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Es war ein schöner Frühlingsmorgen, als die Karawane durch das Konstantinopler Tor die Stadt verließ.
Ich saß zuhöchst auf einer meiner Ladungen, mein Bett als weiches Polster daraufgebunden, überschaute, umgeben von meinen Pfeifenrohren, vergnügt die Landschaft, lauschte auf die Glöckchen der Maultiere, als wären sie Musik, und betrachtete mich selbst als einen Kaufmann von nicht geringer Bedeutung.
Die mir näherstehenden Gefährten waren Osman und sein Geschäftsfreund, der gleich ihm mit Lammfellen handelte, sowie ein paar Kaufleute aus Bagdad. Außerdem befanden sich unter den Reisenden noch viele meiner Landsleute, die, aus den verschiedensten Städten Persiens gebürtig, mir sämtlich mehr oder weniger bekannt waren und sich alle Geschäfte halber nach Konstantinopel begaben. Mein Abenteuer mit dem Oberpriester aus Teheran war mehr oder minder der Vergessenheit anheimgefallen. Nicht nur die Art meiner Kleidung, sondern auch die Narbe auf der Wange gaben mir so ganz den Charakter eines in Bagdad Gebürtigen, daß mein Äußeres fast gar keine Merkmale mehr dafür aufwies, daß ich eigentlich ein Perser war.
Ich will meinen Leser mit der Beschreibung unserer Abenteuer durch die Türkei nicht ermüden. Sie bestanden in der üblichen Furcht vor Räubern, Streitigkeiten unter den Maultiertreibern und Balgereien in den Karawansereien. Es genügt, wenn ich erwähne, daß wir unser Reiseziel wohlbehalten erreichten, doch den Eindruck, den der erste Anblick von Konstantinopel in mir wachrief, kann ich nicht umhin, zu schildern.
Ich, ein Perser und ein Ispahaner, war stets gewohnt gewesen, meine Vaterstadt für die schönste auf der ganzen Welt zu halten. Es war mir nie in den Sinn gekommen, eine andere könnte ihr nur im entferntesten den Rang streitig machen. Beschrieb man mir die Hauptstadt von Rûm (Türkei) als schöner, so lachte ich dem, der sie mir schilderte, spöttisch ins Gesicht. Aber wie groß war mein Erstaunen, ich möchte fast sagen mein Verdruß, als ich zum ersten Male diese herrliche Stadt mit eigenen Augen schaute. Die königliche Moschee auf dem großen Platze in Ispahan war mir früher als das stolzeste Gebäude der ganzen Welt erschienen. Hier aber gab es hunderte, die schöner waren, denn eine übertraf immer die andere an Pracht und Herrlichkeit. Ich bildete mir ein, daß nichts an Ausdehnung meiner Vaterstadt gleichkommen könnte. Hier ermüdete mein herumschweifendes Auge schon beim Versuche, Häuser und Paläste, die die weitausgedehnten Hügel und Buchten so dicht übersäten, zu zählen. Bedeutete Ispahan die halbe Welt, so war hier in der Tat die ganze! Besitzt doch dieses Juwel aller Städte, im Vergleiche mit dem von schroffen, kahlen Felsen umsäumten Ispahan, den weiteren Vorzug, sich längs den abwechslungsreichsten, farbenprächtigsten Gestaden der schönsten Meeresarme hinzuziehen, in ihren klaren Fluten wie in einem nie versagenden Spiegel seine Ausdehnung und Herrlichkeit verdoppelt und erhöht zu schauen. Doch wo müßte ich beginnen, wo aufhören, wollte ich alle beweglichen Gegenstände schildern, die mich aufs höchste fesselten? Die Tausende von Fahrzeugen aller Größen und Formen, die unablässig die Wellen nach allen Richtungen hin durchschnitten, während die größeren Schiffe, deren Masten mir ansehnlicher dünkten als die Wälder von Masenderan, die vielfach gewundenen Ufer des weitausgedehnten Hafens umsäumten.
»O!« rief ich meiner Umgebung zu, »das ist ein Paradies, das ich niemals verlassen möchte!« Doch als ich bedachte, in welchen Händen es war, daß es sich im Besitze einer Sekte elender Ketzer befand, deren Bärte uns als Kehrbesen zu schlecht dünkten, da erschien es mir meinerseits allerdings als große Herablassung, ihnen meine Nähe überhaupt zu vergönnen. Doch einiges Nachdenken gewährte mir den großen Trost, daß, wenn es ihnen schon erlaubt war, sich in dieser Welt einen so herrlichen Fleck als Wohnsitz auszusuchen, sie die Schrecknisse, die ihrer zweifellos in der anderen harrten, nur um so härter empfinden würden.
Nachdem wir uns im Zollhause den üblichen Untersuchungen unterworfen hatten, nahmen wir in Skutari ein Boot, um nach Stambul überzusetzen, und ließen uns samt unseren Waren im Mittelpunkte der Stadt, in einer den Basaren nahegelegenen, von den Persern gewöhnlich aufgesuchten Karawanserei nieder. Wie wenig ich bedeutete, fühlte ich beim Gedanken, nur einer in diesem unermeßlichen, unablässig durch die großen Verkehrsadern flutenden Völkerstrome zu sein. Als ich jedoch die vielen Kostbarkeiten sah, die in den Läden ausgelegt waren, den prächtigen Anzug fast jeden Bewohners anstaunte, die ununterbrochene Reihe der vornehmen Herrn und Agas bewunderte, die auf den schönsten, reichgeschirrtesten Pferden dahinritten, da konnte ich nicht umhin, mir selbst ganz heimlich zuzuflüstern: »Was ist Konstantinopel in seiner Pracht und Persien in seiner Armut!« Der alte Osman und ich mieteten gemeinsam ein Zimmer in der Karawanserei, um dort unsere Waren aufzubewahren. Am Tage breitete ich meine Pfeifenrohre auf einem hölzernen Gestelle aus, und da ich eine reiche Auswahl besaß, so vermehrte sich nicht nur mein Absatz, sondern auch mein Gewinn ganz beträchtlich. Aber im gleichen Maße, als mir das Geld in den Beutel zurückfloß, stürzte ich mich in Luxusausgaben, die ich früher sorgfältig vermieden hatte. Meine Kleidung ward reicher und bequemer, ich erstand einen schönen Tschibuk mit einer Bernsteinspitze, umgürtete meine Taille mit einem farbenprächtigen Schal, mein seidener Tabaksbeutel war reichlich mit Goldflitter gestickt, meine Pantoffeln erstrahlten im grellsten Gelb, und schließlich beschenkte ich mich selbst mit einem glitzernden, prächtigen Dolche. Überall winkten mir zahlreiche Versuchungen, Geld auszugeben; der Luxus erschien mir jetzt als etwas, was das Leben erst lebenswert macht. Auch an Gelegenheiten, meine Persönlichkeit öffentlich zu zeigen, fehlte es nicht, ich besuchte mit Vorliebe die bekanntesten Kaffeehäuser, wo ich auf einer hohen Bank, wohlig in weiche Kissen gelehnt, meinen Kaffee schlürfte und bedächtig, wie ein Mann vom höchsten Range, meine Pfeife rauchte. Da ich einst in Persien in so fatale Abenteuer verwickelt worden war, mißtraute ich jetzt meinen Landsleuten, ja, mied sie sogar, bemühte mich hingegen, Bekanntschaften unter den Türken zu machen. Meine Landsleute jedoch, die stets nach allem forschen, sich bei der geringsten Unaufmerksamkeit mißachtet fühlen und herausbrachten, wer und was ich sei, betrachteten mich nicht gerade mit wohlwollenden Blicken. Immerhin versuchte ich, auf gutem Fuße mit ihnen zu stehen, und solange wir uns in geschäftlicher Richtung nicht ins Gehege kamen, ließen sie mich ungeschoren. An öffentlichen Versammlungsorten gab ich vor, ein reicher Kaufmann aus Bagdad zu sein, meine Beulennarbe, die mir früher als ein rechtes Unglück vorkam, war jetzt der sichtbarste Beweis für die Wahrheit meiner Behauptungen geworden. Ich fand nichts leichter, als die Türken durch den äußeren Schein zu täuschen. Ihre Schweigsamkeit, die würdevolle Gemessenheit ihrer Haltung und ihres Gebarens, ihr langsames Dahinschreiten, ihre feststehenden Redensarten waren so leicht nachzuäffen, daß es mir in der kürzesten Zeit gelang, je nach Belieben mich wie der Dümmste oder Würdevollste ihrer Gattung zu benehmen. Ich leistete ganz Hervorragendes als guter Zuhörer, verstand so herrlich von Zeit zu Zeit ganz an passender Stelle einen heiligen Seufzer als: »Allah!« oder »Es gibt nur einen Gott!« recht sanft herauszustoßen, ließ ohne Unterlaß die Perlen meines Rosenkranzes durch die Finger gleiten und wurde demzufolge, sobald ich im Kaffeehause, wo ich zu verkehren pflegte, erschien, mit ausgesuchtester Höflichkeit begrüßt. Goß mir der Kaffeehausinhaber mit hochgeschwungenem Arm den Kaffee, den er stets eigenhändig für mich zu bereiten pflegte, ein, so geizte er nicht, mir die schmeichelhaftesten Titel wie: »Mein Aga« und »Mein Sultan« beizulegen. Entstand jedoch unter den Gästen der kleinste Zwist über Pferde, Waffen, Hunde oder, beim Hauptgesprächsthema, über den Tabak, so wurde ich meines großen Ansehens halber, das mir mein würdevolles Auftreten verschafft hatte, stets zum Schiedsrichter ernannt; es bedurfte bloß eines leise von meinen Lippen gemurmelten »Belli« (Ja) oder eines »Yok« (Nein), um alsogleich jede Meinungsverschiedenheit vollständig beizulegen.