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Margaret Kennedy, Die treue Nymphe.

Roman. (Aus dem Englischen von E[dith] L[otte] Schiffer.) München: Kurt Wolff Verlag (1925). 400 S.

Der Titel deutet auf den sagenhaften Liebeskampf von Mann und Nixe. Sie kann um dessentwillen, den sie liebt, an die Oberwelt steigen, als Erdenweib dem Mann die Treue halten; dann aber büßt sie mit dem Tode dieses Menschenglück. Das Meer als väterliches Schloß der Nymphe ist in diesem Buch die Musik, der unterseeisch tönende Palast, wo in der Flut der väterlichen Melodien die Nymphe mit den vielen Schwestern und Brüdern sich tummelt. Diese Familie eines begnadeten Träumers und Musikers – in allen ihren Gliedern von den Bräuchen der landfesten Gesellschaft gänzlich entbunden löst nach dem Tode ihres Oberhaupts, des Komponisten Sanger, sich auf. Sie wird ein Opfer bürgerlicher Verstrickungen. Und ihre wesenhafteste Figur, Teresa Sanger, das nymphenhafte Mädchen, endet stumm in einer Leidenschaft, die sie zu einem Schüler ihres Vaters faßt, der ihre Welt (und seine wahre Heimat) der Ehe mit einer vortrefflichen Bürgerstochter zum Opfer bringt. Dies lautlose Verenden eines Menschenwesens, das grausam sich in einer Welt vollzieht, wo nichts als nur Musik und wiederum Musik in Ansehen steht, bringt an den Tag, was aller Kunstbetrieb (weit strenger als der schöpferische Aktus selber) an Grausamkeit mit jedem technischen und kommerziellen teilt. Das Lebenslicht einer Jugend legt in diesem harten gläsernen Prisma zum wundervollen Spektrum seines Todes sich auseinander. Die ewige Ottilie der »Wahlverwandtschaften« ersteht in einer Londoner Bohème zu neuem Sterben. Und sie erscheint wie vordem so auch nun in einer Umwelt guter, sympathischer Menschen. Die neuere Entwicklung des Romans geht auf die Aufhebung der Bösewichter; der schlechte Mensch gehört ins Raritätenkabinett des Romanciers. Zumindest muß, wer diese heutige Gesellschaft auf ihrer bürgerlichen Höhe darzustellen gedenkt, wissen, daß eine allgemeine bona fides ihre subtilste Erfindung und das böse Gewissen ein Requisit ist, das sie den unteren Klassen zu beliebiger Verfügung abgetreten hat. – Wie dieses Buch den Leser mit sich zieht, obwohl es keine äußerliche Spannung kennt, dankt es dem Zauber der unglaublich sanften Strömung. Man treibt auf ihr dahin wie auf der Stimme, die man liebt, wenn sie erzählt. Ewig schade, daß ihre »englische« (will sagen: angelsächsische und engelhafte) Intonation durch eine Übersetzung getrübt wird, die im Philologischen eben hinreichen mag, in allem Stilistischen jedoch durchaus versagt. Auf das – von der »Literarischen Welt« so streng denunzierte – amerikanische Publikum aber wirft es denn doch ein versöhnendes Licht, daß drüben dieser Roman monatelang »best seller«, meist gefragtes Buch gewesen ist. Das macht nicht nur die kindische Kinderliebe der Yankees, die an den frechen Wunder- und Naturkindern des Komponisten ihr Gefallen finden muß, sondern die echte Naivität, die an einer Liebesgeschichte ihre Freude hat, welche so schön ist, nur weil die Dichterin sie so ungemein rein vorträgt.


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