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Dreiunddreißigstes Kapitel

Tätigkeit Hadschis als Nessektschi

Nach einem äußerst gemächlich zurückgelegten Marsche von vierzehn Tagen, zu einer für die Ankunft festgesetzten glückbringenden Stunde näherte sich der Schah Sultanijé, um dort von seiner für ihn kürzlich errichteten Sommerresidenz Besitz zu ergreifen. Der Palast liegt auf einem Hügel unweit den Überresten der alten Stadt und beherrscht die große Ebene, die jetzt, soweit das Auge reichte, ganz von weißen Zelten übersät war. Dieser großartige Anblick und das Bewußtsein meiner Wichtigkeit als Nessektschi schwellten mir die Brust und mahnten mich auch an die Zeiten, die ich einst unter Turkmenenzelten verlebt hatte. Verglich ich meine jetzige Stellung mit meiner damals so elenden und aussichtslosen Lage, so konnte ich nicht umhin, mir zu sagen, ich hätte es jetzt auch zu etwas gebracht; ich, der früher unter die gehörte, welche geschlagen wurden, konnte nun selbst zuschlagen. »So Gott will, sagte ich mir, »komme ich nun bald in die Lage, meine freundlichen Gesinnungen für meine Nebenmenschen recht entfalten zu können.« Kaum hatte ich dies gedacht, kam Schir Ali auf mich zu und rief: »Hadschi, unser Glück scheint zu steigen! – Du sollst mich begleiten, und Inschallah (so Gott will), an uns soll es nicht fehlen. Wie du wohl weißt, sind die umliegenden Dörfer verpflichtet, für die Verpflegung des königlichen Lagers zu sorgen. Das Dorf Kadi Salwar zwischen hier und Hamadan hat, wie es scheint, seine Abgaben unter dem Vorwande nicht geschickt, einer der Prinzen, der sich dort anläßlich eines Jagdausfluges mehrere Tage mit seinem Gefolge aufhielt, habe die Bauern aus Haus und Hof gefressen. Ich habe nun den Befehl, hinzugehen, die Sachlage zu untersuchen und den Kädkhoda (Dorfvorsteher) nebst den Dorfältesten meinem Leutnant vorzuführen. Da du mein Freund bist, habe ich die Erlaubnis erwirkt, dich mitzunehmen, obschon die andern Nessektschis sich deshalb beschwert und gesagt haben, diese Dienstleistung käme ihnen zu. Nach dem Abendgebete mußt du dich bereithalten, mit mir aufzubrechen, denn morgen früh möchte ich an Ort und Stelle sein.«

Ich war ganz überglücklich, so rasch eine Verwendung zu finden, und wenn ich auch nicht ganz im klaren war, welche Pläne Schir Ali vorschwebten, so war ich dennoch schlau genug, zu verstehen, hier böte sich für zwei findige Kerle, die stets wußten, woher der Wind wehte, ein reiches Feld. »Wir müßten schon recht schlechte Sterne haben,« sagte ich mir, »wenn dieser Prinz alles so ausgeräubert hätte, daß es für uns gar nichts mehr einzuheimsen gäbe. – Irgendein Dichter sagte einmal: Die schlechteste Melone hat eine Schale; und riß der Tyrann auch den Bart aus, so verbleibt doch immer noch das Kinn.« Mit solchen Gedanken im Kopfe näherte ich mich meinem Pferde, das mit denen meiner Kameraden in der Nähe unsrer Zelte angepflöckt war, um es zur Reise aufzuzäumen. Als ich ihm die Stricke vom Halse und den Hinterbeinen löste, konnte ich nicht umhin, mich mit dem Tiere zu vergleichen, und sagte zu ihm: »Geliebtes Pferd, nun kannst du frei mit den Füßen stoßen, nach Herzenslust mit den Hinterbeinen ausschlagen und ebensoviel Unfug anstellen als ein Perser, wenn er die Obrigkeit nicht zu fürchten braucht.«

Schir Ali und ich verließen das Lager nach Sonnenuntergang, nur von einem jungen Burschen begleitet, der zuhöchst auf einem Esel ritt, der außer ihm noch mit unserm Bettzeug, Teppichen, nebst den Stricken für unsre Pferde beladen war.

Seitdem ich Soldat geworden, fügte ich meinem Namen noch den Titel Bei hinzu. Um aber bei diesem Unternehmen etwas stattlicher auftreten zu können, borgte ich mir nicht nur eine silberne Kette als Kopfschmuck für mein Pferd aus, sondern auch bei einem meiner Kameraden eine schöne silberbeschlagene Pistole für meinen Gürtel, mit dem Versprechen, als Gegengabe, falls unsre Ernte reichlich ausfiele, ein schönes Geschenk mitzubringen.

Wir ritten die ganze Nacht, schliefen zwei Stunden in einem am Wege gelegenen Dorfe und erreichten Kadi Salwar, als die Weiber gerade das Vieh aus den Ställen trieben und die Männer ihre Pfeifen rauchten, ehe sie aufs Feld an ihre Arbeit gingen. Sobald diese aber merkten, wir schlügen die Richtung nach ihrem Dorfe ein, geriet alles in sichtliche Aufregung. Die Weiber hörten auf zu schreien, verhüllten ihre Gesichter, die Männer schnellten aus ihrer sitzenden Stellung auf. Ich wünschte nur, meine Leser hätten sehen können, wie sich Schir Ali in die Brust warf und welch wichtige Miene er aufsetzte, als wir dem Dorfe näher kamen. Er tat so aufgeblasen, als wäre er mindestens der Großexekutor in Person, und fragte mit einem Herrschertone, der keinen Zweifel an seiner Wichtigkeit zuließ, nach dem Vorsteher des Dorfes. Dieser, ein schlichter, graubärtiger, dürftig aussehender alter Mann in ärmlichsten Kleidern, trat vor und sagte: »O Aga, Friede sei mit Euch! Hier bin ich, bin Euer untertänigster Diener! Möchte jeder Eurer Schritte glückbringend sein und Euer Schatten nicht kleiner werden.« Mit dem Worte »Bismillah« (im Namen Gottes) half man uns mit allen gebührenden Zeichen der Achtung vom Pferde. Einer hielt die Steigbügel, einer den Kopf des Pferdes, ein dritter faßte uns, um das Absteigen zu erleichtern, unter die Arme. Wir aber machten uns möglichst schwer, zogen die Schultern etwas hoch und krümmten den Rücken, Im ganzen Orient gehört es noch heute zum guten Tone und Anstande, daß ein Mann in einflußreicher Stellung unter der Last seiner Verantwortung stets ermüdet und etwas gebeugt erscheint. Geht er eine Stiege hinauf, werden sofort Diener herzueilen, ihn unter die Arme fassen und stützen. Dem Orientalen erscheinen zu rasche Bewegungen als ein Zeichen schlechter Erziehung und mangelnder Würde. wie dies hochgestellten und verdienten Leuten ansteht.

Dann führte man uns, von nahezu der ganzen männlichen Bevölkerung gefolgt, vor die Haustür des Kädkhoda, wo ein kleiner Teppich ausgebreitet war, auf dem wir uns, bis ein Zimmer des Hauses für uns instand gesetzt wurde, niederließen. Dort zog uns der Kädkhoda persönlich die Stiefel aus, versäumte auch sonst keine jener höflichen Aufmerksamkeiten, die einem Gaste bei der Ankunft erwiesen werden. Schir Ali, der das alles als ganz selbstverständlich hinnahm und mehrere besonders lange Züge aus seiner Pfeife paffte, sagte mit dem größten Nachdrucke: »Du, der Kädkhoda von Kadi Salwar, mußt wissen, daß ich im Namen des Schahs hier bin! Ich wiederhole es: im Namen des Schahs; und daß ich herkam, um dich zu fragen, warum das Dorf seine Abgaben an Lebensmitteln und Futter für das königliche Lager in Sultanijé nicht schickte, so, wie es ausdrücklich im Ferman steht, der vor zwei Monaten unterschrieben wurde und von dem Euch der Gouverneur von Hamadan in Kenntnis setzte. Gib mir Antwort, und wenn du kannst, so wasche dein Antlitz rein.«

Der Kädkhoda antwortete: »Ja, beim Lichte meiner Augen, ich kann nur wiederholen, was ich schon früher sagte. Alle hier anwesenden Männer«, und dabei zeigte er auf seine Mitbürger, »wissen, daß es die Wahrheit ist; und stockblind will ich werden, wenn ich lüge. Ärz mi kunöm; ich bitte, gestattet mir, Euch dies aufzuklären, o Nessektschi, den der gütige Gott segnen möge, der Ihr nicht nur ein Mann, sondern ein ganz kluger, ganz vortrefflicher Mann seid, ein Mann von großem Verstande, und schließlich auch ein gottesfürchtiger Muselmann! Ich werde nicht mehr und nicht weniger als die Wahrheit sagen, werde erklären, wie alles kam; Ihr mögt dann selbst entscheiden.«

»Gut, gut, erzähle,« sagte Schir Ali. »Ich bin des Königs Diener; was auch immer der Schah befiehlt, das müßt ihr befolgen.«

»Ihr habt zu befehlen,« erwiderte der Kädkhoda, »aber bitte, leiht meiner Erzählung jetzt Euer Ohr. Als vor drei Monaten das Getreide beinahe einen Gäz hoch stand und in der ganzen Gegend die Lämmer blökten, erschienen die Diener des Prinzen Kharab Kuli Mirza, die verkündeten, ihr Herr wolle in unserm Dorfe Quartier nehmen, um in der Umgegend zu jagen, da diese doch einen Überreichtum an Antilopen, wilden Eseln, Rebhühnern, Trappen und allem andern erdenklichen Wilde besitzt. Sobald sich diese Kunde im Dorfe verbreitete und wir einsahen, mit den Dienern sei nichts anzufangen, daß uns weder Bestechung noch Überredung vor dem Unglücke bewahren könnten, da bemächtigte sich des Dorfes eine große Bestürzung. Wir beschlossen darum, unsre Häuser zu verlassen und so lange, als die bösen Tage währten, ins Gebirge zu fliehen. Ach, hättet Ihr nur gesehen, in welchem Zustande sich die armen Bauern befanden, als sie alles, was sie besaßen, zurücklassen mußten! – Euer Herz würde sich um und um gedreht haben, und Euere Leber wäre zu Wasser geworden.«

»Was meinst du?« rief Schir Ali. »Die Dörfer werden verlassen, und ich soll auch noch Mitleid mit den Flüchtlingen haben? Nein, der Schah hätte sie alle töten lassen, wäre ihm das zu Ohren gekommen.« – »Um der Barmherzigkeit willen«, fuhr der alte Mann fort, »hört erst das Ende meiner Geschichte, vielleicht denkt Ihr dann milder. Bei Einbruch der Nacht beluden wir unser Vieh mit allem, was wir überhaupt mitnehmen konnten, und zogen in die Berge, wo wir uns in einer Höhle, dicht neben einem rieselnden Bache, verkrochen. Im Dorfe blieben nur drei alte, kranke Weiber und die Dorfkatzen zurück.«

»Hörst du Hadschi,« rief mein Gefährte, »alles, was einigen Wert hatte, schleppten sie fort, überließen dem Prinzen kahle Wände und ihre alten Weiber. Gut, fahre nur fort, Kädkhoda!«

»Von Zeit zu Zeit schickten wir Kundschafter aus,« sagte der alte Mann, »die uns berichteten, was unten vorging, und richteten uns einstweilen zwischen Felsen und Riffen häuslich ein. Als am Abend des darauffolgenden Tages die Jagdgesellschaft erschien und entdeckte, das Dorf sei leer, war ihre Wut und Enttäuschung keine geringe. Die Diener des Prinzen gingen von Haus zu Haus und erbrachen die Türen mit Gewalt. Nur ein Wesen hielt sie in Schranken, eine der alten Frauen, die ihre ganze Kraft zusammengenommen und das Bett verlassen hatte, um sie mit einer solchen Flut von Vorwürfen und Verwünschungen zu überhäufen, daß keiner kühn genug war, ihr in die Nähe zu kommen. Der Prinz, der in meinem Hause Wohnung genommen, befahl, Vorräte aus der nächsten Stadt zu beschaffen. Wo immer sie Getreide vorfanden, wurde es weggenommen, unsere Ackergeräte wurden als Brennholz benützt. Als diese aber aufgebraucht waren, hielten sie sich nicht nur an den Türen und Fensterrahmen unsrer Häuser schadlos, sondern nahmen selbst die Tragbalken und Dachsparren. Inmitten unsrer jungen Saat pflöckten sie ihre Pferde an, schnitten auch ein gut Teil davon ab, um sie wegzuführen. Kurz, wir sind gänzlich ruiniert, besitzen weder Geld noch Kleider, Vieh oder Lebensmittel, und außer Gott seid Ihr unsre einzige Rettung.«

Da schnellte Schir Ali von seinem Sitze auf, faßte den alten Mann energisch beim Barte und schrie: »Schämst du dich nicht, alter Mann mit grauen Haaren, solche Lügen vorzubringen? – Vor wenigen Augenblicken sagtest du mir, ihr hättet alles, was wertvoll war, in die Berge geschleppt, und nun wagst du zu behaupten, ihr wäret ruiniert? Das kann gar nicht sein. Wir machten doch keine so lange Reise, um solchen Unsinn anzuhören! Du irrst, wenn du meinst, wir ließen uns zum besten halten! – Ihr kennt Schir Ali noch nicht! Wir sind Männer, die selbst im Schlafe stets ein Auge offen behalten; kein Fuchs kann seinen Bau verlassen, ohne daß wir es wüßten, und wenn du dich für eine Katze hältst, so sind wir die Väter aller Katzen. Dein Bart müßte viel länger und du weit mehr in der Welt herumgekommen sein, bis du hoffen könntest, uns so an der Nase herumzuführen.«

»Gott möge mir vergeben,« sagte der Alte, »ich dachte nicht daran, Euch was vorzumachen; so einer, wie ich bin, würde nicht einmal wagen, so was zu denken. Wir sind die Rajahs (Bauernstand) des Königs, und was wir besitzen, ist sein; aber zuerst hat man uns von allem entblößt und uns zuletzt die Haut abgezogen. Geht, macht selbst die Augen auf, seht unsre Felder an, blickt in unsre Scheunen, weder innerhalb noch außerhalb unsrer Häuser haben wir Getreide.«

»Gut,« sagte Schir Ali, »ausgeräubert und geschunden, mit oder ohne Getreide, für uns gibt es nur einen Weg und nur einen Spruch: ihr habt den Befehlen des Schahs zu gehorchen. Entweder liefert ihr in Geld oder in Vorräten die euch auferlegte Abgabe, oder eure Ältesten müssen mit uns nach Sultanijé gehen, wo sie den Behörden überantwortet werden.«

Nach diesen Worten gab es ein langes Flüstern und Beraten zwischen den Dorfältesten und dem Kädkhoda, die sich in eine Ecke zusammengedrängt hatten, während wir, in würdevolles Schweigen gehüllt, uns den Anschein gaben, als rauchten wir unsre Pfeifen mit der größten Gemütsruhe weiter. Endlich erfuhren wir das Ergebnis der langen Beratung; die Bauern versuchten jetzt, uns mit einer ganz veränderten Taktik beizukommen. Der Dorfvorsteher bemühte sich, mich weicher zu stimmen, ein andrer trachtete, das gleiche bei Schir Ali zu erreichen. Ersterer näherte sich mir mit allen Bezeugungen freundschaftlichster Gesinnung, um hierauf in landesüblicher Weise meiner Eitelkeit zu schmeicheln. Seiner Anschauung nach war ich das vollkommenste aller von Gott erschaffenen Geschöpfe, er beschwor, nicht nur er, sondern das ganze Dorf habe eine besondere Zuneigung zu mir gefaßt; auch sei ich die einzige Persönlichkeit, die ihnen aus ihren Nöten heraushelfen könnte.

Solange es aus dieser Tonart ging, begnügte ich mich, voll Gleichgültigkeit mit meiner Pfeife zu spielen. Als er aber mehr auf Einzelheiten einging, sogar allmählich davon zu reden begann, was man uns allenfalls geben würde, da, ich muß es gestehen, wuchs mein Interesse ganz bedeutend. Er sagte mir, sie hätten lange beraten, was eigentlich zu tun sei, und wären alle darin einig, man könne doch unmöglich an den König schicken, was man selbst nicht besäße. Das stünde außer Frage. Wenn wir aber ihre Interessen vertreten wollten, so wären sie gerne bereit, um uns wenigstens in diesem Punkte zufriedenzustellen, uns etwas anzubieten.

»Das ist alles recht schön,« sagte ich, »aber auf mich allein kommt es gar nicht an. Hier sind wir nur zu zweit, bedenkt jedoch, daß unser Vorgesetzter auch das Seine bekommen will. Wenn ihr nicht zuerst an diesen denkt, so ist alle eure Mühe und jede Ausgabe ganz umsonst. Ich kann euch ferner sagen, so ihr ihm etwas in die Hand drücken wollt, muß das Groughöe (Trinkgeld) nicht nach Miskals (vierundzwanzig Getreidekörnern), sondern nach Männ (sieben und ein halbes Pfund) berechnet sein.«

»Alles, was wir besitzen, wollen wir hergeben,« sagte der Kädkhoda, »doch unsre letzte Steuerlast war so erdrückend, daß wir, unsre Weiber und Kinder ausgenommen, tatsächlich nichts anzubieten vermögen.«

»Freund,« erwiderte ich, »ich möchte dir ohne alle Umschweife sagen, gebt uns Geld; es hat gar keinen Zweck, uns etwas andres als bares, blankes Geld anzubieten. Hast du Bargeld in der Hand, kannst du dem Schah die Krone vom Kopfe herunterkaufen; ohne Geld kann ich dir nichts andres als eine ausgiebige Ernte an Bastonaden versprechen.«

»Ach,« sagte der alte Mann, »Geld! Geld! Woher sollten wir Geld nehmen? wenn unsre Frauen eines Geldstückes habhaft werden, bohren sie ein Loch hinein und hängen es als Schmuckstück um den Hals. Und wenn wir nach einem Leben härtester Arbeit glücklich fünfzig Toman zusammenzuraffen vermochten, die uns mehr Sorge machen, als besäßen wir den Kuh-i-nur. Der ›Derja-i-nur‹, Meer des Lichts, nach dem ›Kuh-i-nur‹ Berg des Lichts, einer der berühmtesten Diamanten des Orients, schmückte früher als Talisman eine Armschiene der königlichen Rüstung. Er wird jetzt vom Schah auf der Mütze getragen. Er verdankt seinen Namen seiner flachen Form. – Auch der Kuh-i-nur gehörte kurze Zeit zu den persischen Kronjuwelen, wurde aber von einem Afghanen geraubt, gelangte nach Indien und dann in den britischen Kronschatz. – (Friedrich Rosen.) so vergraben wir sie in der Erde.« Daraufhin legte er seinen Mund an mein Ohr und flüsterte mit großem Ernste: »Ihr seid doch ein Muselmann und kein Esel. Ihr denkt doch nicht, daß wir dem Löwen in den Rachen fallen wollen, wenn wir es vermeiden können; sagt mir«, dabei deutete er auf meinen Gefährten, »mit wieviel wird wohl der zufrieden sein? Könnte ich ihm fünf Toman und ein paar karmoisinroter Schälwär (Beinkleider) anbieten?«

»Weiß ich, womit er zufrieden sein mag?« sagte ich. »Aber ich weiß, daß er keinen Funken von Mitleid besitzt. Macht aus fünf Toman zehn und aus den Beinkleidern einen Oberrock, ich will versuchen, ob er das annimmt!«

»Das ist zuviel,« erwiderte der Kädkhoda; »so viel ist unser ganzes Dorf nicht wert. Seht zu, daß er sich mit fünf Toman und den Beinkleidern zufrieden gibt. Euch aber wollen wir alsdann unsre Dankbarkeit durch ein Geschenk beweisen, das Euch in Staunen setzen soll.«

Damit waren unsre Verhandlungen beendet und ich ebenso gespannt, was mein Gefährte erreicht hatte, wie ihn das Ergebnis meines Flüsterns mit dem Kädkhoda interessierte. Nachdem wir uns das Resultat mitgeteilt hatten, stellte sich heraus, daß jeder der Bauern versucht hatte, die Höhe unsrer beiderseitigen Preise herauszubekommen.

»Ich«, versicherte ich Schir Ali, »habe dich wie den reinsten Moloch geschildert, der mehr Gold verschlänge, als ein Strauß Eisen verdauen könne, und überdies betont, dein unbändiger Stolz hielte es unter seiner Würde, sich mit einstelligen Zahlen zu befassen; weniger als zehn nähmest du überhaupt nicht an.«

»Gut gesagt,« meinte Schir Ali; »und ich sagte meinem alten Unterhändler, du wärest, trotz deiner sanften Mienen und deines stillen Wesens jeder Gewalttat fähig, wenn man dich nicht sehr gut bezahlte.«

Nachdem einige Zeit verstrichen war, erschien die ganze Bauernversammlung, an ihrer Spitze der Kädkhoda, abermals, um uns mit den bei solchen Anlässen üblichen schönen Redensarten glänzende Geschenke anzubieten, und zwar in der sehr greifbaren Form von Äpfeln, Birnen, einem Topfe Honig und einigen Käsen. Als sie diese Dinge vor uns hingestellt hatten, bot mir der Kädkhoda im Flüstertone fünf Toman samt den Beinkleidern an und klagte über seine und des ganzen Dorfes jammervolle Armut in so kläglichen Tönen, daß jedes Herz, ausgenommen das von Schir Ali, in Mitleid zerfließen mußte. Sofort waren wir einig, die uns dargebrachten Gaben zurückzuweisen, und befahlen, sie uns alsogleich aus den Augen zu räumen. Voller Schrecken nahmen die armen Leute ihre Schüsseln wieder auf den Kopf und schlichen zögernd und bekümmert davon. Nach Ablauf einer halben Stunde erschienen sie abermals, aber nur, nachdem sich der Kädkhoda vorher versichert hatte, daß, wenn er zehn Toman und einen Rock brächte, dies nicht zurückgewiesen würde. Nachdem wir etwas gegessen hatten, Schir Ali das Geld eingesteckt und den Rock in Sicherheit gebracht, begann ich nach dem Etwas, was mich so überraschen sollte, Umschau zu halten! – – Aber wennschon mich der Kädkhoda dann und wann durch allerlei bedeutungsvolle Blicke und Winke in Atem hielt, kam nichts zum Vorschein. »Wo ist das Geschenk?« fragte ich endlich voller Ungeduld.

»Es kommt,« antwortete er, »nur ein bißchen Geduld, es bedarf nur noch einiger Vorbereitungen.«

Endlich nach langem Warten wurden die Beinkleider, die Schir Ali verweigert hatte, auf einer Schüssel ausgebreitet vor mich hingestellt und mir unter einem Schwalle der schönsten Redensarten als Geschenk dargebracht.

»Das soll die Überraschung sein?« rief ich entrüstet aus. »Ihr schamlosen Gesellen, wißt ihr denn nicht, daß ich ein Exekutor bin, einer, der eure Väter verbrennen und euch mehr Kümmernisse bereiten kann, als ihr je erfahren habt? Was fällt euch denn eigentlich ein? Diese muffigen Schälwärs, die seit Generationen euren ekelhaften Vorfahren gehört haben, die ich nun wohl selbst anziehen soll, hierher zu bringen? Fürwahr, ihr müßt wirklich toll sein, wenn ihr annehmen konntet, um dieser unwürdigen Fetzen willen würde ich mich bemühen, eure Interessen zu vertreten! Macht, daß ihr fortkommt, oder ich zeige euch, wessen ein Nessektschi fähig ist!«

Als sich die Bauern ganz gehorsam wegschleichen wollten, hielt Schir Ali sie zurück und sagte: »Laßt mich einmal die Beinkleider näher besehen! Oh,« meinte er, hielt sie gegen das Licht und untersuchte sie so genau, als handelte er selbst mit alten Kleidern, »gar so schlecht sind sie nicht einmal, sie haben wenigstens keine Löcher. Bitte drum, ich behalte sie für mich; vielen Dank, möchte es euch und euren Weibern und Kindern fernerhin wohlergehen.«

Alle Anwesenden schauten ganz verdutzt drein, doch keiner wagte Einspruch zu erheben. Ich hingegen, der schon im voraus so große Vorteile erhofft hatte, war allerdings um diesen jämmerlichen Nebenverdienst geprellt, allein um eine Erfahrung reicher geworden. Wußte ich jetzt doch, wie ich künftighin mit meinen Landsleuten verfahren müsse, und überdies, wie wenig Vertrauen man einem sogenannten Freunde schenken dürfe.


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