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Das Gastmahl ging glänzend vorüber, auch hatte ich allen Grund anzunehmen, daß es mir gelungen war, meine Gäste zu überzeugen, ich sei wirklich der reiche Kaufmann, für den ich mich ausgab. Darum begann ich mich meines ungewohnten Reichtums mit Ruhe zu erfreuen, mich Vergnügungen hinzugeben, mit lebenslustigen Männern zu verkehren, mich aufs glänzendste herauszuputzen, kurz, ein Haus zu führen, welches das Gespräch und der Neid der Stadt war. Allerdings machte sich der Übelstand, all dies Glück lediglich meiner Frau verdanken zu müssen, jeden Tag peinlicher fühlbar. Trotz aller früheren Versicherungen der alten Ayscha ward ich nur zu bald inne, daß außer den Meinungsverschiedenheiten über Käse- oder Rahmtorten noch zahllose andere Streitfragen zwischen uns auftauchten. »Was für ein vortrefflicher Mann der alte Emir gewesen sein muß,« dachte ich mir, »daß er durchs Leben gehen konnte und sich nur über einen Punkt mit seiner Frau stritt, während ich für mein Teil sicher sein kann, daß, sobald eine Frage auftaucht, die zwei Seiten hat, jedes von uns stets der entgegengesetzten Meinung des anderen sein wird.«
Längst hatte ich gelobt, mir eine der Hauptfreuden zu vergönnen, die mir mein neues Glück ermöglichte, nämlich meine ganze Pracht und Herrlichkeit meinen Landsleuten in der Karawanserei zu zeigen; das Staunen, das diese beim alten Osman hervorrufen würden, genoß ich schon im voraus. Dieser Versuchung vermochte ich jetzt, wo ich mit Zuversicht meine neue Stellung als ganz befestigt betrachten durfte, nicht länger zu widerstehen, warf mich daher in meinen schönsten Staat, bestieg das beste Pferd im Stalle, versammelte das ganze Gefolge meiner Diener, um mich nach jener Karawanserei aufzumachen, in der ich, gleich nach meiner Ankunft in Konstantinopel, zuerst als Pfeifenrohrverkäufer abgestiegen war.
Als ich eintrat, schien mich niemand zu erkennen, trotzdem alle, weil sie hofften, in mir einen Käufer ihrer Waren zu finden, mit Ehrenbezeugungen für mich wetteiferten. Während meine Diener einen kostbaren Teppich als Sitz für mich ausbreiteten, sowie einen prächtigen Tschibuk mit Bernsteinspitze zum Rauchen darboten, erkundigte ich mich nach Osman. Dieser erschien und setzte sich, ohne mich zu erkennen, mit der gehörigen Ehrerbietung auf die äußerste Kante meines Teppichs. Sobald ich eine Zeitlang ganz harmlos mit ihm geplaudert hatte, bemerkte ich, wie er mich mit ganz besonderem Interesse betrachtete und, unfähig sich länger zurückzuhalten, ausrief: »Beim Barte des gesegneten Propheten Mohammed, Ihr könnt niemand anderes sein als Hadschi Baba!«
Nachdem ich über diesen Ausruf von ganzem Herzen gelacht und ihm erzählt hatte, in welcher Lage ich mich befände, erklärte ich ihm auch, wie vortrefflich ich die fünfzig Goldstücke, die er mir einst geliehen, angewendet habe. Doch sein philosophisches Gemüt schien über den Umschwung meines Geschickes nicht in dem Maße außer Fassung zu geraten, wie ich erwartet hatte. Als hingegen meine Landsleute, die Perser, hörten, unter diesem großen Turbane und dem umfangreichen Pelze säße jener Hadschi Baba, der einst wie sie ein Kleinkrämer gewesen, dem nicht nur diese Pracht gehörte, sondern noch obendrein ein Pferd, Diener und kostbare Pfeifen zur persönlichen Verfügung ständen, da erwachte ihre nationale Empfindsamkeit in einem Grade, daß sie ihren Neid und ihre Mißgunst nicht mehr zu bemeistern vermochten.
Leider erkannte ich meinen Mißgriff, mich in dieser Weise hervorgetan zu haben, viel zu spät und hätte mich jetzt gerne ohne weitere Triumphe still davongeschlichen.
»Was, das ist Hadschi Baba?« sagte der eine, »der Sohn des Ispahaner Barbiers? Möge das Grab seines Vaters verunreinigt und seine Mutter geschändet werden!«
»Gut gespielt, du echtes Kind Irans!« rief ein anderer. »Mit des Türken Bart hast du das Äußerste gewagt, möchten andere das gleiche mit dem deinen wagen!«
»Seht seinen großen Turban, seine weiten Beinkleider und seine lange Pfeife!« bemerkte ein dritter; »solche Dinge hat sein Vater niemals, selbst nicht im Traume gesehen!«
Meine neiderfüllten Landsleute verhöhnten mich in dieser Weise so lange, bis ich empört meine ganze Würde zusammenraffte, mich von meinem Sitz erhob, mein Pferd bestieg und inmitten ihrer fortgesetzten Sticheleien und verächtlichen Bezeichnungen den Ort verließ.
Zuerst empfand ich großen Widerwillen gegen sie und später noch größeren Ärger über mich selbst.
»Bei der Seele Hassan Kerbelāi, des Barbiers,« sagte ich mir; »dir ist recht geschehen! Durfte sich je ein wohlgenährter Hund unter die Wölfe wagen, ohne von ihnen zerrissen zu werden, oder ein törichter Stadtbewohner unter die wilden Araber, ohne daß sie ihn ausplünderten? Vielleicht wird Hadschi einmal weise werden, vorderhand muß er noch Ärger im Überflusse hinunterschlucken. Was nützt der Bart, wenn er an einem leeren Schädel hängt? Ungefähr so viel als der Henkel an einem Korbe ohne Datteln!
»Der Weise, der behauptete, es freue sich keiner über die Erhöhung des andern, außer wenn er ihn am Galgen baumeln sähe, war ein Mann, der reiche Erfahrung besaß.«
In dieser Weise führte ich ein Selbstgespräch mit mir, bis wir zu Hause anlangten, wo ich mich für den Rest des Tages in meinen Harem zurückzuziehen und die bitteren Erfahrungen, die ich hatte schlucken müssen, in Ruhe zu verdauen gedachte. Aber es sollte anders kommen, denn jetzt verlangte Schekerleb, um meinen Jammer noch zu steigern, wie von einem bösen Dämon getrieben, daß ich ihr unverzüglich das Geld, das ich in ihrem Ehekontrakte für ihre Kleider ausgesetzt hatte, ausbezahlen sollte, und peinigte mich so entsetzlich durch ihre unvernünftigen Bitten und Klagen, daß der Groll gegen meine Landsleute sich auch auf sie übertrug und sich in einer Flut der heftigsten Reden und wildesten Gebärden Bahn brach. In einem Atem stieß ich die schrecklichsten Flüche gegen die Perser, dann wieder die gräßlichsten Verwünschungen gegen meine Frau aus, bis ich, der sonst so milde und sanfte Hadschi, in eine tollere Wut geriet als der wildeste Löwe von Masenderan. Meine Frau, zuerst voll Erstaunen, stellte sich dann in zappelnder Ungeduld an die Spitze ihrer Frauen und Mägde und wartete schweigend ab, bis sie das Wort ergreifen könne. Als ich endlich verstummte, schien ihr Mund wirklich zu klein für den Wortschwall, der mit elementarer Gewalt daraus hervorsprudelte. Ihr Redestrom entfesselte die Zungenfertigkeit der alten Ayscha, diese hinwieder die der anderen Weiber, bis ein gegen mich gerichteter Ansturm von Toben und Schreien losbrach und mich nahezu überwältigte. Umsonst versuchte ich gegen dieses Rasen und Kreischen, für das sich das Zimmer, wo wir uns befanden, als zu klein erwies, anzukämpfen. So war ich, um mich dagegen zu schützen, der erste, der sich, unter dem Gezeter und Händeklatschen seiner Bewohnerinnen, die weit eher Wahnsinnigen glichen als jenen schönen Wesen, die uns der Prophet im Paradiese versprochen hat, aus dem Harem flüchtete.
Ermüdet, abgehetzt und bekümmert durch die Ereignisse des Tages, zog ich mich in mein eigenes Zimmer zurück, verschloß die Tür und fühlte mich, trotz alles das Menschenherz erfreuenden Luxus', der mich umgab, als das elendeste aller Geschöpfe, verwünschte mein törichtes Benehmen angesichts des gegenwärtigen Standes meiner Angelegenheiten und war erfüllt von bösen Ahnungen für die Zukunft. Nun sprangen mir alle Nachteile des Lügens nur zu deutlich in die Augen. Ich fühlte mich in meiner eigenen Schlinge gefangen; und hätte ich jetzt auch versucht, aus der gegenwärtigen Klemme durch ein neues Lügengewebe zu entwischen, zum Schlusse hätte ich mich doch unrettbar darin verstricken müssen.
»Wollte der Himmel!« rief ich aus, »ich wäre von Anfang an ehrlich und aufrichtig zu Werke gegangen, ich würde frei sein wie die Luft, und mir läge nichts daran, selbst wenn meine Frau weitertobte bis zum Jüngsten Tage. Aber da ich durch Verträge, doppelt besiegelte Verträge, gebunden bin, so werde ich vor der Welt stets dastehen als ein Lügner in Wort und Tat.«