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Einundsiebzigstes Kapitel

Hadschi schreibt die Geschichte Europas und kehrt nach Persien zurück

Ganz erfüllt von allem, was ich in Erfahrung gebracht hatte, und hochbeglückt, meinen ersten Versuch in der diplomatischen Laufbahn von solchem Erfolge gekrönt zu sehen, kehrte ich zum Botschafter zurück. Er war von der Denkschrift, die ich mit Hilfe des Materials, das mir der Kiatib geliefert, zusammengestellt hatte, ganz entzückt, und ich wurde nun täglich während unseres Verweilens in Konstantinopel so lange auf die Suche nach neuen Einzelheiten ausgeschickt, bis wir beide die Sache hinlänglich zu beherrschen glaubten, um, den genauen Instruktionen des Schahs gemäß, jene umfassende Geschichte Europas schriftlich niederzulegen, die der Botschafter nach seiner Rückkehr dem Mittelpunkte des Weltalls in Teheran überreichen sollte. Mit wahrem Feuereifer begann ich, mich der Abfassung dieses wertvollen Kapitels der Geschichte zu widmen, und verfertigte vorerst einen rohen Entwurf, der meinem Chef zur Korrektur unterbreitet wurde. Als dieser hierauf den Inhalt mit der nötigen, dem Gaumen des Schahs angepaßten Würze versehen hatte, das Unangenehme milderte, das nicht kräftig genug Aufgetragene noch mehr hervorhob, übergab er später das Schriftstück einem Schreiber, unter dessen Händen die saubere Abschrift zu einem stattlichen Bande heranwuchs. Erst nachdem dieser, schön eingebunden und reich verziert, in einen Beutel aus Seide und Musselin versenkt war, schien er dem Botschafter würdig, dem Schah überreicht zu werden.

Mirza Firus, der daraufhin seine Mission in allen Stücken als erfüllt betrachtete, schickte sich zur Heimkehr an, nicht ohne mir vorher mitzuteilen, er habe nicht nur die Absicht, mich nach Teheran mitzunehmen, sondern gedenke meine Dienste auch fürderhin in Regierungsangelegenheiten zu verwenden; »weil«, sagte er, »eine Persönlichkeit, die in den Angelegenheiten der Franken so wohl Bescheid weiß, in Teheran bei den Verhandlungen mit den ungläubigen Gesandten von größtem Nutzen sein wird.«

Er hätte keinen Plan ersinnen können, der meinen Wünschen mehr entsprach. Nach den grausamen Mißhandlungen, die ich durch die Türken erfahren hatte, haßte ich alles, was mit ihnen zusammenhing. Ihre Hauptstadt war mir völlig unerträglich geworden, dachte ich aber an Schekerleb, so schwoll mir das Herz vor Wut. Nun war geraume Zeit seit meinen Abenteuern mit dem Oberpriester von Teheran verflossen, der Molla Nadan, wie ich vernommen, schon lange aus einem Mörser in die Luft geschossen, und die in die Hände der Kurden gefallene Priesterswitwe niemals nach Persien zurückgekehrt. Demzufolge glaubte ich, mich ganz beruhigt dort zeigen zu können, und machte ungefähr folgende Schlüsse: »Selbst wenn man mich wiedererkennt, wer wird es wagen, mich, den unter so mächtigem Schutze Stehenden zu belästigen? Nachdem man den unseligen Nadan ergriffen hatte, bekam der Oberexekutor sein Pferd wieder; auch hatte ich allen Grund, anzunehmen, daß Abdul Kerim, von dem man nichts mehr vernommen, das Schicksal seiner Herrin, der Oberpriesterswitwe, geteilt habe und ich mich darum nicht zu sorgen brauchte, man könnte mich zur Wiedererstattung der hundert Toman heranziehen. Voraussichtlich also war gar nichts zu befürchten, wenn ich nach Teheran zurückkehrte. Wußte man erst, daß ich im Dienste des Schahs stünde, so konnte ich noch tausendmal schuldiger sein, als ich es war, und dennoch unbehelligt mit schief aufgesetzter Mütze durchs ganze Reich marschieren. Durch diese Betrachtungen ganz ermutigt, traf ich bereitwillig alle meine Vorbereitungen, um mit dem Botschafter abzureisen. Doch vorher beschloß ich, meine Landsleute, die Perser, in der Karawanserei aufzusuchen, und konnte mir diesmal wohl größeren Erfolg von meiner wichtigen Miene versprechen als bei meinem letzten Auftreten, das mir so übel bekommen war. Nachdem ich es mir hatte angelegen sein lassen, sie von meiner Anstellung in der Botschaft zu unterrichten, brauchte ich ihre Verachtung nicht länger zu fürchten. Bekleidet jemand eine derartige Stellung, so kann er so sicher darauf rechnen, überall gewaltigen Respekt einzuflößen, daß auch ich bei diesem Anlasse keineswegs über einen Mangel an Höflichkeit zu klagen hatte. Jedes Wort, das man zu mir sagte, wurde mit einem: »Mit Eurer Erlaubnis« – »Mit Eurer Genehmigung« – »Möge Eure Güte nie weniger werden« eingeleitet; alle schönen Redensarten, die ich zu hören bekam, wurden noch obendrein mit endlosen Schmeicheleien durchspickt. Demnach Hütte niemand vermuten können, ich sei ein und dieselbe Persönlichkeit, die sie zwei Monate vorher verhöhnt und verlacht hatten; im Gegenteil, ein mit den Verhältnissen Unvertrauter mußte annehmen, daß ich über Tod und Leben gebieten könnte. Als ich vom alten Osman Abschied nahm, fand ich ihn unverändert, und jedes seiner Worte bekundete die Zuneigung, die er für den Sohn des Barbiers aus Ispahan hegte. »Geh, mein Sohn,« sagte er beim Scheiden, »ob du ein Gefangener der Turkmenen, ein Priester, ein Pfeifenrohrverkäufer, ein türkischer Aga oder ein persischer Mirza bist, ich werde stets, was immer du sein magst, für deine Wohlfahrt beten; möge Allah deine Schritte geleiten, wohin auch immer du gehst!«

Nachdem der Botschafter seine Staatsbesuche gemacht und sich von den türkischen Behörden verabschiedet hatte, verließ er Skutari, von einer großen Anzahl seiner Landsleute begleitet, die, nachdem sie ihm ungefähr eine Parasange weit das Geleite auf der Straße nach Persien gegeben hatten, wieder entlassen wurden. Unsere Reise verlief glücklich, und vom Tage unserer Abreise bis zu unserer Ankunft in Persien ereignete sich nichts Bemerkenswertes. Zu Eriwan erfuhren wir nur beiläufig die Neuigkeiten des Tages. Hingegen in Täbris, dem Sitze des Statthalters Abbas Mirza, wurden wir in die innersten Angelegenheiten eingeweiht, die augenblicklich das Land und den Hof in Atem hielten und sich hauptsächlich um die Rivalität zwischen dem französischen und englischen Botschafter drehten. Der Franzose, der schon vom Schah empfangen worden war, setzte jetzt alles daran, den Engländer aus der beglückenden Nähe des Thrones fernzuhalten.

Man erzählte sich die verschiedensten Anekdoten über die Mittel, welche die Gesandten anwendeten, um ihre Zwecke zu erreichen, ganz Persien geriet in Erstaunen, zu sehen, daß zwei Ungläubige mit so viel Mühen und Unkosten so weit hergekommen waren, um sich angesichts einer ganzen Nation wahrer Gläubiger, die sie doch sicherlich nur verachteten, verspotteten und zum besten hielten, so jämmerlich herumzustreiten.

Der Franzose hob, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, beständig die Macht und Größe seines, allen andern Herrschern überlegenen Kaisers hervor und betonte unausgesetzt, welch ungeheure Truppenzahl dieser ins Feld zu stellen vermöge.

Darauf antwortete man ihm: »Das mag alles seine Richtigkeit haben, aber was verschlägt das uns? Da zwischen uns und euch ganze Reiche liegen, welche verwandten Interessen können zwischen uns und Frankreich bestehen?«

»Aber«, antwortete der Franzose, »wir wollen Indien erobern und freien Durchzug durch euer Gebiet haben!«

»Was haben wir davon?« antwortete der Schah; »ihr möchtet wohl Indien besitzen, wir aber fühlen geringe Lust, eure Truppen zu bewirten!«

»Wir aber wollen euch Georgien zurückerobern, euch in den Besitz von Tiflis setzen und vor allen ferneren Belästigungen der Russen schützen!«

»Das ist ein anderer Fall!« sagte der Schah; »wir wollen abwarten, welche Folgen eure Einmischung zeitigt; und wenn wir hören, daß es diesseits des Kaukasus keine Russen mehr gibt, dann wollen wir mit euch verhandeln. Aber bis dorthin können wir euch weder freien Durchzug gestatten, noch mit unsern alten Freunden, den Engländern, brechen.«

Auf der andern Seite sagten die Engländer: »Wenn die Franzosen nach Persien kommen, so können sie nur die Absicht hegen, uns zu belästigen; – darum verlangen wir, daß ihr sie fortschickt!«

»Warum?« sagte der Schah; »wir können das auf Grund der Gastfreundschaft nicht tun. Die Pforte unseres Palastes steht jedermann offen.«

»Aber«, wendete der Engländer ein, »entweder müßt ihr den einen oder den anderen hier festhalten – also wählt zwischen uns beiden. Entweder seid ihr unsere Freunde und verjagt die Franzosen, oder ihr entschließt euch, uns als eure Feinde zu betrachten.«

»Warum sollten wir uns euch zu Gefallen Feinde machen? Wir wollen mit der ganzen Welt in Freundschaft leben.«

»Aber«, fuhr der Engländer fort, »wir wollen euch helfen und euch Geld geben.«

»O! das ist etwas ganz anderes,« rief der Schah, »sagt mir nur, wieviel, denn danach wird sich alles richten!«

So ungefähr standen die Dinge, als wir Täbris verließen. Aber da mein Botschafter in Teheran ungeduldig erwartet wurde, so verweilten wir nicht lange bei dem Prinzen, sondern setzten eiligst unsere Reise fort.

Als wir am Morgen in Sultanijé ankamen, entdeckten wir auf der Straße von Teheran einen langen Zug von Reitern, samt Gepäck, die unserer Meinung nach keine Perser sein konnten, sich vielmehr, als wir näher kamen, als Franken entpuppten. Sie wurden von einem Mehmander, einem Offizier des Schahs, begleitet, der uns mitteilte, es wäre die französische Gesandtschaft, die höflich gebeten worden sei, wieder abzureisen; nun werde, wie er hinzufügte, wohl in Kürze der englische Botschafter ihre Stelle einnehmen.

Damit war mit einem Male der Stand der Dinge am Hofe erklärt, und der Schah hatte einen guten Handel gemacht, indem er seine königliche Gunst dem Meistbietenden zuwendete.

Mein Botschafter war nicht wenig überrascht, daß dieser Entschluß vor seiner Ankunft gefaßt worden war, da er doch ganz beladen mit den wichtigsten Informationen über die europäischen Nationen ankam. Aber alle Schwierigkeiten sind leicht zu beseitigen, sobald dem Gelde erlaubt wird, seine überzeugende Beredsamkeit zu entfalten; und man wird an die Worte des großen Schaikhs (Saadi) erinnert:

»Das liebe Geld darf sich nur zeigen,
So wird sich jedes Haupt ihm neigen,
Der vollen Schale schwererem Gewicht
Trotzt auch der Wage Eisenbalken nicht.«

Wir waren glücklich, bei dieser Gelegenheit die Sitten einer Nation, von der wir in der letzten Zeit so viel vernommen hatten, aus der Nähe beobachten zu können. Mein Chef verfehlte nicht, da wir den Tag am gleichen Orte verbrachten, sich dem französischen Gesandten zu erkennen zu geben. Selbstverständlich erwarteten wir, die jetzt aus der beglückenden Nähe des Mittelpunktes des Weltalls verjagten Franzosen in freudloser und gedrückter Stimmung zu finden. Jedoch eine Gesellschaft von verrückteren Leuten hatte Persien niemals zuvor gesehen. Sie sangen, tanzten und machten den lieben langen Tag den Lûti (Possenreißer), redeten alle auf einmal, einer immer lauter als der andere, standen wohl auch, da sie nicht im geringsten irgendwelche Rangunterschiede geltend machten, sämtlich auf gleichem Fuße. Mit der größten Nichtachtung für unsere Teppiche liefen sie beständig ruhelos darauf hin und her, und genierten sich zu unserer größten Empörung nicht, sogar darauf zu spucken. Da ich mich jetzt, angesichts all der Plage, die ich angewendet hatte, um mich eingehend über die Franken zu unterrichten, in innigem Zusammenhange mit ihnen fühlte, versuchte ich festzustellen, ob nicht einige Ähnlichkeit zwischen ihrer und unserer Sprache bestände, verstand aber auch nicht ein Sterbenswort. Doch erschien es mir schon als ein gewisser Fortschritt, daß ich imstande war, einige ihrer am häufigsten angewendeten Ausdrücke, von denen der erste »sacré« hieß, der zweite »Paris« und der dritte »l'empereur« nach dem Gedächtnisse niederzuschreiben. Im ganzen mochten wir die Franzosen, zwischen denen und uns doch eine gewisse Ähnlichkeit zu bestehen schien, wohl leiden, waren sogar der Ansicht, daß, falls diese Ungläubigen nach diesem Leben zum ›Dusäkh‹ verdammt würden, sie wohl auch noch dort, anstatt ihr Schicksal zu beweinen und zu beklagen, sich ihre Laune ebensowenig verderben ließen als jetzt bei unserer Begegnung in Sultanijé. Am nächsten Morgen trennten wir uns, sie unter Lachen, Schwatzen und Freudenrufen, wir von Angst und Besorgnis erfüllt, wie der König der Könige den Botschafter empfangen würde.


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