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Seneb und ich plauderten, tranken Wein und schwelgten in Liebeswonnen. Plötzlich vernahmen wir ein lautes Pochen am Haustor. Zu Tode erschrocken fuhren wir auf. Meine Herzallerliebste bat mich, schnell über die Terrasse zu verschwinden, während sie unterdessen nachschaute, wer draußen sei. Seneb erkannte alsbald, daß es der Doktor selbst war, der energisch Einlaß begehrte. Sofort riegelte sie das Tor auf, ließ ihn ein und hoffte, dem verliebten Alten mit List und Schläue alles auszureden, was er Ungewöhnliches bemerken könnte. Von der Terrasse aus konnte ich, was vorging, beobachten. Der Doktor schien entzückt, Seneb allein zu finden, und machte seiner Zärtlichkeit in so eindringlichen Worten Luft, daß kein Zweifel darüber bestehen konnte, für wen sein Herz entbrannt war. Als er einen Blick ins Zimmer seiner Gattin geworfen hatte, entdeckte er nicht nur die Frühstücksreste, sondern es sprachen auch alle Anzeichen dafür, daß sich hier Unberufene köstlich unterhalten hatten. Gerade stellte er deshalb ein paar diesbezügliche Fragen an Seneb, als die Khanum, gefolgt von ihren Sklavinnen, hereintrat und so leise wie ein Dieb ins Haus geschlichen war. Ihren Blick und ihre drohende Haltung, als sie des verliebten Doktors ansichtig wurde, werde ich niemals vergessen.
»Salām aleikum,« zischte sie höhnisch-respektvoll, »Friede sei mit euch! Ich bin eure untertänige Dienerin. Ich hoffe sehr, daß sich die beiden Exzellenzen des besten Wohlseins erfreuen und ihre Zeit recht angenehm verbracht haben. Ich fürchte nur, ich bin etwas zu früh gekommen!«
Nun aber wurde sie mit einem Male purpurrot vor Wut, höhnte nicht weiter, sondern überfiel die Missetäter, biß und kratzte in sinnloser Wut wie ein wildes Tier.
»Natürlich auch ein Frühstück! – noch dazu in meinem Zimmer – Maschallah! Maschallah! Also es scheint eine ausgemachte Sache zu sein, daß man mich in meinem Hause schlechter behandeln darf als einen Hund! – folglich dürfen in meinem Hause, in meinem Zimmer, auf meinem Teppich und noch dazu auf meinem höchsteigenen Kissen meine Sklavinnen nach Herzenslust ihren Gelüsten frönen! – La Allah ill Allah! Es gibt keinen Gott außer Gott! Vor Staunen bin ich noch ganz außer mir!« fauchte sie, und ihrem Ehemann zugewendet: »Und du, Mirza Ahmak, ja, schaue mich nur an, darf man dich überhaupt unter die Männer rechnen? Du mit deinem Affengesicht, deinem Geißbart und dem häßlichen Buckel willst ein Doktor sein? Der Lukman seiner Zeit, ein Gelehrter? Willst den girrenden Liebhaber und zärtlichen Schäfer spielen? Fluch über deinen weißen Bart!« Dabei fuhr sie ihm mit allen fünf Fingern in die Barthaare und schrie: »Puh! Dir spuck ich ins Gesicht! Für wen hältst du mich denn, daß du es wagst, mich mit einer niedrigen, unreinen Sklavin zu betrügen? Was habe ich denn getan, daß du mich so niederträchtig behandelst? Als du nichts warst und nichts dein eigen nanntest als deine Rezepte und Medizinflaschen, da bin ich gekommen und habe etwas aus dir gemacht; mir verdankst du überhaupt alles. Jetzt dienst du einem Könige, die Leute machen Bücklinge vor dir, du trägst einen Kaschmirschal, du bist eine einflußreiche Persönlichkeit geworden, sage mir darum, du Jammerbild von einem Manne, was soll das alles heißen?«
Während dieses heftigen Angriffes schwor der Doktor zahllose Eide und beteuerte seine völlige Unschuld in allen Tonarten. Aber nichts vermochte ihre Wut zu besänftigen, noch ihre Zunge zu bändigen. Ihre gesteigerte Leidenschaft tobte sie in Flüchen, Schmähungen und Verwünschungen aus, die sich wie eine verheerende Sturzwelle über den Doktor und Seneb ergossen. Bald stürzte sie sich auf ihren Mann, bald auf die Sklavin, bis ihr der Schaum vor den Mund trat. Aber dann genügten ihr Worte nicht mehr. Sie riß Seneb bei den langen Zöpfen, bis diese vor Schmerz brüllte, und warf darauf die Ärmste mit Beihilfe der andern Sklavinnen in das Wasserbecken. Dort schlugen und tauchten sie sie so lange unter, bis beiden Parteien die Kräfte versagten. Oh, wie ich vor Entrüstung zitterte! Wie sehnlichst ich wünschte, sie zu retten! Es tobte in mir wie Feuer, und ich dürstete nach dem Blute dieser gefühllosen Bestien. Aber was konnte ich tun? Mein Los wäre der Tod gewesen, hätte ich gewagt, in den Harem einzudringen. Wahrscheinlich hätten sie mich dort auf dem Flecke erschlagen, die Eifersucht der Khanum wäre nicht vermindert, aber Seneb fürderhin noch grausamer behandelt worden.
Als der Sturm ausgetobt hatte, verließ ich mein Versteck auf der Terrasse, machte einen Spaziergang vor die Stadt, um in Ruhe zu überlegen, wie ich mich fernerhin zu verhalten hätte.
An ein künftiges Verbleiben im Hause des Doktors war nicht mehr zu denken, auf Senebs beglückende Gesellschaft zu hoffen, war Wahnsinn. Als ich über das fernere Schicksal des armen Mädchens nachdachte, blutete mir das Herz, denn ich hatte so schreckliche Dinge vernommen über die Verbrechen, die in den Harems verübt wurden, daß gar nicht abzusehen war, wie weit ein teuflisches Weib wie die Khanum ihre Grausamkeit gegen ein Wesen treiben konnte, das sich ganz in ihrer Gewalt befand.