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Sechzehntes Kapitel

Das Schiff, vom Sturm zerzaust, trägt länger nicht
Das Wogenmeer, das wild herüberbricht;
Der Rumpf, bereits von allen Seiten wund,
Saugt Wasser ein mit hundertfachem Mund,
Und jede Well' frißt weiter fort zum Kiel,
Bis Trümmer nur sich bieten ihrem Spiel.

Falconer.

Newton blieb mehr als drei Wochen zu Bridgetown unter Mr. Kingstons Dache, während welcher Zeit die Brigg geladen wurde und den Abgang des nächsten Konvoys nach England erwartete.

Mr. Berekroft hatte alle Reisevorbereitungen getroffen, als ein unerwartetes Ereigniß stattfand, das für Newton viele Mühseligkeiten und Gefahren herbeiführte. Der Meister eines großen Schiffs, das denselben Prinzipalen zugehörte und damals in Karlisle Bay lag, um mit demselben Konvoy nach England zu gehen, hatte sich bei einer reichen Wittwe auf der Insel so in Gunst gesetzt, daß er sich nicht mehr dem treulosen Elemente anvertrauen mochte, sondern es vorzog, sie zu bewegen, daß sie ihm ihre Pflanzung, ihre Neger und ihr schönes Ich zu ehrfurchtsvollem Gehorsam für alle künftige Zeiten überantwortete.

In Folge dieses Austritts seines Kollegen wurde Mr. Berekroft zum Kommandanten des größeren Schiffes befördert, während Jackson, der erste Mate, den Befehl über die Elisa und Jane erhielt. Dies war für Newton ein schwerer Schlag und ließ sich nicht abwenden, denn Mr. Berekroft konnte ihn nicht mit sich auf sein neues Schiff nehmen, da alle untergeordneten Stellen bereits besetzt waren.

Unser Held wollte anfangs die Brigg verlassen, ließ sich aber doch durch Mr. Berekroft und Kingston bereden, die Rückfahrt mitzumachen, da er jetzt erster Mate war und seinen ganzen Lohn verwirkte, wenn er seinen zu Liverpool unterzeichneten Vertrag brach. So unangenehm auch diese Aufgabe war, fügte er sich doch, da ihm Berekroft noch außerdem versprach, nun Jackson versorgt sei, wolle er mit den Eigentümern das Abfinden treffen, daß Newton nach ihrer Ankunft in England auf seinem eigenen Schiffe als erster Mate angestellt werde.

Nach einigen Tagen erschienen die Kriegsschiffe. Newton war bis auf den letzten Augenblick am Lande geblieben, drückte seinem freundlichen Beschützer die Hand, dankte Mr. Kingston für seine Güte und ging mit schwerem, kummervollem Herzen an Bord.

Der Anblick, der sich ihm bot, als er auf das Deck trat, war auch durchaus nicht geeignet, ihn aufzuheitern, denn Jackson stand, einen Merlpfriem über den Kopf geschwungen, über dem Körper eines Matrosen, den er eben mit dem Werkzeug, das er in der Hand hielt, zu Boden geschlagen hatte. Bei Newtons Erscheinen steigerte sich der Zorn des neuen Kapitäns nur noch mehr. Er warf ihm einen feindseligen Blick zu und bemerkte dann mit einem höhnischen Grinsen:

»Eine solche Behandlung haben alle Säumigen an Bord meines Schiffes zu gewärtigen!«

Newton gab keine Antwort, und Jackson verfügte sich nach dem Vorderschiffe, wo der Rest der Mannschaft an dem Haspel beschäftigt war, um den Anker aufzuholen. Newton ging auf den Matrosen zu, der noch immer bewußtlos dalag, und untersuchte ihn. Die eiserne Platte am Ende des Merlpfriems war tief in den Schädel eingedrungen, und es hatte ganz den Anschein, als ob das Gehirn des Mannes verletzt worden wäre.

Unser Held rief den Knaben, der die Kajüte zu bedienen hatte, zu seinem Beistand herbei, brachte den Matrosen in den Raum hinunter und legte ihn auf seine Schlafstätte. Dann begab er sich wieder auf das Deck und ergriff das Steuer, da der Anker der Brigg bereits aufgezogen war. Nach einer Viertelstunde waren die Segel gesetzt, und das Fahrzeug folgte dem Kurse der Kriegsschiffe, welche im Begriffe waren, durch die übrigen Inseln zu laufen und mehrere Kauffahrer aufzulesen, die gleichfalls ihren Schutz angesprochen hatten.

»Wenn Ihr glaubt, es Euch als erster Mate leicht machen zu können, so seid Ihr im Irrthum, mein lustiger Bursche,« sagte Jackson zu Newton, der das Schiff steuerte. »Ihr habt lange genug geschwänzt und sollt dies nun durch doppelte Arbeit wieder hereinbringen, oder Ihr werdet sehen, was daraus folgt. Ich will verdammt sein, wenn ich Euch nicht auf die Nähte gehe!«

»Ich werde meine Pflicht thun, Mr. Jackson,« versetzte Newton, »und scheue mich vor keinen Folgen.«

»So? Ihr habt eben gesehen, wie ich einen Tagedieb bearbeitet habe – nehmt Euch vor einem gleichen Schicksal in Acht.«

»Ich fürchte nicht, daß ich etwas der Art zu gewärtigen habe, Mr. Jackson. Wenn die Merlpfrieme aufspielen sollen, kann man den Spaß auch selbander treiben. Ich denke übrigens, Euer Ungestüm wird Euch leid thun, noch ehe viele Stunden entschwunden sind, denn soviel ich glaube, ist jener Matrose sehr gefährlich verletzt. Ich würde Euch rathen, von der Fregatte wundärztlichen Beistand zu erbitten.«

»Erbittet Ihr ihn, wenn Ihr das Herz habt – ich bin der Kapitän dieses Schiffes, Sir. Was ist's auch, wenn der Schurke stirbt und zum Teufel fährt.«

Newton gab auf diese empörende Rede keine Antwort. Er hatte sich vorgenommen, sich in Alles zu fügen, was nicht einem offenen Angriff gleich sah, und gehorchte drei Tage lang allen Befehlen, wie tyrannisch und ärgerlich sie auch sein mochten. Während dieser Zeit wurde der beschädigte Matrose immer schlechter; seine Krankheit nahm reißend schnell zu und am fünften Tage lag er in tobendem Fieber da, weshalb Newton abermals auf die Zweckmäßigkeit aufmerksam machte, von einem der Kriegsschiffe wundärztlichen Beistand aufzubieten. Jackson, der nun wirklich unruhig wurde, beantwortete diesen Rath mit einer Salve von Flüchen und Verwünschungen, die mit einer entschiedenen Verweigerung schloßen. Die Mannschaft der Brigg murrte, sammelte sich auf dem Vorderschiffe, flüsterte unter einander und blickte hin und wieder nach den Kriegsschiffen; sie fürchteten sich übrigens so sehr vor Jacksons Gewaltthätigkeit, daß Keiner sich laut auszusprechen wagte. Jackson ging in einem Zustande zorniger Aufregung auf dem Decke hin und her, denn er hörte das Rasen des armen Kranken, der jetzt so ungestüm tobte, daß man es über das ganze Schiff vernehmen konnte. Mit dem Einbruche der Nacht ersahen die Matrosen, als Jackson nach der Kajüte ging, die Gelegenheit, um gegen Newton, der sich auf dem Hinterschiffe befand, ihren Entschluß auszusprechen, daß sie am andern Morgen die Fregatte anrufen und für ihren Schiffskameraden chirurgischen Beistand erbitten würden, möge nun der Meister einwilligen, oder nicht.

Während des Gesprächs hatte Jackson, der das Getöse über seinem Kopfe hörte, Argwohn geschöpft und unten an der Treppe gelauscht; er kam jetzt die Luke herauf, beschuldigte Newton, er versuche eine Meuterei anzuzetteln, und befahl ihm, augenblicklich nach seiner Kajüte zu gehen, indem er zugleich seine Absicht ausdrückte, ihn am andern Morgen auf der Fregatte gefangen setzen zu lassen.

»Ich gehorche Eurem Befehle, da Ihr der Kommandant dieses Schiffes seid,« versetzte Newton, »hoffe übrigens, daß Ihr bei Eurem Entschlusse, mit der Fregatte zu kommuniciren, beharrt.«

Mit diesen Worten stieg er die Hüttenluke hinunter.

Jackson hatte übrigens aus dem Berichte des Kajütenjungens sowohl, als aus dem unzusammenhängenden Rasen seines Opfers entnommen, daß der Kranke mit jeder Stunde schwächer wurde; der angedrohte Schritt schien ihm daher gefährlich. Mit dem Einbruche der Nacht verblieb er auf dem Decke und nahm dann allmählig ein Segel nach dem andern herab, bis sich die Brigg weit im Sterne des übrigen Konvoys befand, und am andern Morgen war kein anderes Schiff mehr zu sehen. Unter dem Vorwande, der Flotte nachzueilen, setzte er alle Segel aus, änderte aber zu gleicher Zeit seinen Kurs, so daß er zwischen zwei Inseln durchkam. Newton war der Einzige an Bord, der außer Jackson die Seefahrerkunst verstand, folglich auch der Einzige, welcher beweisen konnte, daß er absichtlich dem Konvoy entwischt sei; aber er befand sich unten in Haft und die Matrosen konnten, wenn sie auch argwöhnisch waren, doch nicht darthun, daß sie unrecht steuerten.

Um zwölf Uhr desselben Tages starb der arme Matrose. Jackson, der auf das Ereigniß vorbereitet war, hatte bereits seine weiteren Schritte entworfen. Die Matrosen murrten und machten den Vorschlag, Jackson gefangen zu setzen und das Kommando Newton anzubieten. Zu diesem Ende begaben sie sich nach unten, wurden aber von unserem Helden zurückgewiesen, welcher ihnen bemerkte, wenn es nicht durch die Gesetze des Landes erwiesen sei, daß Jackson ihren Schiffskameraden ermordet habe, könne derselbe auch nicht als schuldig betrachtet werden, und sie hätten kein Recht, ihn seines Kommandos zu berauben; er müsse daher den Befehl fortführen, bis sie vor einer obrigkeitlichen Person ihr Zeugniß abgelegt hätten. Außerdem machte er sie darauf aufmerksam, daß die Aufgabe der Gerechtigkeit eben so gut erfüllt werden könne, wenn der Mörder unmittelbar nach seiner Ankunft in einem englischen Hafen ergriffen würde, oder unterwegs auf ein Kriegsschiff treffe, als wenn sie sich eigentlich eigenmächtige Justiz selbst strafbar machten.

Die Matrosen waren zwar nicht zufrieden, beruhigten sich aber doch und kehrten wieder zu ihrem Dienst auf's Deck zurück. Jacksons Benehmen gegen sie war nun ganz anders; er behandelte sie nicht nur mit Milde, sondern versah sie auch mit Extrabranntweinrationen und gestand ihnen alle Freiheit zu, die er als Kapitän erlauben konnte.

Newton blieb jedoch noch immer in seiner Hast und faßte seinen Feind jedesmal sorgfältig in's Auge, so oft er sich genöthigt sah, auf das Deck zu kommen. Die Sache verhielt sich so, daß Jackson, welcher wußte, daß sein Leben den Gesetzen des Landes verfallen war, den Entschluß gefaßt hatte, die Brigg auf einem der Riffe im Norden scheitern zu lassen, dann zu den Booten seine Zuflucht zu nehmen und nach einer französischen Insel zu entwischen. Seiner Aufforderung gemäß wurde auch die Leiche des Mannes von einigen Matrosen, welche sich in einem Zustand halber Trunkenheit befanden, über Bord geworfen.

Newton, der nun schon einige Tage gefangen war, hatte sich wie gewöhnlich nach seiner Hängematte begeben, als eine plötzliche Erschütterung, begleitet von dem Sturze der Masten auf den Bord, ihn aus einem tiefen Schlafe zu allen Schrecken eines Schiffbruchs weckte. Das Wasser schoß stromweise durch die Seiten des Schiffes herein und gab ihm die Ueberzeugung, daß in den Booten die einzige Aussicht des Entkommens lag. Das furchtbare Angstgeschrei, das erhoben wird, wenn die Matrosen im Dunkel der Nacht einem unmittelbaren Tode entgegen sehen, die beschleunigten Fußtritte über ihm, das wirre Getöse vieler Stimmen und die schweren Stöße, welche die Wellen gegen die Schiffsseite übten, sagten ihm, daß auch diese Rettung nur mit größter Gefahr erwirkt werden konnte. Er zog seine Beinkleider an und stürzte nach der Thüre seiner Kajüte. Barmherziger Himmel! denke man sich sein Erstaunen und seinen Schrecken, als er sie von außen verriegelt fand. Er dachte augenblicklich an die Bosheit seines elenden Feindes (denn Jackson hatte in der That während der Nacht Schritte zu seinem Verderben gethan) und strengte alle seine Kräfte an, um zu entkommen. Er stemmte die Schultern gegen seine Seekiste, die Füße gegen die Thüre und versuchte so in fast horizontaler Körperlage mit aller Gewalt die Thüre aufzubrechen. Das Schloß wich, aber die Thüre öffnete sich nicht weiter, als ein paar Zolle, denn Jackson hatte, um sicher zu gehen, einen schweren Tauring, der nur einige Ellen weiter vorn im Vorplatze gestanden hatte, gegen dieselbe gerollt, und diese Last war gewichtig genug, um der Kraft von fünf Menschen zu trotzen. Ganz außer sich über dem Gedanken, durch einen solchen Verrath dem Untergange preisgegeben zu sein, strengte sich Newton mit der Gewalt des Wahnsinns an – wieder und wieder – aber ohne Erfolg. Zwischen jeder Pause belehrten ihn die Stimmen der Matrosen, die nach dem Ruder und andern zum Langboot gehörigen Gegenständen riefen, daß jeder Augenblick Zögerung ein Nagel zu seinem Sarge war. Auf's Neue wiederholte er seine Anstrengungen mit fast übermenschlicher Gewalt, aber die Thüre blieb so fest, wie nur je. Endlich kam ihm der Gedanke, daß der Tauring, den er durch die erzwungene kleine Oeffnung hatte fühlen können, vielleicht nur vor dem unteren Theile der Thüre lag. Er verwandte deshalb seine Kraft nach oben und fand, daß die Thüre wich. Durch wiederholte Versuche gelang es ihm, die oberen Bretter in Stücke zu stoßen, und nachdem er seinen Leib durch die Oeffnung gezwängt hatte, stürzte er mit den wenigen, noch übrigen Kräften auf das Deck.

Die Matrosen – das Boot – Alles war fort. Er rief – man hörte ihn nicht; er strengte seine Augen an, aber im Düster der Nacht war nichts sichtbar, und Newton sank, von Mattigkeit und getäuschter Hoffnung überwältigt, besinnungslos auf das Deck nieder.


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