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Zwei fette Lämmer, die auf unserm Packesel festgebunden wurden, waren das einzige Geschenk, das wir unserm Vorgesetzten mitbrachten. Ins Lager zurückgekehrt, begaben wir uns alsbald zum Naib (Leutnant) und wurden von diesem unverzüglich dem Großexekutor vorgeführt, der in seinem Zelte saß und sich mit einigen Freunden unterhielt.
»Nun, was hast du ausgerichtet?« fragte er Schir Ali. »Hast du das Getreide oder den Kädkhoda mitgebracht?«
»Ich bitte mir zu verzeihen, weder mit dem einen noch dem andern dienen zu können,« erwiderte Schir Ali. »Der Kädkhoda und die Dorfältesten schicken diese Lämmer, die sie Euch zu Füßen legen, da sie so bis auf die Seelen ausgeräubert wurden, daß ihnen, wie wir uns mit eignen Augen überzeugen konnten, rein nichts mehr verblieb; sie sind im Gegenteile von allem so entblößt, daß es in der Ordnung wäre, ihnen Lebensmittel zu schicken, sollen sie sich nicht untereinander auffressen.«
»Das wagst du mir zu sagen!« brüllte der Khan. »Wenn sie Lämmer haben, müssen sie auch Schafe haben? Oder wie hast du dir diesen Umstand zusammengereimt?«
»Das ist allerdings richtig,« antwortete Schir Ali; »alles, was Ihr sagt, ist überhaupt immer richtig, aber wir sprachen doch vom Getreide und nicht von Schafen?«
»Aber warum hast du den Kädkhoda nicht mitgebracht, wie ich es dir befohlen hatte?« fragte unser Vorgesetzter weiter. »Wäre ich dort gewesen, ich würde die Halunken lebendig geröstet, ihnen, wie den Kamelen, die Vorderbeine zusammengebunden und sie so lange geschlagen haben, bis sie mir gestanden hätten, was sie noch besäßen. Sprich, warum hast du sie nicht hierher gebracht?«
»Allerdings das wünschten wir aufs innigste,« stotterte Schir Ali und schaute hilfesuchend nach mir hin; »wir haben sie auch gebunden und mißhandelt, Hadschi weiß das, – er war es auch, der ihnen sagte, daß sie ohne die Herausgabe von Geld auf kein Erbarmen rechnen könnten – und Erbarmen zu haben, ist doch keineswegs unsre Sache; und wenn die Leute auch von gar nichts einen Begriff hatten, das eine war ihnen doch völlig klar geworden, daß, befänden sie sich erst in der Gewalt unsers Khans, unsers Herrn und Meisters, dem Obersten aller Nessektschis, einem Manne von so unerschütterlichem Mute, von so großartiger Entschlossenheit und so unbeugsamer Härte –, daß es mit ihnen aus und vorbei sei!! Ja, als wir ihnen das so recht vorstellten, sanken sie auch schier in die Erde.«
»Hadschi Baba, was schwatzt der eigentlich?« fragte mich der Khan; »ich habe noch nicht verstanden, warum die Dorfältesten mir nicht vorgeführt wurden?«
»Ich auch nicht«, antwortete ich im allerdemütigsten Tone. »Schir Ali, der dort als Euer abgesandter Leutnant vorging, hatte die ganze Sache über sich, ich unterstand ihm und war die reinste Null.«
Hierauf geriet der Oberexekutor in eine so ungeheure Wut, daß er uns mit allen ihm zu Gebote stehenden gemeinsten und verleumderischsten Anschuldigungen und Schmähreden überhäufte.
»Daß diese Schurken uns einen schlechten Streich spielten, liegt auf der Hand,« rief er seinen Freunden zu. »Sage mir, Schir Ali, bei meiner Seele, beim Salz des Königs, wieviel hast du selbst bekommen?« Und sich mir zuwendend, fragte er: »Und du, der erst seit kaum einem Monate im Dienste steht, was hast du auf die Seite gebracht?«
Umsonst beteuerten wir unsre Unschuld, umsonst schwuren wir, dort sei nichts zu holen gewesen. Niemand wollte uns Glauben schenken, und der Vorfall endete damit, daß wir aus dem Zelte gewiesen und dem Naib übergeben wurden, der uns so lange in Gewahrsam behalten mußte, bis die Dorfältesten, denen wir gegenübergestellt werden sollten, zur Stelle wären.
Als Schir Ali allein mit mir war, versuchte er sofort, seine Beute mit mir zu teilen, und wollte mir die Hälfte davon ablassen. »Nicht doch, mein Freund!« sagte ich ihm; »dazu ist es jetzt zu spät. Wenn du nach dem Genusse verbotenen Weines Kopfweh bekommst, sollte das ein Grund für mich sein, mich selbst übel zu befinden? Aus deiner Art, den Herrn zu spielen, habe ich für mich eine weise Lehre gezogen, was mir in diesem Falle vollkommen genügt.«
Er versuchte, mir auch das Versprechen abzunehmen, daß, falls wir dem Khan gegenübergestellt würden, ich durch dick und dünn alles beschwören sollte, womit er sich rechtfertigen könnte. Ich jedoch war mir der Folgen zu genau bewußt, um auf ein solches Versprechen einzugehen. Er sagte mir ferner, die Bastonade würde er wohl nicht überleben. Wußte er doch zu genau, daß ein Mann, der in allen Fällen, wo es sich um die Füße der andern gehandelt, stets die unbarmherzigste Härte gezeigt hatte, für sich auch kein Erbarmen erwarten dürfe. Er schwor beim Koran, lieber wolle er das größte Elend erdulden, als sich an den Marterpfahl binden zu lassen.
Als wir abermals gerufen wurden, um vor dem Khan zu erscheinen, war Schir Ali nirgends zu finden. Da er seinen Posten in aller Heimlichkeit verlassen hatte, konnte ich auch bei meinem Verhöre nichts andres aussagen als: ich wüßte, welch entsetzliche Furcht ihm die Bastonade einflößte, und er habe sich jedenfalls, um dieser Strafe zu entgehen, aus dem Staube gemacht.
Sobald ich aber vor meinen Richtern, den Dorfältesten von Salwar erschien, da erklärten sie einstimmig, daß ich weder etwas von ihnen gefordert noch erhalten, sondern im Gegenteil sie angehalten hätte, dem Khan ein angemessenes Geschenk zu machen. Alle ihre Anklagen richteten sich einzig und allein gegen Schir Ali, der, wie sie beteuerten, ihr Elend auf die Spitze getrieben und ihre alten Wunden, nachdem sie gerade begonnen hatten, ein wenig zu verharschen, von neuem aufgerissen habe.
Alles dieses sprach nach und nach sehr zu meinen Gunsten und ebnete mir die Wege zu meiner Beförderung. Dieser Vorfall wurde bekannt und war bald im Munde aller Leute; ich galt als das Muster weiser Mäßigung.
»Das kommt davon, weil er ein Doktor war,« sagten die einen. »Weisheit ist besser als Reichtum!« die andern. »Er kannte das Gesetz der Konsequenzen,« sagte ein dritter; »aber seine Füße werden nicht da sein, wo sein Kopf ist.«
Kurz, ich war in den Ruf gekommen, ein schlauer und umsichtiger Kerl zu sein, was ich doch nur den Ereignissen verdankte, die mir das Schicksal gnädig in die Hand gespielt hatte; auch war es kein Schaden für mich, als ein Mann zu gelten, der ein gutes ›Taleh‹ (Glück) hatte und dessen Sterne günstig standen. Das Ergebnis dieses Abschnittes meiner Erzählung war, daß ich den Posten des Flüchtlings bekam und Unterleutnant des Großexekutors in Persien wurde, eine Stellung, deren Wichtigkeit – mögen die Leser darüber denken, was sie wollen – durchaus nicht unterschätzt werden darf.