang eine Dame unter seinem Schutze stand. Hätten sie einmal das Dealgestade betreten, meinte er, so könnten sie ja »mit einander handgemein« werden, sobald es ihnen beliebte.
Das Windsor-Castle war ungefähr zweihundert Meilen von Mauritius entfernt, als sie auf dem Luvbuge ein fremdes Schiff bemerkten, das mit allen Segeln auf sie zukam. Das Aussehen des Fahrzeugs war kriegerisch; indeß konnte man in der weiten Entfernung seine wahrscheinliche Streitkraft nicht ermessen, um so weniger, da man es erst theilweise sehen konnte.
»Könnt Ihr seinen Rumpf unterscheiden, Mr. Forster?« rief Kapitän Oughton unserem Newton zu, der sich mit dem Fernglase auf dem Stengenkopf befand.
»Nein, Sir; nur die Fockraa steht bis jetzt über dem Wasser; aber das Schiff hebt sich sehr schnell.«
»Was haltet Ihr von seinen Spieren, Forster,« entgegnete der Kapitän, aus dem Takelwerk des großen Mastes heruntersteigend.
»Es ist sehr hoch, Sir, und die Leinwand scheint mir auf einen Fremden zu deuten.«
»Ich will wetten, was Ihr wollt, es ist jener verdammte Kerl, der Surcoeuf. Wenn wir von dem neutralen Schiffe recht berichtet worden sind, so ist eben hier sein Kreuzgrund.«
»Eine Stunde wird uns darüber in's Klare bringen, Sir,« erwiederte Newton; »aber ich muß sagen, daß es mir vorkommt, Eure Vermuthung werde sich als richtig erweisen. Wir dürfen uns immerhin auf ihn vorbereiten, denn ein Kreuzer ist's jedenfalls.«
»Je bälder, desto besser, Mr. Forster. Allen Berichten nach ist's ein feiner Kunde und ein guter Treffer. Die Decken geräumt und auf die Posten getrommelt!«
Das fremde Schiff kam mit solcher Geschwindigkeit heran, daß es, nachdem die Befehle des Kapitäns befolgt waren, kaum mehr als zwei Meilen entfernt stand.
»Da ist's mit Leesegeln – und verteufelt gut aufgedonnert!« bemerkte Kapitän Oughton. »Nun, wir werden sehen, aus welchem Korne es besteht.«
Das fremde Schiff hatte, sobald es seine Segel gekürzt, gegen den Wind umgeholt und mit dem Windsor-Castle auf denselben Gang angelegt, so daß man seine Breitseite hériséede canons, wie es die Franzosen nennen, sehen konnte.
»Eine Korvette, Sir,« rief Newton, durch sein Glas recognoscirend, »zweiundzwanzig Kanonen außer ihren Bridlepforten.– Sie ist französisch aufgetackelt – der Bau ihres Sterns französisch – kurz Alles durch und durch französisch.«
»Ich wette die ganze Lombardstraße gegen eine Chinaorange, 's ist der Sarcoeuf,« versetzte Kapitän Oughton, der mit den übrigen Offizieren das Schiff gleichfalls durch sein Glas musterte. »Ha, da geht die Trikolor auf, um zu beweisen, daß ich meine Wette gewonnen habe. Gebt Antwort auf die Herausforderung. Werft meinen Hut hinauf. – Pah! ich meine, hißt die Flaggen auf dahinten. Mr. Thomas,« fuhr Oughton gegen den Hochbootsmann fort, »schickt die Mannschaft nach dem Hinterschiff. – Forster, Ihr würdet gut thun, wenn Ihr die Damen hinunterbrächtet.«
Auf den Ruf des Hochbootsmanns kamen die Matrosen nach hinten und stellten sich mit baaren Häuptern und ungeduldigen Blicken an der Leeseite des Halbdecks aus.
»Nun, meine Jungen,« sagte Kapitän Oughton, »wenn ich nicht irre, so wird jenes Schiff von dem allerbesten Seemann, der je einen französischen Hafen verließ, kommandirt. Der Korvette selbst müssen wir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie ein verdammt schönes Ding ist und wohl ebensogut ihre Prügel einnehmen als austheilen kann.«
»Nun, Sir, da stehen wir auch nicht zurück,« entgegneten mehrere von den Matrosen.
»Ich weiß es, meine Jungen, und Geben und Nehmen ist ehrlich Spiel. Ich sage weiter nichts, ›als haltet euch wacker und möge der beste Mann gewinnen.‹ So, jetzt meine Jungen – wenn ihr bereit seid für die Katzbalgerei; je bälder wir schälen, desto besser – und damit Punktum.«
»Hurrah!« riefen die Matrosen, während sie sich nach ihren Posten begaben.
In Gemäßheit der Einschärfungen des Kapitäns warfen sie ihre Jacken und viele davon auch ihre Hemden ab, um sich für den Kampf vorzubereiten.
Nachdem die Korvette umgeholt und ihre Farben aufgezogen hatte, kürzte sie ihre Segel genau zu demselben Tuchumfang, welchen das Windsor-Castle führte, um ihre Segelschnelligkeit zu versuchen. In einer Viertelstunde stellte sich ihre Ueberlegenheit augenfällig heraus. Sie setzte nun ihre großen Segel und nahm ihre vorige Stellung gegen den Luvbug des Windsor-Castle ein.
»Der Kerl geht uns jedenfalls scharf zu Leibe,« bemerkte Kapitän Oughton; »aber Forster, die Damen sind noch nicht unten. Mrs. Enderby, es thut mir leid, Euch für eine kurze Weile in Hast schicken zu müssen. – Miß Revel, habt die Güte, Mr. Forsters Geleit nach einem Plätzchen anzunehmen, das unter der Wasserlinie liegt.«
Newton bot Isabel seinen Arm und folgte Kapitän Oughton, welcher Mrs. Enderby geleitete. Sein Herz war von dem Drange der verschiedensten Gefühle so übervoll, daß er sich anfangs nicht getraute, zu sprechen. Als sie die Treppe hinuntergestiegen waren, und nun sich über die Rammer, Wischer und Tackeln, die quer über dem Hauptdeck lagen, einen Weg bahnten, bemerkte unser Held –
»Es ist nicht das erstemal, daß ich den Auftrag erhalte, Euch in Sicherheit zu bringen; ich hoffe übrigens, daß ich das Vergnügen habe, Euch ebensobald wieder aus Eurer Gefangenschaft zu befreien.«
Isabels Lippen bebten, als sie erwiederte:
»Ich hoffe zu Gott, daß es so sein möge, Mr. Forster – aber – es ist mir heute weit banger, als bei jener früheren Gelegenheit. Ich –«
»Ich habe eine Vorahnung,« unterbrach sie Newton, »daß das Werk dieses Tages mein Glück machen, oder mich verderben wird! Ich weiß nicht, wie es kommt, aber ich fühlt mehr Zuversicht, als eigentlich durch die Aussichten gerechtfertigt erscheint. Doch lebt wohl, Isabel – Gott behüte Euch!«
Mit diesen Worten drückte er ihr die Hand und sprang die Treppe hinan nach seinem Posten.
Ich habe schon früher bemerkt, daß der Muth eines Menschen sehr von seinen zeitlichen Mitteln und Aussichten abhängt. Wer viel zu verlieren hat, in was immer sein Eigenthum bestehen mag, wird weniger geneigt sein zu fechten, als ein Anderer, dessen ganzes Kapital in einem leichten Herzen und einem dünnen Paar Hosen besteht. Aus demselben Grunde ist auch ein Verliebter nicht so kampflustig, als Andere, denn der Tod vernichtet die schönsten Aussichten seines Daseins. Lord St. Vincent pflegte zu sagen, ein verheiratheter Mann sei für den Dienst verdorben, obschon ich mit Seiner Gnaden nicht gleicher Meinung bin und dieselbe nur für den Honigmond gelten lassen möchte. Ein Verliebter könnte geneigt sein, den Marc Anton zu spielen, aber ein Ehemann ist wenigstens, mag kommen, was da will, glücklich gewesen. Freilich, wenn einmal der Kampf scharf hergeht, liegt wenig daran, ob die Streiter Junggesellen, verheirathet oder verliebt sind, und in dem Alles verschlingenden Geschäft des Mordes vergißt man für eine Weile, ob man Bettler oder Fürst ist.
Als Newton auf das Deck zurückkehrte, fand er, daß die Korvette sich allmählig bis auf Zielweite genähert hatte.
»Sollen wir das große Marssegel an den Mast legen, Sir?« bemerkte Newton. »Wir können dann sehen, wie er weiter manövrirt.«
»Er wird wahrscheinlich nicht Narr genug sein, auf uns herabzukommen,« versetzte Kapitän Oughton. »Ich weiß zwar, daß er ein entschlossener Bursche ist, traue ihm aber keine Uebereilung zu. Je nun, wir können's ja versuchen. – Braßt die große Raa!«
Sobald das Windsor-Castle beigelegt hatte, sah man die großen Segel des Feindes einige Augenblicke im Winde flattern, woraus das Tuch ausgebreitet wurde. Als das Schiff gehörig Weg hatte, setzte es Stagen ein und kreuzte das Windsor-Castle auf dem entgegengesetzten Gange.
»Dacht' ich's ja,« bemerkte Kapitän Oughton; »der Bursche weiß wohl, wie er d'ran ist, und mag seinen Kopf nicht in die Kanzlei stecken – das ist klar. Wie vorsichtig sich der Spitzbube benimmt! Er gevirt sich ganz, als handle sich's um den ersten Gang einer Boxerei – viel Manövriren und langes Auslegen, eh' der Tanz anfängt.«
Die Korvette steuerte auf dem entgegengesetzten Gange, bis sie ganz backstags hinten auslag. Dann holte sie um und fuhr auf der Luvwindvierung des Indienfahrers auf. Als sie sich endlich dem Windsor-Castle, das kurz zuvor sein großes Marssegel gefüllt, auf ungefähr zwei Kabellängen genähert hatte, zog sie ihr Focksegel auf und ließ im unteren Tackelwerk die Schiffsbemannung blicken, welche ein lautes Hurrah rief und dann verschwand.
Das herausfordernde Krähen eines Hahnes darf sicher auf Beantwortung zählen, wenn der Gegner gleichfalls ein Kämpfer ist. Die englischen Matrosen sprangen herauf, um das Kompliment zu erwiedern, aber alsbald brüllte ihnen Kapitän Oughton zu:
»An eure Kanonen ihr Narren! Hart nieder mit dem Steuer – laßt das Klüver fliegen und holt die Hauptbrassen an! Lugt jetzt aus, meine Jungen.«
Die Korvette hatte bereits ihr Steuer aufgezogen und legte an, um an dem Sterne des Windsor-Castle vorbeizukommen, dem sie eine scharfe Lage zugedacht hatte. Kapitän Oughtons Behendigkeit vereitelte jedoch das Manöver des Franzosen, das um so verhängnißvoller hätte werden müssen, wenn die englischen Matrosen in dem Tackelwerk den Kartätschen blos gestellt gewesen wären. Da das Windsor-Castle sich in den Wind geworfen hatte, so fand ein Austausch von scharfen Lagen Statt, die, wie es gewöhnlich bei allen gut geregelten Breitseiten in einem Kampfe zu gehen pflegt, einen Theil der Spieren und des Tackelwerks nebst mehreren Matrosen zerschmetterten. Das Windsor-Castle legte nun unter Newtons Leitung auf den andern Gang um, die Korvette that desgleichen, und die Schiffe trennten sich für einige Minuten.
»Verteufelt gut gestoppt, Newton – meint Ihr nicht?« sagte Kapitän Oughton, seine weißen Zähne zeigend. »Da schaut hin – sie kömmt wieder.«
Die Korvette versuchte, während sie nach ihrem Laviren sich richtete und in den Wind warf, abermals eine Lage; aber Kapitän Oughton, der die leichteste Veränderung in dem Laufe seines Gegners bewachte, hielt allmählig ab, zog dann sein Steuer auf und manövrirte so, daß wieder Breitseiten getauscht werden konnten. Diese zweite Lage erwies sich wirksamer, als die erste.
»Ein Magenschlag und beide nieder,« rief Kapitän Oughton, während er das Deck musterte. »Hurtig, Newton, die Leute hinunter! Bringt das Schiff jetzt nicht in den Wind – der Franzose hat durch Aufluven seinen Weg verloren und kann vor ein paar Minuten nicht wieder anfangen.«
Nach der zweiten Lage wurden die beiden Schiffe viel weiter von einander getrennt, weil der Wind von dem Windsor-Castle ablief und die Korvette in einem zu verkrüppelten Zustand war, um mit ihrer gewöhnlichen Schnelligkeit zu arbeiten. Dieß kam beiden Parteien zu Statten, weil die letzte Breitseite sehr verderblich gewirkt hatte. Der Franzose, der tief im Wasser ging, hatte weniger im Rumpfe und an seiner Mannschaft, dagegen aber um so mehr in Spieren und Tackelwerk gelitten. Sein Fockmast war durch einen Schuß des Gegners fast entzwei geschlagen, die große Raa schwer beschädigt und das Steuerrad in Stücke zertrümmert, so daß nun von dem unteren Decke aus gesteuert werden mußte. Das Windsor-Castle hatte fünf Kugeln in seinen Rumpf erhalten und zählte drei Tode nebst sechs Verwundeten; drei seiner Hauptwände waren entzweigerissen und der Besahnmast bedeutend beschädigt.
Es stand eine Viertelstunde an, ehe der Franzose zum Angriff zurückkehrte. Kapitän Oughton hatte wieder seinen Wind geholt, da er den Kampf nicht zu vermeiden verlangte, was ohnehin vergeblich gewesen wäre, da der Gegner in seiner Segelschnelligkeit einen so großen Vortheil hatte. Die Korvette schien übrigens das Manövriren aufgegeben zu haben, vielleicht weil der Zustand ihrer Spieren und Segel zu verkrüppelt war, oder weil sie bemerkte, daß sie bisher durch ihre Versuche nichts gewonnen hatte. Sie kam nun auf zwei Kabellängen an den Windsor-Castle heran und begann das Gefecht Breitseite gegen Breitseite. In Folge der Lufterschütterung durch die Geschütze hatte die Brise eingelullt, und beide Schiffe blieben ungefähr eine Stunde in der gleichen Lage und Entfernung, gegenseitig lauter wirksame Schüsse austauschend.
»Nun, das nenne ich eine regelmäßige Katzbalgerei. Feuert d'rauf los, meine Jungen,« rief Kapitän Oughton, seine Hände reibend. »Ein hübscher Spaß das – aber Gott verdamm ihn, er ist ein guter Kämpfer!«
Der beschädigte Besahnmast des Windsor-Castle erhielt einen weiteren Schuß, der ihn auf den Bord warf. Jeder Theil des Rumpfes bewies, wie scharf und gut gerichtet das Feuer des Feindes war. Die Segel sahen so zerfetzt aus, wie Jeremias Didler's Schnupftuch; die übrigen Masten waren von Kugeln gefurcht, die Bollwerke an mehreren Stellen zerrissen, die Boote auf den Spieren in Splittern, das Tackelwerk vorn und hinten so zerschossen, daß die Enden in der Bewegung des Schiffes hin- und herpendelten, die Decken in Verwirrung und einige der Kanonen gezwungenermaßen verlassen. Kapitän Oughton, Newton und die übrigen Offiziere fuhren fort, die Matrosen zu ermuthigen und an dem Geschütze mitzuhelfen; überhaupt schien die ganze Schiffsmannschaft den Bullenbeißergeist ihres Befehlshabers eingesaugt zu haben.
Das Feuer des Windsor-Castle war ebenso verheerend gewesen. Die Schiffe hatten sich in der Windstille einander gegenseitig genähert, und der hohe Ueberwasserbord des englischen Fahrzeuges hatte demselben Gelegenheit gegeben, die Decken des Feindes vortheilhaft zu bestreichen. Die Kämpfer blieben in dieser Lage, bis die Rauchmassen für eine Weile dem Schießen Einhalt geboten, denn man wußte nicht, wohin man die Kugeln richten sollte. Beide warteten daher, bis der Pulverdampf sich verzogen hätte, um das Feuer wieder zu beginnen. Ein leichter Wind fegte allmälig den Schleier in's Lee und ließ nun unterscheiden, daß die beiden Schiffe sich ungefähr auf eine halbe Kabelslänge nahe gekommen waren. Kapitän Oughton stand mit Newton auf der Hütte, während sich der französische Kapitän auf den Hängemattenetzen seines eigenen Schiffes befand. Letzterer nahm seinen Hut ab und grüßte höflich seinen Gegner. Kapitän Oughton beantwortete das Kompliment, schwenkte dann seinen Hut und deutete auf die englischen Farben, welche an dem großen Maste aufgehißt waren, als wolle er damit sagen, die sollen nicht herunterkommen. Der Franzose that ein Gleiches mit der Trikolor und der Kampf begann auf's Neue.
»Bravo, meine Jungen!« rief Kapitän Oughton: »gut gemacht! Diese Lage hat sich trefflich gehalten – recht in den Rippen. Hurrah jetzt, ihr Eichenherzen! Der Bursche dort ist werth, daß man mit ihm kämpft. Zielt auf seinen Fockmast – noch eine Lage wird ihn diehlen, denn er wankt bereits. Newton, hurtig nach dem Vorderschiffe und – –«
Dieser Befehl wurde jedoch durch eine Kartätschenkugel unterbrochen, welche den Kapitän Oughton vor die Brust traf. Er wankte und stürzte von der Hütte auf das Halbdeck nieder. Newton sprang hinab und eilte auf ihn zu. Der Blutstrom bekundete, wie es mit dem Kapitän stand; Newton rief einige Matrosen herbei, damit sie ihn nach dem Raume hinunterbrächten.
»Wartet einen Augenblick, mein lieber Junge,« sagte Kapitän Oughton mit matter Stimme und bei jedem Wort nach Luft haschend; »das war ein Garausmacher – kann nicht kommen zur Zeit – ich sterbe –«
Sein Kopf sank auf die Brust nieder, und das Blut strömte ihm aus dem Munde.
Newton ertheilte Befehl, die Leiche nach dem Speisezimmer zu bringen, damit die Matrosen nicht durch den Anblick entmuthigt würden. Dann eilte er auf die Hütte, um den Feind zu rekognosciren. Er bemerkte, daß die Korvette ihre zerfetzten großen Segel an Bord geholt hatte und nach vorne stand.
»Er macht sich aus dem Staube,« rief einer von den Quartiermeistern.
»Glaube kaum,« versetzte Newton, der die Decken des französischen Schiffes mit dem Glase musterte. »Sie bereiten sich zum Entern vor und werden in fünf Minuten wieder umholen. Haltet die Stutzsäbel und Piquen bereit – nach dem Vorderschiff, meine Jungen, Alle sammt und sonders! wir müssen sie abschlagen!«
»Und werden's auch,« riefen die Matrosen, die sich dem Befehle zufolge auf dem Vorderkastell sammelten.
Die Reihen waren übrigens sehr gelichtet, denn fast die Hälfte der Schiffsmannschaft lag entweder todt auf dem Deck oder befand sich unter den Händen des Wundarztes. Als Newton seine kleine Streitkraft, von Anstrengung erschöpft, schwarz von Pulver und Blut, und von Schweiß dampfend, musterte, konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, daß nur geringe Aussicht vorhanden sei, in dem Kampfe gegen ein scheinbar so gut bemanntes Schiff, als die Korvette war, obzusiegen. Er sprach nur wenige Worte, die jedoch völlig ihrem Zwecke entsprachen, und er hatte die Freude zu bemerken, daß der Muth seiner zu den Waffen greifenden Leute, trotz ihrer geringen Anzahl und der vorausgegangenen Erschöpfung, ungeschwächt geblieben war.
Die Korvette war inzwischen an dem Winde eine Meile vorwärts geschossen und hatte dann umgewandt; sie steuerte nun gerade auf das Windsor-Castle los und näherte sich demselben auf drei Kabellängen. Einige Minuten mußten Alles entscheiden. Sie holte ihre großen Segel wieder auf und zeigte, wie ihr Leetakelwerk, Bugspriet, die Katzenköpfe und das Vorderkastell von Leuten wimmelten, die bereit waren, an Bord zu eilen, sobald die Schiffe in gegenseitige Berührung kämen. Newton stand, von seinen Matrosen umgeben, auf einer Kanone des Vorderkastells. Kein Wort wurde gesprochen und Alle bewachten erwartungsvoll das Näherkommen des Feindes. Die Schiffe standen noch eine Kabellänge von einander, und Newton konnte deutlich die Züge des ritterlichen Surcoeuf unterscheiden, der vorne auf den Bugstücken stand. Da faßte ein Windstoß, der zu jeder andern Zeit kaum ein Oberbramsegel gebläht haben würde, die Leinwand der Korvette, und der beschädigte Fockmast, welcher außer Stande war, die Last der Mannschaft in dem Leetakelwerk zu tragen, fiel über Bord, die große Stenge und die in den Wänden stehenden Matrosen mit sich fortreißend, so daß die Korvette blos noch ein verstricktes Wrack war. Ein lautes Freudengeschrei von dem Vorderkastel des Windsor-Castle aus verkündete, daß die englischen Matrosen ihre eigene verzweifelte Lage nur zu gut kannten und das Unglück der Franzosen als ihre eigene Rettung willkommen hießen.
»Nun, meine Jungen, tummelt euch,« rief Newton, indem er nach hinten an das Rad sprang und das Steuer aufzog; »die Klüverfallen bemannt (das Klüver war unter dem Vorderreitknie); laßt die großen Marsbolinien los; braßt die große Raa. So wird's gehen – sie fährt ab! Bemannt eure Kanonen; ein halb Dutzend Breitseiten und Alles ist unser.«
Die Sonne hatte sich hinter den Horizont gesenkt und die Schatten der Nacht waren hereingebrochen, ehe dieses Manöver beendigt werden konnte. Man richtete mehrere volle Lagen auf die Korvette, welche die beabsichtigte Wirkung thaten, sie noch mehr zu verstümmeln, während ihre verstrickte Lage die Erwiederung hemmte. Endlich hüllte die Nacht beide Schiffe in ihren Schleier, und da die Brise schnell auffrischte, so wurde es nöthig, daß die noch übrigen Masten des Windsor-Castle gut gesichert wurden. Man verließ daher die Kanonen, und während die Matrosen beschäftigt waren, das Takelwerk auszubessern und frische Segel festzumachen, berieth sich Newton mit den andern Offizieren, welche einstimmig der Ansicht waren, daß alles Mögliche geschehen sei; wenn man bis zum folgenden Tag zuwarte, werde die Korvette ihre Beschädigungen ausgebessert haben, und man laufe Gefahr, gekapert zu werden, was wegen des werthvollen Eigenthums, das ihrer Obhut anvertraut war, nicht gewagt werden könne. Erst nach Mitternacht war das Windsor-Castle in der Lage, weiter zu segeln; aber lange vorher hatte Newton die Gelegenheit ersehen, das Deck zu verlassen, um einige Minuten mit Isabel Rücksprache zu nehmen. Die meisten Einzelnheiten, wie auch der Tod des Kapitän Oughton, waren ihr bereits mitgetheilt worden, und wenn daher Newton für seine Tapferkeit und Klugheit überhaupt einen Lohn erhielt, den er heißer ersehnte, als jeden andern, so bestand dieser in dem liebevollen Gruße und Glückwunsche, womit ihn Isabel willkommen hieß. Ihre Augen strahlten von Thränen des Entzückens, während sie die Blicke von seinem Antlitz abwandte und auf dem Decke haften ließ.
Liebe und Mord geben eine artige Mischung, obgleich sie sich gerade so entgegengesetzt sind, wie der Zucker und die Säure im Punsch, der sich doch des Beifalls aller verständigen Leute erfreut. Ich will es übrigens dem Leser anheimstellen, seine Einbildungskraft nach Belieben walten zu lassen, und gegenwärtiges Kapitel mit der Mittheilung schließen, daß bei dem Anbruche des Tages die Korvette von der Mastspitze des Windsor-Castle aus nicht mehr entdeckt werden konnte. Man machte jetzt die Kanonen fest, wusch die Decken, pflanzte im Hinterschiffe einen Nothbesahnmast auf und überantwortete die Leiche des Kapitän Oughton sammt denen seiner wackern Streitgenossen mit den gewöhnlichen Zeremonien der Tiefe. Für die Bequemlichkeit der Verwundeten wurde nach Kräften gesorgt, die Zimmerleute waren emsig mit den nöthigsten Ausbesserungen beschäftigt, und das Windsor-Castle lief unter Newton Forsters Kommando vor einer stattlichen Brise mit einer Geschwindigkeit von acht Knoten in der Stunde dahin.